Mein lieber Specht.
Ich wusste zwar vorher schon, dass Nachtschatten eine überaus nennen wir es einmal belebende Wirkung auf die Träume in der Nacht hat, aber eine solch durchschlagende Wirkung hätte ich dann doch nicht erwartet. Heute Morgen brauchte ich erst mal ein langes Eisbad um wieder halbwegs zu Sinnen zu kommen und mich so weit ab zu kühlen um kein Loch in die Laken zu brennen.
Ich hoffe Du hast auch gut geschlafen und etwas schönes geträumt, wobei soweit mir bekannt ihr Fey ja eher selten träumt. Aber mir gefällt der Gedanke, dass auch Du Dinge hast, die es wert sind, dass man von ihnen träumt.
Anbei, tut mir leid, wenn die Abkehr vom klassischen Briefstil nicht so Deinen Geschmack trifft, aber ich finde, wenn ich Dir schon mit der Feder die Ohren abkaue, dann kann ich es ruhig auch auf meine Art tun.
Ich habe mich noch mal ein wenig mit Deinem letzten Brief auseinander gesetzt. Keine Ahnung, was ich gestern dazu für einen Unfug verzapft habe, aber ich erinnere mich noch daran, dass ich diesen Bücher gegen Lehrer Streit aufgenommen habe und irgendwie mit all den Zeilen die ich Dir schreibe mein Argument nicht wirklich stütze, jedoch, dies tust Du auch nur bedingt. Ziemlich weit am Anfang greifst Du das Wort "Liebe" auf, danach musste es jedoch weichen zugunsten von Wissen. Ich musste auch über Dich nachdenken, wie Deine Augen jedes mal leuchten wenn Du von Dingen erzählst, an die Du glaubst und auch glauben möchtest, wie dabei jedes mal Deine Pupillen sich leicht erweitern und Dein Herzschlag eine Spur rascher wird. Das mein Niah nennt man Erregung und auch wenn ich erahnen kann wie viel Freude Du daran hattest mir noch ein mal zu schreiben, so komme ich nicht umhin fest zu halten, dass es mehr eine Ahnung ist, ein unbestimmtes Gefühl, ein Bild das ich von Dir habe. Aber all dies habe ich nur, weil ich ein Stück von Dir bei mir trage so wie Du einen Teil von mir. Würden wir einander nicht kennen, so würde ich aus diesen Zeilen zwar die Liebe zum Wissen und zur Verbreitung und Mehrung desselben heraus lesen, aber eben auf einer sehr abstrakten Ebene, die den Leser geistig aber eben nicht physisch berühren soll und das Bild wäre schlicht falsch. So bist Du nicht aber wer der Dich nicht kennt, der nicht zugelassen hast, dass Du ihn ebenso kennen lernst, mag das beurteilen können?
Anfangs war ich sogar recht skeptisch, ich fand, der Brief passe irgendwie nicht so recht zu Dir. Mittlerweile jedoch denke ich wir meinen dasselbe, wir drücken es nur anders aus. Du nennst es das Göttliche, ich würde es einfach nur Liebe nennen, Liebe zum Leben oder zur Schöpfung wenn Du so magst. Jegliches Wissen ohne dies ist bedeutungslos, es verliert sich in sich selbst und verkommt zum Selbstzweck, wird anfällig für das was Du Rachsucht, Neid oder eben schlicht sündhaft nennen würdest. Liebe ist der rote Faden, der sich durch alles hindurch zieht und ohne den alles nichts und nichtig ist und wer das nicht zu erkennen vermag, der verleugnet sich selbst. Aber so ohne Liebe alles nichts ist, so kann der Hass nicht das Gegenstück zu ihr sein, denn auch wenn er vergiften und das Ende der Liebe bereiten kann, so ist Hass allein so selbstzerstörerisch er sein mag doch immer noch ein Antrieb, etwas, das der Liebe eine Bedeutung bei mißt und sei es nur der Wunsch sie zerstört zu sehen. Nein, wenn Liebe immerzu die Liebe zum Sein, zum Leben sein muss, dann ist ihr Gegenstück die vollkommene Gleichgültigkeit dem gegenüber. Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer, aber auch gegenüber dem eigenen.
Ich schätze dies war der Grund weshalb Du seinerzeit so besorgt um mich warst, dass ich meinem eigenen Leben gegenüber nicht aufgeschlossen oder liebevoll genug gegenüber gewesen sein mag, aber dort kann ich Dich beruhigen. Auch wenn ich mein Leben und die Bahnen die es ein schlug und die Seelen mit denen es mich verbindet heute doch noch etwas mehr schätze denn damals, so war es mir doch nie gleichgültig. Ich liebe mich selbst und ich liebe mein Leben und das war schon immer so und nur dadurch dass ich zu beidem fähig bin bin ich auch fähig andere so lieben zu können wie sie geliebt werden möchten. Jedoch mache ich mir vor dem Hintergrund auch ein wenig Sorgen um Dich.
Ich weiß, dass es meine eigenen Worte waren, die Dich ermuntern sollten Deine Gabe vollends aus zu kosten, dass Du gänzlich darauf vertrauen solltest, dass sie Dir nicht als Bürde gegeben wurde, dass Du sie nicht hättest, wenn Du sie nicht ertragen könntest. Ich möchte nicht bezweifeln, dass sie eine Last sein kann, dass sie Dir viel ab verlangt, denn letztendlich zwingt sie Dich dazu die Fehler in uns Menschen zu erkennen. Wie viel leichter wäre es andere lieben zu können ohne all ihre Fehler zu kennen, aber Du und ich wir wissen beide, dass dies nicht der Weg ist, der Dir oder Deiner erwählten Gottheit vorbehalten ist. Sie liebt gerade auch ihre schwarzen Schafe, weil sie weiß, dass die weißen unter ihnen sich gegenseitig genug Liebe zu schenken vermögen. Aber auch wenn Du dies als neunmalklug auffassen magst, ich denke dennoch, dass Du im Umgang mit Deiner Gabe etwas falsch machst. Ich stehe weiterhin dazu, dass Du Dich dieser Gabe und damit den Menschen hingeben solltest, jedoch denke ich auch, dass Du Dich zu sehr von ihr einvernehmen lässt. Diese Gabe ist kein Geschenk an Dich persönlich, viel mehr hat Sie durch diese Gabe Dich anderen zum Geschenk gemacht. Ich mag mich Dir gegenüber nackt fühlen, weil ich weiß, dass Du meine Gefühle immer kennen wirst, dass da nichts ist, dass ich vor Dir verstecken kann, aber um ein wie vieles nackter bist Du mir gegenüber in dem Wissen, dass ich so wie jeder andere auch meine Gefühle in Dich pflanzen kann und Du dem erst einmal wehrlos gegenüber stehst? Mag ich mich auch ertappt und Dir in geradezu schamlosester Weise ausgeliefert fühlen, aber wie gering ist das schon verglichen mit Dir und Deinen Gefühlen? Ich stehe nur vor Dir nackt da und ich vertraue Dir mehr als genug um davor keinerlei Angst zu haben und diese Nacktheit Dir gegenüber nicht nur offen zu zu lassen, sondern diese kostbaren Augenblicke völliger Offenheit und vollkommener Schutzlosigkeit obendrein zu genießen. Du jedoch bist einem jeden gegenüber ausgeliefert, Du bist nicht nur nackt, Du liegst auch noch wie ein Käfer auf dem Rücken auf dem Boden, auf dass ein jeder auf Dir nach Herzenslust herum trampeln darf. Und genau dort sehe ich den Fehler.
Nicht die Situation an sich. Ich schätze das ist einfach ihr Naturell und damit auch das Deinige. Aber Deine Ergebenheit in diese ist es nicht. Du musst nichts davon so hinnehmen wie es ist. Du magst keinen Schild führen um den zu erwartenden Hieb ab wehren zu können, aber Du kannst die Umstände zu Deinen Gunsten verändern, Dein gegenüber dazu bringen, gar nicht erst zuschlagen zu wollen.
Du erinnerst Dich bestimmt an den Abend mit den cortanischen Soldaten nach dem Angriff der schwarzen Magier. Selbst ein Blinder hätte gesehen wie an dem Abend etwas in Dir zerbrochen ist, wie rasch Du von diesem Ort wieder fort wolltest. Wie gerne hätte ich Dir dort etwas von meinem Mut gegeben, wie gerne hätte ich ein paar Worte an die Cortaner gerichtet, ihnen ein Lied gesungen, das mir Opa Jonathan einst beigebracht hat:
Ich hatte einen Kameraden, haben lange Zeit zusammen gedient,
Durch Feuer und Sturm gingen wir, doch dann gingst Du von uns - allein.
Denn nun fehlst Du beim Apell des Morgens, womit hast Du dies bloß verdient?
So stehen wir hier an Deinem Grabe, tragen Deinen Sarg vorbei an den Reih'n.
Ich hatte einen Kameraden, schritt Seit' an Seit mit ihm einher,
Hab Dir mein Leben anvertraut so wie Du Deines in meine Hände gelegt.
Wir trugen auf der Brust das gleiche Wappen, stritten für dieselbe Wehr,
Hatten unter demselben Banner gedient, das nun Deinen Sarg umweht.
Gefallener Kamerad, wo immer Du auch bist
Du weißt, daß an unserer Tafel ein Platz Dir bereitet ist.
Gefallener Kamerad, wir vermissen Dich,
In unseren Herzen bleibst Du auf ewig unsterblich.
Ich hatte einen Kameraden, sie geben ihn der Erde her.
Es endet des Priesters Predigt, verstummt sind die Fürbitten,
Doch eines das bleibt noch zu sagen: Kamerad Dein Platz blieb leer,
Wo immer Du bist, ich wünsch Dir Glück und den Frieden für den Du gestritten.
Ich hatte einen Kameraden, werde ihn im Leben nicht wieder sehen
Bis zu dem Tag, da der Feind auch mich darnieder streckt,
Doch bis zu jenem Tag werde ich weiter für unser beider Sache einstehen.
Folge ich Dir dereinst nach, weiß ich, Du hast die Tafel mir schon gedeckt.
Gefallener Kamerad, wo immer Du auch bist
Du weißt, daß an unserer Tafel ein Platz Dir bereitet ist.
Gefallener Kamerad, wir vermissen Dich,
In unseren Herzen bleibst Du auf ewig unsterblich.
Gefallener Kamerad - unsterblich.
Gefallener Kamerad - unsterblich.
Aber dafür hätte ich Dich an meiner Seite gebraucht. Vermutlich hätte ich Dich dort haben können, Dich dazu bringen können dort zu verweilen, einzig, ich war mir nicht sicher wie sehr Du mir vertraust, ob Du diese Manipulation, die Dir schon so viele auf zwingen mir nicht im Nachhinein übel genommen hättest, ob ich überhaupt das Recht dazu habe Dich dazu zu nötigen.
Im Nachhinein weiß ich, dass es geholfen hätte, Ihnen und Dir. Dass mir hätte egal sein müssen ob Du mich in dem Augenblick dafür verachtest es Dir auf zu zwingen, dass mir noch viel egaler hätte sein müssen, was andere davon halten. Da habe ich als Deine Niah Dir gegenüber auf ganzer Linie versagt und auch wenn Du sonst meinst, dass ich Dir gegenüber schamlos bin, dafür schäme ich mich und es tut mir sehr leid, dass ich dort nicht so für Dich da war wie ich es hätte sein sollen.
Mittlerweile weiß ich jedoch wie tief unser beider Vertrauen geht, daher, wenn Dir das nächste mal die Kraft fehlt von meinem Mut zu zehren, weil das Dunkel um Dich herum so übermächtig wirkt, dass Du das Licht nicht mehr recht erspüren magst, wisse, dass ich für Dich da sein und Dich leiten werde auf dass wir die Welt um uns herum so gestalten, dass sie vielleicht nicht gut, aber doch ein Stück weit besser und damit für Dich auch erträglicher wird. So lange bis Du Dir Deiner Gabe selbst sicher genug bist um Dich hingeben zu können ohne Dich völlig einvernehmen zu lassen, denn auch wenn Du in dem Moment nur Trauer und Verzweifelung gespürt haben magst, so war die Liebe doch präsent und auch wenn die Gabe Dich zwingt zu fühlen was andere fühlen und Du darüber das Gespür für Dich selbst ein wenig aus den Augen verlierst, wisse: Auch Du bist Teil des Lebens, Teil der Schöpfung und das bedeutet, dass auch Du immerzu geliebt wirst. Das kann Dir niemand nehmen außer Du Dir selbst indem Du Dich dagegen unempfindlich machst, indem Du gleichgültig dieser Liebe gegenüber wirst. Noch magst Du nur spüren was andere empfinden, jedoch irgendwann wirst Du auch empfinden können was für andere empfunden wird. Denn alles ist miteinander verbunden, alles Leben entstammt einer Quelle und diese liebt ihre Kinder. Von ganzem Herzen.
Und somit schließe ich den Kreis mit einem letzten Seitenhieb gegen das Bücherwissen. Es mag großartig sein um das Verborgene, das Hintergründige erforschen zu wollen, das was sich nicht beim ersten Lesen oder Hören offenbaren mag und doch ist gerade das ein Knackpunkt. Bücher verschleiern das Offensichtliche hinter zu vielen Worten.
Ich vermute, Du bist des Linfarn mächtig. Vitam ama - Liebe das Leben. Das bringt es schön auf den Punkt wie ich finde.
Fühle Dich geherzt und vor allem geliebt.
Deine Diana