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Bist du je in der Dunkelheit erwacht, müde und ohne Orientierung, hast ein Licht gesucht, dass dir leuchtet, dir zeigt, wo du nun bist?
Das dort scheint aus deiner Kammer.
Und du hast dich erhoben und bist ihm gefolgt, dabei strauchelnd gegen jede Ecke gestoßen, die du doch so gut kanntest - denn du hast nicht gesehen.
Aus den Fenstern des Tempels heraus beobachtete Amelia diese junge Frau; gütige Göttin, dieses Kind, das dort vor dem Tempel stand. Sie beobachtete sie oft dieser Tage. Immer dann, wenn sie den Schrein verließ, machte sie in dem lichten Gang an den Fenstern halt und spähte hinab vor die Portale. Und immer sah sie Liriel dort stehen.
Und es machte ihr große Sorgen, die nicht viele verstanden. Verstand sie denn überhaupt jemand?
Einmal fragte Amelia sie, weshalb sie dort steht. Bei Regen und Sturm, bei Tag und Nacht. Und sie sagte, sie hielte dort Wache.
Amelia glaubte ihr nicht. Liriel war Niemand, der gerne solch endlose Stunden an einer Stelle steht und nichts tat. Der Schmerz der sie durchdrang war deutlich zu sehen. Und zu spüren.
Sie suchte nur nach jemandem, der sich mit ihr unterhielt, ihr ein wenig Gesellschaft leisteste. Aber suchte sie dort wirklich an der richtigen Stelle? Sie sucht nun jene, vor denen sie vor wenigen Wochen erst noch floh. Und sie fühlte sich wohl bei ihnen.
Überhaupt war es ein großer Erfolg für die Kirche, der ihr keinerlei Mühen kostete. Ihr Gedächtnis wurde Liriel genommen und damit auch ihr Wille dem Einen zu dienen. Ging es denn noch einfacher, ein verlorenes Kind zurück zu führen? Nein.
Und doch fühlte Amelia sich unwohl bei dem Gedanken. Es ist zu einfach gewesen sie zu den Vieren zurück zu führen. Zu einfach, weil die Diener des Einen es so wollten. Weshalb? Das wussten wohl nur sie selbst. Doch sie erfüllten dem Guten einen Dienst damit.
Viel schwieriger war es jedoch gewesen, sie auf diesem Weg zu halten. Denn diese Frau ist so störrisch wie eine der Ziegen im Tempelgatter. Und stur. Es kostete sie Mühen, Liriel auf dem rechten Weg zu behalten und sie fand kaum Unterstützung dabei. Dabei war sie sich nicht einmal sicher.
Der Kragen, der sie zu einer Vogelfreien machte half sehr dabei, sie im Tempel zu behalten. Denn außerhalb war sie in ständiger Gefahr, jeder der grausam und stark genug wäre hätte sie töten können. Darum blieb ihr keine andere Wahl, als Schutz im Tempel zu suchen.
Und dort war sie nie alleine. Sorgte sie etwas, so kann sie über ihre Sorgen sprechen.
Auch vor den dunklen Dienern war sie in Sicherheit. Und den Göttern ständig nahe. Es half ihr sehr dabei, das Gute vor Augen zu behalten.
Amelia seufzte, als sie Liriel in den Tempel gehen sah und wandt sich von dem Fenster ab.
Sei doch zufrieden mit dem was du nun bist und koste es aus. Es ist wie ein zweites Leben, dass dir die Vier geschenkt haben. Es ist nicht so rein und unschuldig wie dein erstes, aber du kannst dich bessern und darfst nicht wieder umkehren. Deine Gedanken wieder zu erlangen wäre dein Untergang.
Zuletzt geändert von Amelia: 8.05.06, 16:40, insgesamt 1-mal geändert.
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