Die nachfolgende Geschichte ist an den Hintergrund von Siebenwind angelehnt, wenn auch wohl nicht ganz konform mit ihm. Aber was solls, es ist schließlich nur eine Geschichte
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Der silbrige Astreyon stand tief über den nebelverhangenen Ausläufern des
Seelenwaldes und die Einwohner des kleinen Dorfes Schattendorn hüteten sich
ihre Häuser zu verlassen. Es war einer jener Nächte in denen man noch
zusätzlich einige Kerzen aufstellte und sich dann gemeinsam in der Stube
traf um sich Geschichten zu erzählen - alte Geschichten voller Macht.
Nur wenige Eingeweihte wissen um die Macht der Worte, oftmals Barden
und Geschichtenerzähler, die dieses Geheimnis schützen wie ihren Augapfel.
Sie geben das Wissen von Generation zu Generation weiter und die Macht der
Worte wird schwächer, bis sie eines Tages ganz verschwunden sein wird.
Doch dieser Tag liegt in ferner Zukunft.
Ein Träger dieses Wissens, ein alter Geschichtenerzähler aus Ventria,
war auf seiner Reise von Lafay's Stab nach Garan zu weit in den Osten
abgekommen und hatte schließlich dieses kleine Dorf am Rande des
Seelenwaldes erreicht, wo er Unterkunft bei einer Bauersfamilie fand.
Als Lohn für ihre Großzügigkeit versprach er ihnen sie mit seinen
Geschichten zu unterhalten und nun war die Zeit gekommen. Alle saßen
um das Herdfeuer versammelt und lauschten mit gespannten Blicken den
Worten des Alten, der gerade eine Geschichte über einen kleinen Hund
zu Ende brachte. Sie war sehr traurig gewesen, hatte jedoch ein glückliches
Ende gefunden, weshalb die Familie auch einen Teil der Finsternis draußen
vergessen hatte.
"Nun habt ihr die Mär von dem kleinen Hund gehört. Doch eigentlich gibt
es da noch eine viel interessantere über die Brüder der Hunde. Aber sicher
kennt ihr die schon."
"Nein, Herr, bitte erzähl sie uns!"
"Ihr habt noch nie von den Werwölfen des Seelenwaldes gehört?"
Wie zur Unterstreichung seiner Worte ertönte vom nahegelegen Wald das
langgezogene Jaulen eines Wolfes. Um diese Jahreszeit näherten sie sich
nur selten dem Dorf und der Wolf war wohl auch mehrere Morgen
entfernt, dennoch reichte es aus, damit die Familie einen kleinen Satz auf
ihren Stühlen machte.
"Nun, so lauscht dem Ungeheuerlichen, dass sich vor einigen Jahren in
Lichtklamm ereignete, tief im inneren des Schattenwaldes. Es war eine
Nacht ganz ähnlich der heutigen und der Nebel lies einen kaum zwei
Schritt weit sehen. Der Wirt der dort ansässigen Taverne wollte sie
gerade schließen, als ein Fremder durch die Türe kam. Er sah wild aus,
das Haar zersaust, die Kleidung heruntergekommen und rissig und auch
sonst wirkte er nicht sehr vertrauenswürdig. Zu erst wollte der Wirt
ihn deshalb auch gleich wieder herauswerfen, doch im selben Moment
als die Lippen sich bereit machten die Worte zu formen viel ein
klimpernder Lederbeutel auf den Tresen des überraschten Mannes und
einige Münzen rollten hervor.
"Den Beutel sollst du behalten, wenn du mir ein Mahl und eine Unterkunft
gewährst.", brachte der Wilde mit rauer Stimme hervor. Von Geldgier
gepackt griff der Wirt zu und bot dem Fremden an sich zu setzen, während
er sich beeilte noch etwas von dem guten Wein und dem Schweinebraten
aufzutreiben, den er vor kurzem zubereitet hatte. Der Gast hatte sich
inzwischen aus seinem schäbigen Umhang geschält und jenen neben sich
auf die Bank gelegt.
"Ich hoffe es schmeckt euch!", brachte der Wirt diensteifrig hervor,
als Antwort bekam er jedoch nur ein leises und tiefes Brummen zu hören.
Einige Zeit beobachtete er den Fremden beim Essen, dann musste er
seiner Neugier nachgeben.
"Was treibt euch in diese Gegend?"
Es dauerte einige Zeit bis eine Antwort kam.
"Die Jagd."
"Ihr seid Jäger? Oder gar ein Waldläufer?"
"Ich bin ein Jäger... ja. Aber ich jage nur eine Art von Tieren."
"Kann man davon denn leben?"
"Es ist Schicksal."
Mit dieser Antwort hatte der Wirt nicht gerechnet und so war er zurecht
ein wenig verwirrt und schwieg eine Weile.
"Was jagt ihr denn?", fragte er dann doch wieder.
"Wölfe."
"Wölfe? Ah... nun das erklärt ja auch warum ihr hier seid. Davon haben
wir recht viele hier. Der alte Merjak vom Svahof wurde neulich von ihnen
angefallen und übel zugerichtet."
Irgendetwas musste den Jäger nun doch aufgeschreckt haben, denn plötzlich
sah er etwas verstört von seinem Essen auf.
"Vom Svahof sagtet ihr? Wo liegt dieser?"
"Oh... gleich im Westen des Brunnens. Ihr könnt ihn garnicht verfehlen."
Stumm nickte der Fremde, dann schob er seinen halbvollen Teller zurück
und erhob sich langsam.
"Ich würde mich nun gerne hinlegen."
"Sicher doch, ich zeige euch das Gästezimmer."
Als der Wirt am nächsten Tag den unheimlichen Mann von letzter Nacht
wecken wollte stellte er fest, dass dieser schon aufgebrochen war. Aber
er hatte ja den Lederbeutel zurückgelassen, also machte er sich keine
weiteren Sorgen.
Etwa zur gleichen Zeit pochte es an der Türe des Svahofes und eine
junge Magd öffnete die Türe. Ihre Augen wanderten an einem wild
aussehenden Mann in schäbigen Kleidern in die Höhe, doch ehe sie
zu einer Entgegnung ansetzen konnte stand er schon halb in der
Türe und begann zu sprechen.
"Den Vieren zum Gruße, darf ich mich vorstellen? Ich bin Gerald, der
Sohn des Bruders von Merjak. Ich hörte er soll hier wohnen?"
"Der Neffe von Merjak?", die Magd musterte ihn misstrauisch.
"Ja, er wohnt hier, dass ist sein Hof, aber er hat nie einen
Bruder erwähnt, noch einen Neffen."
Der Fremde schenkte ihr ein freundliches Lächeln, so gut es eben
unter dem dicken verfilzten Bart möglich war.
"Ja... er und mein Vater konnten sich nicht sonderlich gut leiden,
aber ich denke es ist Zeit den Zwist beizulegen. Deshalb bin ich
hier."
Die Naivität der Magd schien zu siegen, denn nach einer kurzen Pause
und einem leichten Nicken trat sie einen halben Schritt beiseite
und gab so den Weg frei.
"Ich kann euch aber nicht versichern, dass mein Herr gerade zu
sprechen ist. Er wurde neulich von einigen Wölfen angefallen
und liegt seit dem im Bett. Die Heiler versuchten was sie
konnten, doch bis jetzt haben sie nichts erreicht. Ich werde
einmal nachsehen ob er wach ist."
"Habt vielen Dank."
Für eine kurze Zeit verschwand die Magd durch eine Nebentür, die
der Fremde nutzte um sich in der Bauernstube umzusehen, dann
kehrte sie zurück und winkte ihn mit sich.
"Er ist wach, aber ihr solltet ihn nicht aufregen."
"Habt nochmals vielen Dank."
Am Ende eines staubigen engen Ganges blieb sie zurück und deutete
auf eine altersschwache Türe. Der vermeindliche Neffe musste sich
ducken als er das Zimmer betrat und seine Augen brauchten einige
Zeit um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen, dann jedoch erblickte
er den alten Mann in seinem Bett. Seine Schulter war in einen
dicken Verband gehüllt.
"Kommt... doch bitte herein...", ertönte eine gebrächliche Stimme.
"Danke. Ihr wisst warum ich hier bin?"
"Meterna sagte etwas von einem Bruder... doch ich hatte nie einen...
oder doch? Mein Gedächtnis verlässt mich... ich werde eben
immer älter."
"Bruder?", wieder setzte der Jäger ein freundliches Lächeln auf,
"Nein, ich denke da muss sie etwas falsch verstanden haben. Ich bin
ein wandernder Heiler auf der Durchreise und hörte von eurem
Fall. Nun wollte ich sehen, was ich tun kann."
"Ah... noch so ein Quaksalber... ihr könnt nichts mehr für mich tun.
Ich bin alt und bald werde ich in Morsans Reich eingehen."
"Nun, ich kann es zumindest versuchen. Darf ich?"
Dabei deutete er auf die Schulter des Bettlägerigen.
"Nur zu... schlimmer machen könnt ihr es... wohl kaum."
Langsam näherte sich der Fremde dem Bett und zog sich einen in
der Nähe stehenden Hocker heran um sich darauf niederzulassen.
Der winzige Hocker wackelte und knerzte bedenklich unter dem Gewicht
des Mannes, doch er hielt ihn aus. Mit einigen fachkundigen Griffen
hatte er dann auch schnell den Verband gelöst und ihn abgewickelt.
Doch was unter dem Verband zum Vorschein kam verwirrte ihn keineswegs:
das Fleisch war heil, einzig und allein auf dem Verband war noch etwas
eingetrocknetes Blut zu sehen, dass auf eine frühere Wunde zurückschließen
lies. Ein leises Seufzen kam über die Lippen des Fremden.
"Nun, entweder hat Vitama ihre Hand über euch gehalten... oder aber
es ist so wie ich denke."
Es bedurfte keiner Antwort von seiten des alten Mannes, denn als der
Jäger seine Blick auf das Gesicht des Älteren warf, konnte er es deutlich
in den Augen sehen: das Lodern einer inneren Flamme, die nur einen
Rückschluss zulies: Merjak war ein Werwolf.
"Es war klar, dass ihr irgendwann hier auftaucht, Jäger. Ich hoffte
nur meine Verwandlung sei bis dahin abgeschlossen."
"Ihr kennt mich? Ich fühle mich geehrt."
"Jeder von uns kennt dich... dich und deine ganze verfluchte
Familie."
Der Jäger seufzte leise.
"Wir können das jetzt auf zwei Weisen regeln: entweder du lässt dich
von mir töten oder das ganze wird blutig."
"Versuche es.", mit diesen Worten begann etwas mit dem alten Mann
vorzugehen. Wo eben noch ein Mensch lag war nun nur noch ein verschwommener
Schatten. Der Jäger hatte dies schon des öfteren gesehen und dennoch
faszinierte es ihn jedesmal von neuem. Natürlich nur bis aus dem
Menschen ein Wolf geworden war. Eilig stieß er den Hocker zurück
und griff hinter seinen Rücken. Die Verwandlung war fast abgeschlossen und
im Bett lag - oder besser - auf dem Bett stand nun ein riesiger Wolf, der
seine Zähne fletschte und ihn bedrohlich anknurrte. Er spannte seine Muskeln
an um sich im nächsten Moment abzustoßen, doch der Jäger war schneller.
Er hatte eine kleine Armbrust hinter seinem Rücken hervor geholt, beinahe
gleichzeitig auf den Wolf angelegt und geschossen. Der Wolf brach unter
einem lauten Jaulen zusammen, dann kippte er rückwärts vom Bett.
Hastig versteckte der Schütze die Armbrust wieder hinter seinem Rücken,
als kurz darauf, durch den Lärm aufgeschreckt, die Magd hereingestürzt
kam. Fassungslos sah sie sich um, dann glitt ihr Blick hinab zu dem
Alten, der nun wieder seine Menschengestalt angenommen hatte und
bewegungslos auf dem Boden lag. Vom Bolzen war keine Spur mehr zu sehen.
"Es... tut mir leid, aber ich denke seien Verletzungen waren einfach
zu schwer. Jetzt ist er bei Morsan.", brachte der große Fremde mit einem
bedauerndem Ausdruck auf dem Gesicht hervor.
Die Magd wusste immer noch nicht was sie sagen sollte.
"Ich denke ich werde nun besser gehen... mein herzlichtes Beileid."
Er wandte sich zur Türe.
"Ach... noch eine Frage. Hat mein Onkel sie jemals gebissen?"
Die Magd sah ihn nur weiter sprachlos an und schüttelt leicht den Kopf.
Mit einem nachdenklichen Nicken wandte sich der Mann ab und verlies das
Haus."
Die Bauersfamilie saß stumm und mit weit aufgerissenen Augen in der Stube
und starrte den alten Erzähler an. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich
wieder gefasst hatten.
Nun brach auch schon das Licht des sich anbahnenden Hellzyklus durch
das dreckige Fenster herein und so erhob sich der Wanderer langsam.
"Ich könnte euch noch viel über die Werwölfe des Seelenwaldes erzählen,
doch das mache ich lieber bei einem anderen Mal. Es ist Zeit für mich
aufzubrechen."
Der Bauer brachte ihn zur Türe und bedankte sich nochmal für die
Geschichten. Und so machte der Erzähler sich wieder auf den Weg. Er verlies
das Dorf in Richtung Norden und ging auf seinen Stab gestütz den Waldweg
entlang, als er hinter sich das Knicken eines Astes hörte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte er sich herum.
"Ah... da bist du ja, Jäger, ich hatte mich schon gefragt, wann du mich
findest.", der alte Mann wirkte nun garnicht mehr so alt und es schien
eine neue Vitalität von ihm auszugehen.
"Du weißt, ich finde jeden."
"Ja, dem ist wohl so."
"Ich habe lange nach dir gesucht, Erzähler."
"Nun, das deute ich jetzt einfach mal als ein Kompliment."
Der Jäger machte eine kurze Pause und sah zum rötlichen Himmel der
aufgehenden Sonne hinauf, dann warf er wieder einen Blick auf den
Wanderer.
"Wir können das jetzt auf zwei Weisen regeln: entweder du lässt dich
von mir töten oder das ganze wird blutig..."
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Um den Kritikern voraus zu kommen: Nein ich habe den Film "Van Hellsing" weder gesehen, noch ist die Geschichte irgendwie daran angelehnt.