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Kälte war das erste Gefühl, dazu ein steter, pochender Schmerz, der wohl der Grund für das Erwachen war. Mühseliges Aufrichten, der erste, unsichere Griff ging zu der angebrochenen Weinflasche, rasches Entfernen des Korken, ein tiefer, grosser Schluck aus ihr, die Wärme, die der Alkohol mit sich brachte, empfangend und dann ein Näherrücken an die zwischen Steinen eingeklemmte Fackel. Wie spät es wohl sein mochte? Welcher Tag es wohl war? Das Gefühl für die Zeit war langsam fort. Ein Griff in den Beutel, ein Stück vom harten Brot nehmend und darauf herumkauend, mehr dem Hunger als dem Appetit wegen. Der Blick aus den noch müden Augen glitt zu jener Stelle, wo ein dunkler Fleck den felsigen Boden zeichnete - ein Schandmal des Versagens. 'Und wenn ich es wieder nicht schaffe?' Wieder dieser bohrende, schmerzende Gedanke, der die kurzzeitige Überlegung einer Flucht mit sich brachte. Fliehen - nein, undenkbar. Diese Prüfung musste bestanden werden - Entschlossenheit, Mut, Stärke mussten bewiesen werden. Und Demut...
Nur wie? Ein mühseliges Aufrichten der steifen Glieder, Abschütteln des Felles, was noch stark nach der Gerbsäure roch, mit dem es wohl einst behandelt wurde. Langsame, schleppende und schlurfende Schritte über den felsigen, hier und da unebenen Boden, die Arme fest vor dem Körper verschränkend, während der pochende Schmerz wieder auferstand. Ein Blick an den mit Felsen verschlossenen Eingang entlang, lauschend, doch bis auf das leise, stete Tropfen keine weiteren Geräusche zu vernehmen. Ein schneidend kühler, doch auch frischer und Freiheit versprechender Luftzug von der Seite her, wo sich auch tatsächlich ein schmaler Spalt befand. Ein Versuch war es wert - wenigstens für kurze Zeit frische Luft atmen, für kurze Zeit die Freiheit geniessen.
Tief einatmend, die frische Luft durch die Nase und durch den Mund einziehend, spürend, wie der Wind den Umhang etwas aufblähte, an der Kapuze riss und zog - so stand die Gestalt da, die Augen einen Moment schliessend. So fühlte sich Freiheit an. Freiheit, für die man so vieles zu opfern bereit war. Ein warmes, sicheres Heim, Liebe, Freunde, Geld - alles erschien fast unwichtig, solange man frei war. Solange man frei war... Der Gedanke, der sich so rasch im Kopf auszubreiten drohte, war erschreckend - aber war das nicht der Schlüssel?
Die Augen öffneten sich, langsam, gezeichnet von Erkenntnis, hinauf zu den Sternen blickend.
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