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Registriert: 16.02.16, 17:24 Beiträge: 311
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Inspiration ist ein Pfeil, der trifft, ohne zu wissen, warum
In den späten Zyklen - die Stadt Brandenstein war bereits im tiefen Schlaf versunken - war auf der Litheth zwar kein Licht zu sehen, doch das hielt eine hochgewachsene schlanke Gestalt nicht davon ab, mit leichtfüßigem Schritt über das Deck zu gehen. Melerwens raue Finger streichelten sanft über die Reling, als sie sich dem Schiffsbug näherte. Sie schloss die Augen, das glatte Holz unter ihren Händen befühlend.
Ergriffenheit durchflutete sie, als sie die Emotionen aufnahm, die ihr das Schiff mit jeder feinen Rille des Holzes, mit der nass-warmen Feuchte, die der Tau auf das Holz legte, erzählen wollte. Wie die Litheth Melerwen anvertraute, welche Liebe und Achtsamkeit Lazalantin seinem Schiff - seiner Liebsten - entgegenbrachte. Jäh erfüllte sie Unsicherheit und sie zog ihre Hand von dem Holz, als hätte sie etwas Verbotenes berührt. War sie in der Lage dieser Geliebten ein Gesicht zu verleihen?
Als sie am Bug ankam nahm sie das Pergament, das wohl für grobe Notizen ursprünglich gedacht war, aus ihrer Tasche und rollte es auf. Sie besah die Skizze die sie während des Gespräches mit Lazalantin fertigte... Melerwen kam nicht umhin festzustellen, dass ihre künstlerischen Fähigkeiten, was Pergament und Kohlestift betraf, unterirdisch waren, wenn sie an die Skizzen ihres Vaters zurückdachte. Ihre Mundwinkel hoben sich im Dunkel einen Deut an, als ihr Blick sich über das Meer hinweg gen Festland richtete. Sie wusste, dass sie in dem Moment, in dem sie das Holz in den Händen hält, die Skizze nur eine grobe Richtlinie sein würde.
Ich habe mein Versprechen an dich nicht vergessen, Vater. Die Litheth soll der Anfang meines Andenkens an dich sein.
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