Es war wieder abgekühlt im Laufe der letzten Zyklen, als sich die ersten schmalen Lichtstrahlen Felas auf Tare schlichen und die Kathedrale Schatten werfen ließ, größer als das Mauerwerk selbst, aber umso mehr dem angemessen was diese ehrwürdigen Mauern darstellten: Die heilige Kirche der Vier. Licht welches sich so unaufhaltsam seinen Weg suchte durch die Gassen der Stadt und erst alles, von den Schindeln der Dächer bis zu den Blumen am Wegrand, in seiner wahren Form, Größe und Farbe erstrahlen ließ, sich in dem farbigen Glas der Fenster brach und einen Schleier aus Licht und Wärme in die Räume der Kirche warf. Es war, als sei Erkenntnis über Siebenwind herein gebrochen, an diesem frühen Zyklus des 30. Triar.
In all diesem Wohlgefallen, war eine gedrungene Gestalt auszumachen, klein und in silbernen Schimmer eingehüllt, wie sie abermals aus einem abgewetzten Beutel Rauchkraut heraus beförderte, im Gang zwischen der Kathedrale und des Ordenshaus stand und den Blick in den Hof richtete. Müde Augen, die wohl im letzten Tageslauf nicht viel Schlaf gesehen hatten, womöglich auch gar keinen Schlaf oder aber es waren einfach die Mühen der Anstrengung über so vieles nachzudenken, die nicht nur den Geist, sondern auch bald den Körper ergriffen – nichts von dem war aber von Bedeutung, so schien es zumindest wenn das stoische Harren der Gestalt deuten mochte, als sie mit einem leisen Brummen erneut das Rauchkraut in die Pfeife stopfte. Es war nicht die erste Pfeife in den letzten Zyklen, wenn man sich die ausgeklopften Reste des Rauchkrauts ansah, welche sich um die zwergische Gestalt herum verteilten. An einer Laterne entzündete sich die Pfeife und schon bald sollte dieser frühe Zyklus den angenehmen Geruch des „Heimatfreunds“ schmecken, der von der Pfeife in kleinen Rauschschwaden aufstieg und wie kleine Nebelbänke schon bald über den Hof hinweg in die frische Luft Tares getragen wurden.
Lange dachte erüber die Worte nach, die er mit seinem Schwertbruder gewechselt hatte, bis tief in den frühen Zyklus hinein, aber nun, wo er alleine war, trieben ihn die Worte des Codex um. Es war, als schien kein Wort mehr zu passen, ihre Taten waren mit den Worten aus den Fugen geraten, es war kein Rätsel, es war Unordnung. Unwillkürlich dachte er an seinen elfischen Bruder, welcher ebenso drohte durch die Macht des Worts verloren zu gehen, der nur getrieben und rastlos schien von dem Rätsel welches ihm die Viere auferlegten. Der Gedanke schien ihn zu beunruhigen, aber sogleich half er ihm nicht selbst verloren zu gehen. Er brauchte seinen Verstand um den Tadel einzuordnen und seinen Weg zu beschreiten – im Gegensatz zum Rätsel seines Bruders waren die Worte der Ewigen deutlicher, greifbarer und weniger ein Rätsel, sondern es lag lediglich an ihnen, anzuerkennen, das sie versagt hatten. Und als die lichten Strahlen heller wurden, da kam es ihm, als würde der neue Zyklus auch neue Erkenntnis bringen.
Sein Schwertbruder lag falsch. In den Tugenden des Herrn Bellums gab es keine zwei Wege zu beschreiten, die Tugenden waren stets im Einklang miteinander auszuüben, nur so konnte sich die Wahrheit ihrer entfalten. Was nützt es dem mutigen ohne Ehre zu streiten? Wie kann Gerechtigkeit ohne Milde auskommen und Gehorsam ohne Demut? Es mochte mehrere Wege geben, die zu einem Ziel führten, aber das Ziel war die Erkenntnis, die Erkenntnis der Vier und insbesondere, für ihn, die Wahrheit des Axtherrn. Die Vier sind Wahrheit und eine Wahrheit konnte nicht geteilt werden – denn wie soll es mehr als eine Wahrheit geben. Konnte eine geteilte Wahrheit überhaupt noch als solche bezeichnet werden?
Er wälzte die Worte immer wieder in seinem Geist und zog an der Pfeife, kleine Rauchkreise verließen den Mund des Zwergen und er sah starr auf den Hof hinaus, wo zu dieser Stunde keine Seele das Pflaster passierte.
Die Tugenden des Herrn waren nicht verhandelbar. Man konnte nur ehrenhaft handeln, oder mutig oder gerecht. Aber konnte eine Handlung nur ein bisschen ehrenhaft sein? Nur ein bisschen mutig? Implizierte dies nicht schon das Scheitern als solches, der Tugend Bellums nicht gänzlich gerecht zu werden? Bisher war es an ihnen zu deuten zu bewerten und ein Urteil darüber zu sprechen, ob eine Tat mit den Tugenden des Herrn im Einklang steht, aber eigentlich war dies immer dem menschlichen Makel des unvollkommenen unterlegen.
Nur Bellum selbst kann urteilen, was ihm gerecht wird, nur Bellum kann eine Tat wiegen und in Wahrheit darüber befinden ob dies sein Wille sein soll.
Leise verließen die Worte den Mund des Zwergen, ehe er wieder die kunstvolle Pfeife an die Lippen setze und ein kurzes Lächeln umspielte diese, als er sie so besah. Ein Geschenk von einem Bresch zu seiner Weihe als Novize, damals bei der kleinen Feier in Dunquell. Es waren die einfachen Sachen die ihm nach wie vor Freude bereiten. Doch schnell sollten seine Gedanken wieder auf das wesentliche Gerichtet werden.
Die Worte des Ewigen halten nach und als er sie immer wieder wälzte, da wurde ihm klar was sie eigentlich bedeuteten, da fügten sich die Handlungen der Ewigen und ihr Verhalten wie ein Mosaik zusammen. Es ging um den Kampf, aber nicht um die letzte Schlacht. Es ging um die Prüfung, aber nicht für alle anderen, sondern für sie. Sie sollten geprüft werden. Es fügte sich!
Wie sonst soll zu erklären sein, das die Magier die an den Vieren zweifelten einfach in ihre Akademie entlassen wurden, Nordleute die offen die Ewigen als „Beleidigung“ ihrer Götter ansahen und den Vieren frevelten einfach keine Beachtung geschenkt wurde und Tardukai, welche vollmundig ein Duell ankündigten und dies einfach verstreichen ließen ohne selbst zu erscheinen noch einen Sekundanten zu schicken, als Beispiel für des Herrn Mut herhalten mussten!
Sie waren im göttlichen Plan einfach nebensächlich, stattdessen wurden sie gescholten, die Diener des Herrn die den Feldzug wider die Dunkelheit führten und den Ewigen treu ergeben waren im Bestreben das neue Zeitalter einzuläuten. Sie hatten die Prüfung nicht bestehen können, weil sie die Tugenden des Herrn nicht richtig gedeutet hatten. In einer solchen Schlacht ist keine Ehre zu finden, wenn sie die zahlenmäßig geringeren Diener des Einen auf dem Schlachtfeld herausforderten. Sie hatten Recht. Wo war der Mut, sich hinter Katapulten und Rammböcken zu verstecken um vier verstreute Seelen aus ihrer Befestigung zu jagen?
Sie hatten schon einmal versagt, als sie das Kastell in einer Schlacht genommen hatten, die wenigen unglücklichen Seelen dort, waren kein Ziel eines ehrenhaften Angriffs. Die Ewigen wirkten schon dort fern und missbilligend, als wählten wir schon dort die falschen Mittel. Es setzte sich fort, bei der Burg der Tardukai! Brauchte es dazu wirklich Mut?
Hom..nein!
Sie hatten uns mit ihren Worten gewarnt, weil sie sahen, dass wir den gleichen Fehler in Finsterwangen begehen würden, wieder waren wir bereit in einer Schlacht gegen die Dunkelheit zu ziehen. Aber darin lag keine Ehre und kein Mut, um gegen dezimierte Krieger die Klinge zu erheben, das machten ihre Worte deutlich. Dies würde zu nichts anderen führen, als dem endgültigen Versagen in dieser Prüfung!
Es bestand kein Zweifel. Der Elf war im Dienst des Herrn und wen Bellum selbst auf Tare schickt, um über die Seele eines jeden einzelnen zu entscheiden, der wird die Worte des Herrn besser verstanden wissen, als ein einfach Zwerg.
Der Zwerg zog dabei nervös an seiner Pfeife, als er erkannte, dass er kurz davor war, alles zusammen zu setzen. Sich das Mosaik aus vielen Steinen in seinem Kopf zusammensetzte und er erst einmal klar die Tugenden des Herrn vor sich sah.
Das Opfer ist zu wählen, wenn die rechte Zeit gekommen ist, das ist Mut. Er hatte den rechten Zeitpunkt wohl verpasst, als er sein Leben nicht für eine einfache Burg in der Ödnis aufs Spiel setzte, aber das konnte nachgeholt werden.