- 7 Monate waren vergangen. Dunkelheit, Blut und dann Stille. Wie er eingezogen war, zog er nun auch wieder aus. Nasskalte Haarsträhnen hafteten auf seiner ihm fast glühend heiß erscheinenden Haut seiner hohen Wangenknochen und bevor er das große ovalförmige Stadttor durchschreiten wollte, drehte er sich leicht zurück, um in die sich verdunkelnden Straßen, die sich eng durch die ganze Stadt zogen, zurückzublicken. Ein wehmütiges Seufzen. Vergangenheit. -
Stadt aus Fels... Weteka. Santino konnte sich nicht erklären, warum er hierher gekommen war. Es gab auf Falandrien nichts mehr, was ihn dort hätte halten können und das kalte, karge Vandrien war wahrlich der letzte Ort, wo er sich hätte aufhalten wollen, denn von einem kurzen Tag zum kürzeren darauffolgenden Tag wurde der Wind eisiger, der flüsternd um die Stadthausecken kroch. Das sanfte Platschen in den Pfützen, an denen er vorbeitrat, kündigte den einsetzenden Regen an und er stellte sich den Kragen des Mantels auf, um seinen Hals vor der unangenehmen Nässe zu schützen, die es ihm kalt über den Rücken laufen ließ.
So ging er durch die Straßen dieser kalten Stadt, in der große Kohlebecken und zahlreiche Laternen Wärme und Licht zu spenden hatten, damit man in dieser belebten Einöde aus Stein und Dunkelheit überleben konnte. Dicht drängten sich die Menschen an ihm vorbei. Gesichter ohne Namen, überall – sie rempelten, waren in Unterhaltungen vertieft, in Gedanken verloren oder nach ihrem täglichen Handwerk körperlich erschöpft und suchten nur noch ihr Heim. Es schien fast so als wäre Santino der einzige auf seinem eingeschlagenen Weg. Wie ein Lachs, der sich entgegen dem Strom eine halbe Unendlichkeit zum Laichplatz vorkämpft, schritt er unerbittlich voran bis die langegezogene Masse sich lichtete und zu verschwinden schien. Er hörte etwas rhythmisch quietschendes über sich.
Santino blickte auf und er sah ein Gasthausschild, dass rostig in den Angeln hing. Das von ihm herrührende Geräusch war grässlich, dachte er sich bis er es schließlich so hinnahm als er das Bildnis darauf erblickte.
Seine Pupillen weiteten sich in Ungläubigkeit. Konnte es denn wahr sein? Hier? Er blickte prüfend hinter sich, ehe er sich den linken Ärmel hochschob, das Armband betrachtete und die Gravur mit dem Bildnis verglich. Der Leib einer nackten Frau, die sich in vollkommener Verzückung unter dem Dornenstrang einer Rose windet. Sofort schoss ihm das Bild des Mannes in den Kopf, von dem er dieses Armband als Geschenk erhalten hatte. Ein Schauer durchlief ihn als er an die tiefen, dunklen Augenhöhlen, das hagere Gesicht und das rostrote lange Haar dachte. Von der Neugierde ergriffen, drückte er schließlich die Tür zu dem Gasthaus auf, aus welchem ihm ein Dunst verrauchten Krauts und der Geruch von Absinth sowie Rum entgegenkam. Die Luft war von Braten und sonstigen fettigen Gerichten warm und bedrückend stickig.
Santino ging nur wenige Schritte zur Mitte des Gasthauses hin. Die Menschen um ihn herum ignorierten sein Eindringen und ließen sich von einem unbedeutenden neuen Gast nicht stören. Er blickte über die Gesichter, der an den Tischen Sitzenden. Alles Unbekannte. Bis er im Dunkel einer Ecke die Umrisse einer ihm vertrauten Gestalt zu erblickten glaubte, obgleich er sein Gesicht nicht erkennen konnte. So trat er auf diesen Tisch und je näher kam, desto klarer wurde das Bild von dem Sitzenden als sei Santino das Licht selbst. Es war Belgyr, der Dwarschim, der vor etwa 9 Monaten an ihn herangetretenwar. Santino lächelte heimlich in sich hinein als er sich setzte während Belgyr ihm bedächtig zunickte und den Rauch vor sich mit einer fließenden Handbwegung beiseite schob.
“Ich bin überrascht, Euch hier zu sehen, 'mein Freund'.” “Ich habe auf Euch gewartet. Man hörte, dass Ihr auf dem Weg hier her gewesen seid bevor Ihr wieder nach Siebenwind aufbrechen wolltet.” Santino schwieg. Wie konnte er das wissen? Selbst wenn Belgyrs Spitzel an seinen Fersen geklebt hätten und seine absurde Route hätten erahnen können wie war es ihnen gelungen, zu erfahren, dass er wieder nach Siebenwind wolle? “Ihr wollt mich beeindrucken, Belgyr? Selbst ein Narr wüsste, wo ich hingehen wolle. Schließlich habe ich 'hier' nichts.” Natürlich wusste er es besser, wie auch Belgyr. Er kannte den Inhalt des mit Blut und Ruß beschmutzten Briefes, den Santino nun schon seit 4 Jahren bei sich trug. “Aber was wollt Ihr, dass Ihr auf mich gewartet habt?” Santino empfand Belgyrs Ausdrucksweise für einen Dwarschim höchst befremdlich, aber Grund zum Kümmern gab es nicht. “Als ich erfuhr, dass Ihr ausgerechnet hier her wolltet, musste ich es ausnutzen, um Euch zu treffen, Santino. Wie versprochen... habe ich einiges hinsichtlich Eurer Vergangenheit in Erfahrung bringen können.” Nun hatte der Kleinwüchsige Santinos ungeteilte Aufmerksamkeit. Alles um ihn herum verschwomm, wurde unwichtig.
“Eine Schwester habt Ihr.” Santino zuckte innerlich zusammen. “Eine Halbschwester, um genau zu sein.” Eine Schwester? Santino? Belgyr schob einen versiegelten Brief über den Tisch, bei dessen Anblick Santino sich an die Abmachung erinnerte, auf welche er eingegangen war. “Dies sollte vorerst genügen und ich hoffe, dass Ihr nach Euren Familienangelgenheiten Eure Aufgaben für den Rest unserer wahrnehmen werdet.” Santino steckte sich den Brief in eine Innentasche seines dunklen Mantels, der bis zum Boden reichte. “Ihr macht mir als 'Freund' einen Gefallen/Ich als Euer 'Freund' mache Euch einen Gefallen.” Belgyr erwiderte nichts und lehnte sich wieder etwas mehr ins Dunkel seiner Ecke zurück, woraufhin Santino sich entfernte.
Die nun sogar frisch empfindbare Luft des frühen Abends Wetekas biss ihm in der Nase als er das Gasthaus verlassen hatte. Er war leicht verblüfft wo sie überall sesshaft waren, wärend sein Blick zum Schild hochfuhr, das grauenvoll in die Stadthausgassen kreischte. Er hatte sie offensichtlich unterschätzt – seine Freunde, die ihm alles gönnten.
Er ging eine Weile in die Richtung aus der er gekommen war, ehe er den Brief aus der Innentasche zog und und mit dem Zeigefinger das Wachssiegel brach.
Ihr Name lautete Merrique Deirdre Trouget. Sie war ein Bastard, aber wie sie an den Namen seines Vaters gekommen war, blieb unerklärt, aber waren dies eigentlich nur nichtige Details im Vergleich zu dem was er noch herauslas. Der Hexerei überführt wird sie von der Inquisition gesucht. Zuletzt wurde sie in Weteka gesichtet. Knapp und mit Worten ungeschmückt standen die Wirren Santinos Schicksals niedergeschrieben. Wenn er etwas mehr hasste als den virk, dann war es Ironie, vorallem die des Schicksals.
Am Ende des Briefes, der eher einem Bericht glich, war zu lesen, wo Santino auf seine Schwester treffen könnte und ohne Umschweife übergab er den Brief dem nächsten Kohlebecken, an dem er vorbeikam und machte sich auf.
Stunden vergingen ehe er das stattliche Haus erreichte, das hoch in den Himmel ragte, denn je näher er dem Ziel entgegengekommen war, desto langsamer waren seine Schritte geworden. Furcht? Es regnete nicht mehr, nur von den Dachrinnen goss es noch beträchtlich. Santino ging die Stufen zum Aufgang hinauf. Zwei Wachen standen links und rechts von der großen Flügeltür, die sie ihm öffneten. Vergnügt belächelte er dies und er trat ein. Als die Flügeltüren geschlossen wurden, ergab dies ein grässliches Geräuch was ihn an das Schild des Gasthauses erinnerte. Genau so stellte er sich das Zuschlagen von Kerkertüren vor, aber dies war kein Kerker. Santino blickte sich um. Innerlich war er wie erschlagen. Dies war eine Kapelle der “Heiligen Kirche der Viereinigkeit”! Welch ein dreistes Weib, diese Merrique. Am liebsten hätte er laut aufgelacht. Bei jenen unterzutauchen, von denen man verfolgt wurde. Großartig!
Aber wo war sie? Die Kapelle war klassisch gebaut. Ein Schiff mit einem Altar am Ende, dessen Weg dorthin auf beiden Seiten mit Sitzbänken gesäumt war, von denen wiederum links und rechts zwei Türen zu weiteren Räumlichkeiten führten. Die Wachen vor diesen ließen darauf schließen, dass diese Räume für Santino unzugänglich waren, weshalb er sich auf die nächstbeste der hinteren Bänke setzte, die Beine überschlug wie man es von Frauen her kannte und die Arme oben auf der Rückenlehne ausbreitete, dass er von Vorbeigehenden skeptische oder sogar verabscheuende Blicke erntete, denen er sich trotz der geschlossenen Augen bewusst war und er genoss sie mit einem diebischen Schmunzeln. Er wartete.
Nach einer Weile des Spielens wurde ersichtlich wie euphorisch und daraus folgend unüberlegt er dieses Unterfangen angegangen war. Was sollte er ihr denn sagen, wenn er sie überhaupt finden sollte? Wenn er sie nicht fände, was sollte er dann tun? So viele Zweifel beschlichen ihn nun, begannen an seiner Hoffnung und seinem Willen zu zehren und...
Ein Knarren der Sitzbank rechts von sich. Abrupt schlug Santino die Augen auf und den Kopf starr zum Altar vor sich gerichtet, blickte er aus den Augenwinkeln neben sich. Es war eine junge Frau, die in ähnlicher Haltung wie Santino selbst sich zu ihm gesetzt hatte und ruhigen Gesichtsausdruckes die Fresken an der Decke betrachte, welche die himmlische Feste mir ihren Laf'ay darstellte. Sie trug ein schlichtes, aber klassisches Kleid, welches durch ein tiefes Schwarz und einem flammenden Rot ihre schlanke und weibliche Figur betonte. Ihr langes Haar war braun bis rötlich und nach oben gesteckt, dass ihr Schwanenhals vollkommen nackt war. Ihre Haut war herrlich glatt und hell, was Santinos Blick irgendwie auf ihre Augen und ihren Mund lenkte. So waren ihre Brauen schmal und natürlich wild geschwungen. Direkt ihr Profil sehend, erkannte Santino ihre langen Wimpern wie sie im spärlichen Licht der Kapelle schimmerten und wenn sie blinzelte, schien es, als würde abrupt eine Blüte zur Vollkommenheit erblühen.
Langsam wandte sie sich ihm zu, dass er jede Regung ihrer Halsmuskeln und Arterien erregt bemerkte und peinlich berührt wie er sie angesehen hatte, blickte er flüchtig zum Altar hin ehe er es wieder wagte, sie anzusehen. Das Grün ihrer Augen glänzte auf eine für Santino mystische Weise und erinnerte ihn an die strahlendsten, tiefgrünen Wälder, die er noch nie gesehen hatte. Erst blickte sie ihn verwundert an. “Euch sehe ich zum ersten Male hier.” Ihre sinnlich dunkelroten Lippen mit dem selben klassichen Schwung Santinos formten das sanfteste, aber auch zugleich verführerischste Lächeln, dass ihm jemals geschenkt wurde. Es war schlicht entwaffnend.
“Bis heute hatte es für mich nie einen Grund gegeben, hier her zu kommen.” Darauf lächelte sie nur und Santino überkam Erleichterung als sie nicht weiter fragte.
Sie kamen schnell und ungezwungen ins Gespräch und Santino erfuhr, dass sie in der Kapelle mit dies und jenem aushalf und als Gegenleistung im Ordenshaus eine Bleibe gefunden hatte. Sie erzählte, dass sie sich sehr gut mit Salben und Tränken verstünde was man bei der Kirche am meisten schätzte und nur dort kämen ihre Fähigkeiten sinnvoll zur Geltung. Ihre Sanftmut, ihre Ehrlichkeit und ihr Idealismus verzauberten Santino, obgleich er sich über solch Werte stets amüsiert hatte, aber ihre Unschuld war zu rein und fern vom Greifbaren, dass er es nicht konnte.
Ihr erzählte er, dass er nur auf der Durchreise gewesen sei, da er Schreiber für allerlei Auftraggeber sei, was sie doch überraschte, weil Santino ihr doch recht jung für solch Arbeit erschien und dass es gar eine ungwöhnliche war – für einen Vandrier.
“Ach, verzeiht. Ich vergaß, mich vorzustellen. Santino ist mein Name.” Sie stand langsam auf und er tat es der Höflichkeit wegen ihr nach. “Nennt mich Merrique.” Wieder dieser Blick, der alles vergessen ließ und das Lächeln, das ihn hätte in die Knie zwingen können. Dann erkannte er jedoch ihre Worte... Stille, und plötzlich begann, sich um ihn alles zu drehen und sein Geist wehrte sich gegen die Dunkelheit, die ihn zu übermannen drohte. Sein Atem stockte. Merrique... Seine Pupillen weiteten sich, der Blick wurde trübe. Ein unsichtbarer Hauch wehte ihm sonderbar einige Haarsträhnen ins Gesicht. Die Luft in seiner Lunge empfand er nun scharf und schneidend.
Sie fragte ihn, ob er sie zum Ordenshaus begleiten würde und nahezu unendlich langsam nickte er. Wie betäubt verließ er an ihrer Seite die Kapelle Richtung Ordenshaus, das nur einen viel zu kurzen Spaziergang von der Kapelle entfernt war.
Die drei Monde blickten stumm und voller Schrecken neben den gleichgültigen Blicken der Sterne auf die beiden ab als sie den Eingang erreichten. Sie fragte ihn, wie lang er noch in Weteka bleiben würde und ob er nochmals wiederkommen würde, aber Santino konnte es ihr nicht sagen. Er ließ sie am Eingang stehen und wandte sich schnell dem Dunkel der Nacht zu, von welcher er Rat erhoffte.
Fast bis zum Morgen streunte Santino durch die schlechtesten Viertel Wetekas, stets von den meist schweigsamen Geschöpfen der Nacht begleitet. Eine Taverne nach der anderen suchte er auf, in welcher er seine aufkeimende Verzweiflung im Absinth zu ertränken versuchte. Es half nichts. Es verschärfte seine Hoffnungslosigkeit und es schien ihm, das Wispern um seiner Gestalt herum würde ihn und seinen Zustand beklagen. Sie war Merrique, die Unschuld, in welcher er sich mit Leib und Seele verliebt hatte, seine Schwester. Es war aber keine Liebe wie zwischen Geschwistern...
Die nächsten Tage verbrachte Santino eingeschlossen auf einer Stube des Gasthauses, in dem er Belgyr begegnet war. Dieser war wohl schon fort, um Santino seinem Schicksal zu überlassen, dachte er sich. Santino wagte es nicht, seine Schwester wieder aufzusuchen. Zu große Furcht empfand er und er versuchte sich einzureden, dass er vernarrt sei – Faszination, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Santino belog und betrog sich wie er nur konnte, nur um etwas Ruhe für Schlaf finden zu können, aber sobald er wieder erwachte, was ihr Gesicht das erste was er vor sich sah und seine Seele schien in seinem Fleisch gefangen als wollte sie ausbrechen, dass Santino Zittern heimsuchte.
Gelegentlich klopfte wer an der Tür und fragte, ob alles in Ordnung sei, ob man Hilfe brauche, aber wie wollten sie ihm schon helfen können. Santino sah sich am Rand eines Abgrundes stehen.
Aber all sein Bemühen, seine Gefühle bändigen zu können, schlugen fehl. Er fühlte, er würde sterben, wenn er nicht zu ihr gehen würde und so nahm er seinen noch vom Regen durchnässten Mantel vom Bett und machte sich am späten Nachmittag zum Ordenshaus auf, was im Gasthaus durchaus Aufsehen, Verwunderung, aber vorallem Erleichterung hervorrief.
Stunden stand er in einer Gasse, versteckt in einem Schattengeflecht, das sich um ihn wand, und beobachtete das Haus, in welchem “SIE” war. Die Nacht brach gerade herein und der Gedanke wie sie sich nun für die Nacht fertig machte, erregte ihn umso mehr. Er konnte sich keinen Plan überdenken, seit mehreren Tagen konnte er nicht mehr klar denken. Sein unersättliches Herz bestimmte fortan sein Handeln und so entschloss er sich, in das Ordenhaus einzubrechen, woran ein Niemand ihn hätte hindern können. Lautlos schlich er durch die mit Teppichen ausgelegten Flure und trat von einer geschlossenen Tür zur nächsten bis er vor einer Halt machte, in der noch Licht zu brennen schien. Wahrscheinlich war es nur eine Kerze, aber selbste das kleinste Licht hat in der Dunkelheit eine übewältigende Geltung.
Er öffnete die Tür quälend langsam und dazu knarrte diese penetrant und verräterisch. Er sah sie in einem Nachthemd auf der Bettkante sitzen. Ihr Rücken war ihm zugewandt und weinend blickte sie in die Kerze vor sich. Der Klang ihres Wimmerns brach Santino fast das Herz. Das Bett gab leicht nach als er sich hinter ihr auf dieses setzte und mit seinen Fingerspitzen zärtlich ihren schlanken Hals berührte. Sie drehte sich ihm langsam zu, sie erschrak nicht und unter seinen Fingern spürte er das Leben in ihren Adern, die ihm so zierlich erschienen. “Ich verstehe nichts mehr...” sprach sie unter Weinen zu ihm und sie war sichtlich verwirrt und eine Unsicherheit in ihrer Stimme ließ diese zittern. Santino konnte nicht mehr... zu sehr glaubte er sie zu lieben, sie zu begehren. In diesem Moment, das schönste Wesen auf Tare vor sich zu haben, legte er jede Bürde von sich ab und er spürte nur noch Begehren. Nichts konnte ihn mehr daran hindern. Er nahm sie in die Arme und er wusste, dass sie genauso fühlte und gelitten hatte wie er selbst. Es gab keine Erklärung dafür. Es war einfach so. Er hielt sie fest und liebkoste küssend ihren seidigen Hals und ihre tränenbefleckten Wangen, er trank von ihren Tränen. Es löste sich von ihr und rasend zog er sich den Mantel aus und warf diesen beiseite. Einen Moment musste er auf seine Hände blicken und dann sah er sie an. Ein unerklärlicher Ausdruck unbestimmten Staunens lag in ihrem auf sich bannennden Blick und ihre Tränen schimmerten hübsch im Licht des Feuers. Dann legt er ihr seine Hände auf den Kopf, fühlte ihr Haar, fühlte ihren Kopf und ihre Wangen und ganz plötzlich kannte er sie, kannte die Ehrlichkeit ihres Lebens und seine Intensität und er wusste dass sie unbestreitbar das war, was er wollte. Er schob die Hände unter ihr Nachthemd, berührte ihren schmalen, schlanken Körper, so heiß, so köstlich unter seinen nackten Fingern. Er senkte den Kopf und küsste die Spitzen ihrer Brüste. So allein, so voller Angst, aber auch so stark, so überaus unnachgiebig stark. “Merrique...” flüsterte er.
Er fühlte, wie sie seufzend nachgab, einer gebrochenen Rosenblüte gleich, und mit dem wachsenden Verlangen verschwand aller Schmerz in ihr.
Dann wieder Stille und er befand sich wieder auf der Straße, auf der er in bitterem Schmerz in die Nacht schrie. Er rannte und rannte und rannte als könnte er die Sünde hinter sich lassen, aber sie war immer bei ihm wieder auch der Schatten, der ihm an den Wänden folgte. Der Schmerz war nicht mehr bittersüß, er war nur noch grausam und unerbittlich. Er liebte sie und das war falsch, wofür er schlimmste Qualen zu leiden hätte... er sah sich nun in den Abgrund stürzen. Die körperliche Erschöpfung zwang in in die Knie und dann war nur noch Finsternis.
- Ein langgezogener, bitterlicher Seufzer und Santino wandte sich dem Tor ganz zu. Merrique würde bald erwachen, dachte er sich. Sie würde seinen Schmerz teilen, aber frei von dem Wissen, wen sie liebte und von wem sie geliebte wurde. Santino ließ Weteka hinter sich. Nun würde er die Abmachung erfüllen müssen. -
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