Der vierte Tag
Nach drei für ihr Handwerk ungewöhnlichen Tagen, betrat Lina zögernd die Werkstatt. Sie wirkte angespannt, aber hatte auch die leise Hoffnung den Stab heute fertig stellen zu können um langsam wieder ihrem sonst so geregelten Alltag nachzugehen. Der Stab blieb auch an heute so mysteriös wie er sich die letzten Tage zeigte. "Er ist gewachsen ... natürlich ..." sagte Lina mit ungläubigen Worten und erhobener rechter Augenbraue. Doch wuchs er nicht nur um ein paar Halbfinger, das schimmern war völlig verschwunden und der Starb war gesäumt von Runenwörtern die immer wieder schwach aufglimmten. Sogar die Stabspitze hatte sich verändert und die Halterung des Steins wirkte weniger wie geschnitzt als natürlich gewachsen. Die Kraft des Steins schien nach ersten Versuchen in den Stab gewandert zu sein, denn auch ein stärkeres Aufsetzen des Steins auf dem Boden führte erst einmal zu keiner Reaktion.
Viel Zeit um sich jede Änderung am Stab aufs genauste anzusehen blieb aber aber nicht. Lina wusste durch den gestrigen Besuch im Ordenshaus das für den heutigen Tage eine eventuelle Evakuierung an stand. Und auch das der Magier, dem sie diesen Stab fertigte bei der Verhinderung des Unglücks helfen würde. Etwas mehr Unterstützung wäre also vielleicht nicht verkehrt und so holte sie das kleine braune Kästchen, was sie bisher am anderen Ende der Werkstatt verwahrt hatte.
Von allen verarbeiteten Materialien, war dies definitiv das wiederspenstigste. Schon als sie das Kistchen öffnete, tauchte der darin liegende Kristall die ganze Werkstatt in ein schummerndes blaues Licht und projizierte vorbei ziehende Wolken an alle Wände. Als hätte man einen Himmel, mitten in einem Raum, begleitet von einer bedrohlichen Geräuschkulisse eines nähernden Gewitters. Den passenden Ort für den Kristall hatte sie schon gefunden, wie man sich aber denken konnte, sollte auch dieser Arbeitsschritt nicht einfach werden.
Der Sturmkristall war seit dem sie an dem Stab arbeitete immer aktiver geworden. Scheinbar schien er zu spüren das seine Zeit nun gekommen sei, um Teil dieses Stabs zu werden. Zu leicht wollte dieser es der Schreinerin aber wohl nicht machen, denn als sie diesen in die Hand nehme wollte, erwischte sie ein kleiner Blitzschlag, welcher vom Kristall aus ging. Noch im selben Moment reagierten die projizierten Wolken an den Wänden, aus denen Blitze die Wand entlang huschten. "Zum Glück sind dies nur Bilder" murmelte die Schreinerin auf den Anblick und begann mit Tests, wie sie den Stein für die Verarbeitung anheben könnte. Die Idee der Zange verwarf sie nach dem ersten Test und einem weiteren Mark durchschütternden Schock. Auch die Lederhandschuhe wollten nicht das gewünschte Resultat bringen. Erst als sie es mit trockenen Holz versuchte, in welchem sie den Kristall einklemmte, schien sie auf dem richtigen Weg zu sein.
Dem Kristall schien dies aber nicht zu gefallen, denn immer wieder sprühten kleine Blitze empor, als würden sie versuchen etwas greifen zu wollen. Dies machte die Vorbereitungen, den Stab für den Kristall vorzubereiten nicht einfacher, denn wie schon beim Lavakern, ließ der Stab nur dann an sich Hand anlegen, wenn sich das blitzende Etwas in der Nähe befand. Lina schlussfolgerte daraus, das der Stab, immer wenn ein mächtiges Artefakt in seiner Nähe sei , den eigenen Schutz aufgebe um diese Magie in sich aufzunehmen. Ob dies allgemein gültig war, oder sich nur auf diese speziellen Werkstoffe auswirkte, wollte sie zwecks Zeitdruck und Mangel an magischen Artefakten auch nicht weiter austesten.
Zwei Stunden und ein paar kleine Blizschläge später, vollendete sie die Fassung für den Kristall. Direkt am höchsten Punkt des Stabs, über der aufgefächerten Krone. Alles überblickend. Ihre Idee dahinter war, das er möglichst weit weg von der führend Person sein würde, um nicht jedes Mal Opfer der Blitzschläge zu werden. Falls nach der Verschmelzung überhaupt noch Kraft im Stein selbst vorhanden sein sollte und diese nicht mit in den Stab übergeht.
Nun war es aber Zeit die Hochzeit zu Feiern und den Kristall an seinen vorgesehenen Platz zu setzen. So spannte sie den Stab auf ihrer Werkbank zwischen zwei Holzblöcken ein und hob den störrischen Blitzer mit ihrer provisorischen Holzzange gegen die Stabkrone. Wieder zeigte der Sturmkristall das er von Kooperation nichts hielt, anfing Blitze zu speien und eine abstoßende Kraft aufbaute, die Lina einfach nicht zu überwinden vermochte. Es führte kein Weg dran vorbei, der Kristall wehrte sich mit aller Kraft und machte keine Anstalten nachzugeben. "Mehr Wumms" murmelt die Schreinerin darauf kommentierend und ließ für den Moment davon ab.
So einfach ließ sie sich aber nicht entmutigen, griff nach der Schüssel mit den Nägeln und fing an ein Holzgerüst in ihrer Werkstatt zu errichten. Auf den ersten Blick wirkte das Gebilde etwas skurril, doch in Kriegstaktiken geschulte Augen hätten sofort erkannt das sie eine Art Bilde baut, nur in einem etwas kleineren Maßstab. Das auffälligste war der fehlende Schleuderarm. Denn auf dieser Seite befestigte sie ein Seil, welches beim auslösen des Hebelvorgangs Spannung auf zwei Holzblöcke ausübte, um im besten Fall Kristall und Stab zusammen drücken sollte. Der ganze Bau kostete Lina mehrere Stunden und selbst danach sah das ganze mehr nach einem Provisorium aus und weniger wie eine fertig gestellte Vorrichtung. Zeit war aber heute ein entscheidender Faktor, also verzichtete sie darauf alles erst hübsch zu machen. Sie konzentrierte sich auf die reine Funktionalität. Selbst für einen Test war keine Zeit. Lina wusste, das selbst wenn der Test erfolgreich wäre, müsste sie die Spannung aus dem Gebilde nehmen und die Steine als Gegengewicht wieder verladen. Dies würde mindestens eine weitere Stunde kosten, also entscheid sie sich für den riskanten Weg, bei dem alles beim ersten Versuch klappen müsse.
Es war also Zeit für den zweiten Versuch. Stab und und Blitzkristall waren eingespannt, auf der Bilde lag Spannung und die Schreinerin mit einem Holzhammer bewaffnet, blickte auf den Großen Holzstift, den es nun zu entfernen galt. Aber auch wenn ihr unsicherer Blick es nicht vermuten ließ, sie war vollends entschlossen dies nun zu versuchen. Und dann ging es ganz schnell. Der Hammer traf den Holzstift, die Bilde entlud die Spannung und das Seil nahm Spannung auf. Lina sah wie der Kristall auf den Stab zu rauschte und sich im Moment des Aufpralls mehrere Blitze entluden, welchen sie durch genügend Abstand entkahm. Noch im selben Moment verschwand das Schimmern des Kristalls, das Zimmer färbte sich rot und die Konstruktion rund um den Stab fing Feuer.
Die Schreinerin reagierte sofort, griff zu den Polsterstoffbahnen und machte sich daran die Flammen zu ersticken. Sie hatte Glück da nur ein kleiner Bereich anfing zu brennen und so hatte sie das Feuer relativ schnell unter Kontrolle. Es gab nur einen weiteren kurzen Schreck Moment, als Lina gerade die Fenster öffnete und die kleine Bilde hinter ihr zu Boden krachte. Erst nachdem sie sich sicher war, das keine Glut mehr in der Werkstatt aktiv war, nahm sie den Stoff von der Konstruktion und schaute neugierig zum Asche ummantelten Stab. Lina lächelte.
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