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 Betreff des Beitrags: Aus dem Leben eines Richters ...
BeitragVerfasst: 4.02.02, 01:27 
Altratler
Altratler

Registriert: 17.12.01, 11:41
Beiträge: 2431
Wohnort: Sachsen
Schweißgebadet fuhr er hoch und blickte ins Dunkel seines Zimmers. Ein Blick hinaus in die Nacht, hinauf zum glimmenden Madamal, das leuchtenden Schein auf sein Gesicht warf, ließ ihn beruhigter atmen. Es war wie damals bei den Stämmen der Nomaden. Eine kurze, schmerzvolle Erinnerung an zurückliegende Tage ließ sein Gesicht Rondariels für einen Sekundenbruchteil trauern, bevor es wieder eine starre, nichtssagende Maske wurde. Er blickte auf den Tisch in der Mitte des Raumes, von Mondlicht erhellt und darauf ruhend eine Schmuckschatulle aus kostbar geschnitzen Holz. Aus dem Bett gleiten und neben dem Tisch stehen war eine fließende Bewegung jahrelanger Übung. Rondariel öffnete die Schatulle und nahm das Buch heraus, dass er vor wenigen Wochen erst vor einer Verhandlung von einem Unbekannten ausgehändigt bekam. Ein seltsam rot schimmernder Einband und seltsame, fremde Schriftzeichen waren das Ziel seiner aufmerksam, immer wieder nach neuen Anhaltspunkten suchenden Augen. Wochenlang hatte er versucht dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Nur der Titel war an diesem Artefakt kein Rätsel. Er war das "Buch des Todesurteil".
Wahrscheinlich hatte sich der Unbekannte deshalb gedacht, dass es bei dem für seine harten Urteile bekannten Richter möglicherweise gut aufgehoben sei. Rondariel lächelte kalt bei dem Gedanken. Er dachte für einige Momente an die Hinrichtung des Orken in der Vorburg zu Schieferbruch an diesem Tage zurück. Gnadenlos hatte der Henker den Orken den Kopf mit einem kraftvollen und schnellen Hieb des Henkersbeiles abgetrennt. Noch jetzt lag die Leiche des gemeinen Verbrechers und Verräters am Frieden der Gesellschaft auf dem Hofe der Vorburg und sollte allem Gesindel dieser Insel eine Warnung sein.
Ihn fröstelte bei dem Gedanken an sein Urteil. Rondariel wollte sich nicht als Herr über Leben und Tod aufspielen, das war allein Sache Morsans. Doch ein Zwiespalt blieb und nagte an seiner Seele.
Rondariel wusch sich, legte seine Gewänder an und schnallte sich den schweren Waffengurt um, ein Erbstück seines Fechtmeisters. Er verließ leise wie ein Schatten das Gebäude und begab sich in die Stallungen. Ein kurzer Pfiff und sein treues Pferd Eishauch, das unangeseilt Heu schmatzte, kam herbeigeilt. Langsam das Pferd streichelnd führte er es aus dem Stall. Der frostbedeckte Boden war hart und Eis knirschte unter den schweren, ledernen Reiterstiefeln. Kaum merklich begann es hell zu werden und Rondariel ritt in scharfen Galopp in Richtung der Hauptstadt Rohehafen, einer kürzlich durch zahlreiche Bauarbeiten erwachten Perle der Insel, doch leider auch schwarzer Moloch für dunkle Gestalten und Verbrecher, die der Wohlstand und Reichtum der anständigen Bürger anzog. Stunden später sah er sie vor sich. Die Mauern Rohehafens. Endlich. Es war ein erstaunlich warmer Wintertag, nicht einmal der ständige Schneefall der letzten Tage hatte eingesetzt. Er ritt auf die Stadt zu und es begann zu schneien. Mürrisch blickte er in den schneeverhangenen Himmel und lächelte ob wegen seines Verhaltens. "Das Leben in diesem Paradies macht zu weich," murmelte er zu sich selbst und erinnerte sich sinnend an die Tage bei den Freunden des Ordens zurück. Schrill pfeifend und mit leichten Druck seiner Schenkel lenkte er Eishauch auf die Nordstraße zum Tempel. Dort angekommen, sprang er vom Pferd und eilte unbemerkt in das innere der heiligen Hallen. Leise und vorsichtig ging er in Richtung Altar und verneigte sich ehrfürchtig vor den Insignien der Viere. Suchend schweiften seine Blicke die Umgebung ab und er eilte mit schnellen Schritten auf den Bereich Morsan zu. Dort angekommen betete er zunächst eine Stunde für gefallene Freunde aus Tagen in der Arena und beim Orden. Danach griff er in seinen Rucksack und holte das Artefakt hervor, legte es schweigend auf den Teppich vor dem heiligen Altar Morsans und entfernte sich wortlos. Hoffend die Geweihten des Morsans mögen das Geheimnis des "Buch des Todesurteils" lüften und möglicherweise Unheil von dieser Insel und den Lebenden fernhalten. Vor dem Tempel traf er auf einen morsangläubigen, jungen Mann, der vertrauenswürdig schien und in den Tempel aufgenommen werden wollte. Rondariel bat ihn, den Geweihten des Morsans mitzuteilen, das ein Richter des Gerichtes hier das Artefakt abgegeben hatte und das er hoffe, es könne im Orden von Nutzen sein. Befreit von der Last dieses Rätsels ritt er zufrieden lächelnd nach Schieferbruch und widmete sich wieder den verstaubten Aktenräumen, nervenaufreibender Ermittlungstätigkeit und dem blutigen Geschäft eines Mannes, der für Recht und Frieden streitet.


Zuletzt geändert von Rondariel: 4.02.02, 16:52, insgesamt 1-mal geändert.

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