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 Betreff des Beitrags: Der alltägliche Wahnsinn
BeitragVerfasst: 29.04.14, 14:12 
Ehrenbürger
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Es hatte bereits angefangen zu regnen noch bevor sie die Augen geöffnet hatte, das Kaminfeuer hatte sich zu hartnäckiger Glut am letzten, verkohlten Rest der Holzscheite gewandelt und noch längst war nicht Betriebsamkeit in den Gemeinschaftsraum der Akademie eingekehrt. Doch nun hatte Lumina die Augen geöffnet und der verschlafen anmutenden Blondine verlangte der Übertritt in einen Bewusstseinszustand der Wachheit einige Momente zielloser Gedanken, gedämpfter Sinneseindrücke und lustiger, halb gequält wirkender Gesichtsausdrücke ab. Es war, wie in den letzten Tagen so oft, nicht ihr eigenes Bett und auch keines der Betten des Schlafsaals der Akademie, in dem sie erwachte. Es war die treue Couch vor dem Kamin. Sie hatte dieser Tage Mühe die Mattheit nach dem Schlafen abzuschütteln, und um ehrlich zu sein, schlief sie dieser Tage nicht unbedingt wenig. Und obwohl sie schlief, wollte die Müdigkeit oft nicht so recht weichen. Aber für den Moment schien dies in Ordnung. Ein Seitenblick bestätigte dies. Ein Seitenblick der einen Haufen Pergamente neben dem sie auf der Couch eingeschlafen war, offenbarte. Ein Pergamentstapel der dafür sprach, dass ihre Pflichten nur eines von ihr verlangten - Aufmerksamkeit - vielleicht ein wenig Konzentration. Dinge die sie im Sitzen tun könnte. Und auch wenn sie für ihren Geschmack genug Zeit in ihrer Ausbildung auf dem Hintern und in der Bibliothek verbracht hatte, würde es, vor allem im Anbetracht ihrer Verfassung, auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht ankommen. Unbeholfen tastete sie nach dem Pergamenthaufen, diesen ungeschickterweise zu Fall bringend. Ein ungehaltenes Schnaufen entfuhr ihr, während sie sich eine etwas fettige, und wie immer widerspenstige Seitensträhne aus dem Gesicht schob.
Ein resignierendes Seufzen und einen Besuch im Badegewölbe später, stand sie mit nassen Haaren und in ihre mantelartige Robe gehüllt in der Küche des Gemeinschaftsraums und während ihr Blick durch selbigen wanderte, befassten sich ihre Gedanken mit der Prioritätensetzung ihrer nächsten Schritte. Es gab viele Dinge zu tun und Lumina war zumindest in diesem Moment froh, dass sie die meisten dieser Dinge von "hier" aus erledigen konnte. Punkt 1: Der Abwasch. Für die meisten Magister Novizensache. Da die wenigsten Novizen dieser Tage die Akademie regelmäßig aufsuchten, letztlich doch Magistersache. Besser gesagt Magistrasache. Letztlich also ihre Aufgabe. Und ein erhöhtes Schlafpensum ihrerseits hatte mittlerweile zur Folge, dass der Abwasch auch einmal etwas länger stehen blieb. Punkt 2: Das Gießen der Pflanzen. Dies ging ihr leichter von der Hand. Das innewohnende Bedürfnis der jungen Blondine sich zu kümmern, welches sie hier auch ausleben konnte da ihr "hier" in diese Angelegenheiten niemand hineinreden würde, gab dem Ganze eine beiläufige Leichtigkeit. Punkt 3: Unterrichts- und Prüfungsvorbereitungen. Die meisten bekamen es von außen nicht unbedingt mit, aber selbst in Zeiten unfrequentierten Unterrichts und des Nichtanwesenheit, tat sich etwas in der Akademie. Lehrstunden wurden vorbereitet und Situationen auf der Insel wurden vom Magistrat beobachtet und beurteilt. Ein bedeutender Teil des Pergamentstapels der sich auf der Couch sammelte. Und obendrein würde später wieder Unterricht bei Toran sein - was sich nahtlos an Punkt 4 anschloss: Das Herrichten der Räumlichkeiten, sodass sie vorzeigbar waren. Eine solche Akademie entstaubte sich nicht selbst und es waren lediglich die großen Akademien des Festlands welche frequentiert mit solch großem Andrang besucht wurden, dass die Hälfte an häuslicher Arbeit wie das Putzen und dergleichen von zu bestrafenden Schülern erledigt werden konnten. Punkt 5: Eigene Forschungen. Sie fand nur selten wirklich Zeit dafür, und oft war es mehr, dass die Umstände sich so aufdrängten, dass sie jenen Priorität einräumen mochte. Es war eigentlich bezeichnend für ihr Wirken. Das Eigeninteresse wurde hinten angestellt, stattdessen wurde still, unaufdringlich und ohne zu klagen am Grundgerüst der Dinge um sie herum gearbeitet. Damit sie auch morgen noch funktionieren würden. Keine einfache Arbeit. Keine dankbare Arbeit. Aber der weiße Pfad war auch nie der Pfad einfacher Wege gewesen.
Mit einem Teebecher bewaffnet ließ sie sich wieder auf der Couch nieder und ordnete den Pergamenthaufen wieder. Sie hatte sich dafür entschieden Punkt 3 vorzuziehen, denn Lifnas Umarmung schien sie noch nicht ganz losgelassen zu haben. Aber für diesen Morgen war letztlich auch dies zum Scheitern verurteilt - denn der Blick aus dem Fenster zog sie in seinen Bann. Regen. Sie mochte Regen. Sie sah Tare gern beim Nasswerden zu. Und wer weiß, vielleicht würde es am Ende sogar einen Regenbogen geben?


Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
Eigentlich anfangs lediglich für die Akademie geplant, gilt es in diesem Geschichtenthread einfach um einige kleine Geschichten die beschreiben was passiert wenn gerade 'nichts' passiert - gewürzt mit akuellen Ereignissen etc. aber das zentrale Thema ist der Alltag, wie das aktuelle Geschehen den Alltag der Charaktere beeinflusst etc.~ der alltägliche Wahnsinn eben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Der alltägliche Wahnsinn
BeitragVerfasst: 30.04.14, 13:08 
Ehrenbürger
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Beiträge: 609


...und so neigte sich auch dieser Tag dem Ende. Intrigen wurden gesponnen, Kämpfe wurden ausgefochten, Zwiste verkompliziert, Wahrheiten verhüllt, Lügen genährt, Messer gewetzt. So viel geschah täglich hinter verschlossenen Türen, in kleinen Kellern, an finsteren Orten und so viel Unaussprechliches fand letztlich doch eine Zunge die es andeutete, ein Ohr das es aufnahm und einen Verstand der es komplettierte. Und dazwischen konnte stets so viel schiefgehen. Tare war schon ein finsterer Ort, der stets nur einen Steinwurf davon entfernt schien in Finsternis zu fallen. Ähnliches würde man wohl 4 von 5 Galadonier sagen hören wenn man sie nach Güte und Hoffnung fragte. Und 3 von 4 jenes einen von 5 sollte man diese Frage besser nicht an einem schlechten Tag stellen. 2 dieser 3 von 4 würden den Fehler nicht bemerken und der verbliebene würde sagen dass es normal sei, da es leicht sei an guten Tagen gut zu sein.

Würde man Lumina Siegel an einem jener Abende fragen würde sie wohl etwas sagen wie: Dinge wurden geschaffen. Kleine Dinge. Dinge deren Ausgang noch ungewiss ist. Und Ungewissheit kann Hoffnung sein, denn mit beständigem Wohlwollen "kann" immer noch alles gut werden. Kämpfe wurden ausgefochten, ja. Aber Kämpfe wurden auch verhindert. Sie würde sagen dass so viel Dunkelheit an den unterschiedlichsten Orten gesät wurde, aber nie keimte. Weil viele Leute, kleine Leute, einfache Leute mit beständiger Mühe und manche mit erschreckender Leichtigkeit einfach nicht bereit waren es zuzulassen. Oder nicht anders konnten. Männer - Frauen - Kinder. All jene Geliebte, die jemandem so teuer waren, dass sie sie von dem grausamstem was Tare zu bieten hätte, verschonen wollten. Jene die den Menschen die dort draußen ihr Herz verhärten lassen müssen, ein Heim bieten, zu dem sie zurückkehren und Wärme finden können. Jene die einem Fremden ohne einen Hintergedanken helfen. Jene die nie einem Kind weh tun könnten und jene die so viel erlitten haben, dass es einfach genug wäre zu sagen, dass sie es der Welt nun zurückzahlen würden - die die trotzdem, oder gerade deswegen sich dafür entschieden, es besser zu machen. Tare besser zu machen. Jene die im Stillen ihre Arbeit tun, ohne Dank oder Lohn zu verlangen. Jene die nicht viel brauchen, aber so viel ertragen können. Wo viele sagen würden, dass Tare gerade hinter verschlossenen Türen ein finsterer Ort ist, hätte Lumina ihnen widersprochen.

Das war was in ihrem Herzen stets erklang. Was an diesem Abend geschah war viel simpler: Der Abwasch war erledigt, die Akademie war vorzeigbar, und sie war ihren Pflichten als Weißmagierin nachgekommen. Sie war da wo sie gebraucht wurde - das war nicht immer der Ort an dem sie mit ganzem Herzen sein wollte, aber das Leben war eben kein Wunschbrunnen. Wäre es einer gewesen, hätte sie eine Dukate hineingeworfen. Für ihre Mutter. Nein - nicht um sie zurückzuholen. Um ihr zu sagen "diese ist für dich - du hast einen Wunsch frei". Aber wo waren wir stehen geblieben? Der Tag. Richtig. Essen wurde gekocht, und Menschen wurden erwartet die nicht kamen. Natürlich, "ihren Pflichten als Weißmagierin nachgekommen" könnte an dieser Stelle eine weitaus aufregendere Geschichte sein. Man würde nun fragen wen sie alles beriet, rettete und welche Implikationen das hatte. Man würde die Tragweite ermessen und den Atem anhalten im Angesicht der gravierenden Folgen die eine kleine, unbedachte Geste in allzu ferner Zukunft haben könnte. Und auch wenn sich all dies in ihrem Kopf abspielte, an Abenden wie diesem, so war es nur selten dazu bestimmt, ihr Gedanken von den kleinen Dingen abzulenken. Denn all diese "unbedeutenden Dinge" die keine "guten Geschichten" ergaben - sie hielten die Dinge am laufen. Sie hielten andere Geschichten am Leben, indem sie deren ungenannte Grundlagen unterfütterten. Dies zu erklären hätte Lumina zweifellos dazu gebracht ihre Mutter zu zitieren die ihr einmal gesagt hatte "Tare dreht sich nicht nur um deine eigene Geschichte". Von diesen Gedanken begleitet bereitete sie den einfachen Kohleintopf. Mit diesem Gedanken ordnete sie einige Bücher in der Bibliothek neu. Mit diesem Gedanken kehrte sie den Gemeinschaftsraum. Mit diesem Gedanken machte sie den Abwasch. Dieser Gedanke begleitete sie auch, wenn ihre zweiten und dritten Gedanken weiter schweiften und ihre eigenen menschlichen Probleme erwogen. Dinge waren nie einfach, besonders als Magier. Das Magiersein warf fragen auf, die man sich an solchen Abenden stellte wenn man allein war und alle Arbeiten getan waren. In den Momenten in denen sie die Sterne betrachtete. Nein, gewiss, Dinge waren auch an einfachen Tagen nicht einfach und Lumina war bewusst was 4 von 5 Menschen dachten, und dass sie Gründe dafür hatten. Ihr war bewusst was 3 von 4 dieser 4 von 5 nicht wussten, und ihr war auch vollkommen klar was einen Falken auf ihrer rechten Hand oder die Hauskatze ihres Nachbarn nicht kümmerte.
Aber dennoch... trotz all dem ließ sie nicht zu, dass dies Wissen ihre Entscheidungen beeinträchtigte. Zum Ausdruck gebracht an jedem dieser Tage, und bestärkt und neu beschlossen an jedem dieser Abende.
Und so war es Hoffnung...stets Hoffnung, die sie empfand, auch wenn sie, wohlwissentlich, kalten, gleichgültigen Sternen entgegenblickte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Der alltägliche Wahnsinn
BeitragVerfasst: 7.05.14, 20:02 
Edelbürger
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Registriert: 17.02.14, 22:59
Beiträge: 1114
25 n.H.: Siebenwind, Seeberg, Burg Schwingenwacht, Remter.
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Der Regen klopfte trübsinnig gegen die Scheiben Burg Schwingenwachts, düstere Wolken am Himmel ließen das Innere des Remters kalt und beklemmend erscheinen. Die Stille, die die Burg dieser Tage ergriffen hatte lastete schwer auf den Räumlichkeiten, die doch für weit mehr Personen ausgelegt war als eine einzige Knappin.
Nur das Feine Klirren von Gläsern störte das unnachgiebige Prasseln draußen, als Ira Glas für Glas aus dem Getränkeregal des Remters nahm, es polierte und neu hineinstellte. Flaschen folgten, Becher, Schalen, Teller. Genug für große Gesellschaften, zahlreiche Gäste. Fast schien es, als räumte sie die Zeugen einer fernen, fröhlichen Vergangenheit zurück ins Regal, einer Vergangenheit, in der die Ritterschaft glanzvoll und ruhmreich gewesen sein musste und sich die Insel vor Abenteurern kaum retten konnte.
Mit verhaltenem Seufzen wendete sie sich herum, betrachtete den großen Tisch, dessen Holz frisch poliert war, die zahlreichen Stühle, deren Kissen ausgeschüttelt worden waren, den Boden, der frisch gewischt im trüben Licht des Regentages schimmerte.
Es war gar zu leicht, sich dieser Tage vorzustellen, wie die Schatten alter Ritter hier wandelten, die Seelen früherer Hofstaatsmitglieder. Fetzen von vergessenem Gelächter oder vergangenen Gesprächen, verhallende Schritte von Personen, die Jahre fort waren. Vielleicht gar den Geist des damals vor Gram alles aufgebenden Ritter Laske, von dem Hochwürden Custodias berichtet hatte. Alles konnte man sich bei diesem Wetter, bei dieser Leere vorstellen, alles.

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Nicht mehr per IRC erreichbar - bitte IG oder zwecks Terminabsprachen auch per PN ansprechen.


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