Am Abend hatte sie sich nach dem Fortbringen des leeren Getränkefasses aus der Küche ins Lager noch mit auf den Innenhof der Burg gesellt. Natürlich stellte sie sich nicht zum Apell der Rittergarde und hielt es für bequemer und sicherer sich auf die Stufen zu setzen und sich halb hinter dem hölzernen Geländer zu hocken. Sie war nicht übermäßig neugierig, aber manchmal wollte sie neben der stillen Arbeit gerne Stimmen hören. Es fiel ihr zwar schwer, alles zu verstehen. Aber meistens verstand sie besser, als sie es glauben ließ, erschloss sich den Sinn in ihrem Wortschatz fehlender Worte und spielte mit den einzelnen Betonungen der Satzgefüge. Manchmal aber - ja, da verstand sie wirklich nicht und lernte. Die Teile der Meldungen über versteckte Räume und Waffen der Zwerge vor einem ihrer Schreine, wo Knochen verbrannt wurden, waren interessant, aber berührten sie nicht sonderlich. Anders verhielt es sich, als die Gardisten und die Ritterin von einer Wesenheit aus Eis sprachen, welche die Nortraven unterstützte den Tempel zu schänden. Viele Theorien wurden gesprochen, Zweifel daran, ob sie wirklich eine Botin der nordischen Götter sei oder doch nur ein Dämon, voll Hinterlist und Tücke.
Es war einige Wochen her, aber nicht so lange um es vergessen zu haben, als ein kleiner grauer Mann im Innenhof Seebergs stand und den gesamten Unmut des Hofstaates auf sich gezogen hatte ob seines Gebahrens. Bahiyah erinnert sich gut an die Abfälligkeiten der elfischen Schmiedin und der Ritterin und war empört darüber, wie ehrlos sie sich gegenüber eines solch mächtigen Priesters benahmen, den die Elemente auserwählt hatten. Statt ihn zu beschimpfen hätten sie ihm Speis und Trank anbieten müssen. Überheblich. So sehr, dass sie zwischen seinem Gewirr nicht bereit gewesen waren auf das zu hören, was er ihnen mitteilen wollte. Als er sein Heil in der Flucht suchte und sich in einen Adler verwandelte - ein für Bahiyah bezeichnendes Erlebnis - rannte sie ihm aus dem Torhaus heraus hinterher bis an das Ufer des Meeres. Sie selbst hatte nachgefragt, wovon er sprach, sie wollte ihm zuhören und hatte von dem Ritual und den gestohlenen Artefakten erfahren, von den Möglichkeiten, die aus diesem Ritual geschöpft werden konnten.
Da war sie schon aufgestanden um es der Ritterin mitzuteilen und... entschied sich zu schweigen und ging. Sie hatte es nicht verdient, es ihr zu sagen. Und wenn sie es doch schon wusste, warum sie daran innern. Bahiyah war noch nachtragend wegen der Sache mit Vencurius. Die Ritter bezahlten ihr nichts für ihre schwere Arbeit als Magd, nichts außer Unterkunft in einer kalten Kammer und Speisen. Darrag hatte ihr damals zugehört, als sie davon berichtete, nur nichts gemacht, kümmerte sich aber um sie. Und Rodrik versuchte wenigstens ihr Frieren zu lindern und schenkte ihr Kleidung. Ihm würde sie es vielleicht auch sagen.
Stattdessen entschied sie aber erst zu einem Nordmann zu gehen. Und dort zu berichten. Den Wert ihres Wissens abschätzend.
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