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 Betreff des Beitrags: der Diener der Stille
BeitragVerfasst: 9.12.03, 17:07 
Ehrenbürger
Ehrenbürger

Registriert: 9.12.01, 02:38
Beiträge: 854
Wohnort: Mainz
Eine schwarze Gestalt kniete vor einem leeren Altar. Es ist war der Diener Stille, der letzte auf der Insel der die Weihe seines ewigen Herrn bekam und noch verweilte.

Seit Tagen und Monden kniete er dort, immer wieder und wieder. Eine Meditation über Leere suchend und vorantreibend. Die Nebel der Kräuter und Gewächse die in den schwarzen Hallen verbrannt worden waren, über eine Tagelange Meditation hinweg, schwebten noch immer in der Luft. Die Gestalt selbst war nur noch ein Trugbild dessen was er gewesen war. Die Bürden die er sich aufgenommen hatte, hatten seinen Körper, seine Hülle wie er sie selbst nannte, verzehrt. Die Haut war faltig geworden, das glatte schöne Gesicht eines Elfen war dem eines Greises gewichen. Seine Augen waren grau, trocken und trüb; vom stetigen Dunst und Nebel der Räucherwerke war er fast blind geworden. Die Ordenskleider, die er gehorsam immer trug, waren ausgeblichen und alt. Das schwere schwarze Buch welches er stets an seiner Seite trug hing wie ein Stein an ihm.

Die Meditation war zu Ende. Der Rausch der Drogen, der ?göttlichen? Berührung war verflogen. Der greise Elfenjüngling war nur noch er selbst; in seiner Hülle allein. Sein Gott war so weit fort von ihm,. wie für jeden Sterblichen.

Hunger. Sein Körper, seine Hülle, forderte einen lange vergessenen Tribut. Seit Tagen ohne einen Bissen schwanden die Kräfte des Elfen. Langsam stand er vom Boden auf und blickte auf seine Finger. Ruß überdeckt, angesengt und faltig waren die einst grazilen Elfenfinger. Kaum noch Gefühl war darin als er die Hände ineinander legte.

Wieder Hunger. Ein Blick zur Seite auf die alte Holzkiste in der sonst Obst und Gemüse lag. Leer; den letzten Apfel hatte er einem Bettler gegeben, so wie es die Demut von ihm verlangte. Jetzt hatte der Elf nichts mehr zu essen; aber seine fast verkrüppelten Instinkte mahnten ihn dazu, dass sein Körper ohne Nahrung diesen Tag nicht überleben würde.

Hinauf. Aus dem Raum der Ruhe hinaus, vorbei an den glimmenden Kohlebecken in der schwarzen Halle; vorbei an den Durchgängen zum Raum der Erinnerung und zum Raum der Balsamierung; endlich, die Treppe hinauf an das Licht des Tages. Langsam hätte jeder die Bewegung bezeichnet, doch für ihn war es Rennen, hilfloses dahin Kriechen am Schluss.

Die kühle Luft des Morgengrauen umwehte ihn, sogar die Kapuze die er stets übergezogen hatte wehte im Wind. Nun auf dem Weg, eilte er sich, nicht innezuhalten dachte er, schlich hastend, die Straßen der Handelsstadt entlang; eilte in kriechendem Lauf bis zum Marktplatz.

Händler und Bauern hatten sich auf dem Markt versammelt wie fast jeden Tag. Sie boten Waren und Güter feil. Fremd war dem Elf dieses Welt geworden. Nur stumm bittend konnte er von einem frommen Bauern einen Apfel ergattern.

Langsam den Apfel verzehrend suchte er sich eine stille Ecke des Marktplatzes. Wie sonst auch nahm ihn kaum jemand war, den Dienern der Stille gingen die meisten Bürger aus dem Weg.

Selbstrefflektion. Die letzten verkümmerten Stückchen Individualität regten sich in dem Elfen. Was war aus ihm geworden? Wo gehe ich hin? Er wusste keine Antwort.

-

Nur wenige Schritt entfernt von der schwarzen Gestalt hatte ein Schrifthändler seinen Stand aufgebaut. Dort bot er fremde Literatur, Schreibdienste und für die besser betuchten Kurierdienste, für Dokumente und Bücher, zum Festland an. Er lies gerade seinen Stand zusammenpacken; ein paar billig angeheuerte Hafenarbeiter räumten Kisten und Truhen fort. Schnell musste alles gehen, die Flut kam bald, und der Händler wollte mit der nächsten noch auslaufen. Einen wichtigen Kurierauftrag für einen Adligen hatte er errungen, und jede Stunde war Geld wert.

Ein Buch fiel aus einer Kiste. Hastig hob ein Arbeiter das Buch wieder auf; kaum mehr als ein Heft von fünfzig lose zusammengebunden Seiten war es. Eine Seite wurde vom eisigen Wind erfasst und flatterte in den Schoß der niedergekauerten schwarzen Gestalt. Doch den Arbeiter, schlecht bezahlt und mürrisch, kümmerte es kaum. In müden Schritten stapfte er den anderen Hafenarbeitern hinterher. Der Stand war abgebaut. Stille kehrte wieder in diese Ecke des Platzes ein.

-

Minuten vergingen. Der Elf in schwarz schien das Papier nicht zu sehen. Seine Augen waren ins nichts gerichtet, seine Gedanken ins Innere.

Das Krächzen eines Raben, hoch über der Stadt. Der Elf hebt den Kopf, blickt in den grauen Himmel. Der Rabe war kaum mehr als ein verschwommener Schwarzer Punkt am Himmel für ihn. Schnell war er aus dem Blickfeld des Elfen verschwunden. Doch nun nahm er das Blatt auf seinem Schoß war. Hob es auf und las es.

In einer feinen Schrift, geschrieben mit tiefdunkelblauer Tinte, waren nur einige Verse auf dem Blatt:

"Darum der Berufene:

Er verweilt bei nichtgeschäftigen Tun,
Übt wortlose Lehre.
Alle Wesen treten heran, und er entzieht sich nicht,
Er schafft und behält nicht;
Er handelt und legt keinen Wert darauf.
Ist Verdienstliches vollbracht,
So verweilt er nicht dabei:
Eben weil er nicht dabei verweilt,
Darum verlässt es ihn nicht."


Laut krächzend, mit der Stimme eines schwer Hustenkranken sagte der Elf zu sich selbst: "Ja, jetzt habe ich es verstanden."

Nicht verweilend erhob er sich; ging zielstrebig vom Platz. Nur ein paar Äpfel nahm er noch mit.


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 9.12.03, 18:57 
Ehrenbürger
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Er ging in die dunklen Landen und kam nie wieder.


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