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 Betreff des Beitrags: Aus den Reden Schattenhands
BeitragVerfasst: 3.04.17, 23:11 
Edelbürger
Edelbürger
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Die drei Schritte
Oder "Von der edlen Seele"


Alles strebt nach dem fernen Horizont, so fern dem eigenen Griff und gleich so nah den eigenen Augen, dass es manch einen schmerzt hinüber sehen zu können und nicht hinüber greifen zu können. Und so wenden sie ihren Blick vom fernen Ufer und rufen, die Wahrheit ruht im Innersten, nach Innen will ich nach dem Sein der Dinge schauen und nach Außen will ich nimmer schauen, nimmer hören und nimmer sprechen! Und so erfinden sie den Schlaf als höchste Tugend, denn der Schlaf macht die Seele rein, macht den Geiste leicht. Wer schläft, der kann nicht Falsches tun und wer schläft, der kann nicht Unrechtes denken. Doch ist mir diese Törricht noch die Liebste unter allen Törrichten, und wäre ich nicht ein Verkünder des Kommen der edlen Seele, so wäre ich ebenfalls ein Schläfer, der die Augen schließt, statt überall Übles zu sehen. Der das Haupt auf weiche Kissen bettet, anstatt es hoch zu tragen und Kronen darauf zu betten.

Doch will ich nicht von den Törrichten sprechen, sondern vom Wege zu jenem fernen Ufer, nach dem wir unsere Pfeile werfen wollen. Drei Schritte muss der Weise tun zu jenem fernen Ufer und der letzte Schritt soll sein eigener Untergang sein, denn er wird als Verkünder der edlen Seele zu Grunde gehen. Der erste Schritt ist der Schritt als Ochsen. Vieles Schwere lastet auf dem Geiste, auch dem starken und tragsamen Geiste, und ihm wohnt tiefe Ehrfurcht vor dem Schweren inne. So verlangt es dem Geiste nach dem Schweren und gar dem Schwersten. Was ist schwer?, so ruft der tragsame Geist, so kniet er nieder vor dem Schweren und will gut beladen sein, dem Ochsen gleich. Was ist das Schwerste, ihr Helden und Götter?, so fragt der Ochse, auf dass ich es auf mich nehme und mich an meiner Stärke erfreue! Ist es nicht das Schwerste, sich zu erniedrigen und seinen Stolz verwunden zu lassen? Oder sich nur von den Eicheln und Gras der Erkenntnis zu nähren und um der Wahrheit willen Hunger zu leiden? Oder ist es nicht das schwerste, die zu lieben, die uns verachten und selbst dem Gespenst die Hand zu reichen, dass uns fürchten lassen will?

All das und noch das Schwerste nimmt der Ochse auf seinen Rücken und schwer beladen eilt er in die Öde, wo er selbst den Durst noch auf sich lädt, um sich seiner Stärke und Tragsamkeit zu erfreuen. Und doch geschieht in der Einsamkeit der Öde eine wundersame Verwandlung, denn dort wird der Ochse zum Wolf. Freiheit will er sich in seiner Öde erbeuten und seinem letzten Herren ins Angesicht sehen. Feind will er ihm werden, und jenen großen Drachen niederringen, denn ist nicht der Sieg über das Höchste die edelste Tugend? Doch was ist der große Drache, denn der Wolf nicht mehr seinen Herren rufen Mmg? Du-sollst heißt der große Drache, doch der Wolf sagt allein Ich-will! Und so liegt Du-sollst in der Öde und auf seinen goldenen Schuppen glänzen die Worte und Gesetze von tausenden Jahren. Alles was je an Wertvollem geschaffen wurde, das glänzt an mir, so spricht der Drache, und alles was, und alles an Wert ward schon geschaffen und glänzt auf meinen Schuppen, kein Ich-will soll es mehr geben, den ich bin auf ewig das Höchste aller Dinge!

Weggefährten, wozu braucht es den Wolf in dieser Welt, wenn aller Wert schon geschaffen ward? Genügt es nicht am Ochsen, der alles Schwere zu tragen vermag? Auch der Wolf vermag keine neuen Werte zu erschaffen, denn Alles glänzt bereits am Drachen und der Wolf kennt allein den Hunger und die Jagd. Einzig Freiheit zu Neuen schaffen, dass vermag der Wolf, und Nein-sagen selbst zu der höchsten Pflicht. Das Recht sich zu nehmen zu neuen Werten, Furchtbares ist das dem Ochsen und einem ehrfürchten Geist, denn dazu bedarf es den hungrigen Wolf. Um den größten Raub zu tun in dieser Welt, dazu bedarf es eines raubenden Tieres. Wo der Ochse Du-sollst noch liebte, muss der Wolf noch im Höchsten und Heiligsten Wahn und Willkür finden, um den Drachen zu erschlagen und zu töten, was er einst seine größte Liebe war. Dazu bedarf es den Wolf, um in seinem großen Hunger selbst noch das Edelste und Höchste zu morden.

Und doch, was ist der dritte Schritt zu jenem fernen Ufer? Der raubende Wolf muss zum Kind werden, denn auch er vermag es nicht, neues zu erschaffen. Es braucht den Wolf, um Du-sollst zu reißen und von seinem Fleisch zu schlingen, doch es braucht das Kind, um in seiner Unschuld den Glanz der alten Werte zu vergessen. Nicht mehr Nein-sagen muss der Wolf, nunmehr Ja-sagen muss das Kind in seinem heiligen Spielen und Radschlagen, Ja-sagen zu seinem eigenen Willen und seiner eigenen Welt vermag allein das Kind.

Jene drei Schritte muss der Geist tun, Weggefährten, zum fernen Ufer. Schweres muss er Tragen, um stark zu werden und die nach seinem letzten Herren zu suchen, der ihm die Last von tausend Jahren von Du-sollst aufbürdet. Wolf muss der Geist werden, um den letzten Drachen niederzuringen und in seinem Hunger nach Freiheit selbst die goldensten und heiligsten Schuppen zu zerbrechen. Abermals zum Kind muss der Geist schließlich werden, zum Kind dass sich selbst Vater und Mutter ist, um in aller Unschuld zu vergessen, was ehemals war und um nicht mehr nur das heilige Nein zu sagen, sondern ein heiliges Ja zum Spiel und zu Neubeginn.

So sprach Schattenhand von den drei Schritten, die den Geist zum fernen Ufer führen.


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