Ruhig und sanft erfüllt das leichte Flackern von Kerzen den Schrein des Stillen mit gedämpftem Licht, das gleichmäßige Atmen eines Schlafenden ist neben dem leisen Knistern der einzige Laut, der die Luft erfüllt. Selbst die Schritte des jungen Elfen, der eben langsam durch den Torbogen schreitet, werden gänzlich verschluckt, als er auf leisen Sohlen den Boden Morsans betritt.

Ein flüchtiger Blick nur fällt auf den Schlafenden, ehe der Junge in der Ordenstracht der Muttergöttin die Augen schließt und mit ruhigen Bewegungen einen Halbkreis vor seiner Brust zieht.

Lautlos sind auch seine Schritte, als er sich dem Altar nähert, wiederrum ist es nur ein kurzer Blick, den er auf die aufgebahrten Leichen wirft. Er senkt den Blick auf das heilige Buch hinab, in die Ferne scheint er zu schweifen, und eine lange Zeit vergeht, in der er nur still dasteht. Eine seltsame Mischung aus ungetrübter Lebenslust, aber gleichzeitig auch einer sanften Ruhe, spiegelt sich in seinem Blick wider, als er wohl in einem langen und stillen Gebet an den Herrn der Träume versinkt.

Es ist nicht sein Blick, den er zuerst wieder hebt, sondern seine Linke, aus deren Ärmel er einen kunstvoll gearbeiteten Dolch hervorzieht. Eine Strähne seines seidigen, goldenen Haares ist es, nach der der junge Elf mit der anderen Hand greift, und eben jene Locke durchtrennt er mit einem sauberen Schnitt seines Dolches.

Einen Moment hält er inne, dann löst er seine Haare aus dem locker gebundenen Zopf, und mit bedächtigen Bewegungen stutzt er seine sonst so samtig wallenden Elfenlocken auf eine Länge von knapp einer Handbreit.

Keine Trauer verunziert die sanften Augen, in denen sich der Himmel widerzuspiegeln scheint, als er den Haarschopf auf den Altar bettet und langsam in die Knie sinkt.

Das Prasseln der Kerzen begleitet sein stummes Gebet, das ihn beinahe die halbe Dunkelphase hindurch in anspruch nimmt, nicht ein einziges Mal geht eine Bewegung von ihm aus, obschon in seinen Augen immer noch das Feuer und die Leidenschaft der Lieblichen Herrin brennen.

Schließlich beginnen sich seine Lippen zu bewegen, stumm und absolut lautlos formen sie Worte, kein Gebet, sondern sanfte Worte gerichtet an jene, derer er gedenkt.

"So bist du nun an jenem Ort, an dem alleine du wahrhaft glücklich sein kannst..."

Ein sanftes Lächeln huscht über seine Lippen.

"Ich freue mich für dich, obschon ich vieles von nun an missen werde... so vieles, was ich dir gerne noch gezeigt hätte... so vieles, worüber ich noch mit dir reden wollte..."

Langsam erhebt er sich bei diesen stummen Worten, greift nach den goldenen Strähnen, die vor ihm liegen.

"Du hast mir die Hälfte deines Lebens geschenkt - eine Schuld, die ich nie begleichen werde können. Aber obgleich es für dich wohl nur ein unwichtiger Teil meiner... Hülle... ist, hoffe ich hierdurch immer ein Teil von dir sein zu können, so wie du immer ein Teil von mir sein wirst."

Voll Lebenskraft funkeln seine Augen, und dennoch liegt ein friedlicher Blick darin, als er die Haare über eine der Kerzen hält. Kurz flammt das Feuer hoch, verzehrt rasch die Strähnen, in denen sich so oft schon das Licht der Sonne gefangen hat, dann verpufft auch der letzte Rest in einer kleinen Rauchwolke über seiner Handfläche.

Ein weiteres Mal schlägt er Morsans Zeichen vor der Brust, ehe sich der junge Elf schließlich abwendet und langsam den Schrein des Hüters der Seelen verläßt.