Sie wirft ihm eine Büchlein mit einenangehefteten Zettel vor die Füsse und wendet sich murrend ab.
Auf den Zettel steht:
Illuison, der schimmernde Pfad der Lüge. Der wohl am gering geschätzteste Pfad. Lies, was ich einst niederschrieb und entscheide selbst, ob du diese Pfad betreten willst.....
Das Büchlein zeigt beim Öffnen ein paar engbeschriebene Seiten, die letzten wurden herausgetrennt.
Queloh - tif Tradif wrathe
Illusionen - wider der Armut des Geistes
Wer vermag schon zu sagen was Wahrheit und was Lüge ist, in einer Welt, in dem sich die beide Geschwister aneinander schmiegen wie verliebte Katzen in der Nacht? In einer Welt, die weder in strahlenden Licht getaucht ist, noch in absolute Finsternis gehüllt? Wir, die wir durch die Schatten wandern auf der Suche nach Wissen..... Wem können noch trauen? Dem Urteil unserer Augen?Wie leicht sie doch zu täuschen sind! Dem Ratschlag unseres Herzens? Wie leicht es doch zu betrügen ist! Der Unbestechlichkeit unseres Geistes? Wie töricht, sich für unfehlbar zu halten! Verloren wie Kinder stehen wir im dunklen Wald der diesseitigen Sphäre, unsere Weg eher ertastend, als wahrhaft sehend. Und bei all der Unsicherheit, muss man nicht die Illusion, die Schwester der Lüge nicht verurteilen? Sie nicht alls Verrat an der Wahrhaftigkeit gar verdammen? Und alle die sich für diesen Weg der arkanen Wissenschaft aus der Gemeinschaft der Wissenden ausschliessen?
Doch sind es nicht vielmehr gerade die Täuscher, deren Augen tiefer blicken als alle anderen? Denn wer, wenn nicht die, die Masken tragen, ahnen die Masken bei anderen? Hegen nicht gerade sie den Wunsch die Maske, die die Antworten verbirgt, zu entreissen um der Wahrheit ins Gesicht zu blicken? Denn eine gute Lüge, kann nur weben, der die Wahrheit zumindestens ahnt.... So wendet Eure Augen nicht ab, bevor ihr nicht hinter den Spiegel geblickt habt! Denn im Schein spiegelt sich das Sein.
Folgt meinen unsicheren Schritten auf den trügerischen Pfad der Schatten. Wohin er führt? Wer mag es sagen. Seht mit meinen Augen, und sei es nur für einen Schlag eures Herzens. Denn kein Auge sieht gleich und dies ist bereits das erste Siegel auf den schimmerden Pfad.......
Kapitel 1: Narra Nas
Die Macht der Lüge
Scharlatane, Gaukler. Wie oft sieht man auf die herab, die den schimmernden Pfad folgen. Als Taschenspielerei und Blendwerk für Narren bezeichnet man ihr Wirken. Gerade noch ausreichend dummen Bauern das Geld aus der Tasche zu ziehn........ Armselig die, die ihre Gabe auf solch nutzlosen Zeitvertreib verschwenden! Ein wahrer Adept formt die Welt nach seinem Willen, er webt die arkanen Fäden neu und verändert das Muster auf dem Webstuhl des Schicksals. Doch wozu ein Wesen zu Boden zwingen, wenn es ausreicht ihm vorzugaukeln, es hätte bereits verloren? Wozu die zerstörerische Macht der Elemente entfesseln, wenn der Anschein ihrer Existenz gleich Wirkung hat? Welch groß ehrgeziges Werk! Und was für eine bedauerliche Verschwendung...... Wozu eine Tür mit Gewalt eintreten, wenn man sich den Einlass er schmeicheln kann? Oder wenn man die Schlösser, die den Zugang zu den tieferen Geheimnissen verwehren, mit List überwinden kann? Wozu die rohe Entfaltung von Macht, wenn ein Windhauch gleiche Wirkung hat? Warum die Regeln brechen? Wenn es reicht sie zu beugen? Vermutlich lächelt ihr, mit jenem Lächeln, das so oft aus den Antlitz derer entgegenstrahlte, die mein räudiges Fell sahen: "Es ist doch nur Trug.... Eure Flammen brennen nicht wirklich...... Ich müsste nur hindurchgehen..." Aber würdet ihr es? Denn was unterscheidet echte Flammen von vorgegaukelten? Der Schmerz, wenn man sie durchschreitet? Ein Wagnis..... Denn selbst der Schmerz ist nur die Stimme eures Körpers, und dieser ist so leicht zu täuschen........
Was ist die grösste Macht auf Erden? Es ist der Glauben! Denn er beherrscht das Denken aller Wesen, und das Denken beherrscht das Handeln....... Eine Armee die am Sieg zweifelt, hat bereits verloren. Eine Tür, die man nicht sieht, ist uneinehmbarer als eine die der stärkste Riegel schützt. Erschüttet den Glauben eines Wesens, und es wird hilflos sein. Nicht mehr wissen, ob es seinen Sinnen trauen darf, nicht mehr wissen, was Freund und was Feind. Schaudert es Euch? Erahnt ihr den Abgund der sich vor euren Füssen auftut? So folgt mir weiter, den Zweifel ist das zweite Siegel auf den schimmernden Pfad.......
Kapitel 2: Rur trinva
Das Spiel der Täuschung
Woher stammt unser Wissen? Aus der Erfahrung -sei es unsere eigene, oder die unserer Adarai. Doch wodurch erfahren wir etwas? Durch unsere Sinne. Nichs gelangt in unseren Geist, als das was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder erfühlen. Unser Geist ist im Körper eingschlossen, wie es ein Gefangener in der Kerkerzelle ist, der nur durch ein kleines Fenster nach draussen in die Welt hinausstarrt. Was aber, wenn jemand diese Fenster verschliesst? Und wie kann dies geschehn?
Grundlegen gibt es wohl sechs Spielarten der Täuschung:
1) Trinva lai - die Augentäuschung
Sie ist wohl die bekannteste und am häufigsten eingesetzte Art des sinnenverwirrenden Spiels. Häufig denkt man dabei an das einfaches Blendwerk, wie etwas das Farbenspiel, bei dem der Weber in schneller Folge bunte Tücher aus dem Mund zieht und sie in seiner freien Hand zu einen seidig schillernden Haufen türmt. Mag der Beginn des Farbenspiels auch wie einfaches Fingerspiel wirken, so wird der Betrachter, wenn er es einmal bis zum Ende sehen kann, spätestens dann an seinen Augen zweifeln, wenn der Täuscher beginnt aus den Tüchern einen Regenbogen zu weben und zum Lichtertanz, der zweiten Stufe der Kunstfertigkeit übergeht. Doch dies sei einem weiteren Abschnitt auf meinen Pfad überlassen.
2) Trinva vlur - die Ohrentäuschung
Weit seltener ist hingegen die Ohrentäuschung, da grössere Illusionen ein gewisses Talent und eine Liebe zur Musik vorrausetzen. Als Beispiel will ich hier das Stimmwerfen anführen, das oft mit den den Künsten des bunten Volkes verwechselt wird. Während die Spieler durch ihre Atmung dem stauenden Volk glauben machen, eine Puppe könnte reden, lässt der Weber seine Stimme, die noch immer seine Lippen verlässt, durch den Raum schweben oder gar aus einem fremden Mund erklingen. Wieder sehe ich vor meinen geistigen Augen das milde Lächeln, auf so vielen Antlitzen erblühen..... Doch was glaubt ihr war "Feliandras Schrei" in der Sichelschlacht, der die Rösser ihrer Feinde zu Raserei trieb, wenn kein Stimmwurf?
3) Trinva snehe - die Geruchstäuschung
Nur wenige ist bekannt über diese Spielart des schimmerden Pfades. Wird doch der Geruchsinn der Menschen als zu schwach ausgeprägt angesehen, als das man sich auf diesen Sinn verlassen könnte. Bekannt wurde wohl "Darla's Fluch", den sie nach ihrer Vergewaltigung auf Terbas liegte, der daraufhin bis an sein Lebensende nach fauligen Fisch stank und völlig vereinsamt starb. Wer aber jemals in einer einsamen Nacht, seine Nase in das Hemd des abwesenden Liebsten drückte, und sehnsuchst voll seinen Duft trank, wird ermessen können, wie viel Macht ein Duft über uns haben kann, gerade weil wir uns dessen kaum bewusst sind......
4) Trinva slizz - Die Zungentäuschung
Als Handlager der Giftmischer werden Weber dieser Kunst oft gebranntmarkt, denn allzuoft wurde in meiner Heimat Ji, "die Suesse", eingesetzt um den bitteren Geschmack des Giftes zu verschleiern. So mancher Leibkoch erwies sich im nachhinein als Magiedilettant, wenn man ergründen wollte, warum niemand seine gerühmten Speisen nachkochen konnte. Auch wurde die Feste Bragazz gehalten, weill die Belagerer glaubten sämtlich Brunnen in der Umgebung seien vergiftet worden, sie aber nur eine Zungentäuschung unterlagen, die Anwizz gewirkt hatte.
5) Trinva lazra- die Handtäuschung
Sie ist eine der höheren Disziplinen des schimmerden Pfades, denn eine guter Trug erfordert nicht nur die Illusion der Struktur der Oberfläche, sondern auch des Gewichts und der Wärme, die der nur scheinbar vorhandene Körper vermitteln soll. Zur Disziplierung des Geistes fordert man von den Adepten der wandernden Zitadelle "Stein und Feder". Ihr Adarai nimmt in seine Linke die Feder eines Falkens und in die Rechte einen Bergkristall. Erst wenn es dem Noanai gelingt, seinen Lehrer glauben zu machen Stein sei Feder und Feder sei Stein, wir ihm der Zugang zu der Herzkammer gewährt. Es heisst, als der betäubte Arun-Dal im Kerker von Tar-Namoth erwachte und man ihn vor Ysiria, der Dämonenbuhle führte, er ihr in die Augen blickte und ihr, die durch nichts, was Tares Leib entsprang verletzt werden könnte, ein Schwert, das allein seinem Geist entsprang, durch Herz stiess. So war es denn ihr eigener Glaube, der sie tötete........ Doch mögen dies auch nur Geschichten sein, denn kein Sterblicher, berichtete je wieder Arun-Dal oder Ysiria je wiedergesehen zu haben......
6) Trinva mor - die Traumtäuschung
Häufig auch mit "drat wrathe" in Verbindung gebracht. Der direkte Zugriff auf den Geist eines anderen Wesen, sei es im Wachen oder im Traum, ohne Beinflußung der Sinne und die Manipulation des selbigen. Von vielen Gelehrten ins Reich der Legenden verwiesen. Von noch mehr verdammt als schlimmste Art der Versklavung. Häufig zählt man das "namenlose Grauen", "Dorians Spiel" und "Hermions Reise" zu diesem Gebiet. Auch der der gildenmagische "Reckenschreck", der dem Opfer für einen Lidschlag die Ausgeburt seiner Ängste vermittelt, ist hier wohl zu nennen. Die Traum- oder Geisttäuschung zählt als Meisterweg des schimmernden Pfades und ist wohl nur Eingeweihten zugänglich.
Doch allen Täuschungen ist es gemeinsam, das der Adept sie mit aus ganzen Herzen weben muss. Eine halbherzige Täuschung wird niemanden blenden. Und dies ist auch schon das dritte Siegel auf den schimmernden Pfad: Hingabe.
Kapitel 3: La' is Yhorn Der blinde Fleck
So fein, so hingebungsvoll, so kunstreich eine Ilusion auch gewoben sein mag, sie wird doch scheitern, wählt man das falsche Ziel für die Blendung. Stets muss sich der Weber fragen, welche Schwäche er sich für seine Täuschung zu eigen machen will. Er muss den "blinden Fleck" erspüren, um den er die Lüge wirken will.
1) Inje Amon - die Selbstverhüllung
Sie ist oftmals der erste Schritt auf den schimmernden Pfad. Jeder Weber, gleich welchen Zweiges ist an seinen Körper gebunden.Durch seine Gesten und die Worte der Macht greift er in das arkane Gewirk ein. Je weiter sich der Punkt der Manipulation der Sphärenfäden von seinen Körper entfernt, umso grösser werden die Anforungen an sein Talent sein. Denn würde sonst jemals ein Adept sein sicheres Studienzimmer verlassen, wäre er nicht den Fesseln Tares unterworfen? Würder er nicht seine Zauber auf den Schwingen seinen Geistes nach seinen belieben an fernste Orten senden? Was liegt also näher, die Lüge so nah an sich zu binden, als irgend möglich? Und welcher Körper ist dem Weber vertrauter als der eigene? Auch kann man durch die Verhüllung mehr als nur ein Wesen täuschen, denn sie wirkt auf alle die sie wahrnehmen. Aber wie bei allen Dingen liegt in der Stärke auch die Schwäche...... Die Blendung kann nicht vom Weber losgelöst sein, und stimmt er sie auf ein bestimmtes Wesen ab, so wird ein anderes Wesen sie vielleicht durchschauen. Der bekannteste Zauber der Selbstverhüllung ist wohl "die Narrenkappe", zurückgehend auf Hermion, der 17 Jahre lang in Gestalt des buckligen kleinen Hofnarren seinem Fürsten diente. Bis zur Schlacht am Rabenpass ahnte keiner, dass sich hinter der Maske des scharfzüngigen "Göckchens" einer der begnadensten Weber verbarg, der jeden Anschlag auf des Leben seines Herrn verhindern konnte. Aber dies soll Gegenstand einer anderen Abhandlung sein.
2) Trinva zlur - Die Fremdtäuschung
Die wohl persönlichste und kunstvollste Form der Täuschung. Der Weber konzentiert sich dabei ganz auf den blinden Fleck des zu täuschende Wesens. Er manipuliert allein dessen Sinne und webt den Zauber nur um dieses Geschöpf. Dadurch sind filigraner Gespinste möglich, als bei der Selbstverhüllung, die oftmals nur auf eine Spielart bergenzt sind. Bei der Fremdtäuschung verschmelzen oft Augen- und Ohrentäuschung zu einer fast perfekten, ganz auf das Wesen abgestimmten Illusion. Die grösse Schwierigkeit liegt aber bei dieser Art der Blendung darin, die natürliche magische Resistenz des bezauberten Wesens vollständig zu durchbrechen, was bei einer Selbstverhüllung im geringeren Maße erforderlich ist, da dort hauptsächlich gegen den Zweifel und das natürliche Misstrauen angekämpft werden muss. Auch ist der Täuscher hilflos, wenn unerwartet ein weiteres Wesen hinzukommt, das von keiner Blendung beeinflusst ist. Die wohl mit Abstand am häufigsten genutzte Scherze aus diesem Gebiet der Illusionsmagie sind die "roten Schuhe", bei dem man seinem Opfer vorgaukelt seine Stiefel stehen in Flammen und "Mantelschwund", bei der der Bezauberte glaubt, er stehe plötzlich völlig nackt vor den anderen.
3) Nas urtuas - die gefesselte Lüge
Sie wird weder auf den Täuscher noch auf das zu täuschende Wesen gewirkt, sondern auf ein anderes Wesen oder einen anderen Gegenstand. Man unterscheidet daher Nas urtuas pid Yhorn und Nas urtuas pid Xay. Sie erforder die meiste Disziplin des Adepten, denn er muss den Zauber nicht nur perfekt weben sondern ihn binden. Wer schon einmal ein Manae-Dreick webte, wird ermessen können, wie schwer es ist die ungezügelten Kräfte des Sphären fest zu binden. Noch schwieriger ist es ein komplexes Muster so über den Gegenstand zu weben, das er weiterwirkt, auch wenn sich der Adept später entfernt. Auch hier ist nach dem Weben keine Korrektur mehr möglich. Die Möglichkeiten, die sich hieraus für die Tänzer auf den schimmernden Pfad ergeben, sind so weit gefächert, das sie wohl unzählige Enzyklopädien füllen könnten. Darum will ich hier nur auf "Jur luluas", die verlockende Falle und auf "argeb amon", die verborgene Tür hinweisen will. Als legendär gilt "Anselmo's Geschenk" an seinen Geliebten Anterion, einem Meisterdieb aus dem alten Hafenviertel Fethalas, das wohl im Volksmund besser bekannt ist als "der Tarnmantel".....
Zuletzt geändert von DEZZ: 10.12.03, 20:24, insgesamt 1-mal geändert.
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