Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 9.07.25, 23:15

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Armer Leno...
BeitragVerfasst: 28.12.02, 18:27 
Festlandbewohner
Festlandbewohner

Registriert: 28.12.02, 18:15
Beiträge: 11
Ich bitte Rechtschreibfehler und Stilblüten gewissenhaft zu überlesen, ich habe lange nicht mehr geschrieben. Ich würde mich aber über Kommentare Freuen. *g*

Es ist allerdings fraglich ob ich ihn lange spiele.

Mal sehen wer 'es' von euch versteht, aber wehe ihr verratet es den anderen. :P :D

---

Röyksopp - Poor Leno

Poor Leno
Where you'll be, I'll go
Where you'll be, I'll know
Where you'll be, I'll find you......
(5x)

Poor Leno
Have you due in time
Reunite as one
Please, I almost find you...

Poor Leno...
Where you'll be, I'll go...
Where you'll be, I'll know...
Where you'll be, I'll find you...

Poor Leno...
Have you due in time...
Reunite as one...
Please, I almost find you....

-

[Leno gesprochen: Lih'no]

...ein nächstes Problem war alles was er auf dem Bett aufgestapelt hatte, in den Seesack zu stopfen.
Das andere Problem stand immer noch hinter ihm.

"Und du bist dir sicher, daß du von allen Orten auf Tare du ausgerechnet 'da' hin willst?
Dort ist Mandor losgebrochen! Der das wandelende Grauenm sagen sie!"
Er nickte stoisch, ohne auf die Person hinter sich zu achten fuhr er fort. Im Rhythmus der eisernen Schläge aus der Werkstadt unterhalb, stopfte noch einige weitere Sachen in den Sack vor sie, zog sie dann aber wieder hinaus nur um sie erneut in einer anderen Reihenfolge hineinzuquetschen. Es hätte alles, was er mitnehmen wollte, in den Seesack gepasst, allerdings war er immer noch nicht mit der Ausnutzung des Platzes zufrieden gewesen. Zusammengenommen war es nur etwas Kleidung, knapp kalkulierte Reiseverpflegung, etwas Geld, die alten Werkzeuge und noch etwas anderer Krimskrams, den er vermutlich nur selten, aber bestimmt irgendwann auf der Reise brauchen würde.
"...ich muss…" er stockte auf der Suche nach dem Richtigen Wort einen Atemzug lang, „…Klarheit gewinnen." Und legte eines seiner Messer in den Sack.
"Auf einer Insel voller Monster und Untoter?" ertönte die helle Stimme entrüstet hinter ihm.
"Ehrlich, willst du dir nicht gleich das Zeichen des Namenlosen auf die Stirn tätowieren lassen und dann unserem königlichen Walross 'ap Hilgorad' vor seine ach-so-hochheiligen Füße Spucken?"
"... nicht so wirklich." entgegnete er ruhig.
Ein zischendes Wutschnauben ging durch den Raum.
"Und warum jetzt genau?" ein leichtes Rascheln von Stoff war zu vernehmen, als sie die Arme hinter ihm verschränkte. "Es gibt wirklich schnellere und saubere Wege in die Hallen zu kommen."
Einzig ein gepresstes und neutrales "Mhh..." kam von ihm als Antwort, als er einen silbernen Anhänger mit dem eingravierten Zeichen Morsans vom Bett nahm und ihn in seine Manteltasche gleiten ließ.
Gleichzeitig legte er mit der anderen Hand ein paar Lederschuhe in den Sack.

"Man, du machst mich waaaahnsinnig." er hörte förmlich, wie sie sich hinter ihm an die Schläfen fasste und diese zu massieren begann. Wieder entließ sie eines ihrer Wutschnauben in die Welt.
"Du… du bist ein Bote kein... kein... was auch immer so blöd ist, da wider Astrael noch hinzugehen."
"Ich kann schon auf mich aufpassen." sagte er und zog langsam die Kordel des Seesacks fest.
"Aufpassen?" sie plusterte sich in ihrer Robe hinter ihm auf. Zwar sah er auch das nicht, aber wieder raschelte Stoff und außerdem passte es zu ihr. Dann fuhr sie mit etwas festerer Stimme fort: "Leno mach dich nicht lächerlich! Du hast deine Klinge gerade einmal dazu benutzt ein paar schwächliche Goblins in Schach zu halten ... und ach man ..." sie verlor ihren eigenen Faden genau so schnell wie sie ihn aufgenommen hatte, und daß mit leichter aber hörbarer Verzweiflung in der Stimme.
Leno drehte sich ruhig zu der Frau um und schaute leicht zu ihr auf.
"Du weißt das ich so etwas kann..." sagte er und ein trauriges Lächeln fand den Weg in seine bisher gleichgültig wirkenden Züge. "Vergiss nicht: Ich bin ein Bote und du hast einen Brief, d…"
"Das sind doch nur Hochzeitsglückwünsche!" unterbrach sie ihn lautstark, „Die sind mir nicht so wichtig wie dein Leben. Außerdem..." sie atmete durch, "…ja, ich weiß was du kannst, aber du bist nicht dazu fähig, wenn es drauf ankommt jemanden..." bevor sie in ihrer Gedankenpause eine Umschreibung finden konnte, nahm Leno das Wort vorweg: "Umzubringen...?"
Sie biss sich etwas nervös auf die Lippen. "Ja..." entgegnete die Frau langsam und wieder mit gedämpfter Stimme. Sie mochte es nicht wenn er so 'emotionslos' über den Tod Sprach, mehr noch: In den letzten Wochen hatte sie alles versucht ihn von der Ruhe des Hirten fortzuführen und ihm die Geschenke der Mutter näher zu bringen.
"Das werden wir sehen..." und wieder lag dieses traurige Lächeln auf seinen Lippen.

-

Yori war intensiv damit beschäftigt seinen Handrücken und die Fingernägel zu inspizieren. Hie und da entdeckte er etwas rötlich-braunen Dreck unter den Nägeln, den er dann mit der Spitze eines seiner Dolche langsam und recht akribisch wegkratzte. In dieser recht gelassenen Pose, auf einem Barhocker sitzend, fuhr mit seiner Geschichte fort.

"Leno war ungefähr ... sagen wir etwa dreizehn-vierzehn, als er endlich seine 'Bestimmung' gefunden hatte - Bote." er sprach dieses so bedeutungsschwanger aus, als könne der gewöhnliche Zuhörer nicht einmal im Ansatz erahnen welche wichtige Bedeutung dahinter steckte, lachte dann abfällig und kratzte sich eine leicht gräuliche Masse unter dem rechten Daumennagel weg.
"... zugegeben die Jahre davor waren 'recht beschaulich' vor sich gegangen, oder wie man in Draconis sagen würde: 'Sie waren zum kotzen langweilig'.
Leno ist das mittlere Kind einer normale Familie aus der Stadt Gofilm - drei Söhne, zwei Töchter..." von seiner eigenen Rhetorik immer noch begeistert, schnaufte amüsiert und schliff, ganz wie bei einem Stück Holz, mit der Klinge die hervorstehende Ecke eines Daumennagels glatt. Mit einen kurzen Blick auf den Wirt fuhr er fort:
"Der Vater holte öfters 'den Riemen raus' und die Mutter saß zu hause kochte und putzte. Die Kinder mussten, wie wo anders auch –so bald sie in der Lage waren- in der Schreinerwerkstadt des Vaters mithelfen." Yori hatte seine Arbeit an den Fingern getan und den Dolch links neben sich auf die Theke. Er nippte an seinem Kelch und blickte über dessen Rand zu dem Regal vor sich.
"Leno sollte das Schicksal der meisten seiner Geschwister teilen und nach einer Lehre bei seinem Vater, bei einem anderen Schreiner als 'Gehilfe' irgendwelche 'Sklavenarbeiten' verrichten..." er hielt einen Moment für die folgende Betonung inne, "leider... leider... stellte sich heraus, daß was das Tischlern anging, er kein Talent hatte.Er schnitze lieber einfach nur kleine Figürchen, ohne je Motivation oder Talent für etwas 'Größeres' zu finden – wie zum Beispiel einen Stuhl oder Schrank. Für die Familie –und für ihn- eine recht dumme Angelegenheit: Denn nach den unzähligen Trachten Prügel und den ewigen Arresten in der kleinen Dachkammer, schleppte sein Vater ihn -am Ohr- zu einem der örtlichen Kontoren. Was man nicht in den Händen hat muss man in den Beinen haben…
Aber siehe da, es wurde noch ein Läufer gebraucht."
Yori griff nach rechts und drückte etwas auf Knauf des hochkant stehenden Dolches, nur um sicher zugehen das nicht umkippte.

-

Leno griff im Gehen nach einer kleinen Holzfigur welche auf den Nachtschrank stand und trat, eine Frau mit großen, federnen Schwingen auf den Rücken. Mit dem Seesack über der Schulter, trat er an der anderen Frau vorbei.
"Wie... 'Werden wir sehen?' - Was soll das heißen: 'Das werden wir sehen?' " nach dem sie seinen Tonfall recht eindeutig imitiert hatte, zog sie verärgert Luft ein, was aber eher einen leicht perplexen Eindruck machte. "Leno im Namen der Vier, bleib hier verflucht noch mal. Du musst dich für niemanden Beweisen. Mir jedenfalls gefällst du so wie du jetzt bist. Und Klarheit bekommst du auch hier." Ihre Stimme hatte während der ganze Zeit schon beständig an Lautstärke gewonnen und hatte wieder den alten 'Level' erreicht, schien aber weiter diese Richtung einzuschlagen.
Leno blieb unvermittelt stehen, blickte sie aber nicht an, sondern starrte zur Tür hinaus.

"Als Versager gefalle ich dir?" eine gewisse Resignation war in seine Stimme eingekehrt.
Natürlich wusste er, daß sie sich nur Sorgen um ihn machte, eigentlich machte sie sich um jeden Sorgen den sie auch nur ein bisschen leiden konnte. Deswegen mochte er sie so sehr, hätte es aber nie offen zugegeben. Sein Blick wurde schwer und sank zur Türschwelle herunter, als einige weitere Gedanken durch seinen Kopf gingen.
Nein, er mochte sie nicht nur, es tat ihm in der Seele weh ihr eine solche Maske seiner selbst vorzuhalten. Er bewahrte äußerlich Ruhe und versuchte so Morsan gerecht zu werden... Ruhe war das einzige was wirklich beständig war… innerlich wusste er nicht, hatte sogar Angst vor dem was passieren würde, wenn er seine Gefühle offen legte. Sie aus lauter Wut anzuschreien, verzweifelnd und weinend in ihren Armen zusammenzubrechen oder sie einfach nur zu Küssen - es wäre alles drei möglich gewesen.
Und vor jedem der drei hatte er Angst. Leno konnte seine Ruhe nicht preisgeben um seiner Gefühle, er wollte erst irgendetwas… irgendeinen einen Beweiß das er alleine klar kommen könnte. Er wollte einfach kein Kind in ihren Armen sein.
Aber doch in ihren Armen…

…irgendetwas alleine Regeln, alleine auf die Beine stellen, so daß er endlich wüsste, daß er dazu fähig war sein Leben alleine in die Hand zu nehmen. Eine Bestätigung für sich selbst.

"Hör auf! Du bist kein Versager! Du… Du… Du..." Was sollte ihm denn sagen? Du bist ein durchweg netter Kerl? Clever? Einer meiner besten Freunde? Siehst weit besser aus als du meinst? Zuverlässig? Manchmal könnte ich dich einfach küssen? Das war alles sogar die Wahrheit, aber nichts was er hören wollte oder worauf er wert gelegt hätte und das wusste sie.
"Du... Du bist zum Beispiel der schnellste Bote den ich je auf den Beinen gesehen habe… ich meine du kannst laufen wie der W...." sie verschluckte sich sofort an ihren eigenen Worten, sie hatte sich verplappert und wusste es. Jedes mal wenn es um jemanden ging der ihr am Herzen lag spürte sie wie ihre sonstige Redegewandtheit einfach dahin schmolz. Es war alles einfach, solange es nur geschäftlich war.

"Und wann 'genau' ist dir aufgefallen das ich besonders gut WEG-laufen kann?" er wahr immer noch ruhig. Selbst diese eine Betonung war kaum mehr als ein lauteres Aussprechen ohne viel Emotion, allenfalls wieder diese Resignation gepaart mit etwas Interesse.
Ein frustriertes Raunen entglitt ihr und sie begann sich langsam die schwarzen Haare zu raufen. Ja sicher, Leute ändern sich, sogar von einem Augenzwinkern auf das nächste, andere wuchsen an unmöglichen Aufgaben über sich hinaus, einfach in dem sie in den Fluß sprangen um Schwimmen zu lernen.
Aber das war 'nur' Leno, der immer nette, stehst freundliche Leno. Und die Vorstellung von Leno auf Siebenwind, zudem auf einem Siebenwind auf dem das Grauen umgeht, war für sie in etwa gleichzusetzen mit der eines Schneeballs in einem Vulkan.
"Verflucht! Es der denkbar schlechteste Weg sich von irgendwelchen unsinnigen Selbstvorwürfen zu befreien, indem man sich blindlings in die Höhle des Löwen begibt." ihre Stimme wurde erneut lauter und das beständige metallene Klopfen von unten verstummte. Sie konnte förmlich spüren wie dort unten alle vier Kesselflickergehilfen an die Decke starrten, schließlich war sie eigentlich eine Person die selten jemand anderen anschrie.
"Ich will nur deinen Brief abgeben, mich etwas Umsehen... vielleicht noch etwas Geld verdienen mit ein zwei Aufträgen und dann werde ich wieder zurückkommen." er blickte auf das kleine Holzwesen in seinem Händen und glitt mit dem Daumen langsam über einen der Flügel.
Das Gesicht war noch nicht fertig geschnitzt.
"Lüg mich nicht an!" hätte sie ihm bloß nie von diesem Brief erzählt.
"Ich lüge nicht!"

-

"Damals war die Zeit, wo ich das erste Mal auf Leno getroffen bin. Ich stand einfach irgendwann im Fenster der Dachkammer und schenkte ihm ein Lächeln."

Yori 'lächelte' demonstrativ und machte dazu eine bereitende Geste mit der Linken. Er seine Mundwinkel erhoben sich noch ein kleines Stück, bei der Erinnerung an das Treffen, was aber eigentlich nunmehr ein breites und verzogenes Grinsen war.
Dann, starrend auf den letzen Tropfen seiner Flasche Wein, welcher sich nur zögerlich vom Hals der Flasche lösen wollte, legte er kurz den Hals schief wobei ein ungesundes Knacken ertönte.
„Mir scheint euch ist so eben der gute Tiefenwalder Rotwein ausgegangen, wie dem auch sei…"
Mit einem hellen Klirren zerbarst die Flasche hinter ihm, zerplatzte an einem Bein eines hochgestellten Stuhles in tausend Stücke und leuchte dann in ihrem schmutzigen Braun auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Tavernenfenster fielen.

"…jedenfalls zwang Lenos Vater ihn, 'endlich' Geld für die Familie zu verdienen. Ihr müsst wissen, dass Leben nahe der Großen Mauer bei Gofilm ist nicht leicht. Folglich hatte er keine andere Wahl als Läufer zu 'enden'..." seine Stimme bekam nun überraschend einen recht abfälligen ton, "aber als hätte dieser Feigling jemals auch nur gewagt daran zu denken, seinem Vater zu widersprechen." er nahm einen großen Schluck des letzten Tiefenwalder Rotweins aus dem Holzbecher und blickte wieder über das Spirituosenregal auf der anderen Seite der Theke.
"Leno hatte einige Zeit tagsüber in der näheren Umgebung von Gofilm kleine Aufträge zu erledigen, während ich, für meinen Teil, beschloss mich abends mit der Kunst der Waffen vertraut machen. Es gibt einige kleine Schulen dort in der Gegend, welche nicht viel verlangten. Ich konnte Leno immer etwas Geld dafür abschnorren. Das war eigentlich ein akzeptabeler Zustand, aber irgendwann gefiel Leno seine Arbeit. Schließlich kam er rum, oder zumindest das was er 'Rumkommen' nannte." wieder, fast wie aus dem Nichts, ein abfälliger und hasserfüllter Tonfall da, der in seiner Stimme mitschwang.
„Mir hingegen war zum Kotzen zu mute: Wer will schon zu einem verlassenen Bauernhof zum anderen rennen, weil Milch und Eier noch nicht an den Baronshof geliefert wurden… und die Chefkoch seiner Durchlaucht das Frühstück des nächsten Tages gefährdet sah..." Yoris Oberlippe kräuselte sich angewidert und er kippte einen großen Schluck seine Kehle herrunter, "Und wer lässt sich gerne von irgendwelchen verlausten Zwergen anpöbeln, nur weil man höflich nach dem Verbleib der letzten Erzlieferung gefragt hat?"

Dann wieder mit einer erzählerischen Ruhe in der Stimme, die aber nicht mehr die ersten Satz überdauerte: „All das ließ für mich nur eine Konsequenz zu: Lenos 'Alter Herr' hatte also eine Strafe verdient. Leno, dieser bemitleidenswerte Wicht, hätte ja noch nicht mal eine Fliege erschlagen: Respekt vor allem Leben im Namen Morsans. Also musste ich mich um den alten Dreckssack kümmern.
Das ganze war relativ einfach: Am Anfang jedes Tages holte er fast alle Werkzeuge aus Regal –massiv, fast zwei Schritt hoch- und verteilte sie auf seinen Werkbänken… legte sie bei Sonnenuntergang wieder zurück. Nun … ich habe seine Mittagspause dafür genutzt die vorderen Füße leicht anzusägen." Yori stellte den leeren Becher auf die Theke und fuhr mit dem kleinen Finger über dessen Rand. Mit Blick in den Becher und einem süffisanten Lächeln fuhr er fort.
"Ich wollte ihn eigentlich nicht umbringen... ich hielt es für unwahrscheinlich, daß er umkommt und ein gebrochenes Rückrad wäre wirklich ausreichend gewesen. Aber Unfälle geschehen nun mal." Ein rauchiges Lachen füllte für einen Moment die sonst leere Taverne. „Als er dann am späten Abend so dalag und nur noch seine rechte Hand unter dem Regal hervorschaute war der 'Schuldige' recht schnell gefunden...", er betonte das Wort eigenartig "...schließlich hätte jeder Ork im Nachhinein die angesägten Füße bemerkt und wenn der Jüngste meint, er hätte Leno in der Mittags in die Werkstadt gehen sehen, tja…" er hob beide Arme in einer ratlosen Geste und seine Stimme hatte wieder die gelassene Ruhe eines unbeteiligten Erzählers "…was soll man da machen?"
Der Platz hinter der Theke war nicht breit und so beugte sich Yori vor und ergriff mit einer Hand zwei Flaschen auf einmal aus dem Regal. Die eine, eine Schnapsflasche, stellte er neben seinen Rucksack auf den Boden, die andere -eine halbvolle Weinfalsche- entkorkte er mit den Zähnen.
"Ihr gestattet?" fragte er den Wirt breit grinsend aber dennoch in einem Ruhigen Tonfall. Er hatte bereits den Korken weggespuckt und war dabei sich erneut den Kelch zu füllen. Der Wirt erwiderte nichts außer einem leisne Wimmern und einem lang gezogenen Schnaufen, gepaart mit einigen äußerst hektischen Augenbewegungen. Yori stellte die Flasche auf die Theke und kostete einen Tropfen mit dem Fingerspitze.
"Für wahr, dieser ist besser.... Wo waren wir? Ach richtig: Erst seit kurzem weiß Leno, daß ich damals derjenige war, auch wenn er es vermutlich schon immer geahnt hatte." Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Rechte welche knapp über den Kopf des Wirtes hinwegglitt.
Nun, die darauf folgenden Jahre..." seine Hand ging in eine fortführende Bewegung über, als er an seinem Kelch nippte, "Ausstoß aus der Familie, Vertreibung aus der Stadt und dann Gelegenheitsarbeiten bei diversen Kontoren und Senderhäusern als Bote... er ist jedenfalls nicht verhungert." wieder dominierte hass seine Stimme, "Leno machte aus der 'Not eine Tugend' - wie er es nannte: Wenn ihn schon seine Stadt als Vogelfrei erachtete, so hatte er ja die Möglichkeit die Welt zu sehen." er trank aus und schüttete nach.
"Wir beide haben uns im Laufe der Zeit in großen Bögen immer weiter südöstlich vorangearbeitet. Leno rannte wie ein Idiot durch die Gegend, lernte dabei so ziemlich alle Galadonischen Dialekte und Sitten, ein bisschen Endophal ein bischen 'Travisch, und ein paar Elfenwörter... 'dah', 'nah'lien', und so weiter...
Ich nutzte indes die Zeit dazu, mir an den verschiedenen Schulen der Städte einige Kampfstile anzueignen. Doch ziemlich bald wurde mir klar, dass dieses 'Für die Ehre Bellums'-Gehabe nicht die richtige Art für mich war mich meiner Opponenten zu entledigen. 'Mann gegen Mann' hat einen gewissen Reiz, aber besser es geht schnell und sauber. Beziehungen waren schnell geknüpft, zwar musste man etwas suchen bevor man die 'richtige' Schule fand... und sitzt das beschissene Ding auch fest?" er drückte nochmals mit der Rechten den Dolch in die Theke, der Wirt wimmerte erneut auf.

-

"Du stinkst doch schon nach Lüge, Leno!" ihre Stimme überschlug sich nun fast. Es war ihm immer noch ein Rätsel. Leno konnte sich nicht den Eindruck erwehren, daß sie so etwas tatsächlich und wortwörtlich zu riechen imstande war. Es hatte keinen Sinn ihr etwas vorzumachen und wenn er nur einen Tag länger bliebe, würde sie ihm vermutlich früher oder später nachkommen, nur um ihn dann wie ein kleines Kind an den Ohren auf das nächst beste Schiff zu ziehen. Die ganze Wahrheit konnte er ihr auch nicht sagen. Man hatte es ehrlich nicht leicht, wenn sie sich um einen Sorgen machte... aus einem anderen Blickwinkel hatte man natürlich es andererseits auch sehr leicht, wenn sie sich um einen Sorgen machte.
"Vielleicht bleibe ich vielleicht einige Tage - ein, zwei Monate." gab er ohne viel Emotion zu, äusserlich immer noch ruhig, innerlich aufgewühlt.

Sie atmete durch. Das klang schon eher nach der Wahrheit und das war sie diesbezüglich vermutlich auch. Trotzdem linderte es nicht das flaue Gefühl in ihrem Magen oder die Tatsache, dass sie es nicht schaffte ihre Hände zu entkrampfen. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt zu gehen und sie würde ihn schon einsperren müssen, um ihn davon abzuhalten. Zwar hatte Leno mit Sicherheit all das Wissen, das man brauchte um 'da Draußen' zu überleben. Aber wenn er ein Gefahr käme, in die Ecke gedrängt würde... wäre er dann wirklich im Stande sich zu verteidigen? Es war eine Sache zu wissen wie man einen guten Schwertstreich ansetzt, eine andere ihn auszuführen. Sie würde ihn begleiten, konnte aber nicht mit. Hätte sie es gekonnt wäre sie selbst gefahren und hätte keinen Brief verfasst. Gut, vielleicht hätten Torr und Maltis wieder für einige Zeit ihre Aufgaben übernehmen können, aber sie musste hier die Stellung halten, sie hatte hier gerade geschafft alles das zusammenzulegen was in ihrer eigenen Zeit auf Siebenwind auseinander gegangen war.
"Ich... Ich könnte dir jemanden mitschicken: Brogg, Keil, Narbengesicht, Zwielicht, Spatz, Klapperschlange, Feuervogel, Schneide... irgendwen."
"Nein. Das möchte ich nicht." sagte er immer noch in seiner stoischen Ruhe und trat durch die Tür.
Seine Füße fühlten sich an als wären sie aus Blei.

Es ging noch Stunden weiter, sie versuchte wirklich alles um ihn zu überreden, sie fand langsam ihre Sicherheit was das Reden anging wieder und kein Argument blieb unausgesprochen. Selbst als sie ihm über den maßlos überfüllten Marktplatz folgte redete sie beständig auf ihn ein, auch wenngleich ihre Argumente und Andeutungen schwammig und mehr abstrakt wurden, welches aber mehr an den vielen Ohren lag und nicht an der Tatsache das sie ihr langsam ausgingen.
Draconis ist eine sehr, sehr große Stadt, die in einer anderen Geschichte beschrieben sein mag, dennoch sollte man wissen, daß man am Markttag –und was war es- oft mehrere Stunden braucht um von 'egal wo' zum Fluss Drac zu kommen, welcher die Stadt halbiert.
Wenige Minuten nachdem sie am Ziel angekommen waren, begann die Frau, welche ihm im selbst in der dichten Wesenmenge des Marktplatzes im absoluten Gleichschritt begleitet hatte, sich langsam zu wiederholen.

"…und untote Grauen sowieandere Bestien die..." stockte und wandte den Blick zu Lenos Abbild, welches aus der stinkenden Brühe des Flusses Drac zu ihr hinaufstarrte. Sie ließ in einer verzweifelten Geste die Schultern hängen und man vernahm ein leichtes Klimpern. Sie überzog die Geste maßlos, aber vermutlich entsprach es wirklich ihrer Gemütslage. Es dauerte einige Momente bevor sie wieder Worte fasste: "...ich kann dich wirklich nicht abhalten oder?"
"Nicht so wirklich." entgegnete er einfach nur flach.
"...ich hasse diesen Satz... vor allem aus deinem Mund."
"Ich weiß." ebenso flach, doch einer seiner Mundwinkel hob sich.

-

„Ich liebe es wieder in Morthum zu sein. Ich mag die Landschaft hier, wisst ihr? Andere mögen sie kahl und tot nennen, ich nenne sie rein." Yoris Blick richtete sich aus dem milchigen Fenster hinaus, in dem sich –weit entfernt- die Siluetten des mächtigen Todesberges und die seiner Ableger abzeichneten. Auch ein kleiner Wald war in der fast pflanzenlosen Steppenlandschaft zu sehen, welcher sich nur langsam aus dem schmierig wirkenden Morgennebel herausschälte und seine sterbenden, fast blattlosen Finger gen den grauen Himmel streckte. Etwas links des Waldes konnte man eine schiefe und rußbedeckte Mauer ausmachen welche von drei, vielleicht vier großen Feuern erhell wurde. Dichte Rauchsäulen stiegen von dort in die fast unbewegte Luft, gleichwie riesige Aaswürmer die einen wissenden Beobachter vor Krankheit und Tod warnten.
Die Haufen der Pestleichen brannten gut dieser Tage, man sagte sogar die Kranken hätten kein Holz gebraucht um die Opfer des Verfalles (*) anzuzünden, welche vor ihnen in den Lagern den Weg in die Hallen des Hirten gefunden hatten.
„Auch findet man in anderen Teilen nur selten eine Taverne die in einem 'Tag von Morsans Atem' (**) geöffnet hat. Aber ihr braucht keine Angst zu haben. Wie ihr seht bin ich kein Kind der Seuche.
Doch nun denn bei welchem Teil meiner Posse waren wir stehen geblieben?"


(*) Der Verfall:
Die Pest die die Baronie geißelt. Man verwest bei lebendigen Leib.
Ich glaube, dass führe ich besser nicht näher aus. ;)

(**) Der Tag von Morsans Atem:
Morthum speziell: Ein Tag an dem die Pestopfer von den kranken aus den Sterbelagern gebracht und von den Kranken aufgehäuft und verbrannt werden. Keiner der Gesunden Einwohner wagt es wegen des vermutlich ansteckenden Rauchs das Haus zu verlassen. Ist kein ritueller Brauch des Ordens, sondern wird nur allgemein so genannt. ‚Morsans Atem' ist eine Umschreibung des Rauches der angezündeten Pesthaufen. Wird aber allgemein nur als 'Wurm' bezeichnet.

-

Sie hob den Blick aus der Brühe zu ihm hoch und fand nach einigen Momenten den seinen, wie dieser ihren zögerlich traf. Nach einem Moment des Schweigens betrachtete sie den neuen Ring in ihrer Hand, welchen sie auf dem Markplatz bekommen hatte. Als sie ihn langsam zwischen den Fingern zu drehen begann versuchte sie einen Ausweg zu finden. Aber was sollte sie tun, ihn einfach gehen lassen? Das war doch Wahnsinn, und was sollte er denn bitte für Aufträge finden auf einer Insel die nicht mal größer war als diese Stadt? Sie musste sich schnell etwas einfallen lassen, sie wollte ihn nicht gehen lassen.

"Das Ding ist mir viel zu groß..." seufzte sie und drehte den Ring weiter, starrte dabei auf die eingravierten Runen.
"Zwerge sind nicht für ihre zierlichen Finger bekannt." meinte Leno.
"Schon, aber ich war überzeugt er würde mir passen, schließlich ist es einer für den kleinen Finger."
"Du vertust dich immer noch in deinen Kleidergrößen."
"Vermutlich, aber 'zu groß' hatte ich bisher nie...."
"Eher zu knapp." er schielte kurz zur Seite weg und es war ein klein wenig gutgemeiner Sarkasmus zu hören. Wenigstens eine nicht-ganz-so-kühle Reaktion, so dachte sie.
"Pff..." schnaubte sie wieder Zischend, "warst du es nicht gesagt das es 'Wirkung' hat?" sagte sie nicht wirklich angesäuert. "Hat es doch auch."
Sie raunte, und ließ den Ring in einen der drei neuen Dukatenbeutel gleiten. Es war schon ziemlich spät geworden und wenn sie es nicht bald geschafft hatte etwas zu finden das ihm zum bleiben bewegte, würde sie ihn noch einige Tage begleiten müssen. Vielleicht sollte sie es endlich mal mit der Wahrheit über ihre Beweggründe versuchen, es war das letzte was ihr nun blieb.

Zögernd fing sie an: "Du... Du weißt ich habe großen Respekt vor dir, aber ich habe einfach Angst daß... daß das alles nicht... nicht dein 'Ding' ist. Du hast noch nicht das Zeug dazu, Leno. Das schaffst du nicht alleine, glaub mir ich weiß das." sie biss sich nach dem Satz auf die Unterlippe und schaute ihn aus ihren großen, grünen Augen wie ein Kind an, das gerade die Vase der Großmutter zerbrochen hatte. Es war fast als könnte sie jeden Moment anfangen zu weinen, sie schien abgrundtief verzweifelt.
Leno wandte den Blick von ihr ab und zu einer der Steinbrücken den Kanal aufwärts. Er hatte oft diese traurigen Augen bei ihr gesehen, nur dieses Mal schaffte er es nicht ihrem Blick standzuhalten, denn dieses Mal war er echt. Den Kopf von ihr abgewandt presste er die Lippen für einen Moment aufeinander:
"Ja das ist es doch...", ernannte ihren Namen "... ich werde das ohne Yori schaffen. Ich WILL das ohne Yori schaffen.", wieder ihr Name "Ich, Leno werde das alleine schaffen, allein und ohne Hilfe. Ich will endlich wissen, dass ich alleine für mich leben kann." die steigende Überzeugung in seiner Stimme verlor schnell ihre Stärke als er hörte wie sie leise ihre Nase hochzog.
"Du lebst dein Leben doch schon ohne ihn! Ist das nicht genug? Das ist doch was du wolltest! Musst du dich jetzt dem Tod entgegen werfen?" brach sie hinter ihm hervor und zog dann flatternd Luft ein. Er senke den Kopf und blickte auf die kleine Holzfigur die er immer noch in Händen hielt.
Machte sie sich doch noch Vorwürfe?

"Ich mache dir keine Vorwürfe das du ihn getötet hast, du weißt das ich dir dafür ewig dankbar sein werde..."
"DANN BLEIB HIER!" jaulte sie ihn aus ihren Tränen heraus an.
Er warf einen vorsichtigen Blick aus den Augenwinkeln zu ihr. Sie hatte ihre Hände wieder zu Fäusten verkrampft, so sehr daß sich die Adern ihren Handrücken abzeichneten. Kleine glitzernde Perlen rollen ihre Wange herunter. Nur die Götter wussten wohl wie sie es getan hatte, wie diese Frau -nun mehr nur ein weinendes Kind- es vollbracht hatte Yori ein Ende zu bereiten. Er selber erinnerte sich nur nebelig an diese Nacht. Eigentlich war in seinen Erinnerungen nur ihr Lächeln geblieben und dieser Satz:
'Du bist nicht der erste... Ich hoffe, dass ich allein nicht zu schwach dafür bin...'
Und dann nichts mehr. Nur das Yori weg war.

Leise glitt ein kleines Fährboot durch die steinerne Brücke und legte vor den beiden an.

-

"Also es gibt unglaublich viele Wege jemanden zu töten – vor allem langsam zu töten. Mehr als ihr euch -selbst jetzt- vorstellen könnt… wenn ich mal weiterhin auf mich zu sprechen kommen darf." Yori schmunzelte in einer Art und Weise die einen an eine übergroße Ratte erinnerte und leerte nun den letzten Rest der dritten Weinflasche in seinen Kelch. Die vorherige hatte sich schon zu der ersten gesellt.
"Ja ich gebe es ja zu ich bin das was man allgemein als Attentäter bezeichnet, ein Verfallenenjäger wie man hierzulande sagt. Also nichts Ungewöhnliches für diese Gegend, wie ihr ja wisst." Die dritte Flasche zersplitterte irgendwo hinter ihm, es war deprimierend. Selbst der Wein hier war wie ausgelaugt, fast ohne Wirkung, wie verbraucht und schon einmal getrunken. Nur der Tod und das Leid war hier allgegenwärtig. Yoris Tonfall war wieder voller Ekel und Hass als er mit seiner Geschichte fort fuhr. Schon die ganze Zeit hatte dieser unheilvolle Unterton seiner Stimme langsam an Bestand in seiner Erzählung gewonnen, doch es war das Geringste was den Wirt momentan Sorgen bereitete. "Irgendwann kamen ich und Leno auch hier in Necris an… der Hauptstadt des 'Schattentanzens'. Ja, es ist ein Glück, dass man sich hier offen zeigen darf..." er winkte mit der rechten Hand herum während er fort fuhr, "... Ich habe diese Woche genug Gezeichnete in die Hallen geschickt, doch das Kopfgeld ist nicht mehr das alte."

Die Baronswachen und örtliche Garden mieden die Kranken um jeden Preis und wagten sich nicht in deren Nähe. Eine Angst welche die 'Jünger Morsans' nicht teilten, sie sahen den Verfall als Wille Morsans und sich als dessen 'Vollstrecker'. Pestkranke galten außerhalb der Lager als vogelfrei, und 'zum Schutze der Bevölkerung' war ein Kopfgeld auf jedes rechte Ohren eines Kranken ausgesetzt. Und dieses war der Grund warum der Baron in Morthum die örtlichen Attentätergilden gebeten hatte, sich um jenes Problem zu kümmern. Gegen einige Bedingungen der Attentäter natürlich, wie öffentlicher Freigang und die Anerkennung ihrer Gilden.
Der Wirt schnaufte wieder und glitt dann in die schwere Atmung zurück. Er bewegte sich etwas, vielmehr ruppte sein Körper einmal mit den Schuten vor, dann keuchte er schmerzverzerrt auf.
"Das würd' ich lassen." sagte Yori aus dem Kelch heraus gefolgt wieder von seinem rauchigen Lachen.

Als er absetzt fuhr er fort: "Leno machte tagsüber Botenaufträge durch die Ödstadt und ich suchte mir jemanden der mir Nachts die Kunst des lautlosen Tötens... nein, eigentlich nur die Kunst des Tötens.... 'lautlos' ist, wie ihr wisst, nur eine Unterart.
Leno - sagen wir mal - 'schaute' sich die Ausbildung an. So wie ich ihn auf seinen Botengängen begleitete, es war recht nützlich für ihn, besonders in der Gegend von Morthum. Er besorgte Geld, ich hielt ihm den Ärger vom Hals - eine perfekte Gemeinschaft. Wisst ihr Leno kann all das zudem ich auch fähig bin, was ich gelernt habe. Schließlich sind wir 'immer' zusammen und schon immer zusammen gewesen. Aber Leno ist ein schließlich –wenn er auch immer Ruhe zu bewahren scheint- nur ein jämmerlicher Feigling und wenn er es nicht schafft das Schwert zu heben, so muss ich es halt tun. Ich glaube er löst sich wieder…"
Yori drückte den Dolch, welche immer noch aufrecht in der Theke steckte, wieder etwas tiefer in das Holz und blickte dabei dem Wirt in die Augen.
"Ungefähr wie ihr... seht euch doch an. Es gibt einige Barbarenstämme, welche dergleichen zur Mannwerdung zelebrieren, aber ihr kauert dort wie ein kleines, jammerndes Kind. Ein Pathetischer Anblick." Ein weiteres Zittern ging durch den Körper des Wirtes. Es war nicht nur der Schmerz sondern mehr die Tatsache, daß Yoris hochgestochene Sprachweise sich nun zur Gänze mit dem schwelenden Hass in seiner Stimme vermischt hatte und daß dem ganzen nun Wut und Aggression folgte.

-

"Muss du das tun?"
"Aye."
"Ich komme alleine zurecht."
Sie waren schon einige Meilen hinter dem Flusstor der Stadtmauer und der widerliche Fäkaliengestank, sowie die Schlieren auf der Wasseroberfläche nahmen langsam ab. Sie hatte es sich mit verschränkten Armen im Boot neben Leno bequem gemacht. Konsequent und ohne ihn eines Blickes zu würdigen starrte sie nach vorne auf den Flusslauf vor ihnen. Ihre Unterlippe hatte sich vorgeschoben und sie verlittelte nun das Bild eines trotzigen Kindes, eines Kindes welches sich aus bloßer Sturheit auf eine mehrere Tage lange Reise in einem kleinen Boot begeben hatte.
"Dann komme ich mit zum Schiff." Es klang ziemlich non-emotional von ihr, war aber reine Sturköpfigkeit wie ihre zusammengepressten Lippen bewiesen. Die Bemerkung kam zwar reichlich spät, denn sie waren nun seit einer Stunde unterwegs und nächste Anlegestelle war einen halben Tag entfernt. Bis jetzt hatte sie es allerdings vorgezogen schweigend zu schmollen. Vermutlich um sich wieder zu beruhigen, denn ihre Augen waren immer noch rot, und er hatte gesehen wie tief sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen vergraben hatten. Etwas tiefer und es wäre vermutlich zu bluten angefangen.
In letzter Zeit war sie recht launisch geworden und Leno wäre sich sicher gewesen, dass sie wohl schwanger sei, doch in anbetracht des Zeitraumes hätte man schon längst etwas sehen müssen… vielleicht hatte sie sich einfach nur geändert, dennoch nicht zum Schlechten.

Leno tat es ihr gleich. Er starrte mit ihr auf das imaginäre Schiff, welches auf halber Strecke zum Horizont vor ihnen schwimmen mochte, nur war seine Mine ruhig ohne jedweden Hinweis auf sein Gefühlsleben. Inzwischen hasste er sich aber dafür. Sie bedeutete ihm viel mehr als sie erahnen mochte und hätte er sich einen anderen Weg vorstellen können, er hätte ihn ihr zur Liebe genommen.
"…versteh mich doch…" sagte er leise, kaum hörbar.
"Ich verstehe dich besser als du denkst, aber ich will einfach nicht, dass du dort hingehst. Diese ganze Insel ist verflucht und außerdem nicht viel mehr als ein unbedeutendes Stück Dreck im Meer. Es gibt da rein gar nichts was es wert wäre gesehen oder erwähnt zu werden." Der Wind wehte gen Osten und einige Strähnen hingen ihr von rechts über das Gesicht.
"…du hast deinen Geliebten dort getroffen. Oder ‚deine'?"
Sie sackte nun etwas zusammen, und blies frustriert Luft aus. Leno dachte in diesem Moment Unpassenderweise an einen Kessel der beständig durch ein Ventil heiße Luft verlor, aber dieses nicht in einer sarkastischen Art und Weise sondern wirklich nur im mechanischen Sinne. Sie beide Hände zu den Schläfen und begann diese wieder in ihrer eigentümlichen Art einige Minuten zu massieren bevor sie in einem ähnlich leisen Tonfall wie er sagte: "...und du passt wirklich auf dich auf?"
"Ja." sagte er und spürte ihren Arm über seiner Schulter und wie sie diese sanft mit ihrer Hand drückte.
Sie würde es noch den ganzen Tag tun.

-

Yori erhob seinen Kelch erneut, blickt auf den Wirt nieder und fing für einen Moment an wieder wie eine Ratte zu grinsen. Er griff zum Knauf des stehenden Dolches und riss ihn mit einem schnellen Ruck über die Thekenplatte. Eine kleine rote Furche, welche sich quer über den Tisch streckte, blieb zurück. Zum gleichen Zeitpunkt kreischte der kauernde Wirt wie ein gequältes Tier auf und es warf ihn, wie mit einen Schlag, von der Thekenkante nach hinten. Zwei Flaschen fielen vom obersten Brett des Regals hinunter und zerplatzen neben ihm, als er mit seinem Hinterkopf gegen selbiges rammte.
"Der schöne Schnaps…" meinte Yori, nickte zu den neuen Scherben und nippte mit einem Seufzen an seinem Kelch. Irgendwie schaffte es der Tavernenbesitzer, sich mit einem Ellbogen seiner gefesselten Arme, gänzlich vor dem Umkippen zu bewahren.
Er starrte Yori aus aufgerissenen Augen an, gab aber kaum einen Ton von sich. Sein Schock verhinderte, daß mehr als ein Röcheln gefolgt von einem Schwall Blut seinen Mund verließ.
"Ja, Ja…" seufzte der Assassine welcher nun das Blut von der Spitze seines Dolches wischte.

"Irgendwann wurde Morthum langweilig. Eher gesagt, wir zogen auf mein Anraten hin nach Norden. Ich hatte meine Ausbildung und Leno wollte schon immer mal Draconis sehen. Und nach einigen Monaten waren wir in der interessantesten Stadt Galadons.
Sehr ihr, Draconis ist eine große Stadt, und es gibt viele Boten… also musste Leno mit der Zeit immer mehr Botengänge annehmen, welche –umschreiben wir es mit- 'interessanter' wurden. Erst war es noch eine Nachricht welche vor der Zeitung etwas über den Überfall eines Händlers aussagte. Dann wurde daraus eine Vermutung, daß ein bestimmter Handelskonvoi überfallen werden könnte. Schließlich war es eine verschlüsselte Nachricht, dass man einen Handelskonvoi überfallen wollte. Es ist recht interessant schnell und überraschend wie man in solche Sachen hineingeraten kann. Leno war ein zuverlässiger Bote und so traf er eines Tages diese Schlampe höchstpersönlich."
Der Wirt, aus dessen Mundwinkel nun stetig ein kleines Rinnsal Blut floss, japste wieder unter einem roten Schwall auf. Mit hektischen Bewegungen robbte dieser rücklings einige Zentimeter zurück, bis er sich in einer Ecke gänzlich zusammenbrach.

Nur ein Röcheln war zu hören, als der Wirt versuchte zu sprechen, doch Blut, der Schock und die gespaltene Zungen verhinderten das er Worte formen konnte.
"Ziemlich hohes Tier, das größte wohl, ich weiß es immer noch nicht genau, Leno hat's mir nie wirklich gesagt… das einzige, daß das kleine Ekel vor mir je wirklich geheim halten konnte… und ich weiß nicht wie!" Das letzte war voller Wut ausgesprochen, seine Hand verkrampfte sich um den Schaft des Dolches. Er hatte die Oberlippe hochgezogen und betrachtete einen seiner angespitzten Eckzähne im Metall des Dolches, es war als blicke ihn ein bösartiges Tier daraus zurück. „Ich verstehe nicht, wie sie mit so einer bemutternden Einstellung eine solche Gilde aufziehen konnte, aber es scheint ja zu gehen…"

-

Es war schon Abend und die Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch den aufkommenden Nebel. Die Reise hatte fünf lange Tage gedauert, bis sie endlich an der Meeresmündung des Drac angekommen waren. Seitdem er direkt für sie arbeitete war er doch immer wieder überrascht. So auch jetzt, denn während der Fahrt auf dem Fluss hatten sie nur dreimal kurz Halt gemacht, um zu schlafen und den Fährmann des Bootes zu wechseln. Das erste Mal war sie nur einmal kurz in einer Taverne verschwunden, hatte etwas Proviant, zwei Flaschen Schnaps erstanden sowie wenige Sätze mit einem Bettler gewechselt. Schon bei der zweiten Rast hatte ihr ein kleiner Junge einen Zettel gereicht, welchen sie dann mit einem leisen Seufzen und dem Satz: „Brogg sitzt schon wieder im Knast." in hunderte Schnipsel zerrissen und in den Fluß geworfen hatte.

Nun, hier am Pier, am Ende ihrer gemeinsamen Reise, stand ihnen ein kleiner Halbling gegenüber. Sein Gesicht war unter einer viel zu großen Kapuze verborgen und er streckte ihr eine Hand in einer fordernden Geste entgegen. In der anderen hielt er, soweit wie es ihm möglich war, von den beiden einen kleinen, gräulichen Umschlag weg. Seine Augen, welche unter der dem Stoff hektisch zu den beiden emporschielten, wanderten nervös von einen auf den anderen.
Sie hingegen betrachtete die kleine Gestalt vor sich mit einem recht skeptischen Blick.
"Soweit ich weiß sollten doch alle Boten im Vorhinein bezahlt werden." sagte sie in einem gelassenen Tonfall.
Der Halbling druckste etwas herum und gab dann in einer kratzigen, pfeifenkrautgeschädigten und sehr gestelzt wirkenden Stimme zur Antwort: „Aber viel zu wenig, ich musste den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen… das ist doch wohl etwas Wert."

Leno wandte den Blick zurück in die alte Hafenstraße hinter ihnen. Er war sich ziemlich sicher, daß er einige Minuten bevor der Halbling aufgetaucht war, das Gemaule eines Esels gehört zu haben. Und er bezweifelte stark, dass die Einwohner dieser Ansammlung von Fischerhütten es sich leisten konnten andere Haustiere als Ratten zu halten. Er fragte sich warum sie ihn hier hingeschleppt hatte, ausser dichten Nebel für diverse Schmuggler bot dieser Ort vermutlich niemanden irgendetwas. Er hätte einen der größeren Handelshäfen bevorzugt, von dort konnte man besser auf eine Überfahrt nach Morthum gelangen. Denn er wollte einmal noch das öde Land sehen, er hatte dort noch etwas zu regeln. Es gab dort noch einen alten Meister, weler damals Yori und gewissermaßen ihn auch unterrichtet hatte. Leno war überzeugt, daß zumindest dieser, alte stets ruhige Mann ein Recht darauf hatte die Wahrheit über ihn und Yori zu erfahren, bevor er nach Siebenwind weitersegelte.

Sie kramte einige Zehn-Dukaten-Münzen aus der Tasche und presste sie dem kleinen Mann mit einem kräftigen Druck in die offene Hand.
"Das ist alles? Wie wäre mit etwas mehr?"
"Es ist weit mehr als du verdienst", sagte ruhig sie und zog demonstrativ am Schultergurt ihrer Armbrust "…aber wenn du darauf bestehst, kann ich noch ein paar Bolzen drauflegen…"

-

"Nun und so bin ich dann hier... beziehungsweise:
Leno soll nicht meinen, er kann mich so einfach loswerden. Er glaubt ja immer noch die Schlampe hätte mich 'ausgelöscht' auch wenn sie mir keinen schlechten Schlag verpasst hat. Er will bald nach Siebenwind weiterfahren. Das Weib hat ihn auf einen Schmugglerschiff untergebracht, daß erst hier hielt und heute in Richtung der Insel weiterfährt. Ich frage mich wirklich wann es ihn dämmert das ich immer noch da bin."
Der zitternde Leib des Wirtes kauerte sich immer weiter in der Ecke zusammen, Sein Atem wurde flacher, als der Blutverlust und das aus Angst rasende Herz nun langsam an dessen Sinnen zehrten. Wieder versuchte er etwas zu sagen, doch abermals war es nur ein qualvolles Winseln gefolgt von einem Schwall Blut, welcher seine Lippen verließ. Yori nickte dem Wirt mit einem kurzen Grinsen entgegen.
"Natürlich macht es mir nichts aus nicht zu zahlen. Und wo ihr Recht habt, habt ihr Recht. Es ist schon spät und ich muss mich wohl beeilen, wenn ich noch auf dieses Schiff nach Siebenwind will."
Er zog sein Katana und der gefesselte Wirt gurgelte bei dem Anblick panisch auf. Schon die ganze Zeit hatte der fette Mann versucht wenigstens auf die Knie zukommen, doch die Tortur der letzten Stunden hatte ihn alle Kraft geraubt. Wieder und wieder sackte sein zitternder Leib mit zappelnden Beinen zurück zu Boden.
"Oh keine Angst…" meinte Yori mit einem amüsierten Blick auf seine Waffe "Ich will euch nur zeigen welche Schnäpse es nicht wert sind getrunken zu werden…. Der, der hier und der auch nicht…." Er legte sein Katana abwechselnd neben diverse Flaschen, alles nicht mehr als leicht verwässerter Alkohol und schob jede einzeln vom Regal herunter. Der Wirt wandte seinen Kopf zur Seite, und röchelte bei der Schmerzhaften Bewegung, als einige der Glassplitter in seine Richtung spritzten. Sein Körper wurde nun von Krämpfen durchschüttelt, welches aus seinem Mund sickernde Blut hatte bereits seine Schürze ein dunkles Rot getaucht und eine kleine Lache auf dem Boden gebildet. Seine Augen waren bereits glasig geworden und flackerten kurz vor der Bewusstlosigkeit. Würgend jammerte er um seine Gnade.

Yori beugte sich wieder zurück und schob sein Katana wieder in die Scheide. Sich von seinem Hocker erhebend, wandte er sich dem Ausgang entgegen und machte einen großen Schritt über den leblosen Körper der Wirtsfrau.
"Oh und macht euch keine Sorgen, ich werde die Laterne löschen." sagte er voller Ruhe, ohne sich umzudrehen, in der bereits geöffneten Tür stehend. Seine Hand erhob sich zu der Laterne welche neben dem Eingang hing und nahm sie vom Nagel. Er blickte in die kleine Flamme welche erwartungsvoll hinter dem Glas tanzte und er erhob wieder das rattenähnliche Grinsen in sein Gesicht.
"Eigentlich, braucht ihr euch um gar nichts mehr Sorgen machen… Grüße an eure werte Ehefrau."

In einem kleinen Bogen flog die Laterne über seine Schulter. Sie kam mit dem Metallfuß an der Kante der Theke auf überschlug sich nochmals und zerplatzte vor den Füßen des Wirtes.

-

"ES BRENNT! FEUER IM SÜDVIERTEL!" die Stimme des bartlosen Zwerges mit dem Mundschutz klang von den Lagerhäusern zum Schiff herüber. Doch der Kapitän machte nur eine harsche Geste, zu seinem Steuermann. "Wyr leygen ap! Beayl dych, ych wyll kayne Wasseraymer schlepyn!" brüllte der Elf unter dem Mundschutz hervor.
Leno verkniff die Augen ein wenig, presste das Mundtuch etwas fester gegen sein Gesicht und blickte angestrengt über die Schulter des Kaptäns zu der neuen Rauchsäule am Horizont. Er hatte gleich geahnt, daß es kein neues Totenfeuer sei, der Rauch war dafür einfach zu licht gewesen. Mit einem leichten Kopfschütteln wandte Leno sich ab und trat die ersten Stufen zu den Kajüten hinab, er wollte die Barmherzigkeit des Hirten nicht an einem Tag seines Atems strapazieren. Der Bote hatte hinter sich gebracht was er hier wollte, und wollte nun ebenfalls so schnell wie möglich fort. Er fühlte sich ohnehin schon etwas ‚benommen'. Da war ein Gefühl, als würde sein Geist nur mit leichten Widerwillen den Bewegungen seines Kopfes folgen. Und auch hatte er leichte Probleme einen Fuß vor den anderen zu setzen, was er aber auf die Bewegungen des Schiffes zurückführte.
Das Beste war er legte sich hin, es würde eine lange Reise bis nach Siebenwind sein.

Er ließ sich in seine Kajüte fallen und sein Blick glitt auf die kleine Figur, mit mächtigen Schwingen welche er auf seiner Ablage gestellt hatte. Er hatte schon einen Teil des Gesichtes ausgearbeitet. Leno schloss langsam die Augen und ließ mit Trauer auf den Lippen den Kopf in das Kissen sinken.

Ohne es bis jetzt zu bemerken, hatte er der Figur ihr Gesicht gegeben.
-

Epilog:
Sie hatte ihn ziehen lassen.
Vielleicht war es besser, vielleicht nicht. Jedenfalls musste sie jetzt zusehen, daß sie wieder nach Draconis kam. Irgendwo ließe sich bestimmt ein Pferd 'borgen'. Vor einigen Minuten hatte sie die Hand sinken lassen und aufgehört dem Schiff nachzuwinken, welches nun nicht mehr als ein daumennagelgroßer Fleck gegen das Morgenlicht Felas war. Ihr vfel der Brief wieder ein, den der Halbling ihr eben noch mit schlotternden Knien gereicht hatte. Sie zog ihn aus der Robe und öffnete ihn.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Das kann er mir nicht antun…"


Zuletzt geändert von Poor Leno: 3.01.03, 04:32, insgesamt 1-mal geändert.

Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de