Langsam schlug sie die Augen auf, deren Blick noch immer getrübt war vom Vergorenem. Kaum ein Lichtfleck flackerte dort unten, samtige Stille barg die Kypta unter den Mauern Brandensteins. Morsans Hort. Dunkel. Still. Verlassen

Die kleine, dürre Gestalt in ihren bunten Narrenkleidern wirkt hier so deplaziert und der saure Geruch von Alkohol der von ihr ausging , ganz sicherlich. Langsam mit geradezu liebkosenden Bewegungen grub sie zwei kaum handspann lange Phiolen hervor. In der einen eine trübe, grünlich schimmernde Flüssigkeit, in der anderen eine fast klare, gelbliche.

Eine Weile betrachtet sie die kleinen Fläschchen und ein dünnes Lächeln spannt ihr mageren Gesichtszüge an, reisst die spröde Haut der dünnen Lippen auf. Ihre klammen Finger haben etwas mühe die mit Wachs versiegelten Korkpfropfen von den Gläsern zu lösen.

„Gebt sie frei, es wird Zeit.“ murmelt sie kaum hörbar zu den Verschlüssen und streicht das filzige immer noch feuerrot schimmernde Haar zurück. Suchend tasten die schmutzigen Finger über ihre Schläfe wo der Glanz anscheinend allem Schmutz trotzend intensiver und von weichem Goldschimmer ist. Angstvoll blicken ihre Augen ins Leere als die Fingerkuppen weiter über den Glanz tasten, angestrengt legt sich ihre Stirn in Falten doch nach einer Weile entgleiten ihre Züge zu einer enttäuschten Grimasse. Dunkle Pfade zeichnen Tränen auf ihre schmutzigen Wangen und die Finger der linken umfassen die Fläschchen energischer.

„Morsan,
Du,
der Schweigsame,
der Unergründliche.
Der über meinem Schlafe wacht,
der du dich in Schweigen hüllst.
Schütze mich im Schlafe,
geleite mich zu dem Traum den ich suche,
weil ich es selber nicht mehr vermag. "

Flüsternd, widerhallend breitet sich ihre von Tränen gewürgte Stimme aus. Feierlich führt sie erst die grüne Phiole an ihre Lippen und saugt dann die klare Flüssigkeit in ihren Mund.

„Er sagte, es bereitet keinen Schmerz.“ Kaum merklich lächelnd lehnt sie den Kopf gegen die kühle Steinwand und lauscht ihren immer langsamer werdenden Atemzügen.