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Gütige Herrin Vitama, lass mich nichts Falsches tun …
Die Kerzen im Schlafsaal des Hospizes erhellen ihn nur fade. Die betten, sonst meist leer und ruhig, erfüllt von leisem Gestöhne und den reglos liegenden Leibern dreier Menschen.
Eine junge Frau, ein Mädchen, rutscht eilig, atemlos zwischen den drei Betten umher, immer wieder ihre Hilfe dem bietend, der um sie ruft, und sei es nur ein müdes Augenblinzeln, welches sie am Rande mitbekommt.
Oh Schwester, du musst ein wenig schlafen. Ich sorge mich doch um ihn. Es wird alles wieder gut…
Sanft streicht ihr freie, zittrige Hand, von kleinen streifen verkrusteten Blutes bedeckt über die kränklich blasse Wange der Geweihten, umgarnt sorgenvoll die zarte Haut. Das Mädchen wirkt hilflos – was sollte sie auch schon tun? Läge hier ein trächtiges Schaf vor ihr, ein verletzter Wolf, sie wäre sich sicher gewesen in dem was sie tut. Vitama half ihr schon zu oft, aber wenn sie sich selbst helfen musste, in dem sie Dinge tat, von der sie kaum etwas verstand … oh weh ihrem Herzen, täte sie etwas falsch? Käme ihre Hilfe zu spät?
Liebe Schwester, du bist nie allein’, du weist doch, ich bin immer für dich da.
Leise klingen die Worte wie ein zittriges Lied gesungen und doch sanft vor Verzweiflung. Das Mädchen lässt ab von den behandelten Wunden der Geweihten, küsst deren Stirn als wolle sie alle Sorgen in einer einfachen Geste hinfort wehen.
Erleichterung macht sich in ihrem Herzen breit, vertreibt das Weh für einen Moment. Doch als sie aufsieht, zu den Beiden ruhenden, Verletzten die dort noch liegen neben ihr, verfällt sie schuldbewusst in die Hektik zurück, mit der sie die gesamt Nacht verbringt.
Christoph, Christoph … es geht ihr schon besser. Die Herrin wacht über sie, sorgt euch nicht so sehr.
Ein leises hauchen ihrer Stimme, dem dort liegenden Geweihten entgegen, welchen sie ebenso wie ihre Schwester in die wohlbehütende Decke straff einwickelte. Als würde das helfen, als würde es den Kummer und den Schmerz aus ihrem Augenmerk vertreiben.
In müden, fahrigen Bewegungen tupft sie sanft das trockene Blut aus dem Gesicht des Ruhenden.
Es war doch nur ein Bär Christoph. Nur ein Bär …
Ein Bär … wie konnte sie nur so dumm sein.
Stehen wir wirklich über dem Tier, gütige Herrin? Wir dürfen es doch nicht einfach so töten!
Entfährt es ihr in Gedanken verzweifelt, als sie weiter herüber rutscht zum letzten der Drei, und sich um den kräftigen Wachmann sorgt.
War es denn wirklich so falsch. Der Bär ist doch besänftigt, zurück in seinem Wald, dort wo er hingehört. Wieso ihn noch töten? Weshalb ein Leben nehmen, das nichts dafür kann dass es so ist, wie es geschaffen wurde.
Oh Herrin, gütige Mutter Vitama. Stets heilst du uns, stets schenkst du uns deine Liebe. Du findest uns, noch ehe wir dich rufen. Doch wie kann so grausam sein, etwas dass du schufst. Wenn wir uns nur besser verständen meine Herrin, wenn du uns nur die Gabe schenken würdest, ein Tier zu schützen, zu besänftigen, wenn es Furcht erregt. Und wenn du ihnen nur die Furcht nehmen würdest vor uns Menschen, die wir oft so grausam sind zu ihnen. Heute hast du mir wieder gezeigt, dass ich vermag dies zu tun, liebe Mutter. Aber nun zeigst du mir auch, wie hilflos und wie klein ich bin, um den Schaden deines Tieres wieder gut zu machen. Herrin ich sehne mich nach dir, deine Kinder sehnen sich nach dir, hilf ihnen die Nacht zu überstehen. Oh gütige Mutter Vitama, du bist allmächtig, allgegenwärtig, allwissend. Schenke uns ein verständiges Herz, ein Herz das Liebe trägt zu all deinen Wesen, ob groß oder klein, Tier oder Mensch.
Die Nacht über wandelt das Mädchen von einem Bett zum nächsten, sich um den der Dreien grade sorgend, welcher ihr Augenmerk auf sich zieht. Leise flüstert sie immerzu dieselben, bittenden Worte, um dafür sorge zu tragen, dass sie Ihr gerecht wird, zu der sie sich selbst hat hingegeben.
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