Als er aus der Tür trat, graute nicht nur der Morgen, sondern auch ihm. Es war nicht das häßliche Gebäude gegebüber, auch nicht der infernalische Gestank der nahen Viehweide. Nein, daran hatte er sich nunmehr bereits gewöhnt.
Was ihn schreckte, das war dieses Tierchen direkt vor ihm. Es hatte acht Beine, etliche Augen und war mit gut und gerne zweiandhalb Schritt Länge deutlich zu groß. Von den hektisch zitternden Beißwerkzeugen troff widerlicher Schleim und schnell, sehr schnell hastete die Spinne auf den jungen Mann zu.
Mit Müh und Not konnte er dem Biß entgehen, jedoch schlug das Tier heftig gegen sein Schienbein, wo sich eine klaffende Platzwunde auftat. Mehr fallend denn geschickt ausweichend rollte er zur Seite und die Wucht des Ansturmes katapultierte die Spinne in den verlassenen Vorraum hinein. Tränen schossen in seine Augen, als er sich aufrappelte und hinaus hastete. So schnell ihn sein angeschlagenes bein zu tragen vermochte, rannte er um die Ecke, hin zum Wachhaus.
Sein Atem ging stoßweise und pfeifend, als er sich gegen die Eisentür warf und so laut er noch konnte um Hilfe rief. Doch es kam....nur die Spinne. Dieses Tier war wohl ebenso anhänglich wie ihre Vettern, die er auf diesem von dem Göttern verlassenen Eiland schon niederringen musste.
Weiter ging die wilde Hatz um die nächste Ecke, quer über den verlassenen Marktplatz, bis hin zum Lager. Hier, so wusste er, hatte sich noch kürzlich eine Wache aufgehalten. Den Atem der Spinne fast schon im Nacken spürend hastete er zur Tür, die natürlich verschlossen war. So in die Enge getrieben fasste er allen Mut zusammen und schloß kurz seine Augen.
Wie er es gelernt hatte, ignorierte er für einen Moment seine Umwelt und konzentrierte sich auf eine andere, höhere Wahrnehmung. Mit einer Hand fasste er nach etwas, was außer ihm niemand sah und wusste, sein Körper würde diese Geste nachahmen. Er ergriff einige der vor ihm hängenden Kugeln, rückte jene hierhin und jene dorthin, schob hier und zog dort und leise formte sein Mund Laute, die wohl zu keiner Sprache gehören mochten.
Nun öffnete er seine Augen wieder und fand sich mit erhobener Hand vor, die fette Spinne kaum einen Schritt von sich entfernt. Langsam kroch das behaarte Biest über das Geländer auf ihn zu. Seine noch immer erhobene Hand stieß er nun vor, auf das Biest zu, und einige Pfeile materialisierten sich in der Luft, schossen feurig auf die Spinne zu und bohrten sich tief in ihren Panzer, wo sie schließlich kurz aufleuchteten um dann zu verschwinden, als wären sie niemals da gewesen. Nur die klaffenden Löcher im zuckenden Spinnenkörper, aus denen nun langsam dicker Schleim quoll, zeugten von ihnen.
Vor seinen Augen drehte sich alles und Irrlichter führten einen munteren Reigen auf. Ächzend sank er auf die Knie und lehnte sich an die dünne Holzwand. So verbrachte er viele Minuten, bis er schließlich die Kraft fand, zitternd aufzustehen. Gerade wollte er zum Schlafsaal humpeln, um sein Bein notdürftig zu versorgen, da blitze ein Gedanke in ihm auf, der ihm Kraft gab, nein, ihn beflügelte. Mit hämischem Grinsen zog er den schweren Kadaver unter Aufbietung schier übernatürlicher Körperkraft direkt vor die verschlossene Tür, bellte heiser :"Hier! Kannste wegräumen jetzt!" und humpelte davon, zu seinem Bett.
Vitama sei Dank, hatte wenigstens eine Mitreisende den Lärm gehört und bandagierte sein Bein im Vorraum, wo er noch auf dem Stuhl in tiefen Schlaf sank.
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