...Mit ungefähr Zwölf Sommer kam ich in eine Kriegerakademie namens „Bellumgefällige Kriegerschule der Bornischen Lande zu Kettel“. Diese Schule war genau wie die ganze Baronie sehr darauf bedacht Traditionen und alten Sitten zu erhalten.
Besonderes Gewicht wurde auf die Reiterei gelegt. Immerhin leitete Cella Wohlgeboren Frau von Lassen diese Schule, die sich als eine der wenigen der Bewahrung der klassischen Ritterlichen Tugenden verschrieben hatte. Cella von Lassen war eine große, zuvorkommende und freundliche Frau von etwa fünfzig Jahren, die als Rittmeisterin auch die Ausbildung im Lanzenreiten übernehmen sollte. Sie hatte einen Brief von meinem Vater empfangen und wusste genau über mich Bescheid. Die Akademie umfasste vier Jahrgänge zu je zehn Schülern. Ich habe erst spät begriffen dass es keineswegs selbstverständlich war, dass ich hier aufgenommen wurde. Aber nach einem kurzen Gespräch und einer Vorführung auf dem Schulhof erklärte sie mich für aufgenommen.
Die Akademie hatte sechs Lehrmeister, dazu kamen zuweilen Gastlehrer sowie manchmal Geweihte aus der Stadt. Der Unterricht fand größtenteils im Burghof und in den zahlreichen Kellern statt. Körperliche Ertüchtigung erfolgte meist rings um die Burg und auf dem von Holzzäunen umfassten Gelände, während Ausritte oft mehrere Tage weit weg führen konnten. Die regulären Schulstunden hielten die Rittmeisterin, der Schwert- und Rüstmeister und der Lehrmeister für waffenlosen Kampf ab. Diese drei gaben, wie ich heute weiß, meinen Leben die ersten Richtlinien, die man von einem Lehrer nur erhoffen kann.
Die erste Zeit verbrachten wir zunächst mit Meister Waldemar, dem Ringkampf und Waffenlose Ertüchtigungen oblagen. Er war ein ziegenbärtiger Mittvierziger mit kurzen schwarzen Haaren. Ich konnte ihn die ersten Monate überhaupt nicht leiden, weil er mich aufs Rüdeste beschimpfte. Später gewöhnte ich mich an seine grobe, aber offene Art.
Wir mussten entscheiden, mit welcher Hand wir das Schwert führen und mit welcher das Schild, mit welchem Bein wir Sprünge und Ausfälle vollführen, mit welchen Augen wir zielen, ja, selbst mit welchen Ohr wir hauptsächlich lauschen wollten. Es fühlte sich seltsam an, es war das erste Mal das ich wirklich für mich selbst und für meine später Zukunft Entscheidungen treffen musste, die vielleicht auch die falschen seinen konnten.
Hagen Wiesen war unser Schwert- und Rüstmeister. In der Waffenkammer hingen je ein Dutzend Waffenröcke, Lederrüstungen, Kettenhemden und Plattenrüstungen. Üblicherweise hatte jeder Jahrgang eine Garnitur in Betrieb. Die Rüstungen waren uralt und jeder Teil ein Dutzend Mal geflickt, ausgebeult und geschliffen. Wir mussten sie instandhalten. Die beiden Male, da eine metallene Rüstung nicht mehr zu repariert werden konnte, bekam der Träger üble Strafen – obwohl er nur ausbadete, was dreißig Jahrgänge vor ihm dem guten Stück zugefügt hatten. Doch immerhin stellte eine vollständige Plattenrüstung einen unglaublichen Dukaten Wert dar. Wir lernten, dass jeder schlampig sitzende Riemen eine Armschiene abrutschen ließ und jede Beule im Blech bis zum Abend einen Blutergruß hinterließ.
Ehe wir unsere schönen Schwerter aber auch nur auf den Übungsplatz mitbringen durften, lernten wir ein Vierteljahr mit kurzen und langen Stäben kämpfen. Ich war ziemlich enttäuscht, zumal der Kampfstil nicht der von Schwertkämpfern, sondern der von Wanderburschen und Bauernrüpeln zu sein schien. Tatsächlich lernten wir dabei aber das, was allen Waffenkünsten gemeinsam ist, ob Schwert, Axt, Lanze oder Morgenstern: im Rhythmus zu schlagen, parieren, blocken umgreifen, kontern – und vor allem Hiebe einzustecken, Treffer zu vermeiden und selber zu erzielen. Zu den Grundkenntnissen gehörte auch das Abrollen: zuerst mit Hilfe, dann freihändig und schließlich mit der Waffe. Am Ende konnten wir aus der Rolle parieren und attackieren.
Denn sobald wir die Schwerter führen durften, war der Unterricht das, was ich mir erträumt hatte. Hagen brachte uns so viel bei, was über die Beherrschung der Waffe hinausging. Einen Schwertmeister macht mehr aus, als mit aller Kraft zu treffen: Gleichgewicht, Rhythmus, das Wissen um die Stärken und Schwächen des Gegners, seine Absichten und Einsichten. Ich sah in diesen Mann einen zweiten Vater.
Bei einem derart prallen Stundenplan kämpferischer Disziplinen kam unsere Bildung natürlich zu kurz. Nur einen Nachmittag pro Woche kam ein Astraelgeweihter zu uns, um diesem Mißstand abzuhelfen. Durch die verschiedenen Lehrer war der Unterricht zwar abwechslungsreich, manchmal aber auch zermürbend langweilig. Da gab es eine kurzsichtige Vitamageweihte, die uns mit Volksgut und Moralpredigten den ganzen Tag verdarb. Einen Richter aus der Stadt hingegen glänzte durch seine lockere Art, uns Etikette und Gesetze durch plausible Beispiele nahezubringen, auch wenn er uns anschließend durch eine Mündliche Prüfung abfragte.
Kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag die meisten Schüler unseres Jahrganges vor der Schlussprüfung zum Kriegerbrief. Außer einer, der in einigen Bereichen einfach unheilbar dumm war, bestanden wir alle. Das Haar trugen wir in einen Bürstenhaarschnitt, als wir den Kriegereid auf den König und die Viere sprachen. Rittmeisterin Cella von Lassen überreichte uns die Kriegerbriefe, die vor unseren Augen versiegelt wurden. Nach dieser Zeremonie machen mein Freund Peral und ich uns sofort auf den Weg, denn bald Standen einige Bellumgefällige Turniere an und diese wollten wir natürlich gewinnen…
