Vorhang auf für den Flötenspieler.
Die erste Wacht war beendet, als die ersten Gläubigen abermals in die Ewigwacht zurückkehrten. Es war der zweite Tag des Dunkels und so wie es sich bereits am ersten Tag angekündigt hatte, sollte es wohl ruhiger verlaufen als erwartet. Das zentrale Objekt war die Puppe die als Geschenk und Kontaktmöglichkeit übergeben worden war. Das jedoch, nicht ohne einen Knebel mit dieser zu überreichen, der dem Mann in schwarz jedes einzelne Mal wieder das Blut etwas zum kochen brachte, wenn er nur darüber nachdachte.
Es wurde Zeit diesem Spiel auf den Grund zu gehen. Das Spiel mit ein paar neuen Regeln zu versehen.
„Ruft seinen Namen an, Feradai. Ruft ihn, auf das er sich vor der heiligen Bruderschaft verantwortet und Rede und Antwort steht. Lasst ihn wissen das meine Worte ungebunden sind er sich jemand anderen für sein albernes Spiel der Gehemniskrämerei suchen soll. Dient er dem allmächtigen Vater, dann tut er es mit jeder Faser seines Seins oder er schweigt still.“
Und er kam tatsächlich. Der Bote des Meisters gehüllt in ein Netz aus Halbwahrheiten und all zu weichen Formulierungen, die es an Präzision fehlen ließen. Er hasst das. Das Wort als Waffe derart stumpf einzusetzen verursachte ihm körperliche Schmerzen. So zog sich das Gespräch in die Länge, wiederholte sich stellenweise. Das übliche Tanzen des eigenen Namens. Am Ende gab es keinen Pakt, keine Vereinbarung. Natürlich nicht. Es war schlicht unmöglich gewesen, insbesondere zu dieser Zeit des Jahreslaufes, wenn die Gesetzte ohnehin anders geschrieben sind. Das Gespräch würde fortgesetzt werden. Auch das war klar.
Als das Wesen, aufgrund seiner mitgeführten Flöte fortan bekannt als der Flötenspieler, ging, war nur eines klar: Ewigwacht war wohl sicher für dieses Dunkel. Brandenstein war der Fokus der Anstrengungen des Flötenspielers oder seines nekromantischen Meisters. Warum genau offenbarte sich erst später am Abend.
„Lobpreis sei Angamon. Wir sind gerettet!“
Mit dem Wissen, dass Ewigwacht sicher war, war es an der Zeit nach Brandenstein zu sehen. Die Lage, dass es einen Bund mit der Stadt gab - gar einen Vertrag – war Ausgeburt dieser unsäglichen Situation der Umwälzung und Annährung. Etwas das ihm schon viele Kopfschmerzen bereitet hatte, aber dazu geführt hatte, dass dieser Besuch überhaupt möglich war. Ein Portal wurde geöffnet und eine Gruppe von acht Glaubensbrüdern und -Schwestern erschien im Zentrum des öffentlichen Lebens der Stadt. Es war nicht das erste Mal, doch die Reaktion der von der Schlacht gezeichneten Bewohner war neu. Es brauchte viel der Selbstbeherrschung des Streiters in Schwarz den Männer und Frauen nicht in Gesicht zu schreien oder ihnen gar körperliche Schmerzen zuzufügen. Hatten sie denn alle vergessen wie es noch vor Jahren auf dieser Insel war? Waren sie denn so naiv?! Die Situation hätte eine Flucht und anschließend ein hektisches Sammeln von Truppen ausgelöst, um diesen Feind, die Brut des Bösen, von den Straßen zu tilgen. Heute, in der „neuen Zeit“, atmete die Stadt auf. Die Streiter Angamons waren gekommen um sie zu retten! Die Feinde würden zurückzuschlagen werden und es würde Zeit geben die Wunden zu versorgen. Freundlichkeit, Danksagungen und Entspannung bei den Kämpfern Brandensteins – man möchte Brechen.
Das Kommando über die Verteidigung der Stadt führte Siomon. Jener Siomon, Diener des Herren der Flamme, welche noch vor dem Dunkel die Messe seiner Allmacht besucht. Wie passend, würde er lächeln, wäre es jetzt passiert. Sire Ravenforth war im Tempel. Zweifelsohne in den Kammern der Hure… ohne sein Beinkleid. Ein Schwertbruder des Schlächters der die Reihen ordnete? Nekra, wozu auch – es war ja nur das Dunkel über Siebenwind gekommen. Dwarschim, Elfen und sogar Orken starben in den Straßen für Brandenstein. Es war eine Prüfung des Gottvaters. Es konnte nicht anders sein. Und dann noch einmal Siomon. Er war schwer gezeichnet, blutend und kaum noch auf den Beinen. „Ja dann soll doch jemand das Kommando nehmen, der es kann!“. Oh Herr, wirklich? Das Flehen in den Augen des Mannes war förmlich zu fühlen. Die Stadt entkam der gerechten Hand der heiligen Bruderschaft mit dem Erscheinen des Sires. Dann doch. Er hätte auch einen Eimer und einen Wischmopp bei sich tragen können, war von seiner Stadtverteidigung neben acht Standhaften Streitern des Allmächtigen – ohne auch nur einen Kratzer – nicht viel mehr übrig als Sturzbäche von Blut auf den Straßen.
Die folgende Unterredung in der Burg der Stadt war dann der letzte Akt in diesem Possenspiel. Im großen Saal versammelt benannte der Ritter die zu Bleibenden und kommentierte den Rest hinaus. Der Befehl des mächtigsten Mannes auf der Insel wurde teilweise ausgeführt, teilweise ignoriert. Er toleriert es. Im gehen wurde er ein Feigling geheißen. Die Reaktion, man wolle anfangen und sich nicht weiter aufhalten lassen. Ein bewundernswertes Maß an Selbstbeherrschung oder völlige Ohnmacht in einem Machtvakuum. Ich weiß es nicht. Nur eines weiß ich, der Mann der diese Worte gesprochen hatte, er würde unter dem Wolfsbanner niemals wieder einen Atemzug tun. Niemals.
Etwas Wichtiges wurde dann nicht mehr besprochen. Das Angebot den Schutz der heiligen Bruderschaft aufzusuchen und die noch vorhanden Leben in diesen Mauern zu retten wurde höflich abgelehnt. Was sollte er auch tun. Er hätte sich einen Strick nehmen können hätte er es angenommen. Ein Ausweg, den er ablehnte.
Und so kehrten die Streiter zurück nach Ewigwacht. Zurück ließen sie Blut, Schmerz, Verlust und Hoffnung in der Größe einer Kerzenflamme dieser Tage im Dunkel.
Zeit war es, der Seelen zu gedenken, die heute für Ihn verloren gingen.
Allmächtiger Vater. Herr über das Reich Yerrodon.
In deiner unendlichen Weisheit nahmst du die Hand der Mutter.
Mit klarem Blick voran entfachtest du den Zorn des Vaters.
Dein Wille ist mir Prüfung. Deine Weisheit mir Herausforderung.
Denn ich bin Dein, bis in den Tod und darüber hinaus.
Dein Licht erstrahlt klar und hell in unseren Herzen.
Auch die wankenden Seelen in Brandenstein konnte es heute sehen.
Wir spendeten Trost, auf das sie Deine Wahrheit zu sehen vermögen.
Wir gaben Halt, wo das Netz der Lügen sie fallen ließ.
Sie werden wandeln unter deinem Blick.
Sie werden greifen die Hand im Schatten.
Sie werden sehen das Licht im Dunkel.
Oh Herr, erhöre meine Worte. Errette die Bewohner Brandensteins.
In unerschütterlichem Glauben stehen wir, wir die wir die Treusten der Treuen sind.
Allmächtiger Vater. Herr über das Reich Yerrodon.