Als sich der Abend langsam nähert, stapft eine junge Frau, gekleidet in eine blassblaue Robe verziert mit Wellenmustern, aus einem kleinen Waldstück nahe der Stadt. Ihr Weg führt sie Richtung Priorei, jedoch bemerkt sie nicht den kleinen, schmutzigen Streuner der ihr dabei hinterher trabt. Zielstrebig biegt sie von der Straße ab und betritt den kleinen Hinterhof der Ecclesia Elementorum, gefolgt von ihrem pelzigen Begleiter.
Sie beginnt sich ein kleines Mahl zu richten, als sie plötzlich von einem lauten Bellen und bedrohlichen Knurrgeräuschen aufgeschreckt wird. Da erblickt sie zum ersten mal den Hund, welcher ihr den ganzen Weg gefolgt ist. Dieser bricht nun vollends in aggressives Gebell aus, er lechzt die Zähne bedrohlich und seine Krallen kratzen auf dem kalten Steinboden während er aufgebracht auf der Stelle tänzelt. Erschrocken, aber ihr Interesse geweckt, nähert sich die Frau dem Hund, dessen Drohgebärden Richtung Straße gerichtet sind. Kaum erreicht sie die Ecke des Hauses, nimmt sie einen bedrohlichen Schatten wahr, welcher sich langsam nähert. Das aufgebrachte Bellen des Streuners wird so laut, dass es ihr schon in den Ohren wehtut. Vorsichtig lugt sie um die Ecke und sieht einen riesigen Grizzly, keine 15 Spann vor sich. Mit einem Satz springt sie, von der Angst gepackt, zurück und stolpert Richtung Hof, wo sie sich zitternd hinter einem hölzernen Tisch versteckt. Fieberhaft überlegt sie, wohin sie fliehen soll. Der Weg auf die Straße ist von dem Grizzly versperrt, die Türen der Priorei verschlossen.
Soll sie ihn den Fluß springen? Sich im Untergeschoß der Priorei verstecken, welches aber ebenfalls eine Sackgasse ist? Oder soll sie sich lieber ruhig verhalten und darauf hoffen, dass der Bär das Interesse verlieren würde? Die lauthalsen Warnungen des Streuners hatten sich mittlerweile zu einem frenetischen Kläffen gesteigert, in dem nun Verzweiflung mitschwang. Die Zähne waren bedrohlich gebleckt, und auch wenn er um ein vielfaches kleiner als der Grizzly war, schien er zu allem bereit. Mit unbeirrtem Blick musterte der Bär seinen vermeindlichen Widersacher und schien sich dann dafür zu entscheiden, dass nichts in dem Hinterhof interessant genug sein konnte, um sich weiterhin mit dieser kleinen Töle abzugeben. Behäbig drehte er sich um, ging betont langsam den Weg zurück und verschwand in einer weiteren Seitengasse.
Die junge Frau zittert immer noch wie Espenlaub. Nach einigen Momenten versucht sie, sich ihrem flauschigen (aber sehr verdreckten) Beschützer zu nähern. Dieser hält etwas Abstand zu ihr, setzt sich zu Boden und blickt sie mit einer stillen Aufforderung in den Augen an. Sie nimmt ein Stück Käse von ihrer Mahlzeit und legt es vor ihm auf den Boden. Dann hockt sie sich einen Schritt weit entfernt hin und nickt ihm ermunternd zu.
"Für dich, mein kleiner Lebensretter."
Der Streuner ließ sich noch eine Weile von ihr verwöhnen. Als er satt war wollte er in Ruhe wieder seiner Wege gehen, doch die Menschenfrau wirkte ein wenig entrüstet und sagte irgendetwas zu ihm, was sehr vorwurfsvoll klang. Er ließ ein letztes heroisches Bellen erklingen, welches sie zufriedenzustellen schien, und ging dann seiner Wege. Das mit den Menschen aber auch immer alles so kompliziert sein muss, dachte er nur.
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