Im Erdgeschoss eines verlassenen Hauses in Falkensee sitzt ein junger Mann mit weißblonden Haaren, die so gar nicht zu seiner eher dunklen Haut passen wollen. Sein Oberkörper ist frei, der Rücken verziert von einer länglichen, violett schillernden Quetschung, die wohl kaum einen Tag alt ist. Vor ihm auf dem wackeligen Tisch steht eine Pflanzschale, in dem sich ein winziger, kaum Spanngroßer Baum befindet, welcher sich mit den Wurzeln auf einem knapp faustgroßen Stein festkrallt. Der Mann ist scheinbar konzentriert dabei, einzelne Blättchen oder kleinste Äste mit einer pinzettenartigen Schere zuzuschneiden, aber seine Gedanken befassen sich dabei mit den Geschehnissen des letzten Tages.

Versagen? Was war Versagen? Wie hatte er niedergeschlagen werden können, trotz aller Ausbildung? Aber wann hatte sich seine Ausbildung mit solchen Angreifern befasst?

Zunächst war es wie ein normaler Überfall erschienen. Zwei kräftige Männer, wohl gute Kämpfer, hatten ihn eingeholt und aufgefordert, in den Wald abzubiegen. Auch wenn noch keiner eine Waffe gezogen hatte, war klar gewesen, was sie wollten. Wie so oft geübt hatte er die Lage taktisch abgewogen. Die Männer waren vielleicht kräftig und geschickt, aber taktisch fast schon erschreckend unfähig. Statt ihn in die Zange zu nehmen stand einer viel zu weit entfernt, um ernsthaft eingreifen zu können. Die richtige Position für einen Schützen, aber als Speerträger? Der zweite direkt vor ihm. Das vorgehaltene Schwert sollte ausreichen um zu verhindern, dass dieser einfach nach vorne stürmte. Ein kurzer Blick seitlich bewies, dass der Weg für einen raschen Rückzug in den Wald frei war, dort würden sie ihn im Dunkeln kaum verfolgen können.

Alles was noch fehlte war ein kleines Ablenkungsmanöver, und dazu war die brennende Laterne in der Linken gerade richtig. Ein kurzes Antäuschen mit dem Schwert, um die Aufmerksamkeit des Angreifers abzulenken, gerade lange genug, um ihm die Laterne entgegen zu schleudern… aber dann ging alles schief.

Nicht, dass die Laterne nur zerbrach, das Öl aber kein Feuer fing… mit so etwas hatte er gerechnet. Aber dass der vordere Angreifer sowohl die Finte mit dem Schwert als auch die Laterne, die ihn an der Brust traf und mit Öl übergoss, völlig ignorierte, war geradezu unmenschlich. Und nicht nur das, im selben Augenblick hatte dieser fast ohne eine Bewegung den Abstand plötzlich überbrückt, wobei er das vorgestreckte Schwert scheinbar einfach durchdrungen hatte. Ohne auch nur auszuholen hatte der Räuber mit seiner Axt zugeschlagen und ihn dabei fast von den Füßen gerissen. Der nächste Schlag war zwar noch größtenteils vom Kettenhemd abgefangen worden, hatte aber durch seine bloße Wucht genügt, um ihm die Luft aus der Lunge zu drücken und ihn erst einmal bewusstlos zu Boden gehen zu lassen.

Nein, wie man mit solch übernatürlichen Angreifern umgehen sollte, das hatte sein Lehrmeister ihm nie erklärt. Aber während der junge Mann einen weiteren Zweig um ein paar Millimeter kürzte, fand er auch die Lösung auf dieses Problem. Er würde einfach nur lernen müssen, dass es sinnlos ist, bei Raidern auf RP zu hoffen.