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 Betreff des Beitrags: Schriftstücke in einem Astloch
BeitragVerfasst: 14.01.04, 03:03 
Edelbürger
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Registriert: 7.02.03, 11:33
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Kurz versicherte sich die Frau mit einem Blick zum Meer, daß der Ort, an dem sie war, der vereinbarte war, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Nein, noch keine Nachricht. Achselzuckend nahm sie einen Umschlag aus ihrer Seitentasche und stopfte diesen in das faustgroße Astloch. Ein hastiger Blick umher, um sicher zu gehen, daß sie keiner gesehen und ihr niemand gefolgt war, dann nahm sie den Umhang ab und verwischte in etwas größerem Umkreis ihre Spuren im Neuschnee, sich von der Stelle abwendend.
Der Umschlag selbst ist gefüttert, das Schreiben auf schlichtem Pergament von Tinte. Die Schrift ist leicht geschwungen und nur leicht nach links geneigt, was auf eine Schreiberin hindeuten kann. Das Schreiben selbst lautet:

Zum Gruße.

Ihr mögt Euch wundern, an diesem Orte etwas vor zu finden, sei doch mir von Euch etwas versprochen worden, nicht umgekehrt und doch hielt ich es schon immer für eine nette Geste, einen Gefallen zu erwidern und diesen wolltet ihr mir zweifelsohne erweisen. So denke ich, wäre es nur passend, so ihr mir einen Einblick in Eure Welt gewähren wollt, daß ich Euch ebenso einen in meine gewähre, ein kurzes Eintauchen in eine Welt, weit, weit von Eurer eigenen entfernt.
Ich weiß, daß ihr neugierig seid, daß ihr dies wissen wollt und so mag ich Euren Wissensdurst stillen, denn auch wenn Euer Mund nicht danach fragte, so taten es die Augen, doch der Mund schwieg. Warum schwieg er? War es der Anstand der Euch dazu trieb oder doch die Zweifel?
So mag ich Euch eine Antwort geben auf Eure ungestellte Frage, wie es dazu käme, daß sich die Menschen im vollem Bewußtsein und Willen dem verschreiben, den ihr den Dunklen nennt, dessen Namen ihr so sehr fürchtet, daß er für Euch lediglich der Ungenannte bleiben wird. Aber dies sind nur Namen.
Um meinen Gedanken folgen zu können ist es notwendig, auf einige Tatsachen zurück zu greifen, ein Fundament zu schaffen für die Schlüsse, die sich daraus ergeben. Hiermit möchte ich beginnen.
Zuvorderst sei hier genannt, daß der Herr der Gott der Stärke ist und er liebt das Starke. Dies soll nicht heißen, daß er das Schwache haßt, mitnichten, auch wenn einige führende Gläubige mir hier widersprechen würden, aber so müßte er uns alle hassen, denn wir alle sind Menschen, schwach und fehlerhaft, dennoch weist er uns nicht zurück so wir Stärke erlangen wollen.
Zum zweiten sei ein Lehrsatz genannt, den ihr sicherlich schon einmal aus anderem Mund oder von anderer Feder vernommen habt, der da lautet, daß zu hassen einfacher sei als zu lieben. Eine Lehre, die wir alle so hinnehmen.
Als drittes seien aufgeführt einige Worte, die mich schon immer inspiriert und auf immer neue Gedankengänge gebracht haben, die letzten Worte, die zwischen dem Herren und seinen Eltern und deren Brüder gewechselt wurden, die da waren: „So ihr mich nicht lieben könnt, so sollt ihr mich hassen lernen.“
Ein beeindruckender Satz von geradezu prophetischem Charakter wie ich finde, denn der Wille des verstoßenen Sohnes kann nicht sein, gehaßt zu werden, aber so sagte er doch voraus, in welche Richtung sich das Verhältnis zu den Vieren entwickeln werden würde.

All diese drei Dinge können für sich angezweifelt, aber nicht widerlegt werden. Wie bei so vielen Dingen entfalten sie ihr wahres Potential aber erst, so man sie verbindet.
So die Liebe stärker sei als der Hass, eine Floskel, die wir oftmals gebrauchen ohne ihren Sinn wahrlich erfassen zu können und der Herr das Starke liebt, so liebt er ebenso die Stärke, lieben zu können und so er wahrhaft stark ist, muß auch die Liebe sein Element sein, denn würde er hassen, wäre er nicht die Stärke, die uns alle durchströmt, denn sie könnte noch immer anwachsen.
Was es nun aber im Gegenzug bedeutet, daß so seine Eltern ihn nicht zu lieben vermögen mögt ihr selbst ermessen, da ich mir nur ungern den Vorwurf machen lassen würde, Euch Worte in den Mund gelegt zu haben. Ebenso, was es wirklich heißt, zu hassen, weil man zur Liebe nicht fähig ist, für einen selbst und für andere. Wie ich finde erklärt es gut, warum die Präsenz des Herren derart spür- und sichtbar ist, wohingegen das Wirken anderer Götter kaum bemerkbar scheint.
Dies alles mag Euch nun furchtbar theoretisch vorkommen und Eure sicherlich aufkeimende Frage nach dem Jenseits nicht klären, denn für Euch ist das was kommen mag Verdammnis. So dem so sei stelle sich aber die berechtigte Frage, was ihr nach Eurem Ableben vor zu finden erwartet. Einigen von uns wurde ein Einblick in das Danach gewährt, andere waren bereits dort, die einen kürzer, die einen länger. Sie kehrten zurück und nein, damit meine ich nicht die Skelette, doch so frage ich mich, wenn denn alles woran sie glaubten eine Lüge sei wie es Eure Geweihten propagieren, warum sahen sie dann nicht in ihrem neuen Leben ihren „Irrtum“ ein und wandten sich anderen Gottheiten zu? Sie taten es nicht, im Gegenteil, nur noch fester ist das Band, das Mensch und Gott bindet, das Vertrauen von einst der Gewißheit gewichen. Was mag Euch erwarten? Wißt ihr es? Könnt ihr es wissen? Man hört selten von Anhängern der Viere, die zurück kehrten oder einen Einblick erhielten. Sie vertrauen. Vertrauen auf das, was Menschen ihnen erzählen. Und Menschen sind schwach.
Dies mag als erster Einblick in diese fremde Welt genügen, so ihr an tiefer gehenden Einsichten interessiert seid schlage ich ein neues Treffen an diesem Orte vor, die Bedingungen seien dieselben wie die des letzten.

Hochachtungsvoll
S.


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BeitragVerfasst: 18.01.04, 14:32 
Edelbürger
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Registriert: 29.05.02, 11:50
Beiträge: 3569
*Einige Tage mögen nun schon ins Land gegangen sein, seit der Brief in jenem Astloch hinterlegt wurde.
Weiterhin stürmt und schneit es, doch an diesem Tage stapft, ungeachtet der beißenden Kälte und der strengen Witterung, eine einsame Gestalt durch die verschneite Landschaft. Stetig entlang der Küste hält sich der Mann, an dessen weiten Gewändern der Wind zerrt. Unermüdlich und mit zusammengekniffenen Augen wandert er weiter, den Blick auf das lichte Holz des Waldrandes gerichtet. Hier und da bleibt er stehen, einzelne Bäume genauer betrachtend, ehe er seinen Weg fortsetzt.
Wenig später hält er abermals inne. Diesmal länger und diesmal tritt er auf einen unscheinbaren Baum am Waldesrand zu. Langsam fährt er mit der behandschuhten Hand den Stamm ab, bis er etwas weiter oben eben jenes Astloch samt des Umschlages findet.
Schnell ist der Brief herausgezogen und in der Robe verstaut, bevor er sich auf den Rückweg macht. Nur wenige Augenblicke danach ist er dem Blick entschwunden...*


*...ein wenig später, im Fort:
Den letzten Schnee aus den Kleidern schüttelnd, lässt sich der Mann am Schreibtisch der Kommandantur nieder. Mit klammen Händen zieht er den Umschlag aus der Robe und öffnet ihn behutsam. Einmal, dann nochmals und abermals liest er jene Zeilen, ehe er Pergament und Federkiel aus der Lade des Schreibtisches nimmt und seinerseits folgende, kurze Antwort zu Papier bringt:*



"Ich entbiete Euch meine Grüße.

Verzeiht zunächst, sollte viel Zeit verstrichen sein, ehe Ihr nun meine Antwort auf Euer Schreiben erhaltet.
Der Krieg, seine Folgen und nicht zuletzt Ihr selbst hieltet mich ständig beschäftigt oder warfet mich gar darnieder. Denn Trauer ist es, die mich derzeit umfängt und mein Handeln unsicher macht.
In den langen Nächten in Schrein, Fort oder Hospiz hatte ich Gelegenheit um nachzudenken.
Nachzudenken über die Alternativen, die man mir aufzeigte. Nachzudenken über die Möglichkeiten, die mir verbleiben... Und letztlich auch nachzudenken, über den Pfad, den ich beschreite.
Doch all jene Gedanken werden vergebens und nichtig sein, wenn ich Euch abermals gegenübertrete. Auch weiterhin habe ich die Hoffnung, habe ich Euch, nicht aufgegeben und so mögt Ihr mir denn darlegen, was Euch zu dem macht, was Ihr seid, auf das ich verstehen kann und aus dem Verständnis heraus zu handeln vermag.
Fühlt Euch daher frei mir einen Zeitpunkt zu nennen, Ort und Bedingung sind in der Tat die Selben wie zuvor.

Mit ergebensten Grüßen,
Ein Falke."


*Kaum das die Tinte getrocknet, verschwindet der Brief auch schon in jenem Umschlag, aus welchem der erste stammte. Jenen versieht er zusätzlich noch mit einem "An S." ,ehe er ihn mit rotem Wachs versiegelt und sich zum Aufbruch rüstet. . . .
Eine Weile später befindet sich der Umschlag wieder im bezeichneten Astloch, sicher vor der Witterung verwahrt.*

_________________
I don't speak destiny.


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BeitragVerfasst: 18.01.04, 23:04 
Edelbürger
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Beiträge: 1325
Wohnort: Bauch
Nachdenklich sah die Frau auf das Schreiben. Nicht ganz, was sie erwartet hatte, aber trotzdem annehmbar.
Sie nahm einen Lederstreifen aus dem Rucksack, noch etwas blutig und ritzte mit einem gebogenen Messer einige Buchstaben hinein, ehe sie den Streifen in das Astloch stopfte.

Wenn man den Streifen entrollt kann man folgende Worte in eckigen, geritzten Buchstaben, lesen:

Gleich getan ist Zeit gespart
Morgen
selbe Zeit
S


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