Das kleine Städtchen Blauzenberg, bekannt für das Blauzenberger Bräu, einen wohlschmeckenden und überaus berauschenden Trunk, und für den etwas eigentümlichen Dialekt seiner Einwohner, liegt etwa drei bis vier Tagesmärsche nordöstlich von Lichtenfeld am Rande der Klauenberge.
Der mutige und das Abenteuer suchende Wanderer, der die nicht unbeschwerliche Reise durch die dichten und dunklen Wälder, die sich im Osten schier endlos erstrecken, von Lichtenfeld aus auf sich nimmt, immer entlang an den zur linken Seite aufragenden Felswänden der Klauenberge, wird am Ende des größtenteils verwucherten Weges, der oftmals dieser Bezeichnung kaum gerecht wird, in dem kleinen Tal ankommen, am Fuße des Großblauzenbergs, in welchem sich vor ungefähr 300 Jahren Siedler niedergelassen und den Ort Blauzenberg gegründet haben. Glaubt man den Erzählungen der Blauzenberger, kamen ihre Vorfahren dereinst aus dem tiefen Endophal. Ausgezogen aus ihrer Heimat, um im Norden ein neues Leben zu beginnen, schlossen sich auf der langen Reise quer durch Falandrien einige Galadonier an. Auch zwei Dutzend versprengter Nortraven, welche nach einem Schiffbruch an der südlichen Ostküste Falandriens den Weg zurück in den Norden suchten, folgten den Siedlern, mit deren Frauen sie sich sofort auf das beste verstanden.
Genau weiß heute niemand mehr, wie es kam, und bis auf einige Legenden, in denen berichtet wird von wilden Orkenhorden und dem Diebstahl einer größeren Menge Bier und Wein aus Lichtenfeld, und einigen wilden Trinkgelagen, ist heute auch nicht mehr viel darüber bekannt. Auf jeden Fall ließen sich die Siedler aus dem tiefen Süden schließlich zusammen mit den Galadoniern und den Angehörigen des Nordvolkes in dem kleinen Tal am Rande der Klauenberge nieder, und gründeten die Siedlung, die etwa 70 Jahre später den Namen Blauzenberg tragen sollte. Die Siedler heirateten untereinander und gründeten Familien, und abgeschieden entwickelte sich in dem kleinen Tal ein ganz eigenes Völkchen. Die einzigen Aufzeichnungen zu dieser Zeit findet man in der ‚Blauzenberger Chronik, die wo von Anfang an geht’, niedergeschrieben vom berühmten Blauzenberger Schreiber Humbert Birndübel.
Sture Leute sind es, aber auch sehr fröhliche und gastfreundliche Menschen, wenn sie nur wollen und dem Besucher wohlgesonnen sind. Die meisten von ihnen sind nicht besonders groß, aber trotzdem nicht schwach. Im Gegenteil, bei den Blauzenbergern handelt es sich hauptsächlich um starke Menschen, die sich an die harten Bedingungen am Rande der Klauenberge angepasst haben. Der Boden ist nicht sehr fruchtbar, was dazu führte, dass die Blauzenberger seit jeher umso härter arbeiten müssen, um zu überleben.
Auf den kargen Böden gedeihen neben Gerste und Kartoffeln auch Hopfen und ähnliche Gewächse. Vor allem die ursprünglichen Nortraven waren es, die gleich nach der Besiedelungen des Blauzentals mit dem Brauen eines süffigen und berauschenden Gebräus begannen. Zuerst war dieses Gebräu eigentlich eher noch bescheiden, vor allem was den Geschmack betrifft. Im Laufe der Jahre entwickelten die Blauzenberger das Rezept weiter, bis sie nach einigen Generationen schließlich ein Getränk brauten, was seinesgleichen in ganz Falandrien sucht, und das heute nicht nur in Lichtenfeld geschätzt wird, sondern auch über Draconis und Rothenbucht bis hin nach Venturia.
Da die Böden am Rande der Klauenberge nicht sehr fruchtbar sind, und die Erträge demnach auch bescheiden ausfallen, und die Blauzenberger zuerst einmal sich selbst mit ihrem leckeren Gebräu versorgen, werden nur geringe Mengen an die umliegenden Städte verkauft. Für das leckere Getränk, dem nicht wenige Anhänger der Vitama nicht nur heilende, sondern auch die Liebe unterstützende Wirkung nachsagen, werden in Städten wie Draconis oder Rothenbucht stolze Preise bezahlt. Da die Blauzenberger nicht sehr viel abgeben von ihrem Gebräu, ist es außerhalb von Blauzenberg nur reichen und edlen Galadoniern vorbehalten, welche den notwendigen göttergegebenen Reichtum haben, das schmackhafte und angenehm berauschende Elixier zu genießen.
Blauzenberg selbst, das eigentlich zu Lichtenfeld gehört, hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt bzw. geschaffen. Die Stadt selbst wird von keinem Patrizier oder sonstigem Verwalter, der entweder von der Stadt selbst oder Lichtenfels gestellt wird, verwaltet, sondern von einem Rat der zwölf ältesten Männer.
Das war jedoch nicht immer so.
Noch bis vor etwa 60 Jahren bestand der Rat nicht aus den zwölf ältesten Männern, sondern aus den zehn ältesten Frauen. Überhaupt hatten die Frauen über Jahrzehnte hinweg das Sagen in der kleinen Stadt am Rande der Klauenberge. Nicht wenige Leute munkeln heute, dass dies mit einer der Gründe war, warum die Blauzenberger Männer das vorzügliche Bräu erfunden hatten, das ihnen Trost spenden konnte, indem es ihnen die Flucht in eine lustige Traumwelt bot.
Vor 60 Jahren sollte die Vorherrschaft der Frauen in Blauzenberg auf jeden Fall gebrochen werden, von keinem anderen als dem legendären Besendorfer Sepp. Der Besendorfer konnte die Zustände in dem Städtchen nicht mehr länger ertragen, und es gibt viele Geschichten und Legenden darüber, wie er es schaffte, die alten Frauen zur Einkehr und zur Abgabe der Macht an die Männer zu bewegen. Mit den Legenden kann man ganze Bücher füllen, was zum Beispiel der bekannte Schreiber Humbert Birndübel auch gemacht hat.
Der Besendorfer ist seit jenen Tagen so etwas wie der Volksheld der Blauzenberger. Mehrmals im Jahr werden ihm zur Ehre große Trinkgelage veranstaltet, wo die Einwohner des Gebirgsstädtchens wilde Lieder singen und anschließend auf vielerlei Arten der Vitama huldigen. In Blauzenberg selbst steht mitten auf dem Marktplatz eine großes Denkmal, das den Besendorfer mit mahnend erhobenem Zeigefinger zeigt, ein Bild, welches vor allem die Frauen in der kleinen Stadt stets daran erinnern soll, wo ihr göttergewollter Platz ist.
Der Glaube an die Vier spielt natürlich eine bedeutende Rolle bei den Blauzenbergern. Gab es ursprünglich noch Einflüsse nortravischer und endophalischer Heidenkulte, fanden die sich vermischenden Blauzenberger rasch zum wahren Viergötterglauben. Anders ist es auch kaum zu erklären, wie sich die Blauzenberger abgelegen hinter den dichten Wäldern am Rande der Klauenberger so eigenwillig entwickeln konnten, abgeschieden und in Ruhe gelassen vom restlichen Galadon. Die Götter müssen schon seit jeher ihre schützenden Hände über die Bewohner der Gebirgsstadt gehalten haben.
Vor allem verehrt werden Bellum und Vitama, wie es in fast allen etwas abgelegeneren Gebieten Galadons der Fall ist. Natürlich betet man auch zu Astrael und Morsan, aber während letzterer zumindest noch bei den älteren der am meisten verehrte Gott ist, stehen für die jüngeren Blauzenberger doch eher Vitama und Bellum im Vordergrund. Astrael spielt keine große Rolle bei den Blauzenbergern. Weder die Magie noch die Künste der Geisteswissenschaften stehen hoch im Kurs bei den bodenständigen Bauern und Handwerkern.
In Blauzenberg gibt es einen Tempel, in dem alle vier Götter verehrt werden. Vorstand des Tempels ist der ehrenwerte Egidius Breihirter, Hochgeweihter der Vitama, und Bewahrer des alten Rezeptes des Blauzenberger Bräus. Gleich neben dem Tempel findet man die Brauerei, wo die Herstellung des berühmten Tranks von der Geweihtenschaft streng überwacht wird. Die Geschichten und Legenden um das Blauzenberger Bräu besagen, dass es nicht nur die Zutaten sind, die in der kargen Gegend gedeihen, sondern auch das unmittelbare Wirken der Götter, die das Gebräu zu dem machen, was es ist.
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