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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 2.02.19, 12:58 
Edelbürger
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Narben.

Verstümmelung.

Das was sich im offenbarte, wenn er nackt vor dem Spiegel stand. Sein Körper war eine Chronik. Eine Chronik die nicht verborgen blieb, doch es hatten ungewöhnlich viele Beseelte genügend Respekt oder Zurückhaltung um ihn nicht darauf zu reduzieren. Oder fürchteten sie die Antwort? War er doch einer der wenigen Elfen, die die Zeichen des Krieges und des Lebens so eindeutig trugen. Vor allem einer der wenigen Elfen die kaum als erwachsen galten. Auch wenn er, und sein Umfeld, wussten, dass er kein Kind mehr war. Kein Kind mehr sein konnte. Es war auch lange her, dass man versuchte ihn auf sein Alter zu reduzieren.

Doch seine äußerlichen Zeichnungen kratzten nur an der Oberfläche dessen, was sein Geist erdulden musste. Nur er spürte das Narbengewülst, das sich über seine Gedanken legte. Wie schwer sich die objektive Meinung aus diesem herauspresste, wie ein Sieb, das bei der kleinsten Beigabe anderer Substanzen sich zusetzen würde. So oft musste er nachhelfen. Seine Gedanken ordnen, nachdrücken, bis endlich nur das aus seinem Mund kam, was der Situation angemessen war. Er schaffte es im Grunde. In manchen Situationen zuverlässiger als in anderen. Im Gespräch mit Rianna jedoch, dominierten die Schmerzen und Narben der Vergangenheit, die seinen Geist umwölbten.

Ihre Widerworte waren ihm gleich. Aber er duldete es nicht, wenn man ohne Nachfrage und Kenntnis der Umstände eine Meinung zum besten brachte und verteidigte. Wenn sie es besser wüsste, dann sollte sie auch die Verantwortung dafür nehmen. Und das war es, worauf sie sich einigten. Sie hatte in ein Wespennest unablässig geschlagen und hatte nicht damit gerechnet, dass die Wespen sich nicht zurückziehen würden nach dem ersten Angriff. Stattdessen blieb sie von dem Wespenschwarm umschwärmt, den sie selbst herausforderte.

Rianna war nun die Hauptverantwortliche geworden, weil sie in Tendarions Urteil keinerlei Vertrauen geben wollte, dass diese endophalischen Gäste Trinkwasser bekommen würden, ohne dass sich jemand daran, entgegen Xans Willen, bereichern konnte.

Sie wollte es zu einem Politikum machen und hatte keinerlei Vertrauen darin, dass Tendarion wusste, wie er vorzugehen hatte. Stattdessen hielt sie ihn von seiner Arbeit ab mit immer mehr Debatten. Ihre Worte waren nicht beratend sondern zeugten davon, dass sie daran zweifelte dass der Elf sich Gewahr war was er tat. Und das war die Grenze, die Tendarion selbst seine Liebsten nicht überschreiten ließ. Niemand musste ihn mögen. Niemand musste seine Taten mögen. Aber wer ihm absprach, dass er wusste, was er tat, wurde das Ziel seiner spitzen Zunge. Er hatte Rianna mehrere Male in dem Gespräch die Gelegenheit gegeben ihre Worte zu überdenken und vor allem ihr Verhalten ihm gegenüber. Doch sie machte den nächsten Fehler und wollte ihn mit emotionaler Erpressung dazu verleiten für sie Sanftmut und Verständnis aufzubringen. Ihre Enttäuschung und Trauer ihm gegenüber berührten ihn allerdings nicht. Er wurde bissig.

Und so entzog er sich vor Zeugen jeder Verantwortung. Wenn die Endophali nun ohne Wasser stünden und das ganze auf politischer Ebenen eskalieren würde, war es Riannas Verantwortung geworden dies zu bereinigen.

Tendarion empfand nichts bei der Entscheidung. Er hatte mit großer Wahrscheinlichkeit augenscheinlich emotional und zornig gewirkt, doch war es ganz im Sinne seines Herren, einer Frau, die Magistra war zu verdeutlichen, dass Worte nur dann etwas wogen, wenn man auch gewillt war, diese auszuführen. So würde er als guter Lehrer abwarten, bis sie an den Punkt kam, an dem sie Hilfe benötigte und ihr Umfeld im respektvollem Ton danach fragen würde. Bis dahin war sie allein auf sich gestellt.

~~~


Die Endophali selbst haben Tendarion keinen ungewöhnlichen Eindruck vermittelt. Sie waren wie Kadir von sich selbst überzeugt und herablassend gegenüber jedem, der nicht so dachte wie sie selbst. Aber sie verbargen es hinter einer Maske aufgesetzter Höflichkeit und einstudierten Danks. Tendarion hatte allerdings nicht ganz verstanden was genau Suluther so erzürnte. Vielleicht hatte er eine Aussage der Endophali in der Seeschlange überhört, oder einen Blick übersehen, der eindeutig war. Doch war es Tendarion so oder so zuwider, dass alle Anwesenden dafür aus der Seeschlange entfernt wurden und diese sogar abgeschlossen wurde, während Xan sich über der Insel ergoß. Also wurde das Ordenshaus wieder einmal zur Taverne umfunktioniert und Tendarion verbarg seine Genervtheit, dass kein Vitamadiener anwesend war, der die Gastfreundlichkeit übernehmen konnte, und mimte den Gastgeber, kochte Tee, führte das Gespräch mit den Gästen und versuchte indes Gaisgeach zu zähmen, damit die große Raubkatze, die an der Seite der Endophali frei wandelte, keinen Luchs als galadonische Delikatesse erwählte. Iomine konnte ihm wenigstens diese Sorge nehmen.

Er lobte insgeheim seine Selbstbeherrschung als die Instrumente und Schmuckstücke aus Menschenknochen auf dem Ordenstisch verteilt wurden. Die Reaktionen seiner ihm bereits bekannten Gäste als er eröffnete, dass diese aus Menschenknochen waren, waren amüsierend unterschiedlich. Irritierte Verwunderung, schlichte Akzeptanz und stilles Bedauern, dass somit diese Stücke unerreichbar wurden. Mit respektvoller Erklärung, dass im galadonischen Raum soetwas als eher furchterregend als erfreulich gewertet wird, und dennoch ausgedrücktem Dank brachte Tendarion diese Stücke in die Krypta und schloß sich wieder dem Gespräch an. Ihr simpler Wunsch nach einem Handel mit Trinkwasser erschien Tendarion glaubwürdig genug um keinerlei Zweifel an der Intention der Endophali aufkommen zu lassen. Und auch sie schienen mit dem Gespräch und dem Empfang zufrieden genug um Tendarion ein außergewöhnliches Stück zu überlassen: Eine Spieluhr.

Oft hörte er von solchen Apparaturen, doch waren sie fast ausschließlich Schaustellern auf dem Markt vorbehalten. Alle paar Götterläufe war in Draconis ein Mann oder eine Frau zu sehen, die solch eine Spieluhr dem Volk präsentierte. Die metallenen Zupf- und Schlagklänge der Federn die sich langsam und zäh im inneren der Apparatur drehten. Sie spielten bekannte Weisen nach, in einer Präzision, die ein Barde nicht nachempfinden konnte. Doch Tendarion hatte in all der Faszination über solch eine herausragende Feinwerkskunst immer ein wenig Bedauern empfunden, wenn er diese Musikstücke hörte: Sie waren leblos.

Mechanisch wurden die Töne in einer festgelegten Reihenfolge abgearbeitet. Keine Mimik des Spielenden oder aber Improvisation schenkte dem Zuhörer das Gefühl einer einmaligen Situation, die sich nie wieder in aller Leben wiederholen würde. Die fehlbare Momentaufnahme verkam zu einer ewigen Melodie, die sich nie verändern würde, solange man diesen Kasten gut pflegte. Als Tendarion die Spieldose im Vitamaschrein abstellte, betätigte er den Mechanismus.

Ihm wurde bewusst, dass er wie diese Spieluhr war. Durch die Zeiten wandelnd, immer und immer in den selben Gedankenmustern gefangen. Immer wieder die selben Fehler begehen würdend, während sein Umfeld sich wandelte alle paar Jahrzehnte. Er würde soviele Guntrams, Lynns, Caieta und Riannas in seinem Leben treffen. Sie würden immer wieder die selben Verhaltensweisen ihm gegenüber zeigen und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt würde er immer mehr grämen, dass er für die Menschen nie jemand sein konnte, der einen Unterschied machen würde.

Melancholie durchflutete ihn.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 6.02.19, 08:13 
Edelbürger
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Tendarion wurde sich nie zuvor deutlicher bewusst, wie sehr er mittlerweile darauf bestand, dass sein privates Umfeld keine Überraschungen bereit halten durfte. Er wollte zu seinen Liebsten kommen und erwarten dürfen, dass sie stets vorhersehbar reagierten. Sein Interesse an ihnen war aufrichtig und er würde sich immerzu zurückstellen, selbst wenn er das Gefühl hatte, dass seine Sorgen drängender waren als die seines Gegenübers. Sein Dank war die Tatsache, dass er ihnen in fast allen Fällen Erleichterung bringen konnte und sie dankbar für seine Existenz und Mühen waren. Ein simpler Handel, den Tendarion im Alltag mit dem Rest der Insel sehr selten schloss. War seine Liebe für sie darin begründet? Weil sie schlichtweg zuhörten, nachdachten und sich am Ende all ihrer Taten bewusst waren, selbst wenn Tendarion anderer Meinung war?

Der Elf konnte diesen Gedankengang für sich bejahen.

Kein Dramaschauspiel auf einer Bühne die sich Beziehung nannte. Keine Unsicherheiten oder Streit ob unausgesprochener Dinge. Schlichtes kooperieren und respektieren. Tendarion dachte er könne schlichtweg alles von seinem engsten Umfeld akzeptieren.

Offenbar war das Thema aufgezwungene Enthaltsamkeit ein Punkt den er nicht akzeptieren konnte.

Tendarion starrte mit aufkeimender Gereiztheit an die Wand gegenüber, schlicht im warmen Wasser sitzend und sich zur Abwechslung vollkommen egoistischen Gedankengängen hingebend. Maichellis war für den Elfen, neben Guntram, die Konstante geworden, bei der jeder Gedanke, dass sie wegbrechen konnte, absurd geworden war. Ihm war sehr deutlich bewusst, dass er nach außenhin die dominante Rolle spielte. Eine Rolle die ihm Guntram und Maichellis als Teil ihrer Liebe schlichtweg ließen. Sie wussten, wie unsicher er war. Wussten gleichsam, dass er jedoch stark genug war um das Echo seiner Taten zu ertragen. Sie ließen ihn gewähren und er konnte sich blind darauf verlassen, dass sie beide sofort einschritten, wenn er seinen Weg verlor. Vertrauen ohne Abstriche. Etwas was den meisten Beseelten Tares unbekannt oder wenig vertraut war. Mit Bedauern musste er feststellen, dass ihre Angst oder ihr Argwohn über Tendarions Verhalten gegenüber seinen Liebsten nachvollziehbar war.

Aber dass er nun mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Lust einschränken müsste, aufgrund verquerer Vorstellungen von moralischen Pflichten, lag Tendarion schwerer im Magen als er es je angenommen hätte. Maichellis war in allem Körperlichen - vor allem im Kampf - sein sicherer Platz des Austobens geworden. Er konnte ihn aufsuchen und hatte die Garantie, dass er in der einen oder anderen Weise am Ende wieder ruhiger war. Und das galt für beide Seiten.

Jemanden nach Herzenslaune dominieren zu können, oder aber sich hinzugeben, war ein sehr ungewohnter Teil von Tendarions Leben. Er musste in den meisten Fällen entgegen seines Herzens agieren. Rücksicht auf andere zu jeder Zeit. Dazu gehörte auch Strenge und Härte zu zeigen, wenn jemand seinen Weg zu verlieren drohte. Tendarion vermutete, dass seinem Umfeld nicht bewusst war, wie oft er mit gerade diesem Punkt haderte.

Was blieb ihm übrig wenn Maichellis sich zurückzog? Guntram, der in Astrael aufzugehen schien, während Tendarion versuchte ihn weiterhin an Tare zu binden. Lynn, seine schöne Woge an einem lauen Astraelabend, die ihn umspülte und ungarnte, immer dann wenn er die Gelegenheit hatte in der Flut am Ufer stehen zu können. Und nun Volandur.

Er liebte ihn nicht. Nicht mehr als jeden elfischen Bruder. Sein Interesse für ihn war zwiegespalten. Aus Sicht eines Geweihten, musste er Volandur nahe an sich halten. Aus Sicht eines elfischen Bruders musste er ihn bedauern und helfen von seinem derzeitigen Weg sanft hinwegzuführen und vor sich selbst beschützen. Doch was konnte Tendarion selbst beisteuern? Seinen Körper, seine Erfahrungen im Umgang anderer. Doch Volandur war ihm in allen Aspekten ein Schüler und das, obwohl er fünfmal so alt war wie Tendarion. Für Tendarion waren Schüler und Schutzbefohlene ein Tabu. Sie waren niemals für die persönliche Bereicherung gedacht und gewünscht. Sie sollten von Tendarion angeführt und an der Hand genommen werden. Aber wie verhielt es sich mit einem Fey der dem Alter gemäß sogar sein Vater sein könnte?

Aktuell konnte sich Tendarion ihm gegenüber nicht von dem Gedanken lösen, dass Volandur ein Schüler war. Es kam lediglich ein Aspekt hinzu, den Tendarion schlichtweg mit offenen Armen empfangen hatte, da es bei weitem unangenehmere Dinge gab, die man von ihm gewillt war zu lernen. Doch der weitere Gedanke, der sich auch in seinem Herz festsetzte war unüberwindbar stets präsent: Volandur war es so wichtig, diesen Teil seines Lebens mit Tendarion zu ergründen, dass er dafür andere Personen in seinem Leben aufgab.

Tendarion fühlte sich verantwortlich. Er konnte nicht zu Lasten Gefühle anderer diese Sache beiseite wischen. Vor allem da er noch dazu die Sorge hatte, dass Volandur eine Entscheidung fallen würde, die ihn mehr auf den bereits eingeschlagenen Pfad drängen würde. Bedachtes Vorgehen war unablässig. Und da Maichellis nun meinte ihm Enthaltsamkeit aufdrängen zu wollen, hoffte Tendarion dass er nun eine Quelle von neuer körperlicher Ertüchtigung auftun konnte.

Tendarion war sich nicht mehr sicher, wie er seine eigenen Gedanken bewerten sollte. In tiefer Genervtheit über seine infantilen und wenig reflektierten Gefühle, tauchte er in das Wasser ab, und hoffte dass er fertig war mit Schmollen, ehe er ertrank.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 18.02.19, 07:57 
Edelbürger
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Er hatte sich die Vollendung seiner aktuellen Schrift ein wenig anders vorgestellt.

Caieta schien sich nicht im geringsten für das Buch zu interessieren, wo sie nur wenige Zeit zuvor auf die Widmung bestand, da sie nicht nur als Inspiration, sondern auch als Namensgeber diente. Es war keine Schrift auf die Tendarion Stolz war. Es war auch keine Schrift die schön oder erfreulich war. Tatsächlich war es nur das geworden, wozu ihn Maichellis vor einiger Zeit animiert hatte. Ein Ratgeber wider der Irrationalität.

Was Tendarion gestern vor allem bewusst wurde, war die Tatsache, dass Caieta nicht mehr viel mit der Person gemein hatte die sie zu anfangs war, als Tendarion sie kennenlernte. Eine distanzierte, erhabene junge Frau mit nichts als ihren Studien im Sinn und keinerlei Interesse an sozialen Kontakten, die sie von ihren Studien ablenkten. Tendarion liebte diese Frau. Er liebte nach wie vor die Frau die noch das Antlitz dieser Person trug. Aber was war geblieben? Eine zornige, willensstarke Frau, die die Zügel in der Hand halten musste, selbst wenn ihr bereits das Pferd durchging und sie jeden Moment abgeworfen würde.

Tendarion hingegen verlor seinen Sanftmut. Er war jedoch stetig immerzu das, was man von ihm erwartete, oder was man erwarten sollte, wenn man ihn provoziert oder mit Emotionen belädt. Sie schnippte launisch gegen ihn, und er gab ihr mit seiner ersten Antwort sogleich die Möglichkeit zu verstehen wo das Gespräch hinführen würde, wenn sie den Tonfall beibehielt.

Und sie hatte erneut gezeigt, dass sie mit einem Logiker nicht mehr viel gemein hatte.

Gedanken erfüllten Tendarion das Magistrat zu verlassen. Er war ein Teil des Magistrats geworden um zu unterstützen. Doch mittlerweile hatte er das Gefühl, dass er mehr Störfaktor geworden war, als Hilfestellung für die Akademie. Von Anfang an hatte er kommuniziert, dass er sich in die Belange des Magistrats nur einmischen würde, wenn seine Meinung tatsächlich eingefordert wurde. Aber auch diese Vorgehensweise sorgte für Streit und Ablehnung. Er war ein Diener der Vernunft, des Wissens.

Wenn die beiden Novizen, die er aufnahm nun seine vollständige Verantwortung waren, dann hatte er das gesamte Magistrat falsch verstanden. Einst den Titel als Brückenbauer erhalten, der Kirche und Magierakademie nach so langer Zeit endlich zusammenführte, hatte er das Gefühl, dass er nun Fehl am Platz war. Eine Abladefläche für alles Unangenehme das in der Magierakademie passierte. Selbst dann wenn er nicht im geringsten beteiligt war. Er hörte keinen Dank dafür, dass er sich freiwillig um jene kümmern wollte, die sich als weniger einfach herausstellten. Nur Vorwürfe, dass er sie nicht nach nur ein, zwei Treffen sofort dominiert und erzogen hätte.

Es war ernüchternd sein ganzes Leben darauf auszurichten sich auf das Wohl und Vorankommen anderer zu fokussieren. Vor allem dann wenn man vollumfassend die Verantwortung trug, wenn man keine Wunder wirken konnte. Er konnte und wollte auch nicht verstehen, weshalb Caieta aus dem zurückliegenden Streit nicht lernte. Sie waren schon einmal an einer Wand angelangt, die sie provozierte, da sie Tendarions Dienst und ihre Rolle darin in Frage stellte. So wiederholte sich das Prozedere im Sinne der Akademie erneut.

Vielleicht war es sinnvoller seine weltlichen Pflichten niederzulegen, denn mit Kollegialität hatte das wenig zu tun. Tendarion war müde. Und er hatte das Gefühl, dass sein Umfeld alles dafür tat, damit er sich einfach nur hinlegte und nie wieder erwachte.

Tendarion hatte gelernt, dass Vorfreude Selbstbetrug war. Er würde Caieta ihren Willen lassen und wieder einmal nachgeben, nachdem er mit den Novizinnen über die Vorfälle, die diesen Streit entfachten sprach.

Es stimmte ihn traurig, dass er außerhalb der Akademie nicht mehr unterrichten durfte, wenn er diese hinter sich ließ. Aber er wollte Unterstützung schaffen und offenbar war er nicht in der Lage dies mit seiner Zugehörigkeit zur Akademie zu tun. Volandur riet davon ab diejenigen zu strafen, die von seiner Anwesenheit in der Akademie profitierten. Tendarion war sich nicht sicher, ob er überhaupt noch etwas sinnvolles in der Akademie bewirken konnte.

Ob er überhaupt noch Gutes schaffen konnte, oder schlichtweg nur noch Schlechtes vernichten, damit andere darauf etwas Neues erschaffen konnten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 21.02.19, 07:41 
Edelbürger
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Tendarion erinnerte sich an die Gefühle als er zurück in den Speisesaal kam und der endophalische Wächter zum Schlag gegen den Übersetzer ausholte.

Zorn. Unverständnis

Aber vor allem das Gefühl der Bestätigung, dass in diesem Volk keine Liebe für das Leben zu finden war. Alle offiziellen Vertreter der Endophalis die er bislang kennenlernen musste, waren von Herrschsucht und Überheblichkeit angetrieben in ihrer Darstellung. Einst, ehe Falkensee fiel, hatte er sich einigen Endophali anvertraut und sie sogar als gute Bekannte und Freunde bezeichnet, doch auch sie waren am Ende neben Irolan vor den Tempel und unterstützten die Zerstörung des Tempels.

Tendarion war kein Mann der jemanden nach seiner Herkunft bewertete, aber explizit auf Siebenwind waren die Endophali zu einem konstanten Feindbild geworden.

Und diese Frau, die ihr gesamtes Umfeld wie einen Sklaven behandelte, war in dieser Liste der Feindbilder in eine sehr hohe Position gestern gerutscht. Tendarion konnte sich nun ausmalen, warum nur er und andere Entscheider sie auf die Insel begleiten sollten. Es war ziemlich sicher, dass es ein Unterfangen war um die Beeinflusser Siebenwinds wegzulocken, damit in aller Seelenruhe die Insel von den Endophali eingenommen werden konnte.

Tendarion würde nach gestern explizit keinen Schritt mehr von Siebenwind wegmachen. Seine Pläne seine Familie zu besuchen waren ebenso augenblicklich gestorben. Keine Aussicht auf neues Wissen war wichtig genug, um all die Beseelten Siebenwinds einer so großen Gefahr auszusetzen.

Er konnte den Sklaven befreien, doch die Tatsache dass seine ehemalige Herrin ihn sogleich töten wollte, hat sämtliche Aussicht auf den vereinbarten Handel verwirkt. Der Sklave sprach davon, dass der Elf ganz Ras Altanin strafen würde.

Tendarion konnte nur die bitteren Worte herabschlucken, die seine Fassungslosigkeit deutlich machten, dass dieser Sklave der durch Maichellis und Tendarions Hand befreit wurde, ihn tatsächlich mit seinen lebensverachtenden und intriganten Widersachern gleichsetzte.

Der Elf würde schweigen, jeder sollte seine eigenen Erfahrungen machen, doch wenn man ihn nach seiner Meinung fragte, würde er keinen Moment zögern vor diesen niederträchtigen und grausamen Menschen zu warnen.

Seine Müdigkeit ob all des Hasses und der Niedertracht war mittlerweile eine konstante, ungebrochene Linie. Und bis auf Maichellis war keiner mehr an seiner Seite der noch versuchte Tendarions Rücken zu stärken. Er war nur noch Zugpferd für sein Umfeld, musste stets die Worte wählen, die andere von ihm verlangten, damit sie sich selbst wieder besser fühlten.

Aber wie lange war es her, dass er einfach nur er selbst sein durfte, ohne dass es zum Debakel wurde? Er fühlte keinen Sanftmut mehr, da fast sein gesamtes Umfeld nur noch eine Goldwaage mit sich trug und jeden Blick und jedes Wort das Tendarion sprach in diese legte. Tendarion war nicht mehr bereit offen zu sprechen. Er hatte keine Kraft mehr für diesen anhaltenden Strom von Verlangen nach Aufmerksamkeit und Rat, nur um ihn schließlich zum Feind zu deklarieren oder seinen Unmut in emotionalen Ausbrüchen zu zeigen, weil er nicht das sagte, was sein Umfeld erwartete.

Früher hätte Tendarion, ob dieser Hilflosigkeit geweint. Mittlerweile war er sich nicht einmal mehr sicher ob diese Leere, die sich in seinem Herzen ausbreitete überhaupt noch gefüllt werden konnte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 23.02.19, 10:08 
Edelbürger
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Ein Garant Tendarion gegen sich aufzubringen, war es seine Gefühle und sein Leben analysieren zu wollen. Ratschläge, wie er sich zu fühlen hatte, und wie er sich zu fühlen hätte, wie sich sein Leben weiterentwickeln würde, führten dazu, dass er jedes zuvor gesprochene Worte auf das Äußerste bereute. Seine Gefühle waren unantastbar und ein jeder, der dies nicht akzeptieren wollte, sondern ihn darauf hinwies, sorgte dafür, dass er sich in sich zurückzog und das Schweigen bevorzugte.

So viele machten den Fehler ihn nur dann als wahren Freund sehen zu können, wenn er nicht nur seinen Geist, sondern auch sein Herz offenbarte. Und dies war der Grund, warum man in ihm keinen herzenstreuen Vertrauten mehr finden konnte, sondern nur noch den Diener Celedelair, der seine Pflicht erfüllte. Es war nicht die Pflicht seines Umfeldes einen Diener mitzuzerren, zu beraten oder zu helfen. Auch war es nicht das Recht seines Umfeldes, von ihm noch mehr zu verlangen, als er bereits gab. Tendarion war keineswegs mehr sanftmütig, er war auch nicht mehr bereit jemanden zu helfen, der nur der Aufmerksamkeit wegen sich selbst im Weg stand. Es war einfacher mit ihm, als er liebevoll, mitleidvoll und verständnisvoll war. Aber was brachte es ihm ein?

Eine schwangere Frau die den Freitod suchte und in ihrem Abschiedsbrief Tendarion als den Schuldigen bezichtigte, der sie dorthin trieb.

Seine Schuldgefühle gegenüber Vitama, die er nicht ablegen konnte, waren darin begründet, dass er Vitama einen Eid leistete, dieses Kind mit allem was er geben konnte zu beschützen und zu lieben, auch wenn er einsah, dass er der Mutter nicht helfen konnte. Und er hatte versagt. Auf allen Ebenen versagt und konnte seither nicht mehr vor Vitamas Antlitz treten ohne von Schuld und absoluter Hoffnungslosigkeit gebeutelt zu werden. Niemand verstand sein Leid, denn es war ein Leid, das Vitama selbst nicht mehr aufheben konnte und ihn deshalb aus ihrem Dienst entlassen musste. Doch Tendarion konnte nach den vergangenen Götterläufen seither noch immer nicht den Gedanken unterdrücken:

War es wirklich Vitamas Liebe, ihn aus ihren Dienst zu entlassen, oder war es ihre Enttäuschung, dass er derart versagt hatte?

Seine Schritte verhallten in der Bibliothek des Herren. Die Schrift auf den Buchrücken veränderte sich, wie er in seinem Augenwinkel wahrnahm. Er wagte einen Blick dorthin und stellte fest, dass die Bücher nur noch Titel trugen, die auf sein arkanes Studium hindeuteten. Trockene Philosophie, die sich mit keinerlei emotionalen Themen beschäftigte. Wissenschaftliche Abhandlungen. Bücher mit kontroversen Titeln, die eher in der Akademie zur Linken erwartet würden.

Tendarion schloss sein Auge und atmete tief durch. Im Stillen dankte er seinem Herren, der ihn auf den Weg führte. Weg von Emotionen, die Tendarions Herz und Geist zerfraßen. Weg von dem ewigen emotionalen Druck unter den ihn sein Umfeld setzte. Tendarion vermisste Guntrams stärkende Hand im Rücken. Der Ermahner, der Wegweiser. Der Wächter. Auch vermisste er seinen Tadel, wenn er sich ungebührlich verhielt. Aber Guntram war eins mit Astrael, er hatte kein Interesse mehr an den Belangen der Beseelten. Er achtete jedoch darauf, dass Tendarion noch aufrecht stehen konnte und vor allem von seinem Weg nicht abkam. Der Elf fühlte sich so selbstsüchtig, dass er sich nach seiner Hilfe sehnte, wo Guntram sich auf ihn blind verlassen müsste, wie es auch Tendarions gesamtes Umfeld von ihm verlangte. Auch Guntram war ein Beseelter und Tendarion genauso Diener für ihn, wie für jeden anderen selbst.

Als er so in den Gängen der Unendlichkeit der Bibliothek ausharrte und von links nach rechts in die niemals endende Schwärze, die von Reihen von Regalen gesäumt war, blickte, merkte Tendarion erst wie unbedeutend er war. Wie unbedeutend seine Gefühle waren. Wie unbedeutend es war, was andere von ihm dachten, denn er wurde an seinen Taten gewogen, nicht an seinen Gedanken und Worten. Es war ein Fehler sich emotional zu offenbaren. Man hatte seither konstant seine Gefühle gegen ihn gewandt, oder einen Grund gefunden ihm Schlechtigkeit vorzuwerfen, da er nicht ohne Fehl war. Seine gesamte Kompetenz wurde daran gemessen, dass er fühlte und den entscheidenden Fehler machte, seine Gefühle zu zeigen. Er bekam immer mehr Kritik für das was er war, weil er der Überzeugung war, sich nicht in Astraels Sphäre geistig zu begeben, half ihm und seinem Umfeld am meisten. Wenn er seine Fehler offen trug. Wenn er Rebell war, wo andere von ihm erwarteten, dass er sich strikt daran zu halten habe, was die Weltlichkeit an Regeln festlegte.

Sein Blick fiel auf das Buch, das sich auf Augenhöhe vor ihm auf dem Regal befand. Es war sein Buch. Der Weg der verbrannten Asche. Astrael befahl ihm zu wählen. Würde er der Emotionale sein? Der Logiker? Er wünschte er könnte derjenige sein der beides in sich vereinte. Doch das war außerhalb seiner Kompetenz. Emotionalität war seine größte Schwäche und hatte sich in den letzten Götterläufen in keinster Form mehr als Stärke für ihn dargestellt. Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen sich ganz Astrael hinzugeben. In seiner Peripherie veränderte sich das Buch, auf das er eben noch sah. Sein Blick hob sich an.

Der Triumph der Logik
von
Tendarion Celedelair Celetheyon


Tendarion erinnerte sich nicht daran so ein Buch jemals erdacht oder geschrieben zu haben. Doch offenbar war es Astraels Aufforderung an ihn, eine Form der Strafe, da er seine Emotionen in Astraels Reich trug, anstatt mit fokussiertem Geist auf der Suche nach Wissen und Lehre in die heilige Bibliothek zu gehen. Er würde seine Buße erfüllen und Astraels Bestätigung zur Wahrheit machen. Logik über Gefühle. Es war wie ein Sprengen von Fesseln, von denen man selbst nicht wusste, dass man sie trug. Unendliche Ruhe und Zufriedenheit erfüllten ihn.

Er musste nur seine Seele und seine Gefühle vor den Beseelten genauso abschirmen, wie vor den Dämonen - nur dann konnte er Astrael wahrhaft dienen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 26.02.19, 07:27 
Edelbürger
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Spätestens als Caieta und Suluther ein Lächeln bei der Magistratssitzung austauschten, wusste Tendarion, dass er sich umgehend von der Magierakademie fernhalten müsste.

Zwei junge Magier die die Magierakademie als Plattform für persönlichen Erfolg wählten, während Tendarion alles daran setzte mit sanften Mitteln Moral und Ordnung aufrechtzuerhalten, als Magnifizienz Nhergas die Akademie Toran übergab für unbestimmte Zeit. Aber er hatte einen Schwur geleistet. Er würde keine Unruhe hineinbringen. Aber ein Blick eines nach Macht und Anerkennung strebenden Unheilbringers zu einer noch unsicheren Frau, die trotz aller Worte der Freundschaft, ihren eigenen Weg über alles andere stellte, schrie förmlich nach Unruhe.

Er würde nur noch die Unterrichte aufsuchen. Seine eigenen Unterrichte da abhalten, wo er sicher gehen konnte dass Suluther ihn nicht finden konnte, und darüber hinaus nur noch Magnfizienz Nhergas' Aufforderungen erfüllen. Wer nach Macht strebte, räumte stets jene aus dem Weg die vermeintliche Macht in sich trugen. Und ging man rein von Tendarions weltlichen Titeln aus, war er für viele ein unüberwindbares Bollwerk geworden, wenn sie ihren Blick auf die Konkurrenz richteten.

Aber nur weil sie nicht erkannten, dass Tendarion ein normales Leben und normale Konversationen über alles andere setzte. Denn das war seine Prämisse: Normalität und Einfachheit in das Leben anderer zu bringen, damit er am Ende vollkommen selbstsüchtig davon profitieren konnte und sich ganz auf seinen Dienst an die Viere und seine Forschungen fokussieren konnnte.

Stattdessen sah er rings um sich nur Getuschel, bekam Informationen, wer gegen wen agierte, Verbündete, die sich mehr wie Feinde darstellten, als die Feinde selbst.

Tendarion fühlte sich als hätte er Selbstverrat geübt nach der Magistratssitzung. Er konnte dem überzogen aufmüpfigen Schauspiel dieses angeblichen Würdenträgers nichts abgewinnen. Als wäre er in einer Taverne und der Wirt hätte immerzu die besten Geschichten zu erzählen, obwohl er nicht merkte, dass die Gäste nur zuhörten, weil sie auch ein andernmal im Guten wiederkommen wollten. Tendarion hatte jedoch bei Suluthers Zuspätkommen schon die Entscheidung getroffen, dass dies seine letzte eigenständige Handlung als Magister war, solange dieser Mann auf der Insel weilte oder noch lebte.

Die Resignation und der Frust in seinem Innersten lud er in eine sinnvolle Sache um. Der Boden in der Kirche glänzte schon lange nicht mehr so, aufgrund des langen Morsans.
Als dann noch Volandur später zu ihm kam, hatte er zumindest die Garantie, dass er in dieser Nacht schlichtweg erschöpft einschlafen würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 11.03.19, 08:12 
Edelbürger
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Puppenspieler.

Schattenkönig.

Waren beide Worte in dem Kontext, wie sie gegenüber Tendarion benutzt wurden, am Ende nicht identisch? Der der aus den Schatten reagiert und die Fäden von Figuren spielen lässt, die sich ihrem ausgeliefert sein gar nicht gewahr sind.

Tendarion wachte auf, als der sanfte Druck, den Volandur verursachte, als er sich an Tendarion lehnte, schon lange fort war. Maichellis gleichmäßiges Atmen und sein ungewöhnlich warmer Körper zeugten davon, warum Tendarion sich in Sicherheit wiegen konnte und Volandurs Rückzug nicht bewusst wahrnahm. War Maichellis in Tendarions Nähe, war es für letzteren selbstverständlich nichts fürchten zu müssen. Sämtliche Unsicherheiten ablegen zu können. Offen zu sprechen, ohne Angst zu empfinden, was das Resultat sein könnte. Es gab Zeiten, da war Maichellis der Emotionalere der beiden, aber Tendarion war nicht beschämt darum offen zuzugeben, dass sein Geist labiler war, wenn es allgemein um Gefühle ging. Er hatte nur die bessere Kontrolle darüber sie im rechten Moment zu unterdrücken. Wenn er sich jedoch das offene Fühlen zugestand, war er lediglich eine schutzlose Fahne in einem Sturm. Hatte er hingegen die Möglichkeit den Sturm abzulenken, oder gar zu kontrollieren, war er die Fahne, die den Weg wies - klar und offen erkennbar für jeden, der sich die Mühe machte zu ihm zu sehen.

Erynnion wies ihn darauf hin - wenn auch nach Tendarions Geschmack mit zuviel Zorn und Unsicherheit in Mimik und Worten - dass er in Tendarion nur einen manipulativen Puppenspieler sah, der sein Umfeld zurechtdrückte, bis es nach seiner Pfeife tanzte. Tendarion schmunzelte amüsiert vor sich hin, während er dem beruhigenden Atem des anderen dösenden Elfen lauschte. Sprach es nicht eher gegen den schwachen Geist jener, die sich ohne Mühe von Tendarion zurechterziehen lassen? Er musste da manipulieren, wo er Schwäche erkannte, damit diese Personen ihre eigenen Stärken erkannten und ein Schutzschild gegen jene ausbilden konnten, die gnadenlos verführten, verdrehten und solange ausnutzten, bis aus jenen, die sich nicht erwehren konnten, nur eine willenlose Masse an nicht zu auseinanderhaltenden Soldaten entstanden war, die das größte Geschenk Astraels verwarfen: Ihre eigene Vernunft.

Er musste kein Unterdrücker sein. Er musste schon gar nicht ein Anführer sein. Er war ein Grenzgeber und setzte Pfeiler auf, damit die unsicheren Beseelten wussten, wo die Grenzen waren, die sie auf Wege führte, die sie von ihrem eigenen gewünschten Pfad abbringen würden, wenn sie diese überschreiten. Tendarion hörte zu, nahm auf, was sie zu sagen haben, setzte einen Grenzpfeiler nach dem anderen und wenn dann der Dank der anderen Person kam, dass sie sich nun selbstsicherer fühlte, dann zog der Elf sich zurück und wandte sich dem nächsten Wanderer zu, der seinen Weg nicht kannte.

Doch was interessierten ihn jene, die ihren Pfad bereits fest vor Augen hatten? Die Tendarion vorwarfen, dass er sich nicht um sie kümmerte, ihnen kein Interesse schenkte? Tendarion verstand nicht den Sinn darin jemanden zuzuhören oder verstehen zu wollen, der bereits eine feste Meinung über seinen eigenen Pfad oder sein Umfeld gebildet hat. Er war wissbegierig, aber nicht neugierig. Seine Gedanken gingen an soviele Gespräche zurück, mit Beseelten, die ihm vorwarfen er wäre ein schlechter Diener, weil er nicht nach den Gründen fragte, warum jemand so handelte, wie er handelte. War es denn am Ende relevant, was die Person sagte, wenn das Endergebnis nicht gut war? Die Worte wären nur eine Aneinanderreihung von Rechtfertigung, Selbstabsolution und Kleinreden seiner eigenen Fehlbarkeit gewesen. Tendarion konnte sich gut und gerne eingestehen, dass er persönlich nicht nur vollkommen desinteressiert an solchen Gesprächen war, sondern noch dazu über alle Maße gelangweilt.

Es war angenehmer mit Personen wie Iomine zu sprechen, die am Ende gute Resultate hervorbrachte, auch wenn ihre Art und Weise inkohärent und teilweise wirr auf ihr Umfeld wirkte. Doch Tendarion sah das Ergebnis und konnte anhand der Taten einschätzen, wer sie wirklich war und deshalb war es ihm gleich, wie sie war, weil ihr Weg nicht verstanden werden musste. Ihre Taten sprachen für ihr Herz. Und das waren die Momente, die Tendarion bezeugten, dass auch er noch in der Lage war im Sinne Vitamas Entscheidungen und Gedankengänge zu formen. Es war in Ordnung, dass nicht alles mit dem Geist ergründet werden konnte. Etwas was Volandur hingegen noch lernen musste, gleich, wie erfolgsversprechend sein Weg sich zeigte.

Vielleicht war Tendarion wieder der berüchtigte Puppenspieler, als er Maichellis und Volandur die Vorgehensweise für die Wahl des Vogts von Feyendhir vorgab. Aber er erkannte, dass Maichellis wie eine ungegossene Blume verwelkte, ohne eine feste Aufgabe. Volandur hingegen suchte so vehement nach Stabilität, die er bislang nur bei Tendarion zu finden schien. Doch so sehr man ihm gut und gerne vorwerfen wollte und konnte, dass er der Fädenzieher war, so hatte er selbst kein Interesse ein Gewirr aus Fäden in den Händen zu halten, ohne zu wissen, wen er am Ende noch bewegte, wenn er an dem Knäuel zog. Tendarion benötigte selbst Übersicht über das was er tat und sagte. Wenn er nur einen groben Fehler machte und zu einem Beseelten die falschen Worte zum falschen Zeitpunkt sprach, wäre es in seiner Verantwortung das nachfolgende Problem, das sich dadurch ergibt, zu lösen. Und Tendarion hatte in Astraels Namen deutlich genug Probleme zu lösen, ohne dass er sie selbst verursachen musste.

Seine Gedanken schweiften erneut zu Volandur, als er Maichellis Unterarm gedankenverloren streichelte. War es gut, was Tendarion tat? Die Fronten waren bis vor kurzem klar, doch es war anzunehmen, dass Volandur einen Wandel durchlebte. Eines hingegen war eindeutig: Volandur benötigte einen sicheren Hafen, an dem er sich ausprobieren konnte. An dem er wusste, dass gleich welchen Fehler er tat, dass er nicht abgelehnt würde. Tendarion fühlte sich in dieser Situation unsicher, da er wusste, dass seine Reaktionen dafür sorgen könnten, dass Volandur wieder um hundert Götterläufe in seiner emotionalen Entwicklung zurückgeworfen würde. Volandur hatte etwas zu verlieren. Tendarion rein gar nichts. Das war ein Gefühl, das Tendarion nicht im geringsten mochte. Er wollte nicht die absolute Oberhand über das Leben eines anderen haben. Doch blieb ihm nichts anderes übrig, als diese Situation sich entwickeln zu lassen.

Letztenendes sollte Tendarion es genießen. Es gab wahrlich schlimmere Dinge im Leben, als einen liebestrunkenen, attraktiven Fey, der die gleichen Interessen wie Tendarion hatte. Tendarion wollte nicht zuviel darüber nachdenken, denn er wusste, dass jedweder Gedanke dazu führen würde, dass er Volandur am Ende in eine sichere Blase hüllen wollen würde und eine Entscheidung treffen würde, die Volandur nur in Verwirrung stürzen würde. Keine Entscheidung, die in seinem Kopf getroffen wurde würde diese Situation lösen können. Tendarion musste sich an seinen eigenen Rat halten und schlichtweg akzeptieren, dass es besser war die emotionale Entwicklung Volandurs zu fördern, anstatt sie aus undefinierter Angst zu unterdrücken.

Er lehnte sich wieder etwas mehr an Maichellis und ließ wieder die regenerierende Schwärze die Beherrschung über seinen Geist legen, in der Hoffnung, dass seine Gedankengänge nicht seine Träume heimsuchten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 12.03.19, 07:37 
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Tendarion hatte nie verstanden, weshalb Guntram in seinem Zorn dazu neigte anderen eine Ohrfeige zu geben.

Als allerdings seine Hand unsanft auf Volandurs Hinterkopf landete, der unsanfte Schlag einen dumpfen Laut von sich gab und der Kopf des anderen Elfen beschämt nach vorne geneigt verblieb, hatte Tendarion verstanden. Es war ein probates Mittel den unterdrückten Zorn über eine andere Person ohne emotionale Worte, mit deutlich mehr Wirkung, darzustellen. Als er den anderen noch als unendlich dumm bezeichnete und er nur eine demütige, aufrichtige Bestätigung hörte, war Tendarion zufriedengestellt.

Früher hätte er sich in verzweifelten Vorwürfen und emotionalen Reden verfangen und sich selbst mehr zum Opfer als zum Ankläger gemacht. Doch es war effizienter seine Emotionen zurückzuhalten und mit verhaltenen Gesten seinen Unmut darzustellen. Er war ebenso erbost, wie die anderen mit der Situation umgingen. Ein Haufen emotional aufgeladener Menschen, die in ihrer Suche und Sucht nach selbstverherrlichender Gerechtigkeit Schuldige suchten, mit den Fingern zeigten und anderen drohten.

Er lauschte dem gleichmäßigen Atmen des anderen Elfen, der wie so oft vollkommen übernächtigt wirkte und in seiner Übernächtigung wieder einen Fehler nach dem anderen begang. Tendarion zeigte kein Mitgefühl und kein Mitleid. Er zeigte Konsequenzen, Besserungsmöglichkeiten und auch Strafen auf. Volandur wusste, trotz dessen, dass er nun eine ruhige von Tendarion überwachte Phase des Schlafes im Schrein der Herrin durchleben durfte, dass Tendarion ihm diese Ruhe im wachen Zustand nicht gewähren würde. Tendarion war mit seinen jungen Jahren zu sehr Vaterfigur für so viele geworden, wo er selbst sich nur danach sehnte jemanden im Rücken zu haben der ihn aufrechthielt und ihn zur Not voranstieß. Stattdessen zerrte Tendarion eine Unzahl von Personen an seinen Armen mit sich und schob noch die eine oder andere mit seinem gesamten Körper vor sich her. Ab und an hatte er auch noch den künstlerischen Akt zu vollführen jemanden mit einem beherzten Fußtritt vor sich herzutreten, damit er vorwärtskam.

Zumindest hatte er größten Respekt vor einem Packesel. Mindestens genauso stur war er selbst jedoch ebenso.

An Schlaf war nicht zu denken, er meditierte lediglich und war eine stille Stütze für den emotional aufgewühlten und verwirrten anderen Elfen, der sich selbst nicht sicher war, welche Wege er gehen konnte, da er erstmalig Wege beschreiten musste, wo es nicht darum ging gehetzt und mit Angst im Nacken einer Sache nachzueifern, sondern eigene Entscheidungen zu treffen ohne vorab die Konsequenzen zu erkennen. Tendarion fühlte sich als hätte er einen jungen Bruder hinzugewonnen, der an den Oberarmen gelenkt daran erinnern werden musste, dass wenn er sich beiseite oder nach hinten drehte, er nicht vorwärtskommen würde. Volandur war einer der wenigen, die er nicht zerren musste, aber durchaus ab und an mit einem Tritt vorantreiben, damit er nicht demotiviert stehen blieb, obwohl sich vor ihm kein Hindernis offenbarte. Ein Mann der stehen blieb, obwohl die Gefahr aus der Vergangenheit bedrohlich von hinten heranrollte. Es war jedoch eine kalkulierbare Gefahr die der andere Fey im Nacken wusste, während der Weg vor ihm nebulös und düster wirkte. Volandur hatte Angst. Und Angst trieb einen jeden dazu Taten auszuführen, die emotional und auch irrational waren.

Er verachtete die Tatsache, dass die Stimmung in der Akademie nun wieder ins Gegenteil umkippte und es wieder deutlich wurde, dass man ihm die Schuld dafür gab. Implizierte Anschuldigungen ob seines Anteils an Volandurs Verhalten, erfüllten Tendarion mit Zorn. Ebenso Belehrungen über Etikette, wo er sich nach dem Vorfall wiederum zyklenlang damit beschäftigen musste, dass diese Angelegenheit wieder in rechte Bahnen gelenkt wurde, halfen ebenso nicht seinen Zorn zu unterdrücken. Tendarion war für sein gesamtes Umfeld eine wunderbare Zielscheibe, die man ohne Zurückhaltung malträtieren konnte - er würde es aushalten, weil er es in der Vergangenheit schon tat. Doch fühlte sich der Elf nur ermattet und müde von all dem Theater um ihn herum. Ein jeder jammerte, dass ihm die Emotionalität anderer stören würde, doch sahen sie nicht, dass sie immerzu selbst diese Situationen hervorbrachten.

Wie gerne wollte er zu Maichellis nun gehen, doch hatte er auch da seinen letzten Garant dafür verloren, dass er dort seinen Frust lassen konnte. Keinerlei körperliche Zuneigung war mehr erlaubt. Tendarion verpackte es vor Maichellis in lockeren Witzen und Vorwürfen, doch war er kurz davor Adhemar aufzusuchen, ihm die Nase mit einem beherzten Faustschlag zurechtzurücken und ihm zu sagen, dass er sich nicht über Vitama stellen sollte. Allerdings versuchte er vehement die Diskrepanz zwischen Nase brechen und Vitama predigen zu ignorieren. Zumindest war er in der Lage diese Sache gar nicht erst auf einen Versuch ankommen zu lassen. Tendarion lächelte bitter als er an die Decke des Vitamaschreins blickte. Maichellis war keine Option mehr. Volandur würde für sein derzeitiges Verhalten mit körperlicher Zuneigung gewiss nicht bestätigt werden. Guntram war in seinen Büchern versunken. Offenbar hatte Lynn endlich ihren Willen und Tendarion nun ganz für sich alleine. Der Elf hoffte, dass sie nicht zu schnell von ihm und seiner Aufmerksamkeit müde würde. Ansonsten würde Tendarion offenbar seinen Fokus ganz auf den körperlichen Kampf legen müssen.

Er führte seine Hände durch das Haar und verdeckte seufzend sein Gesicht. Am liebsten würde er Volandur abermals einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen, schlichtweg, weil Tendarion wusste, dass er damit seiner Genervtheit etwas Luft machen konnte. Doch der andere sollte schlafen. Tendarion konnte ihn noch immer drangsalieren, wenn er seine Probleme nicht am nächsten Tag sofort angehen würde.

Und die Vorfreude mit der Tendarion diesem gewalttätigen Frustabbau entgegensah, ärgerte den Elfen nur umso mehr.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 16.03.19, 13:15 
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Er hatte neue alltägliche Wege seit sich Maichellis in den Dienst der Ritterschaft stellte.

Morgens kam er zu Lynn mit Frühstück, verbrachte mit ihr angemessene Zeit. Danach übte er, mal mit Maichellis, oder auch alleine, seinen Körper im Schwertkampf oder anderen körperlichen Ertüchtigungen. Daraufhin kümmerte er sich darum im Ordenshaus und Tempel nach dem Rechten zu sehen. Gespräche mit Gläubigen oder schlichtweg Gesellschaftssuchenden folgten. Das Gebet und der Dienst an seinen Herren war ein steter roter Faden der sich ohne Ausnahme durch jeden seiner Tagesläufe zog.

Seine Zeiten der Muße war stets seine Teilhabe an der Magierakademie. Ein Ort an dem er mit offenen Gesprächen über Philosophie, Magie und anderen Gelehrtenthemen, fernab jeder Emotionalität sprechen konnte. Kontroversen wurden auf einer Ebene besprochen, die beiden Seiten Erkenntnis brachten. Die eigene Meinung war nur eine von vielen Theorien. Tendarion hatte dort seinen sicheren Hafen der hochwertigen Gespräche gefunden, an dem er Kritiker und der Kritisierte zugleich sein konnte. Und am Ende war es stets Dank von seiner Gegenseite, dass er sich die Zeit nahm um einen lehrsamen Disput zu führen und etwas mehr Erkenntnis auf diese Insel zu bringen. Die Magierakademie war eine Lücke in Tendarions Leben, von der er bislang nicht wusste, dass sie gefüllt werden musste. Er war Magnifizienz Nhergas und Toran über alle Maße dankbar, dass sie ihm die Möglichkeiten, trotz aller Widrigkeiten, boten, diesen Teil seines Lebens finden und erfüllen zu können. Gespräche mit Quendan Comari bestätigten, dass Tendarion als Lehrkraft ein Zugewinn war. Die Schülerschaft bestätigte, dass man seine Unterrichte gerne aufsuchte.

Die Gedanken überschlugen sich, als er ein letztes Mal in die Akten des Magistrats blickte.

Emotionalität, Intrigen, Vorwürfe.

Tendarion hatte genug davon. Sein Leben war nicht dafür vorgesehen, einigen Menschen eine Plattform für ihre eigenen persönlichen Vorstellungen und Ablehnungen darzustellen. Sie verstanden nicht, dass Tendarion nur rund fünfzig Götterläufe aussitzen musste, ehe diese Menschen weg waren und er genau auf dem Weg, den er begonnen hatte, wieder weitermachen konnte, während sie in diesen Jahren bis zu ihrem Tod nur erreicht hatten, dass er sich ihnen nicht mehr aussetzen möchte. Er hatte durchaus verstanden, dass Menschen ihre kurze Zeit nutzen mussten um jeden Preis, auch wenn er selbst nicht verstanden hatte, was genau an ihm diese Feindseligkeit, gar Hass, in diesen Menschen auslöste, denen er ohne Vorbehalte zur Seite stand. Keinen Moment seiner Zeit hatte er einen Vorteil aus seiner Hilfe für sie ziehen können. Vielmehr hatte er viel gegeben, hatte sich künstlich herabgesetzt, nur um überhaupt einen Hauch einer Möglichkeit zu bekommen in der Magierakademie offiziell anerkannt zu werden. Doch hatte man ihn aus Unterrichten verwiesen, ihm vorgeworfen, er wäre herablassend und würde sich über andere stellen. Bewusst seine Unterrichte mit Ablenkung boykottiert. Das Fehlverhalten von Schülern wurde Tendarion vorgeworfen. Tendarion konnte anwesend sein, oder abwesend sein: Er war für die derzeitigen Magister offenbar ein Dorn im Auge.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, die götterläufelange Arbeit vollständig ungeschehen zu machen und alles niederzulegen, was er sich mühsam erarbeitet hatte. Und wieder tat er es nur zum Wohle der Akademie, da die Emotionalität in den Akteneinträgen von Wort zu Wort zunahm. Das war es nicht, was Tendarion provozieren wollte durch seine bloße Anwesenheit.

Er kam jedoch nicht umhin einen Stich in seinem Herzen zu fühlen, als er verkündete, dass er sich zurückzog. Seine Worte versuchte er so würdevoll und dankbar darzustellen, wie er nur konnte. Doch Schweigen folgte, was seine Meinung, dass er derjenige war, der Fehl am Platz war, bestärkte. Der Magisterarmreif wurde entfernt, die gut gepflegte Magisterrobe zusammengelegt und in einen Beutel gelegt. Es war ihm ein Bedürfnis sich gegenüber Magnfizienz Nhergas persönlich zu rechtfertigen für seine Entscheidung, in der Hoffnung dass er noch einen letzten Rest an Respekt vor ihr bewahren konnte. Tendarion hegte Zweifel daran, denn er hatte dieser Frau viel zu verdanken und konnte ihr bislang nichts zurückgeben, außer seine aufrichtige, demütige Wertschätzung. Er fühlte sich, als hätte er sie und Toran verraten.

Leere breitete sich wieder in seinem Herzen aus und das Gefühl des Versagens machte sich in ihm breit.

Er hatte genug Pflichten. Doch kam er nicht umhin festzustellen, dass seine letzte persönliche Freude, nebst der Zeit, die er mit seinen Liebsten und Vertrauten verbrachte, für die nächsten Jahre unerreichbar wurde. Sein Fokus würde sich nun wieder vollständig auf seine Pflichten in der Kirche richten. Einzig und allein Volandur konnte er auf eine Art und Weise helfen, das er für die Akademie ein Mehrwert sein konnte. Doch zunächst mussten Volandurs persönliche Probleme behoben werden, wofür Tendarion zwangsweise nun wieder mehr Kapazitäten hatte als zuvor.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 17.03.19, 11:29 
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Tendarion hielt Maichellis Hand fest umfasst. Es war ungewohnt, die Decke eng um sich geschlungen zu wissen, während er neben dem Elfen lag, doch er konnte seiner eigenen Selbstbeherrschung nicht vertrauen. Götterläufelange Gewöhnung war nicht binnen weniger Wochenläufe aufzuheben. Sein Körper war sein größter Widersacher in dieser Hinsicht, denn seine Gedanken waren keineswegs darauf ausgerichtet Maichellis körperlich näher zu kommen.

Er war besorgt. Sein Umfeld schien, bis auf Lynn - nie Lynn, sein Felaschein in all den Schatten - mit sich zu hadern. Maichellis und Volandur waren nun gleichermaßen seine Aufgabe geworden. Maichellis mehr eine Sache, die Tendarions Herz zu zereißen schien. Volandur eine Herausforderung an den Diener, der Tendarion war. Sein Blick fiel auf eine Felaknecht, der vor dem Fenster ein Netz spann. Ein Lächeln umspielte Tendarions Mundwinkel. Maichellis Unruhe erweckte die Aufmerksamkeit eines der Diener Lifnas.

Doch erstarb das Lächeln jäh, als sich in Tendarions Kopf ein Bild formte.

...ein Floh, er sprang von Tier zu Tier. Ungeachtet dessen, ob das Tier krank war und sein Blut wenig nahrhaft, gar schädlich. Doch erkannte er, meist viel zu spät und geschwächt, dass er keinen guten Wirt fand, und ließ sich bei nächster Gelegenheit von seinem Wirt herab um auf ein Gebüsch zu springen um dort auf die nächste Gelegenheit zu warten. Ein Hase? Ein Wolf? Vielleicht eine Katze? Doch der Floh saß, krank und ausgehungert auf seinem Blatt und hungerte schweigend und untätig vor sich hin. Eine Spinne begann in nächster Nähe allmählich ihr Netz zu spinnen. Die nächste Spinne fand einen Platz in dem Gebüsch und begann auch hier ihr Gebüsch zu spinnen. Und nach und nach war der kranke Floh umringt von Spinnennetzen und musste feststellen, dass wenn ein geeigneter Wirt am Gebüsch vorbeikam, war es ihm unmöglich diesen zu erreichen, ohne ein Opfer der Spinnen rings um sich herum zu werden. Tatenlos saß der Floh in der Mitte, während die Netze der Spinnen einladend, mit Morgentau glitzernd, funkelten.

Vielleicht konnte der Floh sich von einer der Spinnen nähren? Er war viel kleiner. Sie würden ihn nicht als Gefahr erkennen, wenn er nur hoch genug sprang und sich auf ihrem Rücken festbieß. Die Spinnen klebten in ihren eigenen Netzen nicht fest. Der Floh erkannte seinen Plan als tadellos an und war gerade im Begriff eine der kleineren Spinnen anzuvisieren. Die Sprungbeine waren schon zum Sprung bereit, ehe von der Seite eine der größeren Spinnen in Richtung des Floh zuckten, als er ihr Spinnennetz berührte. Er klebte fest. Er konnte seine starken Hinterbeine nicht mehr nutzen. Die große Spinne krabbelte über ihr Netz zu dem Floh. Panisch versuchte er zu der kleineren Spinne zu gelangen. Doch auch diese wurde auf den Todeskampf aufmerksam und lauerte. Der Sprung wäre nicht sauber, er würde im Netz der kleineren Spinne landen, wenn er sich lösen konnte. Die kleinere Spinne harrte gespannt aus und reparierte hier und da ihr Netz.

Mit einem Mal wurde das Gebüsch stark aufgewühlt, man hörte eine kleine Maus in Todesangst quietschen während ein Falke sich darauf stürzte. Einäugig mit ausgekratztem Auge. Die Maus wandte sich in dem Schnabel des Falken, doch er ließ nicht ab, zeigte kein Mitleid. Er zerquetschte die Maus mit seinem Schnabel, hinderte sie am Entkommen. Die Maus quietschte und quängelte. Die Spinnen in ihren Netzen krabbelten von dem deutlich größeren Jäger fort, versteckten sich. Ihre Netze blieben, es gab andere Opfer, die sich darin verfangen konnten, sie müssten nur zu einem späteren Zeitpunkt dorthin zurückbegeben.

Die Beine des Flohs waren frei. Er legte all seine Kraft in seine Sprungbeine und steuerte den Falken an. Gerade war der Falke im Begriff wieder seinem Tagewerk nachzugehen, nachdem er sich eine Mahlzeit gesichert hatte. Der Floh, der auf ihn aufsprang, blieb vorerst unentdeckt. Ein Falke, war, im Gegenzug zu den kleinen Spinnen eine verlässlichere Nahrungsquelle. Groß, stark und man hatte nicht zu befürchten gefressen zu werden. Der kranke Floh schien mit seiner Entscheidung zufrieden und biss sich in unter dem Gefieder im Falken fest...


Tendarions Blick klärte sich nach dem Wachtraum. Er war sich unsicher, ob er eine Eingebung seines Herren hatte, oder ob es Lifna war, die seine Gedanken beruhigen wollte. Auch wenn er nicht so recht wusste, warum er sich als mäusefressender Falke beruhigt fühlen sollte. Er musste über dieses Bild nachdenken. Er verstand den Floh, auch die Spinnen waren deutlich. Doch die Maus? Ein unschuldiges Lebewesen, das sein Leben im ewigen Suchen nach Schutz verlebte. Es war ihm bewusst, dass er mittlerweile alles andere als unschuldig war und nicht zögerte sein Schwert zu ziehen, wenn es nötig war. Er hatte gar eine der Echsen, die durch Bolzen und Kämpfe malträtiert in die Freiheit entlassen werden sollte, mit einem Dolchstoß in die Schlagader getötet. Kein Mitleid war es, was ihn dazu beflügelte. Man tötete nicht aus Mitleid. Man tötete aus Hass oder weil es unumgänglich ist. Tendarion musste über diese Maus nachdenken und wusste, dass er nicht eher ruhen würde können, ehe er das Bild vollständig verstanden hatte.

Sein Blick ging zu Maichellis. War er die Maus? Es war unwahrscheinlich. Tendarion hungerte lieber als Maichellis' Leben zu entreißen. Es kostete ihm viel Mühe Maichellis nicht davon zu überzeugen, dass er womöglich den falschen Weg ginge. Aber er hatte keinen Moment seine Meinung und seinen unausgesprochenen Wunsch, Maichellis wieder als den, der er war, an seiner Seite zu wissen, durchblicken lassen. Er tadelte Maichellis, flehte ihn an. Hielt ihm den Spiegel vor ohne dass er sich selbst als Teil des Ganzen machte. Er versicherte Maichellis, dass er um jeden Preis an seiner Seite weilen würde, wenn er hingegen nur alles dafür gab, dass der Preis auch seine Berechtigung hatte. Maichellis' Weg war sein selbstgewählter Weg. Jede Form von Frust war ein Zeichen dafür, dass Maichellis diesen Weg gehen wollte. Und Tendarion biss die Zähne zusammen und stieß Maichellis unsanft voran auf diesen Weg. Tendarion verzweifelte bei den Worten des anderen. Er schubste nur härter, auch dann als Maichellis' Worte persönlicher wurden und er Tendarion seine Kompetenz temporär absprach. Ein letzter Tritt. Eine Versicherung seiner Gefühle und Maichellis hatte sich wieder Astrael geöffnet.

Doch Tendarion hatte nach diesem Gespräch eine Erkenntnis, die er nie gewonnen hätte, wäre dieses Missverständnis zwischen Adhemar und Maichellis nie entstanden.

Man ließ niemanden und nichts zurück, wenn man wahrhaft liebte. Wer liebte, der kämpfte und biss sich durch die unangenehmsten Situationen. Tendarions Gedanken gingen an die Magierakademie, an die Personen, die ihm Verständnis und Loyalität ausschrieben, doch die Worte des kleinen Flohs machten deutlich, dass er betrogen wurde. Tendarions Verblüffung über die Worte und dass er sie tatsächlich nicht erwartet hatte, zeugten von seiner noch nicht abgelegten Naivität. Ein zufriedenes Schmunzeln kehrte auf Tendarions Lippen zurück, als er sanft über Maichellis Hand - auch im Schlaf weiterhin versichernd, dass er stets für den älteren Elfen da war - streichelte.

Er war ein Falke. Was kümmerten ihn ein paar Spinnennetze und Spinnen? Er würde sich emporschwingen zu Adlern, Falken und Eulen. Hoch oben auf dem Gebirge, mit Blick auf das Tal, wo er selbst die kleinste Maus wandern sah. Und wenn ein unsicherer und schwacher Floh in seine Nähe kam und sich von ihm nähren wollte, dann ließ er es zu, warf ihn nicht ab und möglicherweise wandelte er sich von einem Floh selbst irgendwann in einen kleinen Singvogel, einen kleinen Habicht, - und wer weiß? - möglicherweise ein Adler, Falke oder eine Eule, die an seiner Seite saßen und mit denen er um die Mäuse stritt, oder sich ein anderes Jagdterritorium suchen musste. Tendarion fühlte sich befreit. Frei wie ein Falke, der sich um die kleinen Einzelheiten keine Gedanken machen musste. Der mit anderen Raubvögeln gerne stritt und sich behauptete, aber eine Spinne nicht mehr für voll nehmen musste. Sie war im Dunkel des Waldes verborgen und flüchtete, den Moment wo er zu nahe kam. Er musste auch die Opfer der Spinnen nicht ausfindig machen. Sie flüchteten von alleine, wenn sie die Gelegenheit erhielten.

Und Tendarion verblieb der Fluchtweg, ohne sie in irgendeiner Form zu lenken, in welche Richtung sie diesen Weg gehen oder verlassen wollten. Sie waren frei bei ihm. Frei zu wählen, ob sie ihn lieben oder verraten wollten. Doch ließ er niemanden im Unklaren, dass letzteres nur einmal möglich war.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 21.03.19, 07:53 
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Galdiell hatte Tendarions Verhalten nicht verdient. Aber er musste sie vehement ablehnen, da der Grund seines Frustes nur einen halben Schritt vor ihm stand. Er würde sie um Verzeihung bitten, ihr das klärende Gespräch anbieten. Doch in dieser Situation wäre kein richtiges Urteil über diese Angelegenheit gefällt worden. Sein Zorn war zu groß und seine Enttäuschung wieder eine Sache erschaffen zu haben, die bei anderen dazu führte ihn zu einer Erklärung oder Rechtfertigung aufzufordern, reichte tief.

Er wollte nur eine Sache für sich, für die er sich nicht rechtfertigen musste. Eine einzige Sache. Und die Unschuldigste von allen traf genau jenen wunden Punkt, der sich in den letzten Wochenläufen empfindlich entzündet hatte.

Es war nicht zu übersehen, dass er eine Grenze zu ziehen hatte. Und als Volandur ihn dann noch zur Rede stellte, warum er diese nicht früher zog, war für Tendarion jede Sinnhaftigkeit, das Gespräch weiterzuführen, vergangen.

In wenigen Monden sollte Tendarion mittragen und lösen, was der Fey sich in Jahrzehnten selbst aufgebürdet hatte. Kauernd im Schrein des Herren sitzend, nur Leid, Klage und kaum Aktion. Tendarion herrschte den anderen an den Schrein nicht mit seiner kauernden Haltung zu entweihen, Astrael regelrecht anzuflehen seine Strafe über die Unvernunft des anderen zu wirken. Und Tendarion war die gesandte Strafe und Lektion. Soviel jünger als Volandur war Tendarion der erbarmungslose Erzieher, der Methoden anwandte, die nun gegen Volandur benutzt wurden. Wieder erkannte Volandur nicht im geringsten, dass er nur ein gut platziertes Medium war um explizit Tendarions Wirken zu boykottieren. Und Volandur stand tatenlos in der Mitte und ließ sich herumschubsen.

Doch Tendarion hatte keine emotionalen Kapazitäten mehr für diese Spielereien. Wer sich ihm entgegenstellen wollte, sollte es Angesicht zu Angesicht tun. Er hatte sich bereits an den Rand gestellt, stattdessen spielten sie sogar mit den Zeichen der Kirche und versuchten andere einzuschüchtern.

Volandur hatte klare Anweisungen erhalten. Und sollte Tendarion noch weitere Ausreden, oder Bedrohungen anderer gegen die Bewohner der Insel vernehmen, würde Tendarion über Volandurs Kopf hinweg Entscheidungen treffen. Und sein eigenes Opfer war ihm dabei nicht groß genug. Er war sich nur nicht sicher, ob Volandur mittlerweile verstanden hatte, was er losgetreten hatte.

Tendarion hingegen wusste, dass der Fels bereits rollte. Doch Tendarion selbst war es der ihn abbremste, während Volandur vehement von oben den Fels nach unten drückte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 25.03.19, 07:47 
Edelbürger
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Tendarion war mehr denn je überzeugt, dass die Endophali nur einen einzigen Beweggrund hatten, sich mit den Bewohnern Siebenwind auseinanderzusetzen: Sie wollten der Insel schaden.

Da sie die Würdenträger nicht einzeln entsorgen konnten, versuchten sie es, indem sie alle Würdenträger gegeneinander aufhetzten. Es war lange her, dass sich Tendarion so Fehl am Platz fühlte, wie in den über mehrere Stunden lang anhaltenden Schlagabtausch mit Adhemar. Er fühlte sich vollkommen missverstanden, wurde zur Kooperation gezwungen und sein Glaube war nur ein nerviges Beiwerk, denn er sollte sich der endophalischen Kultur unterordnen. Sie erwarteten eine Entschuldigung, da ansonsten Adhemars Verhandlungen Fehl gingen. Die Sklaven befreien war kein Verhandlungsakt mehr davon und Tendarion fragte sich, worum sie sich überhaupt stritten.Als Maichellis nach den stundenlangen Beleidigungen als neuer Täter identifiziert wurde und er sich nun entschuldigen sollte bei den Endophali, war Tendarions Wunsch die Insel zu verlassen und Maichellis schlichtweg mitzunehmen, konkreter wie nie.

Je weiter er weg kam von dieser endophalischen Insel, aus Sklavenhaltern, herablassenden und beleidigenden Individuen, sowie weg von den Intriganten und Machtversessenen die auf Siebenwind nichts besseres im Sinne haben, als darauf zu achten einen der wenigen Verbündeten, die die Rechtgläubigen noch hatten, penetrant loszuwerden, umso besser. Tendarion erkannte in all diesem Sumpf an Anschuldigungen und Beleidigungen keinen Sinn mehr hier zu verweilen. In Draconis wurde er gebraucht. Einer von vielen. jemand der in Vergessenheit geriet, wenn er nicht gemocht wurde. Jemand der beiläufigen Dank erhielt, wenn er etwas sinnvolles für ganz Tare tat.

Er hatte einen Beseelten befreit, der ihn anflehte dies zu tun, da er misshandelt wurde. Und nun wurde ihm das zu Vorwurf gereicht, woraus sein ganzes Leben, sein Dienst, seine Essenz bestand: Zu helfen wo es nötig schien. Und Tendarion sollte sich dafür entschuldigen. Tendarion konnte nicht leugnen, dass er sich von Adhemar verraten fühlte. Als Mann und vor allem als Geweihter. Ein Kniefall vor den Endophali, das Betteln um Vergebung, schlichtweg um sicher zu stellen, dass Adhemar in einer weltlichen Verhandlung - in der kein einziger Sklave befreit wurde - eine Grundlage erhielt.

Tendarions Fassungslosigkeit, dass nun Maichellis der Leidtragende sein sollte, reichte grenzenlos bis an den Himmel. Aber da es nun nicht mehr um ihn ging, musste er sich fügen und schweigen. Er hatte eine Schule einzurichten, danach würde er sich über seine Pläne zum Festland zu gehen konkretere Gedanken machen. Bis dahin würde er sich schweigend beugen und sich noch mehr zurückziehen. Sein Verständnis für Guntrams Rückzug, wuchs an diesem Tag ins Unermessliche.

Glaube und Nächstenliebe hatte auf dieser Insel keinen Platz mehr, denn der einzige Gott war Selbstsucht geworden.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 4.04.19, 07:35 
Edelbürger
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Tendarion konnte das innerliche Aufwallen an Euphorie und die Erkenntnis seiner unterwürfigen Demut gegen über seinem Herren nicht unterbinden, als die Astrael-Statuette langsam ihr Auge auf die Anwesenden richtete. Kein indirektes Zeichen, kein Bewegen der Waage, das auch auf einen Windstoß zurückzuführen ist. Es war eindeutig, dass Astrael seinen Blick auf sie richtete. Als Guntrams silbernes Licht in seinen Augen an Stärke gewann, musste Tendarion seinen Blick abwenden. Er merkte wie seine Gefühle langsam emporkrochen, sich in einem triumphierenden Blick, einem euphorischen Lachen zeigen wollten. Astraels Nähe war anders als die Vitamas.

Kein sanftmütiger Lebensfrohsinn. Keine erstickende Liebe, die Einen zwang sie mit jemanden teilen zu müssen. Keine unendliche Trauer für alles Leid Tares.

Nein.

Triumph, Tatendrang, Wissensdurst. Der unstillbare Hunger nach mehr Wahrheit in dieser unwissenden Sphäre. Und alles über allem, die beruhigende Gewissheit, dass in diesem kurzem Moment seiner Präsenz jede Lüge, jedes wahre Unrecht sofort bestraft würde.

Und die Strafe blieb aus. Tendarion merkte, dass er seine Mimik wieder kontrollieren konnte, den fanatischen Blick, der aus ihm herausbrechen wollte - musste - wieder einmal erfolgreich unterdrücken konnte. Er wusste, dass er seine Besessenheit von seinem Herren nicht mehr, oder nur noch sehr schwer, verbergen konnte. Sein Rebellismus gegen weltliche Konventionen sollte darüber hinwegtäuschen. Titel wegzulassen beleidigten Astrael nicht, aber er wirkte weniger fanatisch auf jene, die mit Titel nichts anzufangen wussten. In seinen Anflügen der inneren Ablehnung gegen irrationales oder überzogen emotionales Verhalten wandelte er die weniger angenehmen Gespräche in eine Lektion, in der Hoffnung sein vollkommenes Ausbleiben von jedwedem Verständnis für jene blieb hinter dem Schleier seiner Worte verborgen. Der Drang nach Zerstörung aller und von allem, die es wagten andere mit ihrer Dummheit in weitere Dummheit zu stürzen.

Tendarion merkte dass er seinen Atem anhielt und atmete diskret aus. Ein schweifender Blick zu den anderen folgte, nur um feszustellen, dass er wieder erfolgreich verbergen konnte, was mittlerweile sein ewiger Wegbegleiter geworden war.

Das Lob Guntrams über seine Erfolge bei der Befreiung Asmodeus' war Balsam für sein Herz. Die überwältigende Präsenz Astraels wurde von einem zarten Streicheln der Herrin, das sein Herz umschmeichelte, sanft beiseitegeschoben. Tendarion war Vitama wie so oft dankbar für ihre Hilfe. Für die Hilfe Tendarion zu zeigen, dass er ein sensibles, fühlendes Wesen war, das Schwächen hatte, in einem Tare wo man ihn peitschend zur Stärke zwang und Unfehlbarkeit verlangte. Vor Vitama war Tendarion ein junger, fehlbarer Fey, der noch so viel zu lernen und erfahren hatte, der dennoch das Anrecht hatte, trotz seiner Unvollkommenheit, geliebt zu werden. Er fühlte sich in dieser Nähe zu Vitama wohl, doch war er auch erleichtert nicht mehr dem ewigen Zwang unterlegen zu sein, Verständnis und Liebe zu fühlen, wenn sein Geist keinen logischen Rückschluss ziehen konnte, warum er dies empfand. Er wollte eine Wahl haben wen er umarmen und in sein Leben lassen musste. Mit allen Konsequenzen, die sich durch sein Verhalten ergaben. Sollen sie ihn verachten, diffamieren, hassen, nur weil er nicht mehr allumfassendes Verständnis hatte. Aber er fühlte sich nie freier, als mit der Tatsache, dass er die herablassenden Blicke hinter seinem Rücken ließ. Er ging nur noch weiter und blieb lediglich für jene stehen die ihn baten an seiner Seite zu gehen.

Und Guntram ging mit einem stolzen Blick auf Augenhöhe an seiner Seite. Glücklicherweise von sanften Gefühlen beseelt und dennoch am Ende eine reine Entscheidung der Rationalität.

Tendarion war glücklich nach der Fügung des Abends. Er hatte den Beweis Astraels erlangt, dass er die richtige Wahl getroffen hatte, dass er die Situation richtig einschätzte. Er stand von Anfang an auf der richtigen Seite. Nun wusste er, dass jeder der anderes behauptete verblendet oder ein Lügner war.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 8.04.19, 08:32 
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Hummer.

Lynn wirkte äußerst enthusiastisch als sie gestern den Hummer sah. Möglicherweise gefiel es ihr mehr in einem ungezwungenem Ambiente Hummer zu essen, wo ihr keiner auferlegte wie sie zu essen hatte. Wo die Schalen zu den Nachbarn fliegen konnten, wenn sie zu fest an den Zangen zog. Wo sie sagen konnte, was sie wollte, und Tendarions Miene zu jederzeit entspannt und zufrieden wirkte. Also bereitete Tendarion für sie den Hummer zu, so wie die anderen frischen Fische die einige Fischer der Kirche spendeten.

Die Freude, dass so viele an dem Abend anwesend waren, die Tendarion liebte und verehrte, konnte den Schatten den manch andere Person auf den Ball warf, nicht verbergen. Tendarion empfand Schuldgefühle gegenüber Lynn. Er wollte nicht der Grund für ihre traurige Miene sein. Ein Kuss, ungeachtet der Öffentlichkeit, ungeachtet dessen, dass er auf Etikette zu achten hatte, sollte ihr deutlich machen, dass er mit niemanden lieber an diesem Ball war, als mit Lynn. Als er ihr dann noch ein Frühstück mit einem ausgedehnten Schwimmausflug am nächsten Tag in Aussicht stellte, war ihr frohgemutes Naturell wieder hergestellt. Und Tendarion fühlte aufrichtige Vorfreude auf die gemeinsame Zeit mit ihr.

Als er das Frühstück zubereitete und eine Flasche mit einem leichten Apfelwein befüllte, schwenkten seine Gedanken zu Guntram.

Tendarion wusste nicht ab wann sich ihr Verhältnis so gewandelt hatte. Für ihn war es stets selbstverständlich gewesen, dass er derjenige sein musste, der einen Schritt zurückmachen musste, damit sie beide funktionierten. Doch es zeigte sich allmählich immer mehr, dass sein menschlicher Gefährte und Mentor, letzteres kaum noch war. Immer mehr ging es dazu über, dass Tendarion es war der einen Ratschlag gab, der nicht in Frage gestellt wurde. Tendarion fühlte sich noch oft überfordert in dieser neuen Dynamik zwischen ihnen. Wenn er jedoch vollständig ehrlich zu sich selbst war, hatte er sich nicht im geringsten daran gewöhnt.

Und dennoch konnte er es nicht leugnen, dass diese Macht die er auf ihn ausüben konnte - doch niemals ausnutzen würde - eine gewisse Befriedigung in ihm auslöste. Tendarion wusste um seine eigene Fehlbarkeit mehr, als Guntram sich der seinen Gewahr war. Vielleicht suchte Guntram in der Fehlbarkeit einen Leuchtturm der immerzu leuchtete, nie flackerte, unabhängig davon wie baufällig der Leuchtturm geworden war. Nur der Wärter war entscheidend, dass er jeden frühen und späten Zyklus sich die morschen Treppen hochquälte in seiner ewigen Pflicht, das Feuer nie vergehen zu lassen.

Oder war es schlichtweg die Erkenntnis dass jeder Meister seinen Meister suchte? Tendarion war sich unschlüssig, ob dies zutreffen würde. Aber selbst wenn es genau jenes war, was Guntram antrieb, so wusste Tendarion, dass er diesen Aspekt solange leugnen würde, bis Guntram es wortwörtlich aussprach. Nur dann hätte er keinen logischen Grund dieser These zu widersprechen. Bis dahin war der Gedankengang vollkommen absurd für den Elfen.

Das Kribbeln in seinem Nacken, die leise Stimme in seinem Kopf und das etwas tiefere Einatmen jedoch, zeigten ihm, dass er in diesem Gedanken eine Genugtuung und ungewöhnliche Zufriedenheit empfand. Vielleicht war er dominanter als er es selbst erkannte? Es war für ihn so selbstverständlich seine eigenen Wünsche bis an den Rand des Wahnsinns und der Qual zurückzudrängen, dass er nicht schlichtweg zugeben konnte, dass er mehr seiner Wesenszüge unterdrückte, als er es bereits tat.

Doch es war so offensichtlich geworden. Kaum hatte Tendarion die Möglichkeit keinerlei Schranken auferlegt zu bekommen, so brach seine herrische und auch dominierende Art aus ihm hervor. Und die Tatsache, dass es leichtherzig mit guter Miene hingenommen wurde, machte jede Form von Zurückhaltung schlichtweg nicht existent.

Tendarion blickte von dem Korb den er packte auf und sah aus dem Fenster des Ordenshauses.

Ein Diener der Beseelten, der in seiner dominanten Art und Weise anderen auferlegt, wie sie ein einfacheres Leben führen könnten? Oder der herrschende Schattenkönig, der mit Zuckerbrot und Peitsche eine heilsbringende Agenda in seinem Königreich durchsetzen wollte?

Er war an einem Punkt, an dem er sein tatsächliches Wesen in Frage stellte. Und er wusste, dass nur Guntram ihm dabei helfen konnte, sein wahres Gesicht zu finden, denn niemand konnte nur mit einem Blick allein Tendarion dazu bringen, seinen gesamten Lebensweg in Frage zu stellen.

Doch war es an der Zeit die komplexeren Dinge beiseite zu schieben. Sein Felaschein wartete und er hatte seine ungebührliche Laune von gestern wieder gut zu machen. Der einzige Gedanke der ihn im Bezug auf Lynn nachdenklich stimmte, war Lynns Wunsch ein Kind mit ihm zu wollen. Es war nicht möglich, doch ihn ließ der Gedanke schlichtweg nicht los.

Er nahm das Esspaket auf und hielt in der Bewegung inne. Und wenn Guntram diesen Teil übernehmen würde, den er selbst nicht erfüllen könnte? Er musste Lynn fragen, ob es ein Kompromiss für sie wäre. Ob es für sie das selbe wäre. Tendarion wusste, dass er das Kind wie das Seine lieben würde, auch wenn sein Blut nicht durch die Adern des Kindes fließen würde.

Seine Gefühle würden gar tiefer reichen. Der Spross zweier Menschen denen er sich so sehr verbunden fühlte und liebte, würde das Epitom seiner Gefühle hervorrufen. Ein Lächeln drängte sich auf seine Lippen. Er musste vorsichtig sein keine Vorfreude zu entwickeln. Aber er würde Lynn in jedem Fall noch heute darauf ansprechen.

Mit einem Mal hatte er es eilig, als er mit dem Esskorb das Ordenshaus verließ und nur im vorbeieilen allen zunickte. Einzig und allein sein entspanntes Lächeln rief in einigen, die sich an seine in sich gekehrte Miene gewohnt hatten, verwunderte Blicke hervor.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 17.04.19, 06:47 
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Der Geruch von Wundalkohol, der Heilsalbe und der unterliegende Geruch von Blut und Schweiß erfüllten Tendarion, als er den vor Erschöpfung eingeschlafenen Custodias in einem Arm hielt.

Es war selten dieser Tage, dass er verletzt war und Tendarion kam nicht umhin eine gewisse Genugtuung zu fühlen, dass die Tierwelt nicht kampflos ihr Leben überlässt. Tendarion drehte seinen Kopf zu der Stelle an der kurz zuvor noch eine dritte Person saß.

War es womöglich eine Eingebung von Vitama an Tendarion, dass es sich so entwickelte? Oder war dies der Plan den die Herrin von Anfang an für Tendarion und Custodias verfolgte und der sich über die Jahre erst entwickeln sollte? Es hätte Tendarion nicht im geringsten verwundert, wenn es so gewesen wäre. Es war für ihn so selbstverständlich, dass dies der einzige Weg wäre um sicherzustellen, dass er den Rest seines Lebens mit ihnen verbunden blieb. Er würde ihn von einem einfachen Beschützer weniger Einzelner zu einem Wächter der Generationen emporheben. Ein selbstloser Schutzpatron dessen einzige und selbstauferlegte Aufgabe wäre, darauf zu achten dass jeder Einzelne von ihnen seinen Weg nicht verlieren würde.

Er spürte das Kribbeln der Vorfreude in seinem Innersten und während er über den Kopf des schlafenden Verletzten sanft streichelte, stahl sich ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. Selbstlosigkeit war es jedoch nicht. Er hatte sich aus freien Stücken gebunden und er würde den Eid offiziell vor Zeugen aussprechen, im Namen der Sahor. Und er würde ihn ebenso einhalten wie jeden Schwur den er auf die Viere legte.

Er dachte an Maichellis zurück. Für ihn gab es keine wahre Selbstlosigkeit. Wer selbstlos leben wollte, empfand die Genugtuung des Selbstlos-sein. Per Definition gab Tendarion ihm recht, doch stellte er sich die Frage, ob Tendarion jemals den wahren Anspruch hatte selbstlos zu sein. Die meiste Zeit war er emotional betrachtet ein immenser Egoist und Egozentriker. Wer seine Gefühle ausnutzte oder ihn emotional zu manipulieren suchte, der wurde recht schlagartig aus Tendarions Tür, die sein Leben vor den anderen abschottete, gewiesen. Die Türe war niemals geschlossen, aber er würde sie in solchen Fällen nicht mehr von alleine öffnen. Wer geht oder gegangen wurde, der musste selbst wieder lernen diese Tür zu öffnen. Die wenigsten versuchten dies aus reinem Herzen. Zu meist versuchten sie die Türe mit falschen Worten der Herzlichkeit oder aber mit emotionaler Erpressung dazu zu verführen, dass sie von alleine aufsprang.

Tendarion merkte dies in all jenen, die nur dann seine Verbündeten waren, wenn sie das Gefühl hatten Tendarions Lebensinhalt geworden zu sein. Nein, er war alles andere als selbstlos. Ihm war der Selbsterhalt deutlich wichtiger, als der Zuspruch von anderen. Wenn eine wahre Vertrautheit und Liebe beinhaltete hunderte Manipulatoren und Ächter in seinem Leben ertragen zu müssen, dann würde er diesen Handel auch mit Tausenden von ihnen eingehen.

Denn wahre Liebe hatte er an jenem Tag gesehen und gehört. Eine geschlossene Knospe, die sich vor seinen Augen zu der schönsten Rose in dieser Sphäre öffnete. Tendarion erinnerte sich nicht daran, wann er zuletzt derart tiefe Zufriedenheit fühlte.

Er war nicht selbstlos, aber noch immer in der Lage, ohne jeden Schatten in seinem Herzen, das Glück anderer schlichtweg zu ehren und sich selbst daran zu erfreuen. Und er war erleichtert, dass Vitama noch immer ein derart großer Teil seines Lebens war.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 18.04.19, 17:25 
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Die steife Brise an den Klippen wühlte sein langes Haar auf. Sein Blick wandte sich in die Ferne und das Gefühl des Vergessen werdens und der Einsamkeit stellte sich in den Tiefen seines Innersten ein. Er hatte nur noch jene über sich, die sein Herz nicht berührten, denen er im weltlichen Dienst verpflichtet war. Einzig die Viere standen darüber - über allem - und erfassten sein Herz, seinen Geist und seine Seele.

Er war nicht alleine. Aber er war der starke Rücken vieler geworden, während er nur noch Rückenstärkung in den Vieren fand. Ein jeder Einzelne der ihm einst eine Leitlinie war, war nun zu jemanden geworden, der nach seinem Rat oder seine Unterstützung trachtete. Doch an wen konnte er sich wenden, wenn er Führung suchte? Sein Blick ging in den Himmel.

Waren die Viere über ihm, um ihn - waren sie in ihm?

Er war nicht alleine. Die Strafen die ihm sein Herr angedeihen ließ, deuteten darauf hin, dass er unter konstanter Beobachtung stand. Eine Lüge und er spürte das Kribbeln in seinem Nacken. Die Angst vor seinem vergeltungssüchtigen Gott war höher als der Wunsch sich das Leben zu erleichtern. Kein falsches Lächeln mehr, um sein Gegenüber friedlich zu stimmen. Keine Zurückhaltung, wenn sie nicht angebracht war. Offenheit, wenn der Rest Tares sich verschließt oder schweigt.

Er war nicht zu unterschätzen und Tare sollte und musste es wissen.

Doch war dieser von Astrael geforderte Weg nicht auch der Grund weshalb er sich gleichsam immer mehr in die Einsamkeit drängte? Entweder war man mit ihm, oder wurde ignoriert - oder eben bekämpft, wenn man sich in die offene Opposition stellte. Er war kein Richter. Er war ein Advokat jener die nicht für sich sprechen konnten. Aber auch war er die Exekutive geworden. Der Henker. Derjenige der das Fallbeil hochzog, wenn er wusste, dass der Täter ohne seinen Kopf eine größere Bereicherung für Tare war.

Er blickte in die Gischt und er fühlte den Ruf der Wellen die tosend gehen die Klippen schlugen. Der Sirenengesang der Befreiung. Der Delfin der nach Hause gerufen wurde. Lynns Gesicht formte sich in den Wellen. Ihre Hand erhob sich zu ihm - der lockende Zeigefinger wurde auf ihn gerichtet. Ihr bezauberndes Lächeln folgte und Tendarion kam nicht umhin das Lächeln zu erwidern. Er ging einen Schritt. Zwei weitere.

Der Fall war surreal und er hatte keinerlei Gefühl des freien Falls. Er schloss die Augen und bereitete sich auf den Aufprall in das kalte Nass vor. Aus dieser Höhe würde er vergehen. Eingenommen von Lynns Element und für immer mit Tare verbunden, nicht in der Lage zu agieren. Kein Lug und Trug. Er wäre befreit, ein Wesenheit, die war und nicht mehr sein musste.

Unsanft kam er auf einen weichen, moosigen Untergrund auf. Sein Auge öffnete sich schlagartig.

Volandur lag mit weit aufgerissenen Augen und verdrehtem Kopf neben ihm. Tendarions Blick schnellte die Klippen empor, auf jenen Akelas, Sarana mit ihrem toten Kind und Sinister standen. Er rappelte sich desorientiert auf und die Magier der Akademie standen um ihn, mit anklagenden Blicken und deuteten auf Volandur. Er drehte sich im Kreis und sah Maichellis, Guntram und soviele andere, die sein Herz berührten, aber nur eine verschwommene Gestalt zeigten, wie sie sich entfernten.

Guntram sah zu ihm über die Schulter und schüttelte den Kopf mit verletztem Blick.

~~~


Tendarions Augen öffneten sich erneut und er zog scharf die Luft durch die Nase ein. Maichellis' Zimmer. Maichellis' Geruch. Seine Wärme.

Ein Traum?


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 23.04.19, 07:16 
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Es benötigte Guntrams Worte, dass er endlich den Mut hatte einen ersten Teil seiner Schrift fertigzustellen. Ein Buch aufgetragen, vom Herrn Astrael selbst, war keine Aufgabe die man je als abgeschlossen betrachten konnte - schon gar nicht als Fey. Guntram erkannte in dem Auftrag Astraels eine Anforderung Tendarions Geist, Leben und Wirken zu erfassen. Keine weitere oberflächliche Schrift, die gebunden in einem Regal in Vergessenheit geriet. Der Triumph der Logik sollte sein Lebenswerk werden. Seine persönliche Aufgabe, seine Autobiographie; sein Tagebuch, seine Pflicht sich immerzu selbst einen Spiegel vor Augen zu führen und darin unverfälscht betrachten, wer er wirklich war. Er stellte den Spiegel vor sich auf, doch sah er nicht sich selbst darin, sondern die Gesichter all jener die ihn sein Leben lang schmähten. Er führte sich ihre Ablehnung und ihren Hass vor Augen, sah ihnen in die Augen und ließ jedes ihrer Worte der Verachtung auf seiner geistigen Zunge gehen.

Egoist. Schwarze Seele. Schattenkönig. Manipulator. Täuscher. Initrigant. Schwach. Falsch. Lügner. Gefühlskalt. Custodias' Abbild. Selbstsüchtig. Arrogant. Hart. Selbstverliebt. Desinteressiert.

Volandur fragte ihn oft nach der neuen Schrift und wann er sie fertigstellen würde. Ausweichend antwortete er stets, dass er kein Ende fand mit der Schrift. Doch wer würde je ein Ende darin finden sich seinen eigenen Dämonen zu stellen? Er wurde in der Vergangenheit nie falsch eingeschätzt, doch musste er für sich filtern, unter welchen Gesichtspunkten er diese Worte ertragen musste. Wer sprach sie? Unter welchen Umständen? Wie reagierte er? Wie war seine Intention?

Es amüsierte ihn, dass ihm die Vorwürfe gegenüber seiner dunklen Seiten der Schutzschild wurde, den er so verzweifelt versucht hatte selbst aufzubauen. Er wusste dass er viel zu erklären hatte in seinem Wandel von Vitamas liebevoller Gunst zu Astraels harscher Lehre.

Jedes neues Gesicht, das Tendarion traf wurde geprägt von seinen Widersachern und Feinden. Sie sprachen Dinge an, von denen Tendarion nie offen sprach, doch sie wussten davon. Niemals ihre Informanten preisgebend, doch Tendarion wusste wen er welche Informationen gab. Er kannte die Vorwürfe, er kannte die Gedankengänge und er wusste wie tief er in jeden vorgedrungen war, der sich einst Freund nannte. Mit jeder Zeile und dem Auseinandersetzen dieser negativen und schmerzhaften Worte und Erfahrungen, gewann er mehr Selbstsicherheit.

Er wurde nicht gehasst. Er wurde gefürchtet.

Neutrale Aspekte der Unbestechlichkeit wurden Tendarion nie als Vorwurf entgegengebracht, denn sie würden suggerieren, dass man ihn versuchte zu bestechen. Die Tatsache dass er unbeirrbar ist, wenn er eine Meinung gebildet hatte, wurde ihm als Sturheit zum Vorwurf gemacht, ohne den positiven Aspekt der Verlässlichkeit hinzuzufügen. Er war nicht vertrauenswürdig für jene, die selbst nicht alles von ihrer Seele offenbaren konnten - etwas womit Tendarion niemals zu kämpfen hatte. Er war ein offenes Buch. Nur viele entschieden sich es zuzuschlagen, anstatt weiterzublättern um zu erfahren wie es sich entwickeln würde. Tendarion litt unter seiner Einsamkeit die dadurch entstanden war. Doch war es Einsamkeit?

Langsam zweifelte er daran.

War es nicht vielmehr die Tatsache, dass er ein von vielen unberührtes Buch blieb, obwohl es Wissen und Informationen zu offerieren hatte? Präsent lag es in der Bibliothek. Die wenigen Mutigen die sich über das Buch beugten um neugierig hineinzusehen, die ersten Zeilen zu lesen, nur um zu erkennen, dass sie in einen Spiegel sahen. Er fühlte sich einsam, weil er kein Individuum mehr war. Er war ein Teil einer Entität geworden, die bestimmte, wie er sein Leben zu führen hatte. Wenn Astrael von ihm abverlangte sich selbst zu opfern um jeder Lüge schonungslos den Spiegel vorzuhalten, während er selbst nur noch eine unbedeutende Silhouette dahinter war, dann wählte er dieses Opfer bereitwillig. Man konnte ihn kaum noch verletzen oder sein Herz erreichen, weil er nur noch selten vom Herzen sprach.

Er war als Fey schwach und konnte mit seinen eigenen Gefühlen nur schwer umgehen. Traurig, mit sich selbst überfordert, sich nach Selbstlosigkeit und Liebe sehnend, in einem Tare in dem Selbstdarstellung wichtiger war.

Doch der Spiegel gab ihm Kraft. Denn er wusste, dass er in jenen, die es wagten in den Spiegel zu sehen, wieder ein kleine Stück mehr Selbstlosigkeit und Liebe aufbauen konnte. Er wurde geliebt von jenen die er am meisten kritisierte. Denn auch sie waren seine größten Kritiker, die ihm den nötigen Tritt in den Hintern gaben sich den Vorwürfen und Lügen anderer zu stellen.

Tendarion dachte amüsiert an die letzten Tage zurück und wusste dass er verspätet Vitamas Einzug auf Tare feierte.

Er war nicht einsam. Er war nur ein dummer Fey, der dankbar war, dass er eine so hohe, wenn auch undankbare, Aufgabe erhalten hatte. Man liebte ihn. Man vertraute ihm. Es spielte keine Rolle dass der Großteil seines Umfeldes ihn fürchtete, mied und verachtete, denn es war nur ein Zeichen seines Erfolgs.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 26.04.19, 07:44 
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Anspannung die über einen halben Götterlauf anhielt und von einem Tag auf den anderen gelöst wurde, sollte befreiend wirken. So zumindest war Tendarions Hoffnung als er das Antlitz Sinisters ihm gegenüber am Magistratstisch erblickte.

Die Beweislast war eindeutig, doch gab es niemanden den sie dazu animieren konnten sie zu bestätigen. Viele Indizien, die ungeordnet in einem Korb lagen und unkontrolliert hin- und herrollten, so dass jeder sie erkennen konnte, aber es zu schwer war das Gesamtbild darin zu erfassen. Als Volandur sich Tendarion offenbarte und allmählich, ohne dass der Elf Namen nennen musste, es deutlich wurde, mit wem Volandur Beziehungen außerhalb Brandensteins pflegte, wurde aus einem kleinen - durchaus vom persönlichen Stolz durchverfärbten - indiziensuchspiel für die Magierakademie eine Angelegenheit in seinem Dienst an die Kirche.

Um Volandur von seinem Weg abzudrängen, musste er den größten Manipulator in seinem Leben aus dessen Leben drängen. Tendarion war sich zu anfangs sicher, dass es eine reine emotionale Manipulation sein musste. Dass irgendjemand Volandur, mit haltlosen - oder aber tatsächlichen - Versprechen, um den Finger gewickelt hatte. Tendarion wusste dass dort Frauen zu finden waren. Und sein Zorn auf Volandur stieg, da er davon ausging, dass Vitamas Geschenke der Grund waren, dass Volandur auf diesem selbstzerstörerischen Pfad wandelte.

Doch alles wandelte sich als Volandur sich seiner Vorlieben offenbarte und schließlich, dass er einen freiwiliigen - so bodenlos dummen - Pfand von sich an Sinister gab. Es war eine emotionale Angelegenheit in ihrem Ursprung gewesen, aber es wurde eine reale Bedrohung. Und Tendarion spürte den ersten Triumph als Caieta ihm eröffnete, dass Volandur näheres Interesse an Tendarion empfand.

Er konnte den dummen Elfen von einem destruktiven Manipulator wegholen und allmählich sein eigenes lichtdurchlässiges Netz des Schutzes um ihn spinnen. Das Netz zog sich über die Monde hinweg zu. Viele Worte wurden in einen luftleeren Raum gerufen. Viele Worte stießen auf taube Ohren. Doch dann konnte Tendarion endlich eruieren, wo Volandurs Grenzen lagen. Wo er sich seines Versprechens nicht mehr sicher war. Er hatte sie alle geschützt. Und nur einen von ihnen wollte er im Grunde nicht schützen. Also musste Tendarion einen neuen Weg gehen. Er begann in aufrechter Sorge und mit geduldigen Sanftmut auf ihn einzureden. Ohne Bedingungen, konnte und sollte Volandur in seiner Nähe er selbst sein dürfen. Er durfte Tendarion in sein Leben holen, wie es anderen nur erlaubt war, wenn er ihnen anstandslos vertraute.

Tendarion ließ sich eine lose Leine legen und hier und da von Volandur mitlotsen, doch er setzte eine Grenze: Volandur war nicht sein Geliebter. Er war sein Schützling, der schlichtweg aufgrund der Tatsache, dass er kein unschuldiger junger Mann war, auch sein Bett teilen durfte. Eine weitere Sicherheit die Volandur benötigte um sich zu offenbaren. Und es war der letzte entscheidende Akt um sicher zu stellen, dass er Volandur im Licht halten konnte. Manipulation durch Vitama - denn an Astrael mangelte es Volandur in seinem Leben nicht. Nur an dem rechten Umgang mit seinem Geist.

Es war sogar nachvollziehbar für ihn weshalb Volandur diesen dunklen Pfad wählte. Kein Fey konnte den geistigen Zerfall in den Ältesten ertragen. Für andere Völker waren die seltsamen Verhaltensmuster der Fey ungewöhnlich, aber eher als nerviges Beiwerk angesehen. Doch wer in einer Gemeinde über Jahrzehnte und Jahrhunderte lebte und erkannte, welch einen Effekt die Zeit auf den Geist hatte, dann musste man zwischen Sorge um seinen Geist oder Akzeptanz darum, dass man den Freitod irgendwann wählen würde, wählen. Die meisten jungen Fey sind von der Sorge geplagt. Noch mit wachem und unverderbten Geist gesegnet, waren die Tugenden Vitamas deutlich höher gestellt, als die Morsans. Man hatte das Leben vor sich und eine so alte Generation, die nur nach Morsan trachtete, war ein sehr großer und wichtiger Teil der Gemeinschaft der Fey. Der verzweifelte Drang nach Ruhe für den Geist - und sei es durch den selbsterwählten Rückzug nach Lothorien - belasteten nicht nur die Ältesten, sondern lähmte ebenso jeden jüngeren Fey, der gezwungen war hilflos zuzusehen.

Er verstand sehr wohl warum Volandur sich so von seinem Pfad des Lichtes, der den Fey in die Wiege gelegt wurde, entfernt hatte. Deshalb wusste er, welche Argumente er aufbauen musste, damit der Fey verstand, dass er den Weg gewählt hatte, der seinen Verstand schneller vergehen ließ, als es die Nähe zu den rastlosen Menschen je vermochte tun zu können. Und so hatte Tendarion nach Monden den richtigen Zugang zu Volandur gefunden: Er musste ihm nur deutlich machen, dass seine Taten alle Fey in den Abgrund zogen. Kein Druck, kein Verlangen, dass er einen bestimmten Weg zu folgen hatte, lediglich mit aufrichtigen Gefühlen arbeitend, bis Volandur erkannte, dass er für seine eigenen Taten zwar die Verantwortung trug, jedoch nicht nur er allein das Leid ertragen würde.

Es war für Tendarion ungewohnt mit solchen Emotionen wie Zorn, Eifersucht, Unzufriedenheit und Ablehnung offen umzugehen. Doch er wusste, dass er nur damit zu Volandur durchdrang. Eine Strafe oder Buße die endete, hätte zu anfangs nie den Effekt gehabt, wie Tendarions Entblößung seines Geistes und den Schattenseiten seiner Selbst. Volandur sollte sehen, dass nicht Perfektion und Makellosigkeit der Weg war um zu sich selbst zu finden, sondern genau das Gegenteil: Die Anerkennung seiner eigenen Fehlbarkeit und der eigene Umgang mit jener. Kein Streben nach einer Lösung um jeden Preis, sondern das Beste aus dem machend was einem in die Wiege gelegt wurde und das Umfeld einem vorgab.

Die Anspannung, als er die Offenbarung eindeutig vor sich hatte, wich jedoch nicht. Caieta holte sogleich Bogen und Pfeil heraus und schoß direkt in Tendarions Geist, indem sie noch in Sinisters Anwesenheit nach Volandurs Strafe trachtete. Und Tendarion wusste, dass nun Sinister einen neuen Ansatzpunkt fand. Und die versuchte Demütigung folgte sogleich. Tendarion war ungebändigt vor Zorn auf Caieta. Und konnte diesen Zorn auch nicht ablegen, als sie ihn später aufsuchte. Ein kluger Mensch. Aber gleichsam der naivste Taktiker und Intrigant auf der gesamten Insel. Tendarion gab ihr noch eine letzte Gelegenheit zu beweisen auf welchem Pfad sie wirklich wandelte, doch er zweifelte, daran dass er jemals wieder davon überzeugt werden konnte, dass sie die Pragmatikerin war, die die sich selbst einredete zu sein.

Die Anspannung verging nicht im geringsten. Sie wuchs. Und Tendarion wappnete sich, um den Vergeltungsschlag, der folgen würde, mit dem geringsten Schaden für Volandur abzufangen.

Er hoffte, dass er selbst dabei überleben würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 28.04.19, 11:14 
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Ovelia Galthana.

Tendarion hatte nicht im geringsten eine relevante Begebenheit im Sinne, die ihm erklären konnte, warum er sie sofort wiedererkannte und ihren Stand, trotz fehlenden Ornats ebenso in seinem Kopf präsent hatte. Solcherlei Geistesblitze schob er bisweilen auf die Nähe Astraels zu. Ein Wink seines Herren, so dass er die rechten Personen intuitiv rechtens anspricht.

Seine Gedanken gingen zu Rahel. War dies der Grund warum er damals direkt zu ihr war? Hatte sein Herr ihm bereits zu jenem Zeitpunkt verdeutlicht, dass sie nicht die Unschuld war, die sie zu jenem Zeitpunkt suggerierte zu sein? Tendarion konnte nur vermuten, dass seine Direktheit dazu führte, dass sie sich ertappt fühlte. Und nur darauf basierend wurde sie systematisch indoktriniert ihren Hass auf Tendarion zu verstärken. Sie hatte nie versucht Beweise dafür zu erlangen. Schlichte Verachtung aufgrund einer Begebenheit. Volandur nahm sie in Schutz, weil er diese hinterhältigen Taktiken des Ausweichens und der Konfrontationsvermeidung ebenso pflegte und auch noch heute anderen empfahl. Tendarion war gegenüber Rahel von keinerlei Gefühlen beseelt. Er musste sich bei diesem Gedanken jedoch einer eigenen Unwahrheit stellen. Es war eine Falschaussage, denn er empfand etwas, wenn er an sie dachte: Mitleid darüber, dass ihr Vitamas Geschenke in einer so verderbten und verdrehten Art und Weise dargebracht werden, dass sie selbst nicht mehr aus diesem Kreislauf herausfand.

Ovelia hingegen war anders. Sie wollte nicht über sich sprechen. Kein konkretes Anliegen führte sie in die Kirche, außer ein Gespräch mit einem Diener. Und Tendarion war gut genug für dieses Unterfangen. Er bewirtete sie, doch schien sie das ganze Gespräch über nur wenig Notiz von Tee und Torte zu nehmen. Es störte ihn nicht, denn er hatte die unerklärliche Gewissheit, dass wenn sie etwas anderes gewollt hätte, hätte sie es ausgesprochen. Sie hatte die ruhige Ausstrahlung einer Person, die sich ihres Dienstes und ihres Status sicher war. Tendarion fühlte sich in ihrer Präsenz wohl. Auch wenn er nicht im geringsten damit gerechnet hätte, dass er darum gebeten werden würde seinen Wandel von Vitama zu Astrael zu erläutern.

Die gesamte Zeit seiner Erzählung war sie aufmerksam und ausschließlich auf ihn fokussiert. Nicht ein einziges Mal unterbrach sie ihn. Tendarion hingegen wurde in ein Wechselbad der Gefühle getaucht. Die Erinnerung an die unkontrollierte Emotionalität in seiner Vergangenheit, gepaart mit der Erzählung von Draconis, die er kurz zuvor von Rondara hören musste, ließ ihn das eine oder andere Mal einen Kloß in seinem Hals herabschlucken. Doch unerbitterlich wie Ovelia war, unterbrach sie ihn auch dann nicht als er offenkundig mit sich zu hadern hatte. Also sprach er weiter. Eine Beseelte wollte erfahren wer die Kirche vertrat. Und sie hatte jedes Anrecht darauf zu erfahren, wer er war. Zu erfahren, dass er schwach und unvollkommen war. Dass er nicht stark genug war Vitama zu dienen.

Als er seinen Weg bis zu dem heutigen Tag, an dem er vor ihr saß, losgelöst von jedem Selbstlob, schlichtweg seinen Fehl vor Vitama berichtend, vollendete, schwieg sie einen Moment. Und das was folgte, ließ nicht nur den Kloß in Tendarions Hals anschwillen. Sein Herz wurde in vollkommene Wärme und Liebe getaucht. Verlegenheit und zurückgehaltene Fassungslosigkeit erfüllte ihn. Es war ihm in der besten Art und Weise unangenehm, was sie an ihn richtete. Es war selten genug, dass er so ergriffen war, dass er seinen Blick abwenden musste. Doch sie war fleischgewordener Balsam für sein Herz. Und sie zögerte nicht im geringsten diesen aufzutragen.

War es möglich von zwei Göttern gleichsam berührt zu werden und dies aufrechtzuerhalten? War Vitama nach wie vor bei ihm, doch entschied sie sich bewusst, im Hintergrund zu weilen, da er unter der Last der Gefühle zerbrechen würde? Ovelia war davon überzeugt. Denn keinen emotionaleren Diener des Herren schien sie bislang getroffen zu haben. Das Gespräch ging recht schnell auf Custodias über und auch da stellte sie einen Wandel fest, der nun sie überraschen sollte. Womöglich war es für sie ein Novum gewesen, dass jemand von ihm objektiv sprach, seine Fehler kannte, und dennoch ein nur positives Urteil am Ende über ihn fällte. Sie war bereit die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Als sie im Begriff waren sich zu verabschieden kam gerade jener Widersacher alter Zeiten in den Versammlungsraum. Custodias richtete sich etwas mehr auf in ihrer Präsenz. Der Tonfall wurde knapper und weniger sanft, als Tendarion es kannte. Die Schultern gestrafft musterte er sie wie einen Kontrahenten, den er auf Waffen und Wehr einschätzen wollte. Als sich seine Hände in einer recht provokativen Art an seinen Gürtel legten, als würde er sich darauf vorbereiten den Griff zur Waffe zu verkürzen, kam der Elf nicht umhin seine Braue zu heben und Custodias mit einem wenig überzeugten Blick zu betrachten. Doch ein Gespräch wurde vereinbart. Tendarion bestand darauf, dass er ebenso dabei anwesend sein wollte. Keine Gegenstimmen erfolgten.

Die Euphorie über Ovelias Worte, das Gespräch generell und das Gefühl eine Freundin gewonnen zu haben, währte - wie alle guten Gefühle in Tendarions Leben - nicht lange an. Der Lich und die Echsen waren kaum einen halben Zyklus später wieder Thema als Maichellis ihn mit weiterführenden Informationen dazu versorgte. Tendarions Gedanken erfüllten sich mit allen Informationen die er zu Lichs hatte und er ging alle möglichen Taktiken im Kopf bereits durch. Ovelia rekrutierte er bereits. Lynn wurde instruiert wie sie helfen kann. Die Antwort der Magierakademie blieb zu diesem Zeitpunkt aus. Custodias wurde angewiesen eine etwaige Verteidigung der Stadt zu koordinieren, wenn es notwendig würde. Volandur wurde in das Hospital beordert. Lichs waren für Tendarion eine persönliche Angelegenheit geworden. Er wusste nun, dass sie nicht vollständig verloren sein mussten. Wenn nur die Umstände passend waren und das Phylakterium gefunden werden konnte. Doch war ihm bewusst, dass er bei einer derart akuten Bedrohung nicht die gesamte Insel um Zeit bitten konnte, um mondelange investigative Bemühungen durchzuführen um auch diese Seele befreien zu können. Sie mussten die Verbindung zu dem aktuellen Körper derart sauber lösen, dass das Phylakterium ein Gefängnis für den Lich wurde. Irgendwo versteckt auf der Insel, womöglich nie wieder auffindbar, doch auch körperlos dazu verdammt sich keinen neuen Körper mehr beschaffen zu können.

Als Tendarion, nachdem er Lynn aufgrund ihrer berechtigten Ängste vor einer sehr konkreten, doch ungewissen, Zukunft beruhigen und etwas Zuspruch schenken konnte, als dämmender Schutzwall zwischen einer fast nackten Lynn und einem züchtig angezogenen, sexuell angespannten Knappen lag, dachte er über das Wechselbad der Gefühle, das an jenem Tag über ihn hereinbrach nach.

Wärme erfüllte sein Herz, als sein letzter Gedanke, bevor Lifnas Arme sich um ihn schlangen, Ovelias Lächeln vor sein inneres Auge führte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 29.04.19, 07:09 
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Als er den "Arm" dieses Mannes - der Seele dieses Mannes - ergriff, kroch ihm umgehend diese unnatürliche, schneidende Kälte in seinen Leib und beutelte ihn bis auf die Knochen. In all dem Nebel aus Schmerz und dem angestrengten hervorpressen der befreienden Worte, dachte er daran wie weit Irolans Wahn fortgeschritten sein musste, dass er sich diesen Schmerz freiwillig in seinem Dienst antat. Aber was tat sich Tendarion im Gegensatz dazu in seinem Dienst an? Vielleicht war auch Tendarion wahnsinnig geworden. Oder war es schon zuvor, doch lebte er nun offen mit seinem Wahn.

Er bemerkte, dass er sich mit diesen belanglosen und wirren Gedanken nur von der niemals weichenden Kälte ablenken wollte, die langsam zu seiner Seele dringen wollte. Die Seele hatte Angst. Tendarion spürte sie bis auf Mark und Bein. Die Seele war verunsichert. Auch das spürte Tendarion und er fasste den Arm nur umso fester. Schmerz war irrelevant, denn vor ihm war eine Seele, die nach seinem ausgestreckten Arm griff. Und er würde sie, wie all die Seelen, die nach ihm griffen, nicht im Stich lassen. Er würde für jene Seele genauso kämpfen, wie er es für seine Liebsten und Verbündeten tat. Als sich der krampfhafte, eisig kalte Griff löste, und langsam die Wärme der Viere wieder zu spüren war, atmete Tendarion erleichtert auf und sank erschöpft wankend auf die Knie.

Sein Geist registrierte die Plünderung des Schatzes kaum. Er sah in einem Schleier aus unendlicher Müdigkeit und der Erschöpfung nach vollrichteter Arbeit den anderen zu. Worte wurden an ihn gerichtet, doch nur als in Torans Stimme das Wort "Brandenstein" fiel, kam wieder ein Ruck durch seinen müden Körper.

Brandenstein war für ihn das neue Synonym für Heimat geworden. Er verband warme Gefühle mit diesem Wort. War er in Brandenstein, wusste er, dass all seine Liebsten nicht fern waren. Dass er da war die Stadt und ihre Bewohner zu beschützen, wenn er sich dort befand. Draconis war sein Geburtsort, den er von Erzählung zu Erzählung mit immer mehr Schrecken verband. Bilder seiner toten Schwester. Seines Vaters, der nach all den Jahrhunderten seinen Dienst niederlegte. Den Schmerz den seine verbliebene Schwester und seine Mutter tragen musste. Tendarion musste zu ihnen. Er musste ihr und Vater zeigen, dass er lebte und hoffnungsvoll diente. Dass es überall gleich schwer war. Dass es keinen Grund zum Aufgeben gab.

Doch er wollte sichergehen, dass die Angelegenheit mit den Echsen zumindest geklärt wurde. Zwei Lindwürmer, die nur eine kurze Strecke zum Festland hatten, wollte er nicht nach Draconis locken. Er wollte sicher gehen, dass diese akute, wenn auch noch nicht genaustens definierte Gefahr, einschätzbar wurde.

Und eher würde er seinem persönlichen Drang, auch seiner Mutter der Diener sein zu können, der sie für ihn all die Jahre war, nicht nachgeben.

Er schreckte kurz aus dem Schlaf auf, als nasse Arme sich um ihn schlangen und merkte, dass er sich nach dem Bad selbst kein bisschen abtrocknete. Doch es war ihm gleich. Die Kälte, die sich um seine Haut legte, war nicht vergleichbar mit der Kälte die zuvor in seinem Herz Einzug halten wollte. Er umfasste Maichellis und noch eher er zur Kenntnis nahm, dass andere sie beiden so sehen könnten und direkt an Adhemar berichten würden, schlief er schon ein. Sein letzter Gedanke war, dass er vor Astrael bezeugen würde, dass Maichellis keinen Moment seiner Knappschaft der Versuchung erlegen war.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 2.05.19, 07:26 
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Als er Custodias' zornigem Blick gegenüberstand, fühlte er sich wie ein Reh, das den Jäger, der den gespannten Bogen auf seine Beutete richtete, entdeckt hatte. Vollkommene Überforderung, Unwissenheit ob man noch einen weiteren Tag zu leben hatte, oder ob man gerade seinem Tod entgegenblickte. Tendarion verstand das Ausmaß dieses Zorns nicht. Aber er sah, dass dieser Zorn sich ausschließlich auf Tendarion fokussierte. Und der Elf wusste nicht wie er sich verhalten sollte.

Eiskalt lief es seinen Rücken entlang und er hatte alle Mühe nicht zurückzuweichen. Er wusste, dass es ein Fehler war seine Verunsicherung und Angst zu zeigen. Sollte er mit ihm streiten? Ihm Widerworte geben? Custodias hätte die Lüge durchschaut. Er hatte Tendarion immer durchschaut. Also eine gefühlslose Maske. Keine Lügen. Kein Schauspiel. Custodias hatte die Wahrheit und nichts als die Wahrheit verdient. Tendarion entsprach ohne jeden weiteren Erklärungsversuch oder Rechtfertigung schlichtweg Custodias Wunsch und entfernte sich mit einem unbehaglichen Gefühl des Versagens und der Hilflosigkeit als Custodias im Schrein verblieb. Tendarion wollte zu Volandur, ihn gegen die nächste Wand drücken, ihn festhalten und..

..schlichtweg solange mit der Faust zuschlagen bis seine Nase verbogen war, seine Wange aufgeplatzt war und er ihm mit einem angsterfüllten und verwirrten Blick entgegensah.

Tendarions Herz wurde von einem eiskalten Draht eingeschnürt. War er reizbar und unbeherrscht, weil Lynns gutmeinende, doch kopflose Tat, ihm Angst bereitet hat? Er fühlte sich ihr gegenüber schlecht, dass er sie maßregeln musste. Custodias hingegen tadelte Tendarions weiche Seite. Er hätte Lynn Astrael überlassen sollen, damit sie die Konsequenzen ihres eigenen Tun spürte. Doch Tendarion konnte es auch dann nicht. Lynn, sein lachender Felaschein. Das Wasser, das selbst dann nicht hochspritzte, wenn Tendarion mit Anlauf und Kriegsschrei hineinsprang. Dieses Wasser konnte und wollte er nicht trüben. Er wollte sanft hineingleiten und sich davon umspülen lassen. Lynn zornig oder verängstigt sehen zu müssen, würde Tendarions Herz zerbrechen. Er würde den Zorn Astraels auf sich nehmen.

Custodias' Zorn war beinahe so unerträglich, wie der das Wissen Astraels Unmut erzeugt zu haben. Tendarion fürchtete um sein gesamtes Sein, seine Aufgabe auf Tare schien in Frage gestellt und er übte sich in tiefem Schuldgefühl. Volandurs blutiges und leidendes Gesicht vor Tendarions innerem Auge sorgte dafür, dass ihm schlecht wurde. Hilflos stand er mitten im Raum, wusste nicht, ob er erwünscht war, ob er sich schlafen legen sollte, ob es die stille Erwartung gab, dass Tendarion auf den zornigen Mann, der sein Herz so fest im Griff hatte, warten sollte. Was auch immer über Tendarion hereinbrechen sollte, er musste diese blutrünstigen Bilder aus seinem Kopf bannen, sonst würde er in Tränen ausbrechen vor Selbstverachtung und Übelkeit. Custodias durfte unter keinen Umständen noch mehr belastet werden. Tendarions Probleme waren seine eigenen Probleme. Und er würde niemanden damit belasten, wenn es in seiner Macht lag.

Also stand er weiterhin unbewegt in der Mitte des Raumes, übte sich in Meditation, bis die Türe sich öffnete. Er wagte es nicht sich umzudrehen und Custodias direkt anzusehen, wenn er jeden Moment der Tür verwiesen würde. Ohne ein weiteres Wort wartete er ab und spürte die Welle der Erleichterung als Custodias ihm eröffnete, dass er jeden anderen hinausgeworfen hätte nur bei ihm konnte er es nicht. Tendarions Schuldgefühle stiegen in das Unermessliche, Volandurs gepeinigtes Gesicht verschwand vor seinem inneren Auge. Tendarion hatte an jenem Abend über alle Maße versagt. Und er wüsste nicht, was er getan hätte wenn Lynn und Custodias ihm nicht verziehen hätten.

Seine Gedanken glitten einen kurzen Moment zu Volandur. Zwei Konflikte eines derartigen Ausmaßes, wie er sie nie zuvor in den letzten Jahren mit Custodias austragen musste. Zweimal war Volandur der Auslöser. Volandurs Bettelei, dass Tendarion persönliche Grenzen setzen musste in der Buße, führte Tendarion beinahe an einen hysterischen Lachanfall.

Wie sollte er jenem, der den meisten Einfluss auf die negativen Dinge in seinem Dienst ausübte, Grenzen setzen, wenn er mit einem Dolch ständig die wunden Punkte mit weitem Ausholen aufschlitzte und sich wunderte warum der andere dabei Schmerz empfand und Blut aus der neuen Wunde quoll? Volandur war eine Prüfung für Tendarion geworden.

Und er hatte beim besten Willen keine Ahnung, ob er vollständig versagte, oder ob er auf dem richtigen Weg war sich der Lösung anzunähern.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 6.05.19, 07:33 
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Die vergangenen Tage waren geprägt von Klärung, Lehrstunden, Kennenlernen, Verstehen und Nachdenken.

Die Lehrstunden und das Kennenlernen, waren dabei die erfreulichen Momente, die er in sein Herz schließen wollte und bei Bedarf in seine Gedanken zog um sich daran zu erinnern warum er sich diesen unliebsamen Aufgaben immerzu freiwillig widmete. Er nahm die gesamte Verantwortung für das Geschehen um die Echsen und jene Lindwürmer auf sich, nur um sicher zu stellen, dass diese Sache zügig und effizient zu einem Ergebnis führen wird.

Es war eindeutig, dass Gespräche nur in einem kleinen Maßstab Erfolge bringen würden, doch als Tendarion über den Tisch blickte und nur bei wenigen nicht einschätzen konnte, wie sie zu ihm standen, war er nicht so demotiviert wie er es für gewöhnlich nach solchen Sitzungen war. Er machte seinen Standpunkt gleich zu anfang des Gesprächs deutlich, dass er keine Weisungsbefugnis innehalten wollte und wird, sondern sich als zentralen Sammelpunkt der Informationen sah, der diese auf Bedarf weiterstreute. Seine Erleichterung ließ er sich nicht anmerken, als keinerlei Protest oder abfällige Blicke folgten. Sein Vertrauen darin, dass nicht alles auf eine schon überladene Goldwaage gelegt würde, war schon seit Jahren nicht mehr existent.

Einzig allein die Erwähnungen von den Sklaven, und wie man sie zu ehren hatte, und im Kontrast dazu Maichellis Aufgabe bei der Sitzung zerrissen Tendarions Stimmung, wie es nur ein geringer Dämon in diesem Moment getan hätte. Immerzu musste er den Blick abwenden, als ein fast doppelt so alter adeliger Fey die ganze Sitzung über stehen musste, obwohl neben Tendarion ein Sitzplatz frei war, und Getränke und Essen an die Ritter anreichen durfte - eher musste - und darüber hinaus nur Zierde spielen konnte. Tendarion musste sich eingestehen, dass sein Stolz und auch seine Arroganz sich offenbar auch auf jene ausweitete die er liebte und achtete. Er ertrug den Anblick schlichtweg nicht, dass ein Mann der mit ihm auf Augenhöhe stand, so plakativ vor anderen wie ein Höriger behandelt wurde und er sich auch so behandeln ließ. Und nichts mehr enervierte Tendarion mehr, als die Tatsache, dass Maichellis dies freiwillig tat und diesen Weg selbst suchte, und Tendarion bei dieser Erkenntnis keinerlei Trost empfand. Für ihn war Maichellis ein starker Mann der Tendarion nach vorne schubste, notfalls zerrte. Und er vermisste diesen Mann schmerzlich.

Worauf er nicht vorbereitet war an jenem Abend nach der Sitzung, dass Guntram seine Pläne den Rosenbund einzugehen mehr oder minder offiziell machte. Tendarion hatte nicht die rechten Gedanken als er ihn und seine Verlobte besah. Dass Guntram ihn auf seine bedrückte Miene diesbezüglich ansprach, war zu erwarten gewesen, auch wenn Tendarion es vermeiden wollte diesem Bund einen Schatten aufzuerlegen. Es war sein Wunsch, er hat ihn vorangetrieben und er hatte beiden seinen Segen auferlegt. Er zweifelte nicht an dieser Entscheidung, dennoch hatte er Angst davor, wo sein Platz am Ende sein würde. Ein stiller Beobachter und Wächter der diesen Bund mit allem ihm verfügbaren Mitteln verteidigte? Oder war er am Ende weiterhin ein Teil derer beider Leben, als einzelner Fey, als Mann und nicht nur als Leibwächter einer Liebe die Vitama selbst im Blick hielt? Er konnte nicht umhin Vitama zu danken, dass er abermals die Gelegenheit bekam sich einer ihrer Prüfungen zu stellen. Dass er die Gelegenheit bekam zu beweisen, dass er wahrlich selbstlos lieben kann. Es war ein gutes und sanftes Opfer - keinen Moment sollte es an ihm scheitern. Spätestens beim Bund selbst würde er vor den Bewohnern Siebenwinds und vor Vitama selbst einen Eid schwören, der ihn verpflichtet diesen Weg zu gehen. Und er freute sich darauf, die Worte aussprechen zu dürfen, weil erst dann würde er sich von seinen eigenverschuldeten, belastenden Gedanken befreien können.

Immer wieder schweifte sein Blick zu Ovelia. Er kam nicht umhin den märchenhaften, verklärten Ausdruck der ritterlichen Minne mit ihr zu verbinden. Einer Dame der man den Hof machte, ohne niedere Gelüste und Absichten damit zu verbinden. Es schmeichelte seinem Herzen mit Briefen und sanften Gesprächen seine Zeit mit ihr verleben zu dürfen. Auch kränkte es ihn nicht, als sie ihm eröffnete, dass ihr Herz bereits bereits versprochen war an jemand anderen. Im Gegenteil, es schien das Miteinander nur umso zarter und ungezwungener werden zu lassen. Ein etwas unsicheres und naives Auftreten untereinander. Das Austesten der Grenzen. Das offene Zugeständnis, dass man sich einander geneigt fühlte. Doch keine peinlichen oder unangenehmen Schweigemomente. Tendarion fühlte sich in die Zeit in Draconis zurückgesetzt, als er jener Fey, die so sehr begehrt war und gewiss um ein fünffaches Älter war als er, erlegen war. Unbeholfen, verliebt und überfordert - doch dankbar für jeden Blick und jedes Wort, die von seinem Objekt der Verliebtheit an ihn gerichtet wurden. Tendarion suhlte sich in dieser Unschuld, die Ovelia ihm mit ihrem Gebaren entgegenbrachte. Und er würde es bewahren wo er nur konnte.

Es war gut einen Ort zu haben, an dem Leidenschaft nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ein Kontrast zu Tendarions leidenschaftlichem Dienst am Leben und an der Liebe. Ovelia war die kleine diskret blühende Rose, die an dem ruhenden See, der Lynn war, blühte. Ein sanfter Rosenduft, und eine Schönheit die er aus der Distanz genießen konnte. Kein Blütenblatt sollte herabfallen durch seine ungeschickte Hand. Er war glücklich mit diesem Ort wie er war.

Für ungezähmte Leidenschaft und ungezügeltes Handeln hatte er andere Orte. Und diese förderten und forderten diesen Teil des Elfen. Und Tendarion war zufrieden mit dieser Erkenntnis.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 7.05.19, 07:18 
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Er floh regelrecht vor Guntram und seiner Verlobten. Das Wasser war so verlockend warm und es schien nur wärmer zu werden als mit der Zeit abzukühlen. Wenn er nicht in diesem Moment aufgestanden wäre, ohne sich abzutrocknen seine Hose übergezogen und gegangen wäre, hätte er erstmalig sich die Frage gestellt, ob die Reihenfolge Muße vor Pflicht nicht auch Bestand hätte. Doch dachte er an gestern, die Verantwortung die er auf sich nahm. Die Gesichter der Beteiligten.

Und eines dieser Gesichter offenbarte sich, als er triefend nass, nur in einer hastig übergezogenen Hose, emporkam. Nur einen Abend zuvor dachte er daran, dass er sich gerade ihr gegenüber nicht unziemlich benehmen wollte. Doch stand er da, kaum bekleidet ohne auch nur einen Hauch einer Chance ihr zu entkommen. Er musste an ihr vorbei, doch ihr Gebet konnte und wollte er nicht unterbrechen. Also stand er andächtig schweigend, tropfte den Boden des Schreins allmählich voll und überlegte ob er sich rechtfertigen sollte, oder schlichtweg agieren sollte, wie er es bei jedem anderen auch täte: Sich seiner von den Enhor gegebenen äußerlichen Merkmalen nicht schämend und ohne jede Scheu einem jedem zu begegnen, gleich was er am Leibe trug, oder wie in jenem Falle eben nicht.

Ihre Reaktion, nachdem sie ihm Gewahr wurde, sorgte allerdings dafür, dass er sich im Bitten um Verzeihung verlor. Sie war eindeutig negativ befangen und Tendarion erfüllte ein schlechtes Gewissen. Sie überreichte dem Elfen einen Brief, beglückwünschte die Wahl der Bodenfliesen im Schrein, und sorgte dafür, dass sie jene gewiss nie wieder vergessen würde. Zumindest dem Anschein nach, da sie den Blick kein zweites Mal hob, als sie ebenfalls, so wie er zuvor vor Guntram und seiner Verlobten, floh.

Tendarion sah ihr hinterher und fühlte einen kleinen Stich im Herzen als er vor seinem inneren Auge eines der Blütenblätter der bis dahin perfekten und unberührten Rose zu Boden flattern sah. Und es war nicht seine ungeschickte Hand, die dafür sorgte. Es fühlte sich eher an als hätte er sich mit Anlauf mit seinem nackten Leib auf die Rose gestürzt, auch wenn er gezwungenermaßen nicht sah, dass die Rose auf dem Weg lag.

Ob er das Blütenblatt mit etwas Honig wieder ankleben konnte? Tendarion würde sich etwas überlegen müssen. Vor allem um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Er schaffte es - wie immer - sich mit Arbeit abzulenken. Ein Büßer. Eine Magistra. Sie hielten ihn an ernste Themen. Er konnte Tadel und Rat geben. Ovelias Bericht wurde genaustens studiert und weitere Schritte in seinem Kopf bereits zurechtgelegt. Mittentag nahm er Lynn mit sich und würde sie auf Ovelias Bericht ansprechen. Die Echsen bei Ewigwacht mussten verhört werden. Der Baum in Avindhrell musste gestärkt werden und Volandur nahm diese Aufgabe strebsam an. Am Königstag würde er sein Versprechen gegenüber Irolan einlösen.

Und dann war er mit Maichellis allein und wusste nicht, was er mit diesem unerreichbar wirkenden Fey tun sollte. Er brachte Essen und Wein - für ihn selbst nur einen Saft - und zwischen ihnen eine Armlänge Platz mit sich. Er griff Tendarions Hand. Züchtig. Liebevoll. Bloß nicht mehr, denn der Schatten einiger Ritter lauerten in seinem Rücken und starrten anklagend gen Tendarion. Er war ein Störfaktor. Ein Problem für Maichellis' Weg. Eine Versuchung.

Also sprachen sie über Themen die sicher dafür sorgten, dass Tendarion nie und nimmer zur Versuchung werden könnte: Der Krieg. Die zerstörte Heimat Draconis. Der Tod Tendarions Schwester. Die Ungändigkeit seiner Mutter, wenn es um ihre Kinder ging. Die Trunkenheit Ovelias, in die Tendarion sie für diesen Abend trieb.

Der Wein war schnell geleert. Die Trauer perfekt. Die offenen, tröstenden Arme des anderen Elfen konnte er nicht annehmen. Die Schatten der Ritter hoben mahnend die Hand. Tendarion würde Maichellis' Fall werden wenn er nun nachgäbe. Also machte Tendarion das einzig Falsche in diesem Fall: Es nur verschlimmern, indem er sein Leid klagte, wie er darunter litt, was er in Machellis sehen wollte und wie sehr ihn schmerzte, was er sehen musste. Er forderte Maichellis, trieb ihn an Grenzen, bis Maichellis sich distanzierte und in einem unwirschen Tonfall fortschickte. Maichellis hatte obsiegt. Und Tendarion empfand Stolz für diesen Knappen.

Auch wenn es für Tendarion ein seltsames Gefühl war sich in den Seitengassen halten zu müssen, als er sich wieder in den Turm zurückbegab, damit er niemanden traf, der ihn in seinem wenig rühmlichen körperlichen und geistig abgelenkten Zustand ansprechen würde.

Ein frustrierender Tag. Und er wusste, Arbeit würde ihn an jenem Abend nicht mehr ablenken können.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 9.05.19, 07:41 
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Als er Maichellis sah, wie er mit seiner müden Miene und seinem liebevollen Blick Tendarion und Custodias betrachtete, schien seine Selbstbeherrschung an neue Grenzen geführt worden zu sein. Doch Maichellis hatte diese neue beherrschte und ruhige Art perfektioniert. Auch wenn man ihm ansah, dass er sich der Muße hingeben wollte, für einen Moment alle Pflichten vergessend, verwehrte er sich dieser Freuden.

Und sorgte mit Anlauf dafür, dass Tendarion und Custodias diesem Beispiel unfreiwillig folgten, als Maichellis Tendarion dazu brachte über seine Unternehmung bei den Echsen zu berichten. Tendarion ergab sich, wie immer, den Pflichten, ignorierte Custodias dabei und den innigen Wunsch sich von seinen Schmerzen mit weniger unangenehmen Dingen abzulenken. Custodias und Tendarion sollten für den Rest des Abends auch keinen erneuten Ansatz finden um sich abzulenken. Die Themen blieben ernst nachdem sich Maichellis zur Ruhe legte.

Tendarion konnte die Echsen ob ihrer fehlenden Mimik nicht einschätzen. Die blaugeschuppte Echse schien explizit Lynn zu vertrauen. Ungeschuppt, doch so vertraut mit ihrem blauen Haar und ihrer Nähe zu Xan. Tendarion war derjenige der nicht vertrauenswürdig war. Und der Elf gab der Echse das Versprechen, nicht den Kampf zu bringen, sondern das Versprechen den Pfad zum Frieden zu suchen. Einen Ausweg zwischen zwei verhärteten Fronten finden zu wollen. Und Lynns Worte und Tendarions ruhige, deeskalierende Art, führten zu mehr Informationen als er erhofft hatte zu finden. Ein Hinweis auf den Aufenthalt des blauen Lindwurms. Zharylil. Sie konnten ihn in dem Höhlenkomplex nicht beschützen und würden ihn in Gefahr bringen, wenn sie ihn dort bei sich behalten würden. Und als Tendarion über die wenig überzeugende und kaum ausgerüstete Wachmannschaft der Echsen blickte, war es plausibel.

Sie irrten durch ihren Alltag und Tendarions und Lynns Anwesenheit war ein nerviges Unterfangen, aber keine der Echsen wirkte nervös oder aufgebracht. Sie mögen über den Aufenthaltsort des Lindwurms nicht die gesamte Wahrheit womöglich ausgesprochen haben, doch Tendarion war davon überzeugt, dass er nicht hier sein konnte.

Tief in Gedanken bereitete er den Bericht geistig vor, klärte mit Lynn die nächsten Schritte. Der blaue Lindwurm war an einem Heiligtum Xans und ein Großaufgebot an Kriegern und Menschen die es besser wussten, wie man mit Lindwürmern zu verhandeln hatte, würde das Unterfangen unnötig beschweren. Er würde offen berichten was sie erlebt hatten, doch wollten er und Lynn den Lindwurm selbst suchen. Einen Hinweis auf sein Wesen erlangen und mit tatsächlichen Beweisen auf alle anderen zugehen.

Es musste in jedem Fall vermieden werden, dass die Elemente - und somit auch die Ecclesia - ihre Zusammenarbeit und Hilfe verwehrten. Und das konnte nur gewährleistet werden, wenn Tendarion diese ungesicherte Information zurückhielt. Lynn und Tendarion nahmen sich gegenseitig das Versprechen ab sich mit der Suche keine Zeit zu lassen. Sie wollten einen Krieg verhindern und nicht dem selbsternannten Feind Zeit schenken um sich zu sammeln.

Und so bezog Tendarion auch seinen engsten Vertrauten und Wegbegleiter im Sinne Astraels nicht in dieses Wissen ein. Er setzte sein gesamtes Vertrauen in Lynn und ihre Einschätzung. So wie Ovelia und Adhemar es empfahlen. Auch wenn sie wahrscheinlich nicht damit rechneten, dass Tendarion nicht derjenige sein würde, der Lynn zu einem doppelten Spiel animieren würde, sondern Lynns Rücken freihalten würde, bis sie in der Lage war, eine definitive Aussage über die Entscheidung der Elemente zu treffen. Seine Aufgabe war es Zeit zu erkaufen. Und je mehr Gespräche er Lynn ermöglichen konnte durch Astraels Hilfe, umso wahrscheinlicher würde es, dass diese Zeit auch sinnvoll eingesetzt würde. Zum Wohl der Insel. Zum Wohl aller.

Es war eine Zeit der Zurückhaltung. In jeder erdenklichen Hinsicht. Und Tendarion bewunderte Lynns tiefe Ruhe und Bedachtheit. Ein ungetrübtes Wasser. Tief in sich ruhend und doch dabei zulassend, dass die anderen Elemente die Oberfläche aufpeitschen, in eine Richtung lenken und aufwühlen durften. Sie war zielgerichtet, weil ihr Umfeld es von ihr verlangte. Und Tendarion empfand neuen Respekt und Hingabe für sie, als er das Gefühl hatte hinter ihr treiben zu dürfen, mit dem Wissen, dass er jederzeit intervenieren konnte, sollten die Wellen umschlagen.

Und Lynns würdevoller und sanfter Tadel und die klare Aufforderung an Tendarion sich mit Custodias auszusprechen, in jener Sache, die Tendarion selbst nach Tare brachte, erzeugten in Tendarion ein schlechtes Gewissen und eine gewisse scheu.

Er erkannte weshalb er Lynn so ergeben war. Doch fragte er sich, was er einer so starken Persönlichkeit wie ihr anzubieten hätte. Anstatt sich zu peinigen und sich in Frage zu stellen, wollte er schlichtweg an ihrer Seite verbleiben und sich von ihr treiben lassen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 10.05.19, 07:52 
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Resignation und Frustration. Seine neusten Wegbegleiter.

Das Gespräch mit dem Sire verlief angemessen. Wie immer, in solcherlei offenen Gesprächen wurden Grenzen ausgetestet. Provoziert. Thesen aufgestellt. Worte verdreht. Doch hatte er Tion gegenüber den Ritter vollständig verteidigt. Er gab keinerlei Auskunft über ihn und betonte, dass die Kirche sich über die weltlichen Begebenheiten seiner zurückliegenden Zeit als Kanzler nicht äußern würde. Der Ritter provozierte, verdrehte die Worte. Warf Tendarion vor einen internen Disput zu vertuschen. Custodias intervenierte und gemahnte den Ritter sich gegenüber einem Hochgeweihten angemessen zu betragen und zu akzeptieren, dass Tendarion über Tion keinerlei Auskunft geben würde.

Als eben jener nur wenige Momente später zur Tür hereinkam, hatte Tendarion Sorge, dass der Ritter erneut in Provokationen verfallen würde um sich ein Mosaikstein mehr in das Gesamtbild setzen zu können. Doch er verblieb, so wie auch Tion, bei dem Thema. Die Fahrwässer waren ruhig, Tendarion erhob sich um seinen Abschied zu verkünden, ehe er Tions Stimme hörte, sich umwandte und mit den nachfolgenden Worten war all die erhoffte trügerische Ruhe vergangen. Tion stellte ihn und Ritter Galthana vor dem fremden Ritter bloß. Der Hochgeweihte der sich in eine Rittersdame verrennt, die in ein paar Wochenläufen, die Insel so oder so wieder verlassen würde - was sie eben immer so täte. Tendarion ersparte es sich die Hände frustriert gen Decke zu werfen und Astrael nach dem "Warum", dessen Antwort nicht zu finden war, zu fragen. Er versuchte Ovelias Ehre zu retten, indem er sich selbst als ungeschickter Fey darstellte, der Ritter Galthana in nicht weiter ausgeführte Bedrängnis brachte und die unangenehmen Schwingungen zwischen beiden nur ein Resultat jener wären. Mit einem angemessen betretenen Blick, dass er noch nach Klärung mit Ovelia suchte, verabschiedete er sich endgültig.

Das Seufzen richtete er gen Himmel als er die Stadtmauern verließ und sich niemand in Reichweite befand. Der Elf wusste dass der Ritter nun das Gerücht streuen würde, dass Tendarion Ovelia vollkommen verfallen wäre und sie seinen Bemühungen zu entkommen scheint, indem sie Gespräche mit ihm nur an öffentlichen Orten führen würde.

Er durfte Ovelia in öffentlichen Zusammenkünften nicht mehr ansehen oder ansprechen, abseits von unverfänglichen Themen. Das Gerücht war nun gestreut worden, von eben jenem, den er nur kurz zuvor, ob jeder Vorwürfe verteidigte. Und Tendarion musste nun alles daran setzen sie vor einem Gesichtsverlust zu wahren. Sollte er es ihr persönlich beichten? Sollte er ihr einen Brief schreiben? Letzteres doch besser ohne Rose. Tendarion spürte Zorn in sich aufkeimen. Warum man Vitamas Segen der naiven und unschuldigen Ergebenheit und Freundschaft gegenüber einem anderen mit dispektierlichen Bezeichnungen wie "verrennen" und ähnlichem in den Dreck werfen und treten musste, war ihm ein Rätsel. Ein Rätsel, das er nicht zu lösen gewillt war. Menschen waren ihm in diesen Dingen ein Graus geworden. Zu oft wurde Vitamas Reinheit mit etwas verwerflichem in Verbindung gebracht.

Maichellis auferlegtes Zölibat. Seine bislang vollkommen unberührten, zarten Bande mit Ovelia. Seine eigene Offenheit in allen Formen der Liebe.

Er war nicht unschicklich. Die Menschen verzogen sich Vitama selbst und geißelten sich in ihrem Namen um nach einem Ideal zu streben, das der Natur aller widersprach. Sie mussten Geschichten erfinden, die die körperliche Liebe zwischen Bruder und Schwester ermahnte, war es doch in sovielen Blutlinien erkennbar, dass Bruder und Schwester nicht beieinander liegen sollten, denn die Frucht dieser Liebe war selten gesegnet. Doch soviele interpretieren aus diesem Lehrstück der Schöpfungsgeschichte, dass jede Form von Lust und Verführung ein Makel war, der dem Einen gewidmet war.

Tendarion musste mit Ovelia sprechen. Kein Brief vermochte klarzustellen, was ausgesprochen werden musste. Inständig hoffte er, dass sie ihm abermals folgen würde, wenn er sie um ein Gespräch unter vier Augen bat. Wenn dem nicht so war..

..dann würde er alles dafür tun um ihr Gesicht und ihre Ehre zu wahren.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 26.05.19, 15:28 
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Mit gedankenverlorenem Blick starrte er auf die Sternenblüte, die seit vielen Monden unentwegt blühte. Gespeist von Magie und Astraels Einfluss, schien sie unendlich.

Bolwins direkte Drohung die Schwachstellen der Echsen auszunutzen und der militärische Fokus der Ritterschaft hemmten Tendarion. Er beriet Lynn, machte sich zum unsichtbaren Schutzschild und beobachtete die Reaktionen und Informationen die in dieser Sache eintrudelten.

Zharylil konnte die Gedanken anderer lesen. Tendarion selbst hatte keine Sorge sich selbst und Lynn diesem prächtigen und zweifelsohne mächtigen und ehrfurchtsgebietenden Wesen zu offenbaren. Er und Lynn waren reinen Gewissens und hatten weder in Geist, Herz noch am Leib eine Waffe, die sie gegen Zharylil ziehen wollten und konnten. Lynn hatte vor allem Sorge um den Lindwurm. Tendarion vorrangig Sorge um seine ungestümen Verbündeten. Ein Versuch des Betruges. Ein falscher Gedanke des Betrugs. Und schon war der Kopf des Falschspielers nicht mehr in der Lage einen weiteren Gedanken zu formen, da er bereits nicht mehr existent war.

Er und Lynn konnte nur jene einweihen, die wahrhaft reinen Gedankens und Herzens waren. Und Tendarion war sich nicht sicher, wer sich dieser intelligenten Urgewalt stellen konnte, ohne dass ihre selbstsüchtigen Motive und falschen Gedanken offenbart würden.

Tendarion hasste die Tatsache, dass er kaum jemanden auf der Insel wusste, für den er sein ganzes Sein versprechen konnte. Für den er einen Eid leisten würde, dass ihre eigenen Ziele und Pflichten nicht über dem Leben eines Einzelnen stehen. Selbst Maichellis war nun nicht mehr in der Position einen derartigen Eid zu leisten. Ein Wink eines Ritters und er würde der Schlächter Zharylils werden. Oder sein Opfer. Lynn und Tendarion verbanden mehrere Götterläufe der Zusammenarbeit. Er hatte sich ohne zu zögern den Ritualen angeschlossen, die Maquira und Tevra zu Ehren abgehalten wurden. Immerzu brachte er ihnen Opfer dar. Denn ein jeder Körper wäre ohne ihre Macht nicht-existent. Der Geist und die Seele hätten keine Hülle. Wasser würde keinen heilen und nähren.

Die Last der Verantwortung verteilte sich wiederum zu konzentriert auf Tendarions Schultern. Er diente den Beseelten, aber sie würden nicht verstehen, warum er schweigen musste um sie zu schützen. Sie würden es als Verrat werten, dass er Informationen zurückhielt. Und er machte sich auch darauf gefasst, dass die Eskalation kommen wird, den Moment wo Zharylil in irgendeiner Form selbst in Erscheinung treten wollte, er zu Tendarion und Lynn und er bereits ein vertrautes Verhältnis hatte. Sie hatten, ohne Vorkenntnisse ob sie dieses Zusammentreffen überleben würden, für den Schutz der Insel in Kauf genommen sich ihn anzunähern und ihn zur Rede zu stellen.

Und der Preis waren einige unverfängliche Bücher, ein Bücherkobold und etwas Arkanium.

Vielleicht war er zu naiv. Vielleicht war er zu vorsichtig. Doch am Ende bereitete er Zharylil darauf vor, dass er im Zweifel an ihrer Seite stehen würde und er seine Schwester nicht zu verteidigen sucht. Denn Tendarion wird beiseite treten, wenn Adhemar seine Streitmacht ausgehoben hat und gegen Zharylils Schwester und die Echsen ziehen wird. Er hoffte, dass sein Weg nicht der Falsche war und dass er genügend Informationen über die Schwachstellen des weiblichen Lindwurms bekommen konnte.

Tendarion atmete tief durch. Die Last der Unwissenheit, wen er tatsächlich ohne Zweifel einen telepathiebegabten Lindwurm aussetzen konnte, zerriss seine Gedanken. Schuldgefühle erfüllten ihn. Er wollte nicht misstrauen.
Er war nach wie vor zu naiv. Die Angst davor jemanden nicht vertrauen zu dürfen, sollte seinen Geist nicht derart aufwühlen. Aber sie tat es. Er hoffte, irgendjemand würde sich als verlässlich genug erweisen, damit er ihn oder sie involvieren konnte. Wo er ansetzen musste um dies herauszufinden?
Er wusste es nicht.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 30.05.19, 11:20 
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Schlaf war ihm in dieser Nacht nicht vergönnt.

Nicht nur, weil er kein Auge zutat, da seine Gedanken nicht still stehen wollten, sondern auch, weil er noch bis tief in die Nacht an Ovelias Seite saß. Ihre Art war beruhigend und aufwühlend zugleich für Tendarion. Ihm war nicht im geringsten bewusst, warum, nachdem er sein mittlerweile wöchentliches Treffen mit Iomine hatte, seine Wege nach Claiomhs Wacht führten.

Iomine forderte ihn auf gute Art und Weise. Ihre Gedanken, und vor allem Gedankensprünge, hielten ihn geistig agil. Er war gezwungen sich geistig an einen anderen Standort zu stellen. Aus den Augen des Stofftieres sehend, was sie stets bei sich trug und jeden Mümmeltag ihr wahres Ich offenbarte. Oder war es umgekehrt? Tendarion hatte keine Erfahrungen mit derlei Phänomenen, auch wenn er es aus einem heilerischen Standpunkt diagnostizieren konnte, wusste er nicht, ob so jemand überhaupt ein wahres Ich hatte. Aber Tendarion war es gleich. Sie war fokussiert, gleich welcher Tag es war. Es war eben nur kein Fokus, den jeder nachvollziehen konnte.

Niemand konnte für jeden der rechte Lehrmeister sein. Aber Tendarion hatte alles in allem das Gefühl, dass er der rechte Lehrmeister für Iomine war. Nicht weil er Verständnis für ihren Weg aufbrachte - das war nicht nötig, wenn man kritisch und objektiv bleiben sollte - sondern, weil er keinen Antrieb hatte, ihr Wesen verändern zu wollen, sondern es schlicht zu erforschen. Sie bot ihm stets seine Hilfe an, doch erkannte sie nicht, dass jede Lektion die er ihr gab, in Wahrheit mehr eine Lektion für sich selbst war.

Iomine half Tendarion auf seinem Weg Astrael zu dienen. Und mehr konnte und wollte er von ihr nicht verlangen. Doch damit sie im Grunde das Ausmaß seines Dankes verstehen konnte, was sie bereits für Tendarion tat, gab er ihr eine Aufgabe, für die sie womöglich nicht fachlich die geeignetste war, doch in Tendarions Augen hatte sie das perfekte Gemüt dafür. Es gab wenige wie Iomine, die sein Gemüt kaum aufwühlten. Aber womöglich gab es generell wenige, die wie Iomine waren.

Genauso wie es wenige gab die wie Ovelia waren.

In dem langen Gespräch mit ihr konnte er eine neue Seite an sich feststellen, die ihm aufgrund mangelnder vergleichbarer Situationen schlichtweg nicht bewusst in den Sinn kam. Als sie ihn zum dritten Mal mit jemandem, der ihr nahe stand, verglich, sprach er sie offen darauf an. Und das was an Erklärungen folgte, fühlte sich an wie der Krug kaltes Wasser, den Anwyn im Ordenshaus vor einigen Jahren über seinem Kopf vor allen anderen entleerte. Als er noch Vitama diente, und man ihm einen Kuss entlocken konnte, da Tendarion eine Erinnerung an eine vergangene Zeit dem Gegenüber entlockte, fühlte er sich nicht gekränkt. Er freute sich selbstlos und suhlte sich in dem Wohlgefallen seines Gegenübers, trotz dessen, dass nur wenige Momente zuvor eröffnet wurde, dass er nur ein Substitut war. Eine zweite Wahl für etwas, das mehr Bedeutung hatte.

Tendarion war nicht gekränkt, als Ovelia ihm eröffnete, dass er eine verblasste Erinnerung erneut mit Leben füllte. Aber er hatte jedweden Antrieb verloren, sie für sich haben zu wollen. Sich in ihr Sichtfeld zu stellen, sie zu animieren tatsächlich ihn selbst zu sehen, nicht die Erinnerung an jemand anderes. Ein emotionaler, erweckender, aber nicht erfrischender, Schwall Eiswasser. Doch Tendarion saß auch dann noch unverändert neben ihr, als er triefend nass und frierend ihre Hand weiterhin hielt und zuließ, dass sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte.

Keineswegs wollte er sie zwingen etwas in ihm sehen zu können, was sie nicht sehen wollte. Aber er konnte nicht leugnen, dass es ihm nicht gefiel, dass man ihm ein Bild umhängte und jedes Lächeln, Lachen und jede Berührung nur dieser künstlichen Barriere galt..

..während sie dabei ohne jede Hemmung nach seinem Geist und seinem Herzen griff.

Ihn störte dieses Zwielicht das er zwischen Vitama und Astrael bewanderte. Er war leicht zu verführen, sein Herz öffnete sich zu schnell und die einzige Membran die sein viel zu großes Herz schützte war sein Geist. Seine kühle Miene war sein Schutzschild. Seine Worte seine Klingen die nach jedem trachteten, der nach seinem Herzen trachtete. Doch den Moment wo seine Defensive durchbrochen war, ließ er schlagartig Wehr und Klinge fallen und wollte schwach und verletzlich sein. Und Ovelia hatte mit nur wenigen Worten ihm seine Klingen entrissen und schlug und stieß seither mit voller Wucht gegen die letzten Reste seiner Wehr. Als sie Maichellis als Trumpf ihm entgegenwarf - Tendarion zeigte, dass sie mehr Macht über den Knappen hatte als es Tendarion je hatte - gab er schlichtweg auf.

Sie hatte Tendarions Rüstung vollständig zerfetzt und ihn in die Unterwerfung manipuliert. Und Tendarion akzeptierte, dass sie es fortan war, der die Oberhand hatte und bestimmte wie sich das Gefüge zwischen ihnen entwickeln würde.

Maichellis war sich nicht im geringsten bewusst, dass er Tendarions Leben mit seiner Entscheidung Knappe zu werden empfindlich beeinflusste. Er musste Adhemar gegenüber unterwürfig sein. Ovelia konnte ungehemmt den Stiefel auf Tendarions Herz halten. Und all das nur um sicher zu stellen, dass Maichellis nicht der Leidtragende am Ende war, weil sie an Maichellis unbewusst ausließen, was sie an Tendarion nicht haben konnten. Er konnte kein Risiko eingehen, also ließ er Ovelia gewähren, bis Maichellis seinen Weg zuende führte und Tendarion nicht mehr in der Defensive ausharren musste.

Dass Tendarion nicht mehr akzeptieren musste, das umgehängte Bild eines anderen sein zu müssen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 2.06.19, 10:04 
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Das Kreischen des Lindwurms hallte noch lange in seinen Ohren nach. Er war aufgrund der schieren Lautstärke vollkommen unbrauchbar auf dem Schlachtfeld geworden. Ranken peitschten auf ihn ein, während er benommen durch die plötzlich auftauchenden Dornengebüsche wankte. Er stolperte hier und da gegen die Seinen und als eine massive Gestalt aus Stein und Erde ihm entgegenwankte, war er davon überzeugt, dass er den Tag nicht überlebte.

Wie im benebelten Wahn hackte er sich durch die Ranken. Sein ungeschütztes Gesicht schmeckte und roch nach Blut. Er wusste nicht ob die Flüssigkeit, die von seiner Stirn lief, Schweiß oder Blut war. Es war ein metallischer Geschmack der seinen Mund und seine Nase erfüllte. Er lenkte seine Magie in sein Ohr, versuchte die Lautstärke arkan abzudämpfen, doch es war schlichtweg nicht genügend Konzentration gegeben. Also fokussierte er sich auf das Zerhacken der Ranken, auf das Ausschau halten nach Verletzten oder Gefallenen. Alles was er ohne seine Konzentration anzustrengen aufbringen konnte.

Der Lindwurm war imposant. So imposant wie ihr Bruder. Doch dazu endlos furchterregend. Die ausgebreiteten Schwingen legten einen riesenhaften Schatten über die Streiter. Die Echsen hämmerten und pochten gegen das Tor bis dieses aufbrach. Der Falkenwall schien tatsächlich die einzige Barriere zu sein, zwischen einem Heer voll Echsen und einem Lindwurm, der sich ganz ihrer Führung ergab. Trotz seiner überforderten Unkonzentriertheit, bemerkte Tendarion rasch, dass es nicht darum ging die Seinen zu prüfen. Das war eine Prüfung des Lindwurms.

Sie wuchsen schnell, aber auch sie mussten ausgebildetet werden. Und er durfte nun keinen Moment mehr zögern, dass Petrichor ausgebildet wurde. Der Fokus durfte jedoch nicht auf Zerstörung liegen. Er musste den Fokus auf Heilung und Regeneration setzen. Im Bewahren und der Defensive. Sie waren mächtige arkane Wesen deren Anblick man in der arkanen Sicht kaum ertrug, aufgrund des schieren arkanen Potenzials, aber auch ihre Kraft war nicht unendlich. Die Bewohner Siebenwinds hatten jedoch einen Mangel an Heilern und Bewahrern. Die meisten Magier fokussierten sich auf den Kampf. Die Ritter, die Soldaten - allesamt auf Kampf ausgelegt. Sie brauchten einen schier unerschöpflichen Vorrat an Schutz und Heilung. Den Kampf konnten die Beseelten selbst leisten. Konnten ihn in der Vergangenheit immerzu selbst leisten.

Einzig allein die Tatsache, dass niemand zu Tode kam in dieser Schlacht, war für Tendarion der offensichtlichste Hinweis, dass sie ausschließlich die Fähigkeiten des Lindwurms überprüften. Hätten sie den Fokus auf seine Verbündeten gelegt, würde kein einziger mehr von ihnen leben. Warum jemanden leben lassen, den man am Ende sowieso zu vernichten gedenkt? Die Moral der Echsen wäre in das Unermessliche gestiegen, hätten sie die Streiter am Wall allesamt ausgelöscht. Sie wären siegessicher in nur wenigen Wochenläufen nach Dunquell, nach Claiomhs Wacht und schließlich nach Brandenstein vorgerückt. Und sie hätten keineswegs gezögert jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf dem Weg dorthin zu vernichten. Das Zeitalter der Drachen wäre angebrochen. Aber sie zögerten. Sie wollten keinen Vergeltungsschlag provozieren.

Noch nicht.

Nachdem Tendarion das Blut und die Dornen aus seinen Wunden wusch, stand er mit triefend nassen Haaren vor der Wassertonne in Claiomhs Wacht. Er hörte Sternfalls übermütiges und dennoch so leicht wirkendes Hufgetrappel. Das andere Pferd konnte er nicht einschätzen. Aber ein Blick zur Seite vergewisserte ihm, dass Maichellis und Ovelia zurückkehrten. Ovelias Anblick bohrte sich direkt in sein Herz und zu der von der Schlacht induzierten Erschöpfung und Apathie, die er nach jedem Kampf fühlte, kroch die eisige Erkenntnis der Unsicherheit in sein Herz. Er fühlte sich ihrem wenig lesbaren Blick ausgesetzt wie eine Maus vor einer Schlange. Doch anstatt, dass er sich umwandte und ging, blieb er vor ihr und provozierte ihr Gemüt nur umso mehr. Er merkte in diesem Moment, dass nicht nur er ein Bild von ihr umgehängt bekam.

Er hatte Angst davor, dass er sich wieder in der selben Situation befand, wie er es mit Diana durchmachen musste. Nur sie bestimmte, wie er sich zu fühlen hätte. Nur sie bestimmte, was zu tun sei. Ob Tendarion Aufmerksamkeit verdiente. Oder ob er versagte und ihm somit die Aufmerksamkeit entzogen würde. Die Angst die ihm den Rücken entlangkroch und sich in seinen Nacken festsetzte machte sich in der Anspannung, die ihn ereilte spürbar. Er konnte kaum ihren Blick ertragen und als sie ihn unwirsch aus der Festung verwies, schien die Kälte auch seinen Kehlkopf erfasst zu haben. Ein Abschied war das einzige was noch seiner Kehle entkommen konnte und dann floh er. Und kaum hatte er die Festung verlassen, wich die Kälte und Ernüchterung stellte sich ein. Die Schuldgefühle, die er nun ihr gegenüber empfand, dass er sie alleine zurückließ, weil er überfordert war. Weil er Angst hatte, dass er wieder in ein Gefüge eingespannt wurde, wo es nicht mehr um ihn ging, sondern nur um das Gegenüber.

Er hatte offen von seinen Emotionen gesprochen. Hatte ihr eine greifbare und nachvollziehbare Angst offenbart. Das war es was sie von ihm verlangte. Aufrichtige emotionale Reaktionen. Und sie reagierte damit, dass er sie nicht mehr aufsuchen sollte. Tendarion war verwirrt und überfordert.

Ihm war schlecht und er hatte Angst.
Körperlich. Geistig. Emotional.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 3.06.19, 21:56 
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Einen Zyklus lang saß er im Schrein des Turmes und ordnete seine Gedanken.

Ablehnung. Verrat. Zorn. Unverständnis. Eine Reitgerte.
Die Anweisung seinen größten Fehl und Schatten über seinem Herzen niederzuschreiben.

Unsichere, zarte Bande. Die Urgewalt einer ungewollten, aber logischen Freundschaft.

Und in all dem verlangte man von ihm zu funktionieren. Geschüttelt, ermahnt, zurechtgewiesen. Tendarion der Schattenkönig wider Willen. Gefangen in seiner Rolle als unverrückbarer Fels in einer tosenden Brandung die um jeden Preis den Felsen abtragen wollte. Und erstmalig sah er genau jenes in einer anderen Person. Sie war so zornig mit sich selbst, dass sie nicht ablehnen und delegieren konnte, da sie diese Bürde selbst tragen wollte - musste. Und niemand schien zu verstehen.

Tendarion verstand auch nicht. Verstand nicht warum diese zornige, schöne Frau die Gerte (Warum hatte sie die Gerte in der Hand als sie in den Tempel ging?) in ihren Händen knarzend verbog, während sie ihn ansah, als hätte er ihre Familie ausgelöscht und ihre Seele an einen Dämon verkauft. Er fühlte sich wie eine Maus vor einem Drachen. Doch er konnte sich nicht vor ihr fürchten. Sondern nur davor, dass er diesen Anblick aus nächster Nähe nicht wieder erblicken durfte. Immerzu wenn er seine Lippen öffnete, hatte er die Angst, dass sie sich umdrehte und ging. Er wollte sie provozieren, sie dazu animieren ihren Zorn an ihm auszulassen. Doch die Angst, dass sie ihm wieder sagte, dass Abstand sinnvoller sei, überschattete seine sonst so verlässliche Schlagfertigkeit. Er stammelte besonnene Worte vor sich. Versuchte sich ansatzweise zu verteidigen. Aber sie hatte eine Dornenwand hochgezogen und schlug auf ihn ein.

Bis sie endlich ihren Unmut verlor. Bis sie schlicht kraftlos war. Und Tendarion hatte endlich verstanden. Erleichterung durchflutete ihn. (Die Reitgerte legte sie auch dann nicht aus der Hand und die Worte die folgten, als die Gerte an seiner Brust lag, verfolgten ihn die ganze Nacht hindurch..)

Kaum hatte Ovelia das Ordenshaus verlassen, folgte Irolan. Der Schlagabtausch der folgte war gewohnt. Man ging den systematischen Tanz, der mehr einer einstudierten Truppenübung glich, aus Gezanke, Beleidigungen und Drohungen durch und dann war am Ende alles gesagt. Tendarion hatte keine blutige Nase - ein sehr erfolgreiches Streitgespräch dass er mit ihm führte. Tendarion stimmte ohne Vorbehalte zu, dass Irolan ihn nach Claiomhs Wacht begleiten durfte.

Nur um zu erfahren, dass dort die wahre Rache Irolans wartete. Er zwang Tendarion die Erlebnisse um den Fall Falkensees nicht nur erneut zu berichten, sondern auch zu verschriftlichen. Als er sich mit allem was er hatte dagegen wehrte, stimmte Ovelia in diese Bitten ein. Und Tendarion hasste Irolan nie mehr als an jenem Abend als er Guntram die Palisaden runterstieß.

Kopfschüttelnd richtete er sich auf und begab sich nach oben. Er hatte das Bedürfnis Guntrams tiefen Atem zu lauschen, während er schlief. Nur um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich lebte und nicht durch die Hand des Satais starb. Alles um dafür zu sorgen, dass sein Herz Ruhe fand, damit sein Geist Frieden mit den Erinnerungen, die Irolan wieder in sein Bewusstsein zwang, finden konnte. Als sein Ohr sich auf Guntrams Brust legte und das starke schlagende Herz an sein Gehör drang, durchzog ihn eine Welle der Erleichterung und mit ihr kam die plötzliche Müdigkeit, die das Abflauen der emotionalen Angespanntheit mit sich brachte...


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein gewöhnlicher Diener der Viere
BeitragVerfasst: 5.06.19, 08:49 
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Es war so simpel. Ruhige Anweisungen, was einem angereicht werden sollte. Eine gelehrsame junge Frau, die die Forderungen nicht in Frage stellte, sondern der Situation angemessen schlichtweg ausführte. Disziplin eines geübten Patienten.

Tendarion fühlte sich in die Zeit zurückversetzt als dies sein Tagewerk war. Wo er im Hospital gewissermaßen lebte und Tag um Nacht um das Wohlergehen aller besorgt war. Letzteres hatte sich auch nicht geändert als er aus seiner Aufgabe als einfacher Heiler entwachsen ist. Wie sich sein Schutz der Lebenden und vor allem der Beseelten darstellte, hatte sich jedoch fundamental gewandelt.

Politik, Diplomatie. Dabei war es gleich ob sein Kontrahent dubiosen Glaubens war, mit dunkler Vergangenheit gestraft oder gar nicht erst Humanoid war. Tendarion war kein Heiler von Wunden mehr. Er war das Harz das eine dysfunktionale Gesellschaft versuchte miteinander zu verkleben und am Ende nach seiner wenig ansehnlich verschmierten und verklebten Arbeit, dieses Harz zementierte. Durch Sturheit, Durchhaltevermögen und dem Unverständnis, warum es überhaupt nötig war den größten Teil Tares zu einem so selbstverständlichen Gefüge zu zwingen. Ein jeder sucht seinen Platz auf Tare. Und ein jeder müsste doch erkennen, dass niemand auf Tare allein war und somit das Miteinander als solches gegeben war. Kein Beseelter wurde aus dem Nichts geschaffen. Sie alle hatten einen Schoß aus dem sie entstammten. Sie alle hatten Wurzeln, die man niemals vergessen sollte.

Warum war es so vielen dann darum gelegen das ureigenste abzulegen? Den Drang nach einem "Ich" über das "Wir" zu stellen? Vielleicht war er zu sehr Fey. Vielleicht war das Aufwachsen unter zwei Vitamadienern und zwei Verteidigern jener zu prägend. Er war in eine Selbstverständlichkeit geboren. Er war gesegnet, noch ehe er etwas dafür getan hatte. Doch wollte er sich nicht darauf ausruhen. Andere sollten sehen, dass mehr Arbeit auch mehr Gewinn brachte. Ein jeder sollte erkennen, dass nur Strebsamkeit und Beständigkeit Besserung brachte.

Tendarion stand mit blutigen Händen da, wies Jula an, ignorierte Gildas' unangenehmen Körpergeruch und den stechenden Gestank nach zuviel Wein. Er involvierte Lynn als sie ihre Hilfe anbot. Und während er behandelte hatte er auch gleichsam ein Ohr für den aufkeimenden Streit im Vorraum des Hospitals.

Er fühlte sich als wäre er zuhause angekommen.

Als der kurze Stoß an Anspannung, die jede unvorhergesehene Heilbehandlung mit sich brachte, verflogen war, ließ er auf dem Weg zu Custodias' Turm an Volandurs Seite seine Gedanken schweifen.

Er wusste, dass die Zeit die er sich für Lynns vitamagefällige Oberflächlichkeiten nahm nur gestohlene Zeit war. Also ging er pragmatisch vor. Fyrjarlain wurde nur kurz über Lynns Wünsche informiert, ehe Tendarion systematisch einen Vorschlag nach den anderen in den Raum stellte. Nur eine einzige Berichtigung folgte von Lynn. Effizient wurde eine für Lynn so emotionale Sache seinerseits abgehandelt. Und den Moment wo die Sache am Ende festgelegt war, drang auch schon die unsichere Stimme Julas an sein Ohr. Man suchte nach ihm im Hospital. Tendarion war froh, dass er sich für ein pragmatisches Abhandeln der Einkäufe entschied, die den Auftakt zu Lynns neuem Leben symbolisierten.

Und Lynn bewies abermals in ihrem liebevollen Verständnis, als er sich in Hast von ihr verabschiedete, dass sie nur ein Zugewinn für sein rastloses Leben war.

Volandur hingegen war jemand der ständig sein Innerstes aufwühlte. Der andere Elf suchte Ruhe in Tendarions Rastlosigkeit und war sich nicht im Klaren, dass Tendarion nur ein Fels sein konnte, wenn sein engstes Umfeld stützende Felsen waren, die ihn aufrecht hielten, wenn er zu kippen drohte unter der Last, die man ihm unentwegt aufdrängte. Doch Volandur war bestenfalls ein Stein. Beständig und vehement, wenn man ihn richtig einsetzte. Aber er legte sich immerzu dann in Tendarions Weg, wenn Tendarion um Fassung bemüht war und ins Straucheln geriet.

Also wurde der Abend damit gefüllt daran zu arbeiten Tendarions Sichtfeld zu erweitern, während gleichsam der Fokus darauf gelegt wurde Volandurs emotionales Sichtfeld zu erweitern.

Und Tendarion ließ es ungeschont zu. Er zeigte ihm dass er nichts zu befürchten hatte, wenn Volandur er selbst war. Er forderte ihn heraus, ließ ihn mit Worten und Taten wissen, dass er sich nicht zurückhalten musste. Und als Volandur ihn zurückließ und die Türe sich hörbar schloss, hatte Tendarion das Gefühl, dass dies der Punkt war an dem Volandur nun wachsen konnte, oder viel mehr sollte.

Tendarion setzte keine Erwartungen in ihn. Er wartete schlichtweg ab. Doch konnte er nicht leugnen, um seines elfischen Bruders Willen, dass er insgeheim hoffte, dass Volandur allmählich zu verstehen begann.


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