Nachfolgend kommt die Vorgeschichte zu Benions Charstory. Die wird vermutlich niemanden interessieren, aber wenn es jemand doch liest und es ihm gefällt, dann freut es mich natürlich um so mehr
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Regen prasselte auf die Dächer von Melant, der kleinen Stadt am nördlichen
Rand des Phönix Gebirges, und verwandelte die engen Gassen in kleine
Bäche, die den Unrat des alltäglichen städtischen Lebens davonspühlten.
Ein besonders frecher Regentropfen prasselte gerade auf das Ziegeldach
einer Schmiede hinab und fand seinen Weg hinab zum Rand. Dort angekommen
sammelte er sich mit einigen anderen Tropfen und fiel schließlich hinab.
Doch er sollte die kleine Pfütze am Fuße des Gebäudes nicht erreichen.
Ein Lederhandschuh fing ihn auf halber Strecke nach unten auf.
"Ich hasse Regen.", war die einzige gemurmelte Antwort des Besitzers
des Handschuhs. Dann schlug sich die Gestalt die Kaputze ihres Umhangs
über das dichte schwarze Haar und schlich weiter die Mauer entlang, bis
sie an die Straßenecke gelangte. Ein vorsichtiger Blick veriet ihr, dass
der vor ihr liegende Weg genau so verlassen war wie der Rest der Stadt
und sie eilte zu einem gegenüberliegenden Hauseingang. Wer ging auch schon
bei diesem Wetter aus dem Haus?
Unter dem kleinen Vordach angekommen, dass ein wenig Schutz vor den
sintflutartigen Regenfällen bot, hob die dunkle Gestalt ihre Rechte und
pochte zweimal kurz und dreimal lang gegen die alte Eichentüre. Eine
Klappe in Augenhöhe öffnete sich und eine geflüsterte Losung wurde
ausgetauscht. Kurz darauf öffnet sich die Türe einen Spalt und der
Mann verschwand in dem Gebäude.
Bei dieser geheimnisvollen Person, die nun langsam ihre Lederhandschuhe
abzog und hinter den Gürtel steckte, handelt es sich um Pernon, Händler
des Handelsbundes Goldene Waage zu Draconis, zumindest war das eine
seiner Idenditäten. Die Leute in dem pfeifenrauchgeschwängerten Raum
vor ihm kannten ihn viel mehr unter dem Namen Melidas der Meisterdieb.
Einer der Pfeifenraucher erhob sich nun und wies wortlos vor sich auf
einen der leeren Stühle, die rund um den großen Tisch angeordnet waren.
Dann verschwand er durch einen Vorhang in einen Nebenraum, aus dem er
kurze Zeit später mit einem weiteren Mann zurückkehrte. Pernon - oder
Melidas - schätzte ihn auf Ende fünfzig, sein Haar war von den Jahren
ergraut. Doch ansonsten wirkte der Mann für sein Alter ungewöhnlich
fitt. Das war er also: Gelenar, Anführer dieser kleinen schäbigen
Räuberbande. Mit einem schmierigen Lächeln lies sich der Alte auf den
gegenüberliegenden Stuhl fallen.
"Setzt euch doch, Melidas. Es freut mich jemanden wie euch in meinem
kleinen Reich begrüßen zu können. Ich hoffe Vitama hat eure Reise
behütet?"
Schon bei der Erwähnung Vitamas aus dem Munde dieses Mannes wurde es
Melidas übel. Doch er sein Gesicht verriet nichts von der Abscheu, die
er gegenüber diesen Männern empfand. So setzte er ein gespieltes
Lächeln auf und nahm Platz, nicht ohne dabei stets seinen Gegenüber
anzusehen.
"Auch mir ist es eine Freude, Gelenar. Man hört viel von euch in
Draconis."
"Nur Gutes hoffe ich."
"Natürlich. Aber wir sind doch nicht hier zusammengekommen um über
solche Nebensächlichkeiten zu witzeln, nicht wahr?"
Der Anführer der Räuberbande lachte heiser auf. Ein kalter Schauer lief
Melidas' Rücken hinab. Irgendetwas in diesem Lachen beunruhigte ihn.
Hatte er etwas übersehen?
"Meine Informanten sagten mir schon, dass ihr euch nicht gerne mit
solchen 'Nebensächlichkeiten' - wie ihr sie nanntet - aufhaltet. Ich
hingegen denke das ein wenig Freundlichkeit nicht schaden kann.
Schließlich sind wir ja alles zivilisierte Menschen, nicht wahr?"
Nur das einige von uns das Leben von mehreren unschuldigen Menschen
und Hochelfen auf dem Gewissen haben und andere nicht, dachte sich
Melidas, doch als Antwort gab er nur ein Nicken von sich.
Mit einem Wink gab Gelenar zwei seiner Männer zu verstehen, dass sie
sich in den Nebenraum begeben sollten. Offenbar war er der Meinung,
dass alles in Ordnung war. Dann fuhr er in geschäftsmäßigem Ton
fort:
"Also gut, dann kommen wir zur Sache. Ihr habt sicher schon den
hier ansässigen Tempel besucht? Natürlich habt ihr, das macht jeder
der in diese Stadt kommt. Und natürlich habt ihr auch die goldene
Vitamastatue bewundert, die den Eingang schmückt, oder?"
"Ich habe sie gesehen, ja."
"Nun, es gibt da jemanden der sich für diese Statue interessiert
und an dieser Stelle kommt ihr ins Spiel. Besorgt mir diese Statue
und ihr bekommt dreisig Prozent."
"Fünfzig."
Erneut dieses heisere Lachen.
"Vierzig oder ihr verlasst diesen Raum nicht lebend."
"Fünfundvierzig. Ihr habt mich nicht umsonst kommen lassen. Ihr
braucht mich und das wisst ihr."
Kurz glitzerte es gefährlich in Gelenars Augen und Melidas
befürchtete, dass er zu weit gegangen war, doch dann lächelte
der Alte wieder.
"Also gut, fünfundvierzig. Man sagte mir, dass ihr so hart
verhandeln würdet. Aber wenn ich euch schon so viel zahlen soll,
dann müsst ihr schnell arbeiten. Das Fest der Liebe rückt immer
näher und bis dahin muss die Statue verschwunden sein."
"Ihr werdet sie schon morge in euren Händen halten."
Soweit so gut, er hatte es also geschafft, dachte Melidas und
wollte sich gerade vom Stuhl erheben, als Gelenar offenbar der
Meinung war, dass er noch eine letzte Frage stellen sollte.
"Sagt, mein guter Melidas, wie geht es eigentlich dem guten
alten Heridas?"
Eine Schweißperle bildete sich auf Melidas' Stirn. Heridas?
Er kannte niemanden der so hieß. War dies eine Fangfrage? Hatte
man versäumt ihm etwas mitzuteilen? Er musste das Risiko eingehen.
"Gut... er erfreut sich bester Gesundheit."
"Das ist aber merkwürdig. Ich habe ihn vor zwei Jahren getötet."
Im selben Moment zogen die beiden anderen Männer, die noch im
Raum weilten, ihre Schwerter.
Gleichzeitig sprang Melidas auf, warf dabei den Stuhl rückwärts
um und wich gleichzeitig einem Wurfmesser aus, dass einer der
Räuber aus dem Nebenzimmer geworfen hatte, die scheinbar gelauscht
hatten. In den nächsten paar Sekunden geschahen mehrere Dinge
gleichzeitig:
Der aufgesprungene Melidas rollte sich auf dem Boden zusammen,
während einer der Schwertträger unter einem von ihm geworfenen
Messer zusammenbrach. Der andere setzte zu einem Hechtsprung
über den Tisch an und seine Kameraden eilten nun ganz aus dem
Nebenzimmer herbei. Mitten in dem Chaos saß Gelenar ruhig auf
seinem Stuhl. Dann war Melidas wieder auf den Beinen und hatte
bereits einen weiteren Dolch in seiner Hand. Sie hätten ihn
lieber beim Eintreten auf versteckte Waffen überprüfen sollen,
diese Anfänger, dachte er und schob diesen Gedanken im nächsten
Moment beiseite, als der Schwertträger einen Schlag gegen seinen
Arm ausführte. Er duckte sich reflexartig und rammte den Dolch
in den Magen des Mannes vor ihm, der daraufhin stöhnend
zusammenbrach. Im selben Moment spührte Melidas einen heißen
Stich an seinem linken Arm. Einer der beiden Herbeigeeilten
hatte eine Armbrust und war gerade dabei diese neu zu laden.
Doch so viel Zeit hatte er nicht mehr, denn im nächsten
Augenblick schickte ihn ein gezielter Schlag gegen den Hals
in Morsans Hallen. Der Meisterdieb hatte nicht lange Zeit
sich auszuruhen, denn schon stürmte der letzte Schläger mit
einem langen Nortravenschwert auf ihn zu. Mit einer beinahe
unheimlichen Geschwindigkeit, die das Ergebnis jahrelanger
Übung war, zog Melidas hinter seinem Rücken die verborgene
Ein-Schuß-Armbrust hervor, zog den Abzug durch und lies sie
dann achtlos fallen. Sie schlug im selben Moment wie der
Angreifer auf dem Boden auf.
Nun war nur noch Gelenar übrig, der immernoch auf seinem
Stuhl saß. Er wirkte ungewöhnlich ruhig und gleich darauf
erkannte Melidas auch wieso: In seiner Hand hielt er eine
schwere Armbrust, die direkt auf Melidas' Gesicht gerichtet
war.
"Ihr seid wirklich ein geschickter Kämpfer. Schade, dass ich
euch töten muss."
"Wir alle stehen irgendwann vor Morsan. Doch ihr werdet noch
weit vor mir dort ankommen."
Erneut setzte der Alte zu einer seiner Lacher an. Das war der
Moment auf den der Dieb gewartet hatte. Sein Arm zuckte vor
und löste so die im Ärmel verborgene Armbrust aus. Das Lachen
erstickte noch eher es richtig beginnen konnte.
Schwer atmend ging der einzige Überlebende des Kampfes in
die Hocke. So hatte er das nicht geplant, aber das Ergebnis
war das selbe. Diese Räuberbande hatte doch tatsächlich
geglaubt, dass sie die Kirche so einfach bestehlen könnte.
Prätor Terhal in Draconis würde sich darüber freuen,
dass sein Spion Veridon, auch bekannt als Melidas oder Pernon,
wiedereinmal seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte.
Der Spion öffnete den kleinen Beutel an seinem Gürtel und zog
daraus eine Flasche mit einer explosiven Flüssigkeit hervor,
dann nahm er einen weiteren Beutel hervor und streute von der
Flasche eine Spur schwarzen Pulvers in Richtung Türe. Er hatte
dieses Pulver erst vor einigen Tagen bei einem Zwergenhändler
in Draconis erworben und es hatte ihn ein halbes Vermögen
gekostet. Er hoffte das es seinen Preis wert war. Den leeren
Beutel lies er wie zuvor auch die Armbrust achtlos liegen, sie
würden in dem Feuer ohnehin vernichtet werden. Nun war nur
noch eines zu erledigen: Er zog einen fein verzierten kleinen
Dolch hervor, auf dessen Klinge in der Mitte ein einzelnes
Auge prangerte. Der Dolch war aus einem Metal gefertigt, dass
mit Magie behandelt worden war, und würde einer der wenigen
Gegenstände sein, die man nacher in den ausgebrannten Ruinen
finden würde.
Kurz darauf verlies eine in einen dunklen Umhang gehüllte
Gestalt das Gebäude, welches wenige Augenblicke später nach
einem lauten Knall in Flammen aufging. Wie durch ein Wunder
wurden keine weiteren Häuser von dem Brand erfasst.
Wenige Tage später in Draconis. Veridon hatte soeben die
Besprechung mit Prätor Terhal abgeschlossen und darauf ersteinmal
ein paar Tage Ruhe zugesprochen bekommen. Nun war er dabei
das Gebäude der Oculus Ecclesiae, welches als Kirchenverwaltung
der Heiligen Viergöttlichen Kirche getarnt war, zu verlassen.
Bei Veridon handelte es sich um einen Spion der Oculus Ecclesiae,
einer geheimen Organisation innerhalb der Kirche, die offiziell
dem Astrael- und Bellumsorden unterstellt war und von einem
Prätor mit verborgenem Rang geleitet wurde. Wann immer irgendjemand
im Reich Heredon die Interessen der Kirche bedrohte und dies
nicht auf den sonst üblichen Wegen gelöst werden konnte wurde
die Oculus Ecclesiae als Problemlöser eingesetzt. Und so waren
es auch nur ausgewählte Geweihte oder Hochgeweihte, die für
diesen besonderen Dienst an den Göttern herbeigezogen wurden.
Veridon war bei seiner Ausbildung zum Geweihten Bellums in einem
der Klöster in der Nähe von Draconis aufgefallen und schon
kurz nach seiner Weihe trat ein "Talentsucher" der Oculus an
ihn heran. Er hatte diese Entscheidung nie bereut, doch langsam
spührte er wie er in seine Jahre kam. Er sehnte sich nach
einem ruhigeren Leben und das nicht erst seit dem seine Frau
Delia ihr gemeinsames Kind zur Welt gebracht hatte. Beziehungen
dieser Art waren zwar in der Oculus Ecclesiae nicht gern gesehen
doch sie wurden geduldet. Es half den Spionen von Zeit zu Zeit
sich etwas zu entspannen und führte dazu das sie ihre Aufträge
gewissenhafter erfüllten.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schlenderte Veridon über den
Marktplatz in Richtung Händlerviertel, wo er getarnt als Händler
ein Haus mit seiner Frau bewohnte, die während seiner Abwesenheit
den kleinen Feinwerkerladen hütete. Er hatte sie vor einigen
Jahren kennen und lieben gelernt und nun war auch ihr gemeinsames
Kind da. Sie hatten sich bis jetzt noch keine Gedanken über den
Namen des Jungen gemacht, aber das würden sie bald tun und gleich
danach zum Vitamatempel gehen um ihn segnen zu lassen.
Stolz überkam den Vater, als er daran dachte, wie er seinen Sohn
am Schwert ausbilden würde. Er würde über seine Beziehungen
dafür sorgen, dass er einen Platz in der Tempelgarde erhalten
würde und wer weiß, vielleicht stieg er ja sogar eines Tages
zum Kommandanten auf?
So in Gedanken versunken bemerkte er garnicht den Mann, der sich
ihm näherte und kurz darauf anrempelte. Veridon schreckte auf,
doch noch bevor er sich entschuldigen konnte war der Rempler in
der Menschenmasse die um dieses Tageszeit die Straßen bevölkerte
verschwunden. Hatte er diesen Mann nicht schon einmal irgendwo
gesehen? Nun ja, vermutlich war es eh nur eine Einbildung und so
verschwendete er keine weiteren Gedanken an ihn und setzte seinen
Weg fort.
Als er die Türe zu dem Laden öffnete kam ihm schon seine fröhlich
lächelnde Frau entgegen, an ihre Brust den kleinen noch namenlosen
Jungen gepresst.
"Schön, dass du wieder hier bist. Konntest du einige gute Geschäfte
abschließen?"
Eine Regel der Oculus Ecclesiae besagte, dass die Angehörigen
nie von dem wahren Beruf des Spions erfahren durften.
"Nun ja, dieser Händler in Melant war ganz schön hartnäckig. Ich
musste ihn beinahe umbringen, damit er etwas mit seinem Preis
herunterging."
Seine Frau konnte über diesen Witz, der näher an der Wirklichkeit
lag als sie glaubte, nur lachen und berichtete ihrem Mann dann
ausführlich von den Ereignissen in seiner Abwesenheit. Viel war nicht
geschehen, die üblichen Bestellungen und Lieferungen eben. Einzig
und allein eine Nachricht lies Veridon aufhorchen. Ein Mann hatte
sich nach ihm erkundigt. Er wirkte ein wenig merkwürdig... irgendwie
schlecht. Sie hatte ihm dann auch nur erklärt, dass er nicht da
seie und sie nicht wisse wann er wieder komme. Sie hoffe es sei ihm
Recht so? Veridon nickte nur leicht. Ob es der selbe Mann war, der
ihn vorhin angerempelt hatte? Aber nein, so etwas geschah in einer
großen Stadt wie Draconis wohl andauernd. Er war einfach noch
von seinem letzten Auftrag angespannt. Es würde ihn so oder so einige
Mühe kosten seiner Frau heute Nacht im Bett zu erklären wie er zu
der Schnittwunde am linken Arm gekommen war, aber ihm würde wie
immer eine gute Ausrede einfallen. Bis jetzt hatte er es zumindest
jedesmal geschafft. Wieder überlegte er sich, ob es nicht vielleicht
Zeit sei, sich endlich von der Oculus zurückzuziehen und den Rest
seines Lebens als angesehener Feinwerker zu verbringen.
"Schatz?"
"Mhm?"
"Hörst du mir eigentlich zu?"
"Oh... ja, natürlich, Liebling."
"Und warum antwortest du dann nicht?"
"Wie war noch gleich deine Frage, Sonnenblume?"
"Ich wollte wissen wie er denn nun heißen soll."
Kurz war Veridon etwas verwirrt. "Wie soll wer heißen?"
"Na dein Sohn, du Dummerchen."
"Oh... äh. Entschuldige, ich war wohl etwas in Gedanken."
"Na das habe ich auch schon gemerkt. Also wie nun?"
"Ich weiß nicht so recht. Was hälst du von Ermend?"
"Ermend? Das ist ja schrecklich! Mir würde Benion gefallen,
so wie der Name meines Onkels."
"Benion? Ich bitte dich, was ist das für ein Name?"
"Es ist besser als Ermend!"
Veridon setzte zu einer Antwort an, doch dann brach er ab, als er
es an der Türe klopfen hörte.
"Nur immer herein, der Laden hat geöffnet!", rief Delia.
Ein sauber gekleideter Mann öffnete die Türe und betrat den Laden.
Freundlich nickte er den beiden zu und wandte sich dann an
Veridon.
"Den Vieren zum Gruße, Herr. Ich habe gehört ihr verziert auch
Waffen?"
Der Mann zog einen kleinen einfachen Dolch hervor, der keinerlei
Verzierung aufwies, bis auf ein kleines Auge, dass in den Griff
eingeritzt war und das der Spion und Feinwerker sofort als
geheimes Zeichen der Oculus erkannte. Er nickte und bedeutete
dem Kunden mit ihm in das Nebenzimmer zu treten. Nachdem
er die Türe sorgfältig geschlossen hatte, wandte er sich wieder
an den Fremden.
"Ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Was gibt es so dringendes,
dass die Oculus gleich wieder nach mir schickt?"
Der Bote verneigte sich vor ihm.
"Verzeiht, euer Gnaden, aber der Prätor selbst hat mich geschickt."
"Also gut, sprecht.", seufzend lies Veridon sich auf einen Stuhl
sinken und lauschte dem kurzen Bericht des Mannes. Offenbar war
es der Geheimorganisation gelungen vor wenigen Tagen einen
Diener des Einen zu fassen, der sich in der Stadt herumtrieb.
Bei dem gerade abgeschlossenen Verhör hatte dieser nun eine Liste
von Namen preisgegeben. Eine Liste, auf der sich auch Veridon
und andere Mitglieder der Oculus befanden. Wie es schien waren
die Angamonanhänger durch einen unglücklichen Zufall an sie
geraten und hatten nun vor etwas "aufzuräumen". Dazu hatte sich
eine Gruppe von gut ausgebildeten Attentätern nach Draconis
begeben.
"Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mit ihren
Anschlägen beginnen. Deshalb erhaltet ihr auch den Befehl
noch in diesem Zyklus mit den Ermittlungen zu Beginnen. Findet
die Attentäter und tötet sie bevor sie einem Mitglied der Oculus
habhaft werden können. Erfolg ist überlebenswichtig.", damit
schloß der Bote. Mit seinen Händen vollführte er das
Befehlszeichen, dass Veridon mitteilte, dass dieser Befehl
direkt vom Prätor kam und auszuführen sei.
Es dauerte eine Weile, bis der Spion auf diese Nachricht
antwortete. Wenn es wirklich wahr war, dass die Diener des Einen
über eine Liste der Mitglieder der Oculus verfügten, dann
musste schnell gehandelt werden. Doch es bedeutete auch, dass
nicht nur er, sondern auch seine Frau und sein Sohn in
Gefahr waren. Plötzliche Sorge überkam ihn. Was war, wenn
es sich bei dem geheimnisvollen Mann, der ihn suchte, um einen
der Attentäter handelte? Er fasste einen schnellen Entschluß.
"Sagt, wie ist euer Name, Bote?"
"Jamel, euer Gnaden."
"Jamel, könntet ihr mir einen Gefallen tun?"
"Es wäre mir eine Ehre, euer Gnaden."
"Meine Frau, Delia, und mein Sohn, mhm... Benion, sie befinden
sich ebenso in Gefahr wie ich. Ich denke es wäre besser, wenn
sie eine kleine Reise unternehmen. Könntet ihr sie bitte zum
Hafen bringen und dort in ein Schiff nach Rothenbucht setzen?
Wenn ich sie in Sicherheit wüsste würde das meine Arbeit sehr
erleichtern."
"Natürlich, euer Gnaden, ganz wie ihr wünscht."
"Gut, dann werde ich sie sogleich informieren. Sie muss noch
in diesem Zyklus die Stadt verlassen haben. Und denkt dran,
für sie bin ich ein Feinwerker und Händler."
Der Bote verneigte sich nochmals tief und folgte dann Veridon
hinaus in das Vorzimmer.
Nach einem kurzen Streit hatte der Spion es geschafft seine
Frau von der Kurzreise nach Rothenbucht zu überzeugen,
angeblich, weil der dortige Vitamatempel so berühmt sei und
man ja nur das Beste für den Jungen wolle. Er würde sich auch
mit dem Namen Benion zufrieden geben.
Noch bevor der Dunkelzyklus hereinbrach waren die wichtigsten
Dinge gepackt und der Bote mitsamt Delia und Benion in
Richtung Hafen verschwunden. Seufzend sah Veridon ihnen nach.
Hoffentlich ging alles gut, dachte er. Langsam stieg er die
Treppe zu dem Schlafgemach hinauf, wo er seinen Umhang und
einige kleinere Waffen versteckt hatte, als er es unten im
Laden poltern hörte. Wer würde um diese Zeit noch etwas
kaufen wollen? Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden
kontrollierte er nochmals den Sitz des versteckten Messers,
dass er immer bei sich trug, und machte dann kehrt um
nachzusehen ob er noch eine Zange oder eine Lampe verkaufen
konnte.
Als er den kleinen Laden betrat fiel ihm der Mann, der sich
scheinbar interessiert umsah, sogleich unangenehm auf und
seine Sinne warnten ihn. Er hatte diesen Mann schon einmal
gesehen. Es war der Rempler auf der Straße und, wie er sich
inzwischen beinahe sicher war, es war auch derjenige, der
nach ihm gesucht hatte.
"Kann ich etwas für euch tun, Herr?"
Er musste nun sehr vorsichtig sein. Zwar hatte er ein Messer,
aber wenn dies wirklich ein ausgebildeter Attentäter war...
"Ah, sicherlich, sicherlich.", erwiederte der Mann mit einer
schnarrenden, irgendwie unangenehmen Stimme.
"Seid ihr der Besitzer dieses Ladens?"
"So ist es, Herr.", antwortete Veridon, nicht ohne den
vermeintlichen Attentäter dabei stets aufmerksam zu
beobachten.
"Veridon, nicht wahr?"
"Ja, Herr."
"Sehr gut, sehr gut. Ich bringe eine Botschaft für euch.
Sie lautet: Ihr könnt euch der WAHRHEIT nich verschließen.
Angamon Vobiscum!"
Im selben Moment zog der Attentäter eine kleine Armbrust
unter seinem Umhang hervor und zielte damit auf sein Opfer,
doch Veridon war darauf schon gefasst gewesen und hechtete
zur Seite. Der Bolzen versenkte sich an der Stelle, an der
eben noch sein Kopf gewesen war, tief in das Holz eines
Balken. Noch während der Spion sich abgerollte zog er
das verborgene Messer und kam kampfbereit wieder auf die
Füße. Doch auch der Attentäter war nicht untätig gewesen
und hatte einen feinen schwarzen Degen gezogen. Kälte
schien irgendwie von dieser Waffe auszugehen und Veridon
musste nicht lange überlegen um zu erraten, dass diese
entweder verzaubert oder verflucht war. Mit einem
schnellen Schritt war der Attentäter heran und führte
seinen ersten Streich gegen die Brust seines Gegners,
doch dieser wich mit einem kleinen Sprung zurück und
parierte den Schlag mit seinem kleinen Messer.
Eigentlich sollte Veridon angesichts der Übermacht
nun in Panik verfallen, aber sein Verstand arbeitete
vollkommen ruhig. Er sah sich nach einer geeigneten
Waffe um, denn nur allein mit dem Messer würde er
den Mann nicht lange in Schach halten können. Ihm fiel
das große Breitschwert ein, dass ein befreundeter Schmied
neulich zum Verzieren vorbei gebracht hatte. Zwar
verabscheute er solche groben großen Waffen, aber im
Notfall war es besser als nichts. So wich er langsam
in Richtung des Nebenzimmers zurück, in das er auch
vorhin mit dem Boten gegangen war. Immer schwerer
fiel es ihm den Angreifer abzuwehren. Er war wirklich
gut. Doch dann hatte er das Breitschwert endlich
erreicht und schwang jenes nun mit beiden Händen.
Schon beim ersten Schlag zerbrach der dunkle Degen
des Attentäters unter der schieren Wucht. Raureif
bildete sich dort, wo die Klinge der zerbrochenen
Waffe den Boden berührte. Der Fremde war durch
diese Wendung des Kampfes offenbar so überrascht,
dass er die Flucht ergreifen wollte, aber Veridon
schickte ihm sein Messer hinter her, so dass er
noch im Nebenzimmer zusammenbrach. Schwer keuchend
blickte er auf den Toten hinab und kniete sich dann
hin um ihn zu untersuchen. Wie erwartet trug er nichts
bei sich, was über seine Identität aufschluß geben
könnte. Einzig und allein einige rituelle Gegenstände
fielen ihm auf. Sie würden im Haus der Oculus genauer
auf Flüche hin untersucht werden müssen. Dann erhob
er sich wieder und betrat wieder den Laden, um den
angerichteten Schaden genauer zu beäugen. Gerade hatte
er die Türe hinter sich geschlossen, als die Vordertüre
des Ladens aufflog. Erschrocken sah Veridon die Umrisse
eines in einer dunklen Robe gehüllten Mannes, dann fiel
sein Blick auf dessen Hände, die merkwürdige Runen in
die Luft zu zeichnen schienen. Ein ungewöhnlicher
warmer Wind wehte ihm entgegen. Doch bis er begriff was
vor sich ging war es bereits zu spät. Sein letzter Gedanke
war noch "Magier!", dann ging der gesammte Innenraum des
Ladens mit einem Schlag in Flammen auf.
Zur selben Zeit verabschiedete sich der Bote am Hafen
von Delia. Er hatte mit ein wenig Nachhilfe in Form von
Dukaten noch einen Platz an Bord eines Schiffes gefunden,
dass die beiden nach Rothenbucht bringen würde. Anschließend
sollte der kleine Segler weiter nach Hügelau fahren, doch
dann wären die beiden Passagiere ja schon nicht mehr an
Bord. Der Prätor würde zufrieden mit ihm sein, dachte er
und wandte sich ab.
Delia sah ihm noch kurz nach und lächelte dann auf den
Jungen in ihren Armen hinab.
"Schlaf mein kleiner Benion. Wir machen jetzt eine Reise
nach Rothenbucht. Dein Vater wird auch nachkommen und
dann wirst du endlich den Segen der Mutter erfahren."
Dann brachte sie den kleinen Jungen hinab in ihre
bescheidene Schlafkajüte um ihn dort ins Bett zu legen.
Sie selbst war noch nicht müde und entschloss sich nochmals
an Deck zu gehen um die frische Nachtluft einzuatmen.
Sie lies den Blick über den nächtlichen Hafen gleiten, als
sie ein Glitzern am Rande ihres Gesichtsfeldes bemerkte.
Neugierig blickte sie zu einigen Kisten hinüber, als
sie es erneut bemerkte. Irgendetwas metallisches Glitzerte
dort im fahlen Licht des Astreyon. Lächelnd blickte sie
weiter zu der Stelle, als sie plötzlich bemerkte wie sich
das Glitzern von den Kisten löste und rasend schnell auf
sie zukam. Im nächsten Moment spührte sie einen stechenden
Schmerz in ihrer Brust und blickte ungläubig auf einen
Pfeil hinab, der sich dort in sie gebohrt hatte. Sie
war so überrascht, dass sie nicht einmal Schreien konnte,
als sie über die Reling kippte und in das Hafenbecken
fiel.
Am nächsten Morgen im Zimmer des Prätors.
"Wie sieht es mit dem Brand im Händlerviertel aus, Jamel.
Konnte er gelöscht werden?"
"Ja, Prätor."
"Gut. Kennt man den Ursprung?"
"Offenbar der Feinwerkerladen Veridons, Herr."
Der weißhaarige Mann, der vor dem Boten in einem
bequemen Sessel saß verzog das Gesicht.
"Überlebende?"
"Keine, Herr. Einige unserer Magier scheinen der Ansicht
zu sein, dass es sich um ein magisches Feuer handelte.
Sehr heiß und tödlich."
"Ich verstehe."
"Außerdem wurde von der Morgenwache eine Frau tot im
Hafenbecken treibend gefunden. Offensichtlich handelt
es sich dabei um die Frau Veridons. Der Pfeil, der sie
tötete, wird noch untersucht. Aber er schien vergiftet
zu sein."
"Bedauerlich. Veridon war ein guter Mann. Setzt die
anderen Spione in Alarmbereitschaft. Wir müssen diese
Gruppe zerschlagen, bevor sie noch mehr von uns töten."
"Sehr wohl, Herr."
Der Prätor gab dem Boten einen Wink, der ihn entließ,
doch dieser schien nicht gehen zu wollen.
"Ist noch etwas, Jamel?"
"Der Sohn, Herr."
"Der Sohn?"
"Benion, Herr. Der Sohn Veridons. Sein Aufenthaltsort
ist unbekannt, aber vermutlich befindet er sich noch
auf dem Schiff. Jedenfalls wurde dort keine weitere
Leiche gemeldet."
"Wohin fährt dieses Schiff?"
"Nach Hügelau über Rothenbucht, Herr."
"Nun gut. Dann erteile ich dir folgenden Befehl:
Nachdem du jemanden gefunden hast, der unsere Spione
in Alarmbereitschaft versetzt, wirst du dich selbst
auf dem schnellsten Weg nach Rothenbucht begeben.
Heure dort als Seemann auf dem Schiff an und sorge
dafür, dass der Junge gut versorgt wird. Ich hörte
auf Hügelau soll es eine hervorragende Niederlassung
des Ordens vom Lieblichen Kelche Vitamas geben."