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Teil 1
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Schwüle Hitze lag in der Luft. Seit zwei Tagen strich ein starker Fönwind von den öden Bergen im Süden über Antiochia, die zweitgrößte Handelsstadt des neu-vatikanischen Reiches. Das rege Treiben auf dem Marktplatz konnte dadurch aber nicht gebremst werden.
Schwitzend quälte sich Anika durch die Menschenmassen zu den Ständen der Obstverkäufer. Es war schwer für sie, in diesem Gemenge ihre Tochter nicht zu verlieren. Sie würde es nicht schaffen, vor Mittag noch die ganzen Einkäufe zu erledigen. Die Hitze, der Lärm der Fuhrwerke und das Gebrüll der Marktschreier, die lauthals Waren aus allen Ecken des Reiches feilboten, das alles machte die Leute verrückt. Ein paar Soldaten des Ordens sorgten durch ihre Präsenz für Ruhe.
Endlich hatte sie sich einen Platz in einer Schlange erkämpft, die sich vor einem der Stände gebildet hatte. Ein Blick hinauf – keine einzige Wolke ließ sich blicken an diesem azurblauen Himmel. Nur noch drei Leute standen vor ihr in der Reihe. Gleich geschafft, dachte sie. Sie begann, ein Lied zu summen. Doch die Melodie verlor sich in dem sie umgebenden Lärm. Auf einmal - Stille. Beunruhigende Ruhe.
Was war passiert? Anika schaute sich verwundert um. Sie bemerkte, wie immer mehr Leute den Kopf zum Himmel reckten. Wie aus dem nichts wurde der gesamte Platz plötzlich in Schatten getaucht. Doch nicht der lang ersehnte Regen?
Sie sah auf. Nein, das konnte nicht sein!
Über ihren Köpfen senkte sich eine längliche schwarze Struktur auf die Stadt hinab.
Ein Flugschiff – aber was für ein gewaltiges!
Noch nie hatte sie so etwas gesehen. Sie spürte, wie sich ihre Tochter an ihrem Bein festklammerte. Einige Leute begannen wegzulaufen. Und nun überkam auch sie die Angst. Ein Schauer fuhr durch die Menge, als von dem Flugschiff eine kleine, glänzende Kugel hinabschwebte. Das Objekt sauste auf die Erde hinab, schien für kurze Zeit einige hundert Meter über der Stadt zu verharren und blitzte dann auf.
Für Sekunden war eine zweite Sonne am Himmel zu sehen.
„Thermalbombe!“, dachte Anika. Instinktiv hob sie die Hände schützend vors Gesicht.
Doch die erwartete Hitzewelle blieb aus.
Verdutzt sah sie, wie aus dem immer kleiner werdenden Lichtball eine weiße Säule zum Boden hinabfuhr. Kurze Zeit sah es aus wie eine riesige Antenne, doch dann wurde die Struktur von einer quecksilberartigen Masse verschluckt, die zähflüssig dem Boden entgegenstrebte. Die Erde begann zu vibrieren, die Masse geriet in Panik. Anika wollte auch wegrennen, doch ihre Glieder waren erstarrt. Beinahe wären sie und ihre Tochter niedergetrampelt worden. Immer neue Menschenmassen strömten ihr entgegen, als sie erkannte, dass rund um die Säule die Häuser zu brennen begannen. Mit rasender Geschwindigkeit breiteten sich die Flammen konzentrisch aus. Nur noch zwei Häuserblöcke, jetzt einer. Am anderen Ende des Platzes sah sie, wie sich der Boden schwarz verfärbte. Glänzende Rinnsale schossen wie Schlangen aus der Erde und schienen nach den Menschen zu greifen.
Es war das reine Grauen. Leute versanken in der schwarz werdenden Erde, wurden von der sich ausbreitenden Flüssigkeit umspült, verschluckt oder in Stücke gerissen. Manche erstarrten auch einfach zu silbrigen Säulen, während um sie herum die Häuser von aus dem Boden schießenden Flammen verzehrt wurden. Und die Zerstörung kam rasend näher. Menschenmengen wurde von ihr umspült und in bizarre Skulpturen verwandelt. Direkt vor ihr wurde einem Soldaten die Rüstung regelrecht vom Leib gefressen, ehe er wie die anderen erstarrte. Alles schien zu schmelzen, im Boden zu versinken. Die Welle der Zerstörung kam immer näher, gleich würden auch sie und ihr Kind verschluckt.
Anika hatte nur noch Zeit, ihre Tochter schützend in die Arme zu nehmen...
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Teil 2
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3 Stunden nach dem Angriff auf Antiochia
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Der Himmel blutet. Rote Funken wirbeln durch den pechschwarzen Rauch, der sich über der ganzen Provinz ausgebreitet hat. Rubinaugen in einem Himmel aus schwarzem Satin. Gespenstisch spiegelt sich das Schauspiel auf den Stahlhelmen und Schilden der 14. Infanterielegion, die auf den Hügeln der Stadt Stellung bezogen hat.
Die Rohre der Artilleriekanonen sind auf die Ebene gerichtet, in der einst eine blühende Stadt stand. Nun ist dort ein Feld aus Asche, in dem noch vereinzelte quecksilbrige Teiche brodeln.
Nichts deutet mehr darauf hin, dass es hier noch vor wenigen Stunden eine menschliche Ansiedlung gab. Nur der riesige Festungsbau des Handelspalastes mit seinen 7 Türmen ragt brennend in die Höhe.
Gerüchte gehen durch die Runde.
Die ost-kaiserliche Luftflotte habe die Stadt planiert oder ein Vulkan sei ausgebrochen. Manche behaupten sogar, dass die Antiochier den Zorn Gottes auf sich geladen hätten und von seiner Hand ausgelöscht wurden.
Die Spekulationen haben ein jähes Ende, als die „Petrus“ eintrifft, dass Flaggschiff der Kreuzritter, mitsamt einem Regiment schwer gepanzerter „Inquisitoren“ und mehreren Duzend Kampfpanzern. Dieselbetriebene Ungetüme - die modernsten, die die glorreiche Reichsarmee aufzubieten hat. Unter Getöse nähern sich die riesigen Propeller der „Petrus“. Die schweren Anker werden am Boden festgezurrt, die Maschinen verstummen. Riesige Ladeluken springen auf, aus denen die schwere Infanterie die Szenerie betritt – begleitet von dem Schlachtgesang der Inquisitoren. Hunderte Ordensritter in weißen Rüstungen, die Lanzen im Anschlag und den Flammenwerfer auf den Rücken geschnallt. Darüber alle paar Reihen die Standarte des Ordens, ein stilisiertes goldenes Kreuz mit einem brennenden Herzen darunter, die Insignien der Inquisitoren. Dahinter rasseln die ersten Kettenfahrzeuge aus dem Bauch des Schiffes. Bestückt mit meterlangen Granatlanzen und schweren Mörsern werden sie die Feinde überrollen, die diese Greueltat begangen haben.
Ein Gefühl der Unbesiegbarkeit macht sich bei diesem Anblick breit. Die glosende Stadt vor ihnen ist sofort vergessen und die Männer stimmen zu einem Jubelgeschrei an. Sie ahnen nicht, was sie dort unten erwartet...
Durch die Glasfront der Brücke betrachtet der Kommandant der „Petrus“ die totale Zerstörung unter ihm. Das Zwielicht der Glutwolke wirft tiefe Schatten in die Furchen und Narben in seinem Gesicht. Das letzte Mal hatte er so etwas gesehen, da war er ... nun ja, er weiß es nicht mehr. Es war in den Anfängen seiner Karriere, als er noch Knappe bei der alten Kavallerie war. Er hatte sich damals gewünscht, nie wieder gegen „diesen“ Feind kämpfen zu müssen. Besorgt wendet er sich ab.
„Leutnant, es wird Zeit, dass wir die Männer über die Lage informieren. Machen Sie die Lautsprecher bereit. Ich werde Sie in die Situation einweisen...“
..to be continued...
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