Das weiche Fell, durch welches seine Finger sachte glitten, war seinem eigenen Haupthaar nicht ganz unähnlich - wild und ungebändigt, von schwungvollen Wirbeln geprägt, die aufgrund der geringen Länge des Schopfes dazu führten, daß die Strähnen nicht flach am Kopf aufliegen konnten. Nun fehlte nur noch die satte, dunkelrote Färbung, und er hätte eine kleine Version von sich selbst auf der Brust liegen gehabt.
Das kleine Fellbündel quittierte das auf die Gedanken folgende Lächeln mit der zarten Welpenversion eines fröhlichen Kläffens, wand sich unter der kraulenden Hand hinweg und machte sich daran, die leicht aufgesprungenen Lippen und die angrenzende Nase mit der feuchten Zuwendung seiner pinken, rauhen Zunge zu beglücken.
Inzwischen kam das Lachen ganz natürlich. Ein dunkler, klarer Ton, welcher durch den massiven Brustkorb vibrierte und die kleine Gestalt darauf entsprechend zum Tanzen brachte.
"Rhian... Schluß jetzt!" Lachend schubste er das kleine Köpfchen zur Seite, nur um daraufhin eine freche Attacke gegen seine Hand in Kauf nehmen zu müssen. Die ersten Zähne seines kleinen Schützlings waren noch messerscharf, und doch konnten sie nicht darüber hinwegtäuschen, wie unbeholfen er in seinen gespielten Angriffen noch war.
Rhidian war in den letzten Wochenläufen von einem ausgehungerten Häufchen Haut und Knochen zu einem lebensfrohen und quietschlebendigen Welpen herangewachsen, und doch war er noch immer so fürchterlich verletzlich und abhängig. Auch darin waren sie sich wohl ähnlich, auch wenn er selbst sich nun endgültig von seinem eigenen Welpendasein lösen mußte.
Nicht nur, weil er nun selbst Verantwortung zu tragen hatte und die Ereignisse der letzten Tagesläufe dafür gesorgt hatten, daß er nicht länger einfach nur Rodriks Schüler sein konnte...
"Das werde ich," hatte sie auf seine Bitte geantwortet. Sie war sich wohl sicher, daß er diese Bitte bereuen würde. Er hingegen war sich sicher, daß dem nicht so sein würde. Er konnte nicht ewig ein Welpe bleiben, und auch wenn ihn die neue Distanz schmerzte, mit der die anderen Mitglieder des Rudels ihn nun aufgrund seines neuen Platzes bedachten, er würde nicht einknicken und sie mit falscher Zurückhaltung schwächen. Das war er ihnen schuldig.
Der erste Schritt aus seinem Welpendasein war nun getan, der zweite lag aber noch schmerzlich vor ihm. Er würde sich von seiner Vergangenheit lösen müssen - nicht den Erinnerungen, nicht den Lehren, die er daraus ziehen konnte. Die Sehnsucht aber mußte weichen, ebenso wie die Schuldgefühle und die falschen Vorstellungen, die man ihm in jenen Tagen eingepflanzt hatte.
Das kleine Lächeln, als er an die Worte Tendarions am gestrigen Tag zurückdachte, konnte er sich ob dieses Vorhabens nicht verkneifen, hatte der Elf doch nur allzu recht gehabt.
"Rhian, Hopp!" Mit einem sachten Stubser schob er seinen kleinen Schützling von sich herunter und rappelte sich wieder auf, gefühlt den halben Wald dabei von seiner Kleidung abschüttelnd. Kurz nur protestierte der Welpe, doch kaum hatte es sich sein Ziehvater erneut auf dem liegenden Baumstamm bequem gemacht, war das Fellknäuel auch schon wieder mit einem Satz auf dessen Schoß, um neugierig das Hadernblatt darauf zu beschnuppern.
"Rhidian... nein," mahnte er streng, während er die Feder zur Hand nahm und das am Vorabend begonnene Schreiben fortsetzte.
Zitat:
Liebe Mutter,
Lange ist es her, seit meine Dukatensendungen zuletzt von einem Brief begleitet worden sind, hielten mich Scham und Unsicherheit doch davon ab, dir vom Fortschritt meiner Ausbildung zu berichten. Wenn ich mich recht erinnere, so waren meine letzten Worte aus Kadamark an dich gerichtet, als ich vor vielen Monden dort mit meiner Schwester verweilte.
Viel ist seither geschehen, und obgleich ich mir sicher bin, daß du jenen Ereignissen nicht viel Positives abringen können würdest, so wisse, daß es deinem Sohn gut geht und er nach tiefen Rückschlägen und vernichtenden Urteilen seinen Weg wieder gefunden hat und nun langsam lernt, diesen auch ohne Zurückhaltung zu beschreiten.
Auch hatte ich in den letzten Wochenläufen viel Zeit zur Kontemplation, was unsere gemeinsame Zeit betrifft. Wenn schon nicht mein Werdegang, so mag dich vielleicht zumindest die Tatsache erfreuen, daß Vater einem Irrtum unterlegen war als er behauptete, ich sei nicht mit einer Seele ausgestattet.
Anfangs war es nicht einfach, mit all den neuen Emotionen umzugehen, welche mit jener Einsicht einher gingen, doch mittlerweile denke ich, zu mir gefunden zu haben und die Gefühle in ausreichendem Maße beherrschen zu können. Sicherlich erfüllt es dich mit Erleichterung zu hören, daß auch meine Wutausbrüche sich entsprechend auf ein Minimum beschränken und dann zumeist in geordnete Bahnen gelenkt werden können.
Allerdings brachten mich diverse Gespräche und auch Meditationen dazu, mich einem weiteren Thema erneut zu widmen. Es stand nie außer Frage, daß die Zerstörung unserer Familie nur infolge von Verrat hat stattfinden können, und dir ist sicherlich bekannt, welchen Stellenwert die Konzepte von Loyalität und Verrat in meinem Leben einnehmen.
Von daher komme ich nicht umhin, die
Die Feder hielt inne, und mit einem unzufriedenen Schnauben starrte er einige Momente lang auf das Geschriebene herab. So viele nichtige, unbedeutende Worte, so ganz und gar konträr zu seinem Vorhaben, die Vergangenheit loszulassen.
Erschrocken fiepend machte der Welpe einen Satz zur Seite, als das Hadernblatt mit ein paar weit ausholenden Bewegungen mehrfach zerteilt wurde, um schließlich sein Ende in den Flammen des Lagerfeuers zu finden. Das leise Knistern, als der unvollendete Brief im gierigen Züngeln verging, hatte etwas ungemein Befreiendes an sich.
Rasch zog er ein weiteres Blatt in seinen Schoß, um eine bedeutend prägnantere Version des Schreibens aufzusetzen.
Zitat:
Liebe Mutter,
Ich vergebe dir. Der Rest liegt einzig in Seinem Ermessen.
Zufriedenheit breitete sich in seinem Inneren aus, ein wohlig frisches Gefühl, welches sich in einem neuerlichen Lächeln auf den blassen Zügen äußerte. Seine Hand wanderte behutsam über die wenigen Worte, begleitet von einem zufriedenen Nicken - ein perfektes Schreiben.
Und ohne zu zögern übergab er es ebenso den Flammen.