Die Vorbereitungen für das Ritual hatten länger gedauert als erwartet, vor allem weil die inzwischen etwas ältere Elena nicht mehr so sehr an ihrem Stofftier zu hängen schien und es nicht zu jeder Zeit mit sich herum trug. Iomine seufzte leise, als sie auf ihren eigenen Stoffhasen blickte und ihn einmal liebevoll drückte, bevor sie ihn auf dem Boden ihres Kellers absetzte. Der Kellerraum war klein, etwas feucht und vollkommen leer, vor allem weil sie sich bis heute nicht sicher war, was sie damit überhaupt anfangen sollte. Was machten andere Leute mit Kellern? Sachen darin lagern? Dann müsste sie sie doch dauernd hoch und runter tragen..
Den Kopf schüttelnd fokussierte sie sich auf die vor ihr ausgebreiteten Dinge, die im Licht einer einsam flackernden Laterne schimmerten. In dem kleinen Kessel blubberte eine dunkle Flüssigkeit geheimnissvoll. Natürlich war diese Flüssigkeit nur Wasser mit Tinte, und statt einem prasselnden Feuer erhitzten einige glühende Steine den Kesselinhalt, aber es kam bei solcher Magie auch immer etwas auf das Aussehen an. Über ihrem Heim war der Himmel nächtlich dunkel, und da die meisten Bewohner der Insel auf einer Art Seefahrt waren, würde sie sicher niemand stören. Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
Zuerst begann sie mit einer Anrufung an Mutter und an die Monde, denn ihre Absicht war finster genug, dass ihr dies angemessen schien. Vater würde solche Taten sicher nicht gut heißen, ebenso wenig wie Morsan oder Lifna. Sie konnte später Buße tun. Mit einem Blick auf ihren vorgeschriebenen Text begann sie zu intonieren.
Gnädig' Mutter, hör mein Rufen, lass mein Fluchen Stärke finden. Dir zur Ehre will ich wirken, dir zum Ruhme will ich binden den, der deine Gabe schmähet, Leben schafft und Pflichten meidet. Schenk meiner Magie den Segen, seinen Fehler ich ihm zeige.
Goldmond, stärke meinen Willen, ihm zu rauben seinen Frieden. Weißaug, schärfe meine Einsicht, gib mir Weisheit, schenk mir Listen, Schwarzherz, hülle meine Pläne ein in deine dunklen Wege, dass mein Wirken still und leise einen Pfad zum Guten lege.
Sie war einigermaßen stolz auf das Ergebnis von mehreren Stunden Dichtkunst und der hirnzermarternden Lektüre mehrerer Werke über Versmaß und Dichtung. Herr Mümmel hatte darauf bestanden, dass, wenn sie schon bei einer Anrufung reimen wollte es immerhin richtig täte. Sogleich spührte sie, wie ihre Worte und ihr auf diese konzentrierter Wille die Luft des Kellerraumes mit Magie erfüllten. Schwer, drückend und belastend legte sich die Kraft auf ihre Schultern. Auch das Grinsen ihres Stoffhasen schien noch eine Spur breiter und gefährlicher zu werden. Nun gab es jedoch keinen Weg zurück mehr, und außerdem wollte sie auch garnicht aufhören.
Eine Hand voll Haare, die sie im Bett ihres Opfers zusammengesucht hatte, warf sie in den Kessel, langsam streuend, während sie mit der anderen Hand eine Kelle rührend im Kreis bewegte.
Deine silbergrauen Haare sollen weiß sein von den Schrecken. Deine Beine ohne Ruhe sollen dich nicht lang verstecken. Bei Fleisch und Blut, bei Mark und Bein, gebunden soll dein Geist nun sein.
Diese Worte sprechend, konzentrierte sie sich auf die Verbindung, die sie zu ihrem Opfer aufbauen sollte. Ein Fluch musste auf sein Ziel abgestimmt sein, damit er traf und saß, und auch wenn sie kein Blut hatte, würden die Haare genügen. Als nächstes musste sie die Art des Fluches gestalten, und auch dafür war sie gut vorbereitet. Ihre Hand griff eine Schale mit in der Abenddämmerung gesammelter Spinnweben, die sie in das Wasser fallen ließ. Sie bezweifelte, dass sie von einem Lifnaknecht stammten, aber auch hier würde es ausreichen müssen.
Deine Träume, deine Freunde, unverdient dir Ruhe schenkend, während andre einsam weinen, sollen dich mit Furcht ertränken. Keine Ruhe und auch kein' Flucht, vor dem, was dich im Schlaf heimsucht.
Nun folgte eine kleine Phiole mit Gift, die sie vor einer Weile in einem Räubersteck eingesteckt hatte. Es war kein sonderlich starkes Gift, aber sie wollte das Ziel ihres Fluches ja auch nicht mit seinen Träumen umbringen, sondern nur ängstigen und etwas quälen. Lieber etwas zu schwach als zu stark, nachlegen konnte sie immernoch. Leise gluckernd floss das Gift in das Gebräu.
Leise soll das Gift nun wirken, heimlich sich an dir ernähren. Sollst nichts ahnen, langsam quälen, kannst dich seiner nicht erwehren. Leise wie auf Spinnenbeinen kommt es bald und du sollst leiden.
Eines fehlte noch. Sorgfältig aus einer Schale ein einzelnes Haar nehmend, das von einem rötlichen Braun war, warf sie dieses in den Sud, es vorher einige Momente darin dümpeln lassend, bevor sie es umrührte.
Dein Gewissen soll dich quälen, dass du die, die dich vermissen nicht beachtest, nicht bedenkest. Sollst nun auch ihr Leiden wissen. Nur bei ihnen sollst du ruhen, Frieden vor dir selber finden. Buße dann an ihnen tuen und dich an die deinen binden.
Zuletzt sog sie das rotbraune Haar wieder von der Oberfläche, wobei sie sich gehörig die Finger verbrannte. Egal, wer fluchte, durfte nicht vor etwas Schmerzen zurückscheuen. Sie band es um das letzte von ihr vorbereitete Utensil, eine Rabenfeder, die sie auf einem Friedhof aufgelesen hatte. Vier mal gegen den Uhrzeigersinn rührte sie mit der Feder durch den mit böswilliger Magie aufgeladenen, tintenblauen Sud, und als sie sie hervorzog, hatte die Feder selbst einen dunkelblauen Farbton angenommen. Dies war gewollt, denn wie sie im Buch ihres Zieles las, entsprach dies genau der beabsichtigten Wirkung in der Farbenlehre seiner Magie. Seine eigene Magie und seinen eigenen Glauben gegen ihn zu wenden würde den Fluch noch mehr auf ihn münzen, so hoffte sie zumindest. Nachdem die Feder getrocknet war, schlug sie sie sorgsam in ein Stück Stoff und verlöschte die glühenden Steine, nachdem sie mit einigen letzten Worten die Anrufung wieder aufhob. Nun musste nur noch Eines getan werden, damit der Zauber wirkte. Nicht heute jedoch, dies konnte sie nicht alleine tun, und merklich zerschlagen spührte sie, wieviel Kraft sie diese Magie gekostet hatte. Als sie die Leiter hinaufstieg und erschöpft neben ihrem Hund ins Bett sank, war es draussen bereits wieder Dämmerung und den Klängen nach waren die Krieger der Insel von ihrer Unternehmung gerade heim gekommen. Zu den Klängen ihrer lautstarken Gespräche schlief Iomine ein, die Wange auf ihrem Stofftier und den Kopf voller dunkler Schatten, wie sie sie auch einem Anderen anhängen würde.
_________________ Spieler von:
Nithavela, Hohepriesterin Xans Iomine und Herrn Mümmel, Glücksbringer und Stoffhase
|