Im Laufe des Morgens, es ist ein verschneiter, kalter Tagesbeginn, stapft eine einsame Gestalt durch die Straßen Brandensteins, den Umhang eng um sich gewickelt, den blonden Kopf gesenkt. Auf den Rücken trägt er einen Laute gebunden, an seiner Seite baumelt eine Harfe. Die Schritte führen den Mann zur Kapelle der Vier, dem heiligen Ort der Götter. Ohne sich seiner Umgebung wohl wirklich bewusst zu sein öffnet, er die Tür zum Gebetsraum, streift den Schnee von seinen Stiefeln ab und durchquert anschließend den Raum, um die Tür zum dahinterliegenden Bereich aufzuschließen und hindurchzuhuschen. Mit leisen Schritten erklimmt er die Treppe zum oberen Stockwerk der Kapelle...und bleibt dann die angewurzelt stehen. In einem Winkel des Raumes steht ein etwas älter anmutender Mann, seine Stirn schweißbedeckt, und in seinen Armen eine reglose, weibliche Gestalt. Mit einem überraschten, angstvollen Krächzen stürzt der Wanderer zu den beiden Menschen hin und Bestürzung erscheint in seiner Miene, als er das Gesicht der offensichtlich Bewusstlosen erkennt. Der alte Mann, in dessen Armen sie liegt, richtet seine Worte an den jungen Wanderer und bittet ihn mit ruhiger Stimme, die Frau doch bitte ins Hospiz zu tragen.
Nur kurze Zeit später befinden sich alle drei an eben dieser Örtlichkeit, die Frau im Bett des Behandlungsraumes, der junge Mann kniend an der Bettkante, der Alte ihm gegenüber auf der anderen Seite. Mit den unverfänglichen Worten, etwas Wasser zu holen, entschuldigt sich dieser und entschwindet aus dem Blickfeld des Blonden, dessen Blick, erfüllt von Angst und Sorge, gebannt auf der reglosen Gestalt im Bett liegt. Ein leises rascheln vernimmt er nach kurzer Zeit, wie als würde etwas aus einer Robe gezogen; gleichzeitig regt sich in ihm das Gefühl, als würde jemand hinter ihm stehen...doch nicht stark genug, er schenkt dem Eindruck keine Beachtung - was sein letzter Fehler hätte sein können. Ein dumpfer Schlag trifft mit einem Mal seinen Rücken, dann durchzuckt ihn ein heißer Schmerz dicht unterhalb des Brutkorbes. Mit einem lautlosen Seufzer sinkt der Mann zu Boden, schwarze Nebel greifen nach seinem Geist. Nur am Rande seines Gesichtsfeldes bemerkt er etwas; eine Art Dolch, schlangenartig, unheimlich. Irgend jemand macht sich an ihm zu schaffen, so bemerkt er noch, während das Leben aus seinem Leib sickert. Jemand murmelt leise Worte, ein Kribbeln durchfährt seinen Körper, die Schwärze, die Bewusstlosigkeit, die nach ihm greifen wollte, zieht sich langsam zurück. Nur schemenhaft nimmt er wahr, wie sich jemand bewegt - der Alte, durchzuckt es ihn -, wie jemand die reglose Gestalt vom Bett aufnimmt und mir ihr aus dem Hospiz schreitet.
Mit schwachen Gliedern versucht der junge Mann, sich wieder aufzurichten, und schafft es auch, sich zumindest auf die Arme zu stützen - doch geben diese unter der Anstrengung nach, sein Kopf sinkt wieder nach vorne und kollidiert unsanft mit der Kante des Bettes. Ein letzter Gedanke blitzt in ihm auf, bevor das Dunkle der Bewusstlosigkeit nach ihm greift, eine letzte Erinnerung, ein letzter Name...Sheeban...

Sollte nun jemand das Hospiz zu Brandenstein betreten, so wird er neben dem leeren Bett im Behandlungsraum eine reglose Gestalt finden, die Tunika am Rücken zerrissen, mit Blut durchtränkt, die Haut darunter aber heil und unversehrt. Eine kleine Lache eingetrockneten Blutes ist auf dem Holz des Bodens zu erkennen...mehr nicht.