Epilog: (Chargeschichte)
Meine Kindheit? Da gibts nicht viel zu erzählen. Meine Eltern waren arme Bauern. Sie besaßen einen mickrigen kleinen Hof und ein kleines Feld, das kaum Ertrag brachte. Ich war das sechste Kind meiner Eltern. Ich hatte 4 Brüder und eine Schwester.
Das Leben als Bauer ist schrecklich! Ich musste jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, und trotzdem konnten wir froh sein, wenn wir im Winter nicht verhungerten. Und da ich 4 ältere Brüder hatte, konnte ich nicht einmal hoffen irgendwann den Hof zu erben. Es hielt mich also nicht viel am Hof.
Schon als Junge schimpfte ich über das Bauernleben und erzählte dauernd, dass ich irgendwann ein großer Krieger sein würde. Ich würde reich sein und glorreiche Schlachten schlagen. Meine Familie lachte mich natürlich aus, aber ich ließ mich nicht entmutigen und hielt an meinem Traum fest.
Die Jahre vergingen in Arbeit und Armut. Mein Traum, ein Krieger zu werden verblasste und verging im eintönigen und harten Leben eines Bauernjungen. Doch dann geschah etwas, was meinem Leben eine Wendung brachte: Ein Krieg brach aus. Niemand konnte uns sagen, warum dieser Krieg ausgebrochen war, doch bald kamen fremde Männer in unser Dorf. Sie ritten auf riesigen stattlichen Pferden. Solche Pferde hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen, sie waren fast doppelt so groß wie die Arbeitspferde auf unseren Hof. Sie sprachen im Namen unseres Königs und verlangten, das jeder kampffähige Mann sich in der nächsten Stadt melden musste, um seinen Land und dem König zu dienen.
Meine Mutter drängte uns zu desertieren. Wir sollten uns verstecken und warten bis der Krieg vorbei war. Mein Vater und meine Brüder hatten mehr Angst vor den Männern des Königs, als vor dem Krieg und bei mir war mein alter Kindheitstraum wieder erwacht. Ich sah meine Chance, dem Bauernleben zu entkommen. Ich hatte vor, mich in diesem Krieg derart auszuzeichnen, das der König mich zum Ritter schlagen würde, und ich fortan als Edelmann leben könnte. Mein Vater ich und alle meine Brüder zogen also in den Krieg. Meine Mutter meine Schwester und einige Knechte blieben am Hof zurück um ihn einigermaßen zu erhalten.
Nun, ich musste bald feststellen, das Schlachten nie glorreich sind, und das man sich als einfacher Bauernsoldat gar nicht auszeichnen konnte. Wir waren ein Haufen schlecht ausgebildeter Fußsoldaten, mit schlechten Waffen und löchriger Rüstung. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, all diese Schlachten zu überleben. Vielleicht hat Bellum größeres mit mir vor? Ich weiß es nicht. Jedenfalls fielen alle meine Brüder und mein Vater in den unzähligen blutigen Schlachten. Um meine Brüder habe ich keine Träne vergossen, sie waren allesamt dumme Tölpel die nichts anderes verdient hatten. Um meinen Vater aber weinte ich. Er war zwar nur ein armer Bauer, aber er hatte ein gutes Herz und einen starken Willen. Unser Hof hatte nie Gewinn gebracht und uns immer gerade vorm verhungern bewahrt, und trotzdem hat er nie aufgegeben und immer weitergemacht.
Irgendwann war der Krieg dann vorbei. Ich hatte keine Ahnung, ob wir gewonnen oder verloren hatten. Es war mir vollkommen egal. Ich wurde aus der Armee entlassen und zog alleine und zu Fuß in mein Dorf zurück. Ich war nicht einmal besonders überrascht als ich unser Dorf in Schutt und Asche vorfand. Kein einziges Gebäude stand mehr. Nur verkohlte Ruinen und einige Mauerreste waren zurückgeblieben. Keine Spur meiner Mutter und meiner Schwester. Höchstwahrscheinlich waren sie tot. Oder die feindlichen Soldaten hatten sie mitgenommen, was um keinen deut besser war, und letztendlich wahrscheinlich aufs gleiche hinauslaufen würde.
Lange stand ich vor den Ruinen unseres Hofes und überlegte, was ich nun mit meinem Leben anfangen sollte. Ich konnte keine besonderen Fähigkeiten vorweisen. Von meinem Vater habe ich das Bauernhandwerk gelernt. Im Krieg habe ich das Kämpfen gelernt. Blieb also nur das Leben als Knecht oder als Söldner. Ich beschloss mein Glück als Söldner zu versuchen. Mein Traum war, und ist es immer noch, mir einen Namen als Kämpfer zu machen, so dass ich mehr und mehr Sold verlangen könnte, um mir schließlich mit den verdienten Geld ein Haus zu bauen, eine Familie zu gründen und mein Leben genießen zu können. Denn das Kämpfen hatte mir noch nie Spaß gemacht. Ich hasse es sogar! Aber es ist nun mal das einzige was ich kann.
Ich zog also durch das Land und bot jeden mein Schwert, der mich dafür bezahlen konnte. Es war mir vollkommen gleich, ob ich für das „gute“ oder das „böse“ kämpfte. Ich glaube nicht, das es so etwas wie das vollkommen Gute oder das abgrundtief Schlechte überhaupt gibt. Alles Gute hat seine dunklen Seiten, und alles Böse hat seine Vorteile.
Irgendwann ging ich dazu über, mich auf Schiffen einstellen zu lassen. Das hatte den Vorteil, das ich nicht unbedingt kämpfen musste. Gelegentlich gab es Piratenüberfälle, aber normalerweise war es recht friedlich auf See.
Irgendwann wurde mir die Ereignislosigkeit der Seefahrt dann doch zu langweilig und ich wollte etwas neues Ausprobieren. So ließ ich mich auf einem Passagierschiff einstellen, dass zu einer Insel namens Siebenwind fuhr. Ich hatte schon öfter von Matrosen wilde Geschichten über diese Insel gehört und ich dachte mir: „Wenn auch nur die hälfte dieser Geschichten war ist, dann wird dort ein starker Schwertarm sicherlich gebraucht!“ Auch diese Seefahrt verlief ohne großartige Zwischenfälle und so kam ich schließlich auf Siebenwind an. „Ja“, dachte ich, „hier werden ich leben. Das sieht mir nach einem neuen Zuhause aus!“ Tja, und das denke ich immer noch.
Oh, meine Geschichte ist wohl doch etwas länger geworden was? Hehe, hätte nicht gedacht, das ich so geschwätzig sein kann.
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Der erste Tag
So kam er also an, Karlos der Söldner. Ohne Nachnamen, ohne Zukunft und mit einem kleinen Beutel mit dem Sold, den ihm der Kapitän der Schiffes, mit dem er nach Siebenwind gekommen war, ausgezahlt wurde. Es gabt sonst sicher nicht viele, die für die Überfahrt auf die Insel nicht nur nichts zahlen mussten, sondern ausserdem auch noch Geld dabei verdienten.
Er ging über den Anlegesteg auf die Stadt zu. Es war spät und es waren kaum Leute unterwegs. Die paar Gestalten, die ihm über den Weg liefe, ignorierten ihn, was ihm nicht auffiel, da er sie genauso ignorierte.
Er war es nicht gewohnt, sich durch so grosse Staädte zu bewegen. Die letzten paar Jahre hatte er auf See oder in Hafentavernen zugebracht. So kam es, dass er sich in der Dunkelherit recht bald verlaufen hatte, und dauernd im Kreis lief. Er fand nicht einmal mehr den Hafen.
Irgendwann, die Nacht war schon fast zu Ende, fand er schliesslich ein Hotel. Müde schleppte er sich durch die Einganstür und ging zum Tresen um beim Besitzer ein Zimmer für eine Nacht zu mieten. Im Zimmer angekommen fiel er sofort, mit aller Kleidung ins Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen wurde er unsanft von einem Mann an der Tür geweckt, der dauernd „Zimmerservice“ rief. Nachdem er dem Mann einen Dukaten zugesteckt hatte, verschwand er endlich.
Mit frischem Mut und einem knurrenden Magen verliess er das Hotel. Er hielt sich nun Östlich der Stadt auf einer Strasse, die um die Stadt herum zu führen schien. Auf der Strasse war viel Verkehr, und das war gut. Denn wo viele Leute sind ist normalerweise auch Geld zu holen.
Nach etwa hundert Schritten kam er an einem Friedhof vorbei, der seltsamer nicht sein konnte.
Vor den Toren des vermeintlich heiligen Bodens war eine riesige Menge versammelt. Alle in voller Rüstung und zum grössten Teil mit gezogenen Waffen. Neugierig trat Karlos näher an die Menge heran, und versuchte zu erkennen, was denn da los sei.
In dem Moment wurde das Tor weit aufgestossen, und ein vollgerüsteter Mann mit gezogener Waffe stürzte herraus. Draussen fiel er auf die Knie und krabbelte schnell davon. Er schien verletzt zu sein.
Aus irgendeinem Grund schien die Menge nicht sehr begeistert davon zu sein, dass der Mann da herrausgekommen war. Karlos fand sehr schnell herraus warum.
Kurz nachdem der Mann hinausgelaufen war, erklang ein schauriges Geschrei hinter ihm, und eine schaurige Gestalt schwebte durch das Tor in Richtung der Menge.
Ein lautes Gebrüll ging los, und die anwesenden die noch nicht die Waffe gezogen hatten, taten dies jetzt. Gemeinsam drangen sie auf das Wesen ein, dessen Geschrei bald mehr verzweifelt als schaurig klang.
Dem Söldner war das mehr als nur etwas unheimlich, und er beeilte sich weiterzukommen.
Der Weg schien der Richtige gewesen zu sein, er kam nach weitern 100-200 Schritten an eine Brücke, und als er sie überschrittenhatte, war er mitten auf einem belebten Platz.
Er sah eine Taverne, eine Bank und jede Menge Marktschreier, die ihre Ware lauthals anpriesen.
Hier fühlte er sich schon viel wohler. Er setzte sich auf eine Bank vor der Taverne, und sah dem Treiben ein wenig zu.
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Mindestens 2 Ewigkeiten waren vergangen, so schien es Karlos zumindest. Er saß in einer dunklen Ecke der Taverne. Vor ihm ein Stapel Pergamente, ein Tintenfaß, ein Krug Bier, in der Hand eine Feder, ein Schneidbrett aus der Küche (der Wirt hatte es ihm freundlicherweise geborgt, er schien ihn noch zu können) und ein Blatt Pergament (das Pergament hatte er aus der Bibliothek, da arbeitete jetzt ein alter Kamerad). Nachdenklich kaute er auf dem Federstiel. Viel hatte er geschrieben, viel war noch zu schreiben, noch mehr hatte er erlebt, doch jetzt hing er.
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug, lehnte seinen Kopf an die Wand, schloß die Augen. Die Gedanken flogen in die Vergangenheit….
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Schattenjäger?
Dröhnendes Gelächter, klirrende Tassen, krachende Krüge, dröhnende Saufgesänge, leise Musikklänge von weit weg. Der Geschmack von starken Bier und deftig gewürztem Fleisch. So schmeckt nur Fleisch, dass man sich Wochenlang nicht leisten konnte.
„HA HA – Karlos das war großartig. DU warst großartig. Hast Du sein Gesicht gesehen? HA HA, der Typ hat sich glatt in die Hosen geschissen als wir vor ihm auf die Strasse gehüpft sind was? Oh Mann ich sage Dir, der traut sich mit einer derart vollen Börse nicht mehr ohne Wache vor die Tür. Wenigstens braucht er sich jetzt nicht mehr mit dem schweren Beutel abschleppen, was Karlos?“
„Ja – ef war phantaftif“ – Beim Reden spuckte Karlos die Hälfte des Bissens wieder aus, den er gerade eben von der saftigen Stelze gebissen hatte. Er warf es achtlos auf den Boden, wo sich sofort ein paar Hunde darum rissen. Heute musste er nicht sparen. Heute konnte er essen und trinken soviel er wollte, heute würde es sich endlich wieder eine Frau leisten können. Ein guter Tag.
Er wusste nichtmal den Namen seines Gegenübers. Irgendwann hatten sie sich getroffen, als sie rein zufällig hinter dem gleichen Gebüsch auf der Lauer lagen. Sie standen damals vor der Wahl, sich entweder gegenseitig die Kehle durchzuschneiden oder zusammenzuarbeiten. Die Entscheidung fiel schnell und einfach. Alleine konnte man einfach nichts erreichen. Alles, was über einfachen Strassenraub hinauslief war fest in der Hand der mysteriösen „Familie“, und nicht selten hatte man das Pech, einen von ihnen oder einen, der unter ihren Schutz stand zu überfallen. Dieser arme Räuber hatte dann meist nur mehr eine sehr kurze Zeit zu leben. Es war also gut, einen Partner zu haben. Ausserdem war es ja nur für kurze Zeit. Sobald er eine ordentliche Anstellung als Krieger bekommen würde war es vorbei mit den Überfällen. Er würde sich sein Essen auf ehrliche und ehrbare Art und Weise verdienen.
„Hm“ – der Fremde würgte einen besonders großen Bissen herunter und spülte schnell mit einem ordentlichen Schluck Bier nach – „du sagtest doch du bist Söldner, oder?“
„Ja. Ich habe mich 3 Jahre als solcher ganz gut am Festland und später auf Schiffen damit durchboxen können – wieso?“
„Dann werden dich die Schattenjäger vielleicht interessieren. Die werden dir gefallen. Haben ein eigenes kleines Dörfchen irgendwo gut versteckt auf der Insel – weiß keiner wo das is – nichmal die Ritter die elendigen“ – er spuckte neben sich auf den Boden und verfehlte einen auf den Boden liegenden Zwerg um Haaresbreite. Dessen Bruder, der am Nebentisch saß, merkte dies und wollte aufspringen um diesen elendigen Säufer eine ordentliche reinzuhauen. Dabei rutschte er auf einer besonders hinterhältigen Bierlache aus, stolperte und fiel auf einen Nortraven, der gerade einen Krug Bier an die Lippen gesetzt hatte. Dieser verschüttete die Hälfte und nahm dies freudig als Anlass, um mit dem Zwergen eine ordentliche Schlägerei anzufangen, der auch nicht gerade unglücklich darüber war. Die Schlägerei breitete sich rasch über die halbe Taverne aus. Karlos’ Saufkumpane merkte davon nichts.
„Jedenfalls suchen die gerade ein paar fähige Leute hab ich gehört – ich könnte ein gutes Wort bei ihrem Anführer Malek für Dich einlegen. Na was sagst du?“
Die Antwort fiel Karlos nicht schwer.
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„Na Oberst! Noch ein Bier?“ – der Wirt riss ihn aus seinen Gedanken.
Er lächelte leicht verwirrt – immer noch halb in der Vergangenheit.
„Ja, danke Dir, gerne“
Als der Wirt das neue Bier auf den Tisch stellte und den alten Krug abräumte, war Karlos wieder in der Vergangenheit.
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Die Schlacht
Bittere Kälte. Vor ihm ein Schlachtfeld. Ein paar Frauen schafften die Leichen der Zwerge weg. Der Schnee rund ihm ihn rot von Blut, stöhnen aus dem Lazarettzelt hinter ihm. Knarrende Balken der Lagerpalisaden im stürmischen Wind, der den widerlichsten Gestank aus Finsterwangen über die Armee blies. Er drehte sich um, liess seine offenen Haare im Wind wehen. Hinter ihm stand Hektor. Er sah alles andere als glücklich aus. Dahinter aufgereiht die Ritter in ihren blanken Rüstungen – Blechdosen – auch sie starrten grimmig an ihm vorbei. Wieder dahinter die einfachen Soldaten, unter ihnen die Pechschwarzen Rüstungen der Brigade. Bis auf die höchsten Offiziere hatte er sie alle selbst ausgebildet – sie waren die besten, und das würden sie heute endlich beweisen. Dahinter die Bogenschützen. In der Mitte ihrer Reihe die schwarze Rüstung von Gareth – seines Freundes - der größte unter ihnen. Wieder dahinter standen die Katapulte. Seit einiger Zeit schon schossen sie in regelmässigen Abständen Brandgeschosse über die magisch geschützten Palisaden. Die Stadt brannte.
Oberst Karlos. O-B-E-R-S-T Karlos. Befehlshaber der Armee Siebenwinds. Alle Stadtwachen waren ihm unterstellt. Jeder Soldat, nein, jeder Mann und jede Frau Siebenwinds, die eine Waffe tragen konnte, war seinen Befehlen unterstellt. Er hatte alles. Geld, Macht, Freunde, eine eigene Festung, ein luxuriöses Zimmer im Dachboden, mit offenem Kamin und einen Bärenpelz davor, auf dem er seine Füße ausruhen konnte, wenn er in seinem Weichen Ledersessel saß. Alle seine Träume waren in Erfüllung gegangen. Wie stolz würden seine Eltern jetzt sein, wie neidig seine Brüder. Er konnte das leichte Grinsen nicht unterdrücken, als er den Kopf ein Stück zur Seite drehte und Hektor ansah. Vermutlich würde das ein Nachspiel haben, aber genoss es trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb.
„Sind alle bereit?“
„Ja – Oberst“ knirrschte der Ritter durch zusammengebissene Zähne.
Niemals würde Hektor es ihm verzeihen, dass er, ein einfacher Söldner ohne Namen, ohne Adeliger Abstammung, ein Bauerssohn IHM, den Baronssohn, das Kommando über diesen Krieg abgeluchst hatte. Nur der oberste Rat des Ritterordens stand über Oberst Karlos. Die „einfachen“ Ritter mussten seine Befehle befolgen. Karlos genoss es in vollen Zügen.
Mit einem gekonnten Schwung, der seine Haare flattern ließ, drehte er sich wieder in Richtung der dunklen Stadt.
„Befehlt den Angriff!“
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Wie von selbst hatte seine Hand wieder zu schreiben begonnen. Die Sätze flogen wie von selbst auf das Papier. Ja das waren wirklich gute Zeiten. Niemals hätte er sich träumen lassen, soviel zu erreichen. Er erinnerte sich an einen Satz, den er vor Ewigkeiten einmal gesagt hatte. Es war an seinem ersten Tag auf der Insel, als er nach langem herumirren endlich die Taverne Tiefenbachs gefunden hatte. „Alles Gute hat seine dunklen Seiten - alles Böse hat seine Vorteile“. Die Familie. Immer waren sie seine Erzfeinde gewesen. Die große unterdrückende Macht in seiner Zeit als Wegelagerer, Konkurrenz als er die Schattenjäger mitkommandiert hatte, seine erbittersten Kontrahenten in seiner Zeit in der Stadtwache und später als Brigade-Oberst. Lange Zeit waren sie ausserhalb seiner Reichweite. Die Stadt Rohehaven – fest in der Hand der hiesigen Stadtwache, jedes einzelne Mitglied auf der Gehaltsliste der Familie – war ausserhalb des Gebietes der Stadtwache Tiefenbach. Er war Hauptmann, damals, als er seine Chance bekam:
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Die Familie
Die Pferde schnaubten nervös. Hautpmann Karlos starrte in den Nebel vor sich. Von der Brücke waren gerade die ersten paar Meter zu sehen, das gegenüberliegende Ufer war nicht mehr zu sehen. Sein goldener Umhang war vielleicht doch zu auffällig für das, was er vorhatte, der Nebel kam ihm also gerade recht. „Alles so, wie wir es besprochen haben“. Seine Männer (und eine Frau) antworteten nicht. Er nahm es als Zustimmung. Er würde sich voll auf sie verlassen können, er hatte die vertrauenswürdigsten von ihnen ausgesucht:
Gareth, sein engster Verbündeter und Freund. Karlos wusste, er würde für ihn einen Bolzen abfangen, und Karlos auch für ihn.
Lorence, sein loyalster Soldat. Ihm stand eine große Zukunft vorraus. Voller großer Pläne, voller Ehre und Aufrichtigkeit. Es war ihm schwer gefallen, ihrem Plan zuzustimmen, aber er würde seine Befehle befolgen.
Derwin Nimrod, der Elf. Er hatte noch eine Rechnung offen mit der Familie. Er stammte aus Rohehaven und hatte die dortige Stadtwache verlassen um der der Stadt Tiefenbach beizutreten. Nie hatte er erzählt warum er das getan hatte, aber Karlos konnte sich gut denken wieso.
Madran: Der Mann, dem der Hauptmann am allerwenigsten vertraute. Er war ein Draufgänger der besonders nervtötenden Art und Weise und chronischer Befehlsverweigerer. Diese Mission aber war ihm auf den Leib geschneidert, auf ihn konnte sich Karlos ausnahmsweise verlassen – Madran würde endlich seinen Spaß bekommen.
Tillian: Um sie machte sich Karlos die meisten Sorgen. Sie war sehr unerfahren und mehr Mädchen als Frau oder gar Dame. Ausserdem war sie die Frau von Hektor, eines Ritters. Er würde ganz und gar nicht erfreut sein, wenn er das erfahren würde. Aber sie würden magische Hilfe vielleicht bitter Nötig haben. Mein Gott sie hatte ein Kleid an!
„Reiten wir!“
Die Pferde klapperten über die Brücke. Kein Geräusch ausser das friedliche Plätschern des Flusses war zu hören. Zu laut. Sie stellten die Pferde kurz nach der Brücke hinter einer kleinen Mauer ab. Zu Fuss liefen sie am Badehaus vorbei in Richtung der Taverne. Die Taverne Rohehavens war das Zentrum, die Quelle des Sumpfs des Verbrechens, in dem die ganze Stadt langsam versank. Dort trafen sich die Mitglieder der „Familie“ und alle, die mit ihr zu tun hatten. Zu gern würde Karlos die gesammte Belegschaft sammt aller Gäste festnehmen und das Gebäude anschliessend niederbrennen. Das würde warten müssen, desmal hatte er anderes vor.
Sie kamen an der Tür an. Von drinnen war leise Musik und einige Stimmen zu hören. Lautlos zogen sie ihre Waffen. Tillian blieb hinten, sie wirkte recht nervös. Karlos richtete sich auf und setzt seine Gesetzeshüter-Miene auf. „Auf geht’s“. Mit einem festen Tritt sprang die Tür auf und sie liefen hinein.
„Stadtwache Tiefenbach. Jeder bleibt wo er ist oder er bleibt für immer wo er ist!“ – diesen Spruch hatte er sich lange überlegt, und er schien ganz gut zu wirken. Die Besucher wichen erschrocken zur nächsten Wand zurück, die Wirtin drehte sich um und lief zur Tür neben ihr. Gareth, Lorence und Tillian blieben zurück, Karlos und Madran stürmten ihr nach. Sie stellten sie schliesslich im hinteren „Speisesaal“. Hier hielten die Anführer der „Familie“ immer ihre Treffen ab. Da war er. Der Namenlose Anführer der Sippschaft. Neben ihm die Wirtin, sie war seine Frau, oder Schwester. Niemand wusste das genau. Manche sagten, sie sei eine Magierin. Karlos wusste es genauer, er hatte einige Male mit Ihr zu tun gehabt. Sie war durch und durch böse. Der einzige Ort, wo Karlos sie gerne sehen würde, wäre an der Spitze eines Scheiterhaufens, von Feuer umgeben, um ihr Leben bettelnd. Desdemondea Borgia war ihr Name.
Beide hatten Ihre Waffen gezogen. „Im Namen des Königs! Ihr seid beide verfaftet. Legt eure Waffen nieder und kommt mit uns. Dann geschieht euch nichts“
Der Anführer senkte langsam. In dem Moment, als er Karlos erkannte sah man doch kurz Überraschung auf seinem Gesicht, das war bei diesem Mann mehr als bemerkenswert. Doch nun hatte er sich wieder gefasst: „Karlos Karlos Karlos…das wir uns so wiedersehen müssen. Was ist nur geschehen mit Dir? So kenne ich Dich nicht.“
„Hauptmann Karlos für euch. Viel hat sich verändert, „alter Freund“. Jetzt stehen wir auf verschiedenen Seiten“, er hob sein Schwert und deutete mit der Spitze auf sein Gegenüber, „und Ihr auf der falschen.“ – „Denk gut nach Karlos. Du weißt genau, du solltest hier nicht sein. Wenn Du mich jetzt festnimmst, wirst du keine ruhige Minute mehr finden. Bei jedem Schritt aus deiner Festung hinaus wirst du um Dein Leben fürchten müssen und ich werde es geniessen, deinem langsamen und schmerzhaften Tod beiwohnen zu dürfen“ Karlos lachte laut: „Genug davon. Ihr kommt mit mir. Und eure Hexe hier auch. Auf sie wartet ein nettes kleines Feuerchen.“
„Das wagst Du nicht Karlos. Mein Liebling wird Dir den Tod bringen, doch ich werde Dich nach Deinem Tod verfolgen. Bellum wirst DU niemals sehen“
„GENUG! Mitkommen beide!“ – Madran packte sie von hinten und zerrte sie durch die Tür nach draussen, an den geschockten Gästen vorbei. Einige dunkle Gestalten jedoch blieben stumm, gefasst und sahen ihnen nach. Ihre Gesichter merkte sich Karlos. Er würde sie wohl bald wiedersehen.
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Diese Geschichte hatte einiges an Staub aufgewirbelt. Halb Rohehaven wollte seinen Kopf, die Ritterschaft wollte ihn entlassen, alle Attentäter der Insel waren auf ihn angesetzt. Er hatte einige alte Freunde verloren Aber die Familie war geschlagen. Er hatte die beiden wichtigsten Mitglieder geschnappt. Davon erholten sie sich lange nicht. Es war der Beginn einer langen, blutigen Fehde zwischen der Stadtwache (später der Brigade) und der Stadt Rohehaven.
Aspin Schwertklinge und Hektor Garlon waren beide zu ihm in die Festung gekommen und hatten sich lange mit ihm unterhalten. Schliesslich konnte er sie überzeugen, das Richtige getan zu haben. Letztlich war die Ritterschaft sehr glücklich über seinen, wenn auch illegalen, Schlag. Die Familie war ihnen lang ein Dorn im Auge und niemand hatte den Mut, gegen sie vorzugehen. Er hatte alles riskiert, und gewonnen: Er behielt seinen Rang und wurde wenig später, nach der Umformung der Stadtwache zur Brigade, zum Oberst befördert. Ausserdem hatte sich etwas ergeben, womit er für den Rest seines Lebens finanziell ausgesorgt hatte. Doch das würde er der Nachwelt lieber nicht übergeben:
Er hatte eingewilligt, den Anführer der Familie für 200 000 Dukaten freizulassen. Freilich nahm er zuerst das Geld und behielt ihn weiterhin in Verwahrung. Durch einen hinterhältigen, magischen Trick waren die beiden jedoch wenig später als Ratten entkommen. Was solls. Es stand ihnen gut, denn Rattten waren sie.
Er stieß einen tiefen Seufzer aus und nahm sich einen weiteren großen Schluck. Sein Absturz war schnell gekommen. So viel schneller als sein mühsamer, langwieriger Aufstieg. Wegelagerer, Schattenjäger, hochgearbeitet zum Stellvertreter und engstem Vertrauten Maleks, Verlassen der Schattenjäger, aufgenommen als Soldat der Stadtwache Tiefenbach als Schützlings des Hauptmannes, Beförderung, als der Hauptmann zum Festland zurückgerufen wurde, Auflösung der Stadtwache Tiefenbach und Gründung der Brigade Siebenwind mit Oberst Karlos als Befehlshaber der Armee Siebenwinds an der Spitze.
Dann Anklage, Kerker, Auflösung der Brigade und ehrlose Entlassung aller Soldaten. Diese elendigen verdammten Ignoranten. Sie hätten doch sehen müssen, dass er das richtige getan hatte. Alles wäre schlimmer geworden, hätte er nicht gehandelt. Er wusste, ihm würde Bellum vergeben wenn er vor ihn treten würde. Sie hatte er bestraft. Alle Götter hatten sie bestraft, als die Untoten kamen. Vielleicht war es ja auch Madrans Schuld gewesen – er war es, der unter dem Göttereid gelogen hattte…
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...to be continued
Zuletzt geändert von Karlos: 25.05.04, 00:26, insgesamt 1-mal geändert.
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