Viele Dinge geschahen an unscheinbaren Orten. Und viele unscheinbare aber wichtige Dinge geschahen an unscheinbaren Orten im Stillen. Manche Orte trotzten dieser Unscheinbarkeit ganz offen, doch Gebäudefassaden und Mauern wirken stets als würde hinter ihnen nichts geschehen und die Wenigsten wagen einen zweiten Blick. Die Königliche Akademie der Arkanen Künste zu Siebenwind war ein Ort an dem dies besonders zutraf. Die wenigsten sprachen diesen Hallen zu, dass sich in ihnen etwas regte, wenn sie nicht gerade einen Magier oder eine Explosion, am besten in leuchtenden Farben, dort sahen. Auch diese Mauern verbargen, auch wenn man eigentlich vermuten würde, dass etwas wie Magie, das doch so sehr das Mal des Absonderlichen trägt, nicht zu verbergen wäre. Doch die wichtigen Dinge geschahen hier im Stillen. In Unterweisungen, beständiger Meditation, oder den berüchtigten Nachtschichten an einem der Tische der Bibliothek. In Besprechungssälen, in Gemeinschaftsräumen und auf abgelegenen Bänken des Hofes. Denn letztlich konnte man nicht darum herumkommen zu bemerken, dass dieser Ort als Ort der Ruhe konzipiert war - nicht als Ort der Heimlichkeit.
Und Ruhe fand man hier zumeist. Selbst das ungleiche Paar bestehend aus einer jungen, klugen Blondine und einem energischen, stolzen Falken. Stille hatte sich an diesem heißen Sommertag wieder über die Akademie gelegt und das einzige was zu hören war, war das leise plätschern kalten Wassers im Badegewölbe. Amata verharrte auf einer Bank in der der Ecke des Saals, den Kopf eingezogen und unter einem Flügel verborgen - schlafend. Und während Lumina sich im kalten Wassers des Badebeckens wusch, schweiften ihre Gedanken ab, wie sie dies immer einmal wieder zu tun pflegten, aber eben besonders oft wenns ie allein war und um sie herum Stille herrschte. Sie dachte an Ravel. Manches Mal wenn die Narbe an ihrem Rücken schmerzte auch an Tiefenwald. An ihre Mutter. Ihre Schwester. Und an einen Bruder der ihr Gesicht nicht mehr erkennen würde. Sie blickte zurück auf über 20 Jahre Menschsein, immer unter der Frage, ob alle Lektionen die daraus gezogen und gelernt sein wollten, auch gelernt wurden. Sie dachte nicht zu bemüht über aktuelle Dinge nach - zu wenig war offenbart um sinnvolle Schlüsse zu ziehen die jemanden weiterbrachten. Die Eventualitäten waren ausgelotet und die Handlungsweise festgelegt und wie immer war sie eine sichere, und unverrückbare. Denn sie war nicht von den Eventualitäten und Geschehnissen abhängig. Sie basierte auf einfachen Wahrheiten, die keine Perspektive Tares grundlegend zu ändern vermochte. Viele sagten dem weißen Pfad stets Engstirnigkeit nach, aber letztlich war der Sachverhalt ein anderer: Der weiße Pfad glaubte stets an einige simple, einfache Prinzipien an denen er festhielt - und dies war stets wichtiger als die eigene Fahne nach dem momentanen Wind zu hängen.
Und die Lehren ihres Pfades ermahnten nun dazu gewisse Dinge abzuwarten um dann, da der Plan ersonnen und gefasst war, ohne Zweifel und Zögern zu handeln. Nicht alle Lektionen die sich aus den momentanen Ereignissen ergaben, würden aus dem Moment heraus zu lernen sein und nur zu sehr war ihr bewusst, dass es dort draußen jene gab, die nur darauf abzielten, dass sie die Dinge falsch verstünden. Aber auch dafür würde der Zeitpunkt kommen. Doch dieser Moment war gänzlich zum Luftholen gedacht. Dafür sich Dreck und Staub von den Schultern zu wischen und vom Körper zu waschen. Dafür einer wachsamen Gefährtin verdienten Schlaf zu gönnen. Dafür den Geliebten einige Gedanken zukommen zu lassen. Dafür sich auf die Dinge zu besinnen die von Bedeutung waren. Und daran konnte keine Winzerin etwas ändern, konnte kein Leerenwurm rütteln, oder das Geschrei eines betrunkenen Piraten auch nur eine Schramme anbringen.
Viele Dinge geschahen an unscheinbaren Orten. Und es waren deswegen längst keine grausamen, oder verabscheuungswürdigen Dinge. Manche Dinge mussten im Stillen geschehen. Der Stille unscheinbarer Orte. Und Luminas Kopf war einer dieser Orte.