Das eherne Zeitalter, unser Zeitalter, gebaut auf einem Berg aus Knochen und Schädeln vergangener Kriege, ist die letzte Zeit, in der die Seele noch den Keim höhster Hoffnung zu pflanzen vermag. Noch ist der Boden reich genug, doch wird das Zeitalter von Rost und Staub kommen, und der Boden arm und zahm sein, dass kein hoher Baum mehr in ihm wachsen werde, noch tiefgründige Wurzeln Halt finden werden.

Es kommt ein Zeitalter, da wird die Seele nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht nach fernen Ufern schießen, doch verlernt haben, die Sehne seines Bogens zu schwirren. Man muss Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären und noch hat die Seele Chaos in sich. Doch es kommt ein Zeitalter, da wird die Seele keinen Stern mehr gebären. Es kommt die Zeit der verächtlichsten Seele, die sich selbst nicht mehr verachten kann, so niedrig und ohne tiefe Wurzeln wird sie sein. Und ich zeige euch die letzte Seele:

„Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?“ , so fragt die letzte Seele – und blinzelt. Die Erde wird klein geworden sein und auf ihr hüpft die letzte Seele, die alles klein macht, ein Geschlecht, so unaustilgbar wie der Erdenfloh, denn die letzte Seele lebt am längsten.

„Wir haben das Glück erfunden.“, sagen die letzten Seelen – und blinzeln. Sie haben die Orte verlassen, wo es ihnen zu hart war zu leben, denn man braucht doch Wärme. Man liebt noch den Nachbarn und reibt sich an ihm, denn man braucht doch Wärme.

Krankwerden und Zweifel gilt ihnen als Sünde, denn man geht achtsam umher. Ein Tor, der über Steine oder sich selbst stolpert! Ein wenig Gift ab und zu, denn das macht angenehmen Schlaf. Und viel Gift am Ende, denn das macht einen angenehmen Tod. Man wird nicht mehr arm noch reich, denn beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt mehr, nur eine einzige Herde, denn jeder will das Gleiche und jeder ist gleich. Wer anders fühlt, der geht ins Irrenhaus.

„Ehemals war die Welt irre“, sagen die Feinsten – und blinzeln. Man ist klug und weiss von allem, was geschehen ist, so hat mein kein Ende für Spott. Man zankt sich noch, versöhnt sich aber bald – sonst verdirbt es den Magen. Man hat ein Lüstchen für den Tag, auch ein Lüstchen für die Nacht, doch ehrt man die Gesundheit, denn alles andere ist zu beschwerlich.

„Wir haben das Glück erfunden“, sagen die letzten Seelen und blinzeln. Das ist das Schicksal eines Zeitalters von Asche und Staub, da haben die letzten Seelen ihre Sehnsucht und ihren Edelmut abgelegt, ihn in der Ferne hinter den Sternen verortet, getilgt vom Erdboden, wo nur noch der niedere Erdenfloh hüpft. Dieses Zeitalter wird kommen, werden die Verkündiger nicht zu Schaffenden und gehen doch als Verkündiger zugrunde. Wenn der Keim zur höhsten Hoffnung gepflanzt, dann wohnt ihn ihrer Brust nur noch der Erdenfloh und nur unser Untergang kann der Übergang zu neuen fernen Ufern sein, der sterbende tanzende Stern, aus dem sich nicht die letzte Seele, sondern die edle Seele erhebt.

Ich liebe alle die, welche wie schwere Tropfen sind, einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über den Lebenden hängt; sie verkündigen, dass der Blitz kommt und gehen als Verkündiger zu Grunde.
- Silianis Hendiamus