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 Betreff des Beitrags: Das ist mein Meer, das ist mein Anker
BeitragVerfasst: 22.08.15, 01:49 
Einsiedler
Einsiedler
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Registriert: 12.08.15, 13:50
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Die Stadt Falkensee
Längst ist das letzte Licht in den Wohnungen erloschen. Die heiseren Stimmen der Marktschreier erholen sich im Schlaf und die Nachtpatrouille der Stadtwache gähnt, als sie durch die leergefegten Straßen schlendern. Nur ein paar späte Vögel krächzen noch irgendein Klagelied von den Dächern und Mauerzinnen. Nichts deutet darauf hin, dass in dieser Nacht noch etwas passiert und doch ändert sich in genau dieser Nacht eine ganze Welt
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Noch immer spüre ich, wie mein Herz rast, denke ich an die Ereignisse der letzten Tage. Ich war bloß ein Schatten auf der Oberfläche dieser wunderschönen Welt. Belanglos für den Lauf der Dinge. Eine Unbekannte, deren Name noch nie in Holz geritzt oder auf Papier geschrieben wurde. Ein Mädchen ohne Familie, ohne Besitz und ohne Heimat. Mein ganzer Körper bebt, als sich mein Blick auf das wässrige Spiegelbild meiner Selbst im Bad des Seiltänzers konzentriert und ich muss unwillkürlich lächeln, weil mir klar wird, dass noch vor meiner letzten Rasur alles anders war, als es jetzt ist. Behutsam führe ich die Klinge über mein Haupt und lange Zeit ist das leise Schaben des Messers über die Stoppeln auf meiner Kopfhaut das einzige Geräusch, dass mir in dieser Nacht Gesellschaft leistet.

Während ich das Messer im Wasser reinige und es sogleich wieder ansetze, denke ich an die vielen, flüchtigen Bekannschaften der letzten Zeit. An den Mann, der sich weigern wollte, sich seines Schuhwerks zu entledigen, als er den Seiltänzer betrat. An die hochgewachsene Frau aus dem Norden, die mir einige Felle abgekauft hat und an den kleinen Ork, der sich auf eine so wundersame Art über einen Schluck zu trinken gefreut hat. An die Soldaten vom Festland die sich, noch viel zu jung, auf eine Krone eingeschworen haben, deren Träger scheinbar weniger von Wert ist, als der Kopfschmuck selbst und an die unzähligen Vorüberziehenden, die sogar für einen einfachen Gruß zu geschäftig zu sein schienen.

Als ich die Klinge zum letzten mal ins Wasser tauche, beobachte ich, wie sich etwas Blut von meinem Kopf im Wasser ausbreitet und schließlich irgendwann verblasst.
Ich denke an Jamar, dessen immerwährendes Lächeln sicherlich schon vielen Frauen den Kopf verdreht hat und daran, wie unwohl mir wurde, als ihm nicht zum Lächeln zumute war. Trotzdem er mir so fern erscheint und ich so viel an ihm nicht verstehe, gibt er mir das Gefühl, dass ich ihm vertrauen kann. Ein Vertrauen, dass ich zu Bahiyah bislang nicht aufbauen konnte. Sie scheint zaghaft und ich wünsche mir, dass sie sich nicht hintergangen gefühlt hat, weil ohne sie Entscheidungen getroffen wurden. Oder ist sie eifersüchtig? Dabei wirkt sie so ansehnlich und reizvoll... Wie Aihdariell, die mir auf eine bislang unbekannte Art und Weise so schön und rein erscheint. Eine Elfe, ein Anderling und doch fühlt sie sich so sehr nach Zuhause an. So sehr nach zuhause wie Jannah, die es war, die mich am Wegesrand aufgelesen und zum Seiltänzer geführt hat, als ich erschöpft von der Jagd beinahe den Cortanern in die Hände gelaufen wäre.

Ich steige ins Bad, fülle meine Lungen mit der feuchten Luft, die herrlich nach den Kräutern duftet, die ich ins heiße Wasser gelegt habe. Dann tauche ich unter, schließe die Augen und lasse meinen Gedanken wieder freien Lauf.

Die spitzen der Halskette, die Sidra mir geschenkt hat, kitzeln mir in der Nase. Sie hat sie selbst aus Wurzeln geflochten. Ich habe selten etwas geschenkt bekommen aber noch niemals zuvor gab mir jemand etwas, dass er nur für mich gemacht hat. Kurz schmunzle ich, als vor meinem inneren Auge ihr Gesicht erscheint und wie erschrocken sie geschaut hat, als Kadir einen gemeinsamen Badeabend angesprochen hat.
Kadir, der anscheinend genau weiß, wohin er möchte und wie er dort hingelangt. Ein Mann, dessen Stolz und Verstand nach außen hin soviel präsenter sind, als sein Herz. Ist er es, der uns ein so gutes Leben ermöglicht?

Nein... Nicht er allein. Wir alle tragen dazu bei und ich bin ein Teil davon geworden.
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Das kahlköpfige Mädchen bekleidet sich und steigt mit entschlossenen Schritten die Stufen zum Schankraum der endophalischen Taverne empor. Sogar die Glut im Kamin ist schon erloschen, als sie durch den Raum irrt und nach einer geeigneten Stelle sucht, um sich selbst ein Versprechen zu geben. Schließlich verrückt sie eines der Regale und kratzt mit der Spitze ihres Rasiermessers das primitivste Symbol eines Ankers in die Sandsteinwand. Als sie ihre Arbeit getan hat, spricht sie leise die Worte: "Das ist mein Meer, das ist mein Anker!" ehe sie das Regal wieder an die gewohnte Stelle schiebt und selbst Teil der schlafenden Stadt wird.

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Es sind nicht Hitze und Sand, die einen Ort zur Wüste machen sondern die Art, wie dort das Leben entsteht und vergeht


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