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Ein seltsamer Tag ging zu Ende. Voller Wut, voller innerlicher Qual. Was hatte Akora und Ravan zu ihm gesagt, als sie an der Feste Seeberg waren? Er solle nicht den Held spielen, er kann die Pest nicht bekämpfen.
Estwicks Schritte hinterließen nur geringe Spuren im Schnee. Jede seiner Bewegung war ein Instinkt. Oft waren es die Menschen die im Wald auffielen, doch in diesem fall war er es, der im Wald nicht auffiel. Nur ein geschickter Beobachter vermochte den Schatten zwischen den Bäumen hin und her huschen sehen. Sein Magen machte sich bemerkbar, doch irgendwie war das jetzt egal. Seine linke Hand schmerzte, Blut tropfte aus den doch tieferen Schürfwunden hinab auf den Boden. Die einzige Spur, die er zurückließ.
Kann ich die Vergangenheit vergessen? Kann ich vergessen, dass ich versagt habe?
Da waren sie wieder, diese Bilder im Kopf, damals war er nicht der Held gewesen, er hatte es nicht geschafft zu retten. Der Reiter, das Schwert und Angelia. Die Blutfontäne erinnerte ihn an die Schmerzen in seiner Hand. Voller Wut, Verzweiflung und innerliche Panik hatte er seine linke Hand auf eine Hauswand niederschmettern lassen. Hoffnung, der Schmerz wäre stärker als die Erinnerung. Doch irgendwie war dieser Schmerz nicht so stark, wie der Schmerz der Erinnerungen.
Habe ich mich nicht oft genug selber bestraft? Habe ich nicht oft genug den Wald auf meinen Rücken getragen? Ich fühle mich leer. Es gibt niemanden, zu dem ich kehren kann und meinen Schmerz mitteilen kann. Mit den Göttern sprechen... nie habe ich Antwort bekommen.
Die linke Hand baumelte fast wie der Körper eines Gehängten im Winde. Ihm fielen Erinnerungen ein, wie er in eisiger Kälte für all sein Versagen Baumstämme auf seinen nackten Rücken gehoben hatte und mit ihnen einmal quer durch die Wälder Siebenwinds gestriffen war.
Soll ich für all meine Fehler einen Baumstamm tragen? So viele Bäume gibt es nicht...
Sein Weg war eher ohne Ziel, er wollte nur herumstreifen. Wollte abgelenkt sein. Er wusste, er war nördlich von Falkensee, er war in der Nähe des Turms, in der Nähe von Akora.
Bin ich ein Gefangener meiner Selbst? Zeige ich nur nach außen Stärke? Bin ich innerlich schwach? Sehen in mir alle nur den Spaßvogel, den man nicht ernst nehmen muss ?
Voller Unwissenheit starrte er auf die Tür des Turmes. Versuchen wollte er es.
Ruhig... ein Fuß vor den anderen setzen. Dann nur noch leise Klopfen, du hast es wenigstens versucht.
Seine Hand, inzwischend noch mehr blutend schmerzte noch mehr. Er befühlte sie, dort war sicherlich etwas gebrochen. Vorsichtig streckte er seine rechte, gesunde Hand aus und klopfte leise. Das Klopfen so leise, als wenn der Wind sanft gegen die Türe drückte. Sicherlich würde dies niemand hören, aber dennoch hatte er es versucht. Lange stand er stumm vor der Tür, die Erinnerungen durch den Kopf schiessend. Die Blutfontäne. Er verharrte noch lange in der Dunkelheit. Am Boden hatte sich ein großer roter Fleck direkt vor der Tür gebildet. Langsam drehte er sich um und trottete auf den Teich zu.
Sicherlich war dort niemand, das war mir doch klar. Aber ich habe es versucht. Versuchen ist ein Anfang.
Seine Hand hatte sich langsam verkrustet, doch die Schweißperlen auf seiner Stirn zeigten ihm deutlich, wie sehr die Hand schmerzte. Mit seinem Stiefel trat er einmal feste auf die Eisfläche, die ersten Risse schossen durchs Eis. Beim nächsten Tritt brach die Eisdecke nach und teilte sich in mehrere kleine Eisflächen.
Einfach aus der Mitte meines Lebens genommen...
Immer wieder die Assoziationen mit dem Vergangenen. Er griff mit seiner rechten Hand nach den Eisflächen und schleuderte sie hinter sich, Richtung Turm. Vorsichtig tauchte er seine linke Hand hinein ins Wasser. Eiskaltes Wasser umhüllte seine schmerzende Hand. Der stechende Schmerz ließ nach, doch die Blutkruste löste sich langsam im Wasser.
Eiskalt fühle ich mich. Meine Hand ist eiskalt, mein Herz fühlt sich noch kälter an. Meine Erinnerungen sind blutgetränkt und mein Handeln auf dieser Insel war schlecht und unüberlegt. Aufgespielt wie ein Streuner, wie ein Bettler, ja sogar wie ein Betrunkener. Ich habe mich zum Narr gemacht. Ich war ein Narr. Bin ich es immer noch?
Er erhob sich langsam, inzwischen stach nicht mehr der Schmerz, sondern die Kälte. Er drehte sich um und blickte hinter sich. Er überlegte:
Soll ich die Blutspuren vor der Tür entfernen? Die Eisflächen wieder zurück in den Teich?
Doch er ließ alles so liegen, wie er es angerichtet hatte. Vielleicht würde das ihm gut tun, nichts wegzuräumen. Bisher hatte es ihn innerlich immer aufgefressen, versteckt hatte er sich im Wald. Alle Spuren von ihm vernichtet, damit ihn ja niemand sehen würde. Vielleicht wollte er gerade mal gesehen werden...
Langsam striff er wieder durch den Wald, sicherlich fand er noch einen warmen Ort im Wald, wo er übernachten könne. Ein Feuer, sein Umhang und der Schmerz in der linken Hand, das würde ihm wohl bevorstehen.
Zuletzt geändert von Majorsnake: 4.02.06, 03:34, insgesamt 1-mal geändert.
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