In den letzten Zyklen eines verregneten Mondentags irgendwann im Onar des 30. Umlaufs nach der Thronbesteigung Hilgorads schritt ein Mann in grauer Robe die Stufen zum Lehrsaal hinauf. Wenig später hörte man ein lautes Knarren als eine Tür sich öffnete und wieder ins Schloss fiel. Der Mann strich sich über den frisch rasierten Bart während er durch den Raum blickte. Oh welch Hochgefühl war es gewesen, nach all den Monden der Reise und der damit verbundenen mangelhaften Körperhygiene das verfilzte Gestrüpp aus seinem Gesicht zu entfernen.
Ähnlich verwahrlost war der Raum in dem er sich nun befand. Der massive Schreibtisch, die Stühle, die Regale und nicht zuletzt die Teppiche waren mit einer dicken Staubschicht versehen. An manchen Stellen war ein Buch aus dem Regal gefallen, die Steinbüste mit dem Antlitz König Hilgorads lag am Boden und auch seine alchemistischen Apparaturen schienen massiv gelitten zu haben. Seiner Auffassung nach waren dies stumme Zeugen der offensichtlichen Turbulenzen welche die Akademie erfasst haben mögen.
Es war Zeit Alfred zu rufen, er würde Ordnung in dieses Chaos bringen. So wie es der eifrige Leibdiener seit Umläufen für seine Familie tat. Der Mann schloss die Augen und wisperte einige Worte, einen Lidschlag später erschien der kleine grüne Leib im Zimmer und fragte womit er dem Meister dienen könne. Nach einem wortlosen Fingerzeig machte sich der Imp an die Arbeit.
Zufrieden nickend trat Erynnion aus seiner Kammer hinaus und begab sich in den oberen Säulengang der Akademie. Von hieraus blickte der Magus durch die großen Fenster auf die Insel hinab und stopfte sich seine Pfeife.
Turbulenzen, was für ein passender Begriff für die Geschehnisse an der Akademie. Er war noch nicht mal einen vollen Tageslauf zurück und hatte bereits das Gezanke zweier Magister miterlebt. Der eine wohl berauscht von seinem weitreichenden Einfluss behandelte seine Kollegin, seine Freundin, derart herablassend das man meinen könnte sie wäre seine Leibeigene und im Gegenzug verhielt sie sich wie ein frühreifes galadonisches Kind dem man seinen letzten Kringel weggenommen hatte.
Er wusste welchen Eindruck es hinterlassen musste, das gerade er, - der Hitzkopf - welcher in der Vergangenheit meist nur belächelt wurde, zur Ordnung rief und an die Einigkeit appellierte angesichts derlei Kindereien.
Einen Fingerschnippser und einem gesprungenen Funken später wart das Kraut entzündet und das Mundstück wurde genüsslich in Beschlag genommen. Durch einen tiefen Atemzug gelang der Rauch bis in das letzte Fleckchen seiner Lunge, ehe er langsam in die kalte Umgebung entlassen wurde. Das wohlige Gefühl der Wärme und die beruhigende Wirkung des Krauts setzen unmittelbar ein und hinterließen ein Lächeln auf den sonst so ausdruckslosen Zügen.
Er hatte nicht gedacht einmal in der Position zu sein auch nur einen der beiden Streitenden zu mahnen. War er es doch bisweilen der unbedacht sprach, oft vorschnell handelte und nur weniges bis zum Ende durchdachte. Doch etwas schien sich geändert zu haben. Das war wohl der Hauptgrund weshalb er sich seinem langjährigen Freund bei einem Glas Whiskey anvertraut hatte und sich nach dessen Meinung erkundigte. Auch wenn er genau wusste das etwaige Personen dahinter neuerlich einen intriganten Plan vermuten würden. Doch welche Pläne? Welche Ziele? Welche Ambitionen hatte er noch?
Er schreckte auf als er ein lautes Klirren hörte, offensichtlich war etwas zu Bruch gegangen. Der Mann seufzte nur kurz. Gleich würde Alfred durch die Tür kommen, die behagliche Ruhe beenden und ihm beichten das er die mitgebrachte endophalische Weinflasche hatte fallen lassen oder war sein Destillierkolben die Quelle dieses Geräuschs gewesen? Nein, es wird wohl die Flasche sein. Einen weiteren Rauchkringel ausstoßend betrachtete er das verschlafene Brandenstein, das nun im Schein von Rilmanors Mantel durch die schimmernden Wellen der See umspielt wurde.
Vielleicht war es gerade das? Er hatte aufgegeben sich an die Insel zu binden. Er war hier her gekommen auf der Suche nach Quendan und um einen Lehrstuhl innerhalb der Akademie zu erlangen. Dies war ihm gelungen, das lehren bereitete ihm großes Vergnügen und anders als in anderen Lehranstalten herrschte, dank der Magnifizenz, trotz aller Widrigkeiten eine gewisse Einigkeit. Eine vereinte Front gegen die Feinde der Baronie ebenso wie gegen die anderen Säulen des galadonischen Großreichs. Außerdem machte er keinen Hel mehr daraus, nicht zu wissen wie lange es ihn hier hielt. All das war befreiend und brachte ihn dazu von der ewige Ränkeschmiederei abzusehen. Er würde lehren, lernen und jene dabei unterstützen die dafür Sorge trugen das, die verschiedenen Mitglieder des Magistrats sich nicht gegenseitig zerfleischten. Das war ein Anfang.
Er lächelte zufrieden und kaute auf dem Mundstück herum, ehe die Tür des Lehrsaals aufschwang und eine kleine geflügelte Gestalt auf Erynnion zu hielt und sprach:
„Meisters, euer Wein …“
_________________
Erynnion Comari - Hochmagier des Grauen Pfades