Die „Pfeil des Südens“ machte gute Fahrt. Der Seegang war wenige Seemeilen vor der Insel nicht mehr so stark wie noch auf hoher See. Geschäftig eilte die Crew über das Deck und durch die Takelage.
Der Ausguck hatte vor einem Zyklus Land in Sicht gemeldet und seitdem stand Marakor am Bug des Schiffes und war dankbar über den Seegang. Die erste Woche hatte er eigentlich nur das Meer von der Reling aus betrachtet und war nicht fähig, etwas bei sich zu behalten. Ein Schiff war halt doch etwas anderes als ein Ross, auch wenn sich die Bewegungen ähnelten...

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Kapitän Hanvar neben ihn trat. Der grauhaarige Mann stellte sich neben ihn an die Reling und betrachtete den Horizont.
„Herr, die Insel sollte bald aus diesem Dunst auftauchen. Eine Perle in diesen Meeren. Ich denke, in zwei Zyklen sollten wir Brandenstein erreichen, den einzigen Hafen Siebenwinds.“
„Danke Kapitän“, erwähnte der junge Ritter freundlich „Ihr werdet den Rest des Goldes beim Anlegen erhalten, wie abgemacht.“

Hanvar nickte und ging wieder an seinen Platz am Heck, hier und da unverständliche Befehle an die Crew brüllend. Marakor hingegen ging in seine Kabine, um seine wenigen Sachen zu packen und sich zu rüsten. Man hatte ihm zwar bei Reisebeginn abgeraten, seine Rüstung anzulegen, aber ein volles Ornat sah bei seiner Ankunft einfach besser aus. So rüstete er sich schweigend auf dem immer noch ungewohnten Schwanken des Schoners, packte seine restlichen Habseligkeiten in seinen Seesack und betrat wieder das Deck. Unschlüssig drehte er kurz die versiegelte Nachricht an die Ritterschaft in den Händen, bevor er sie sicher in einer seiner Gürteltaschen verstaute .
Man hatte sie ihm in Draconis übergeben, wo er nach dem Krieg gegen den Ungenannten in der Ordensfestung der Falkenritter untergekommen war. Er hatte sich lange von seinen Verletzungen erholen müssen, Narben waren geblieben, sowohl körperliche als auch seelische. Von ersteren hatte er sich erholt, letztere verfolgten ihn in stillen Nächten. Alpträume von Blut, Krieg und Magie, aus denen er meist schweissgebadet aufwachte und dann die ganze Nacht wachlag. Er hatte Freunde verloren in diesen Schlachten, deren Gesichter er nicht mehr vergessen konnte. Als ihm ein Brief des Hochmeister von Siebenwind in die Hände fiel, der dazu aufrief, dass sich Ritter zum Wiederaufbau der Insel melden sollten, war ihm klar gewesen, dass er aufbrechen musste. Er wollte vergessen.
Seine Lordschaft Gilbert Rosenflucht von Resinar, der Ordensmeister der Festung, hatte seinem Wunsch entsprochen, Draconis gen Siebenwind zu verlassen. Vor seiner Abreise hatte man ihm noch diesen Brief mitgegeben, der nur dem Hochmeister zuzukommen sei. Er war doppelt versiegelt, mit dem Königswappen und dem Wappen derer von Gerdenwald. Einen vager Umriss seiner künftigen Aufgaben hatte man ihm auch vermittelt und es würde gut für das Lehen Siebenwind sein.
Er schob die Erinnerungen an die Reise von Draconis nach Rothenbucht und die Seefahrt auf der „Pfeil des Südens“ beiseite und schaute gen Horizont.

Hanvar hatte recht gehabt, langsam schälte sich Siebenwind aus dem Dunst. Die Reiseberichte und Bücher in Draconis hatten von einem grünen Eiland inmitten von stahlblauem Meer berichtet, aber was er sah, war nicht ähnlich dessen, was er vor Reisebeginn gelesen hatte.
Ein Teil der Insel schien eher grünbraun und nebelig zu sein und während das Schiff nach steuerbord schwenkte, um die Bucht von Brandenstein anzulaufen, wurden die Berichte zutreffend. Immer mehr sattes Grün kam in Sicht und hier und da auch Flecken der Zivilisation. Hier hatte der Krieg also auch getobt, dabei hatten die Berichte von Frieden gesprochen. Leise seufzend stand der junge Ritter wieder am Bug des Schiffes und wartete die Ankunft in Brandenstein ab.