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 Betreff des Beitrags: Nachtschwingen
BeitragVerfasst: 10.08.06, 13:29 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 10.08.06, 13:20
Beiträge: 3
"Sah'Lien!"

Ich erstarrte, ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und mochte dort wohl eine Gänsehaut hervorrufen, doch fing ich mich rasch wieder, ehe ich mich mit einem höflichen und gespielt-freundlichen Lächeln herumwandt und meinem Gegenüber unverhohlen in dessen Augen sah.
Jung war er, mochte nicht mehr als zweihundert Götterläufe zählen. Freundlich, etwas naiv und wie fast ein jeder seines, und unglücklicherweise auch meines, Volkes so arg von der Menschheit korrumpiert, dass ich nur die Augen schliessen brauchte und selbst dann noch ihre Vergänglichkeit und Fäulnis an ihm wahrnahm.
Armer, unwissender Narr.
"Einen guten Abend, Farlionel", begann ich auf Galad, singend, etwas höher die Stimme, als würde ich ein kurzes Lied intonieren, "verzeiht mir, jedoch bin ich gerade auf dem Weg zu einem wichtigen Treffen. Wir werden uns gewiss später im Gemeinschaftshaus wiedersehen."
Ein kurzes Neigen meines Kopfes, dazu wie immer das überaus freundliche Lächeln, welches ich gekonnt beherrschte, mein Blick noch auf seine Augen gerichtet - ich sah seine Unsicherheit darüber, dass ich ihn auf reinstem Galad angesprochen hatte. Dann jedoch wand ich mich herum, liess ihn zurück und hörte nur noch, wie er leise "Nah'Lien" murmelte.

Ich hasste sie. Allesamt.

Was war nur aus diesem Volk geworden, dem ich angehörte?
Machtlos war es, kroch vor Menschen und schien nur noch seine Identität darin zu finden, wenige, bedeutungslose Worte unserer eigentlich so einmalige schön klingenden Sprache mit den harten Vokabeln des Galad zu verbinden.
Ich hatte es aufgegeben, mich gegen sie aufzulehnen - ich war nur ein einzelnes Sandkorn an einem langen Strand, trauerte einsam alten Zeiten nach, während ich mich in rauschhafter Ablenkung versank und meinen eigenen, einsamen Weg ging.
Einsamkeit ist meine beständigste Begleiterin, wurde schon so etwas wie eine treue Freundin. Gewiss hatte ich eine Familie - der eine, kleine Teil dachte wie ich, manch' einer von ihnen mochte sich sogar noch auflehnen, andere wiederum hatten sich der allgemeinen Tendenz meines Volkes angeschlossen.

Sollten sie doch.
Ich ging meinen Weg und solange ich den unsterblichen Part in mir bewahrte, solange ich mich in Geduld übte, meine Unsterblichkeit zu nutzen wusste, solange arbeitete ich auch daran, ihr Ende vorzubereiten.

Ihr Volk, was dann schon längst nicht mehr meines gewesen sein wird, wird untergehen.


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BeitragVerfasst: 18.08.06, 00:25 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 10.08.06, 13:20
Beiträge: 3
Regen rann an der Scheibe hinab, an der ich meine Stirn gelehnt hielt, sah mit einem durch die hinabrinnenden Tropfen verzerrten Blick hinaus auf das in der Dunkelheit ruhig daliegende Draconis. Verschwommen nahm ich die Lichter wahr und nur am Rande hörte ich das leise Klirren von Glas, als mir meines aus der Hand rutschte.
Schmerzlich schloss ich für einen Moment meine Augen und wand, noch immer den Kopf an der kühlen Scheibe gelehnt, den Blick herum zu meiner Hand, die ich langsam anhob.
Träge waren sie geworden, meine einst so geschickten Finger. Resignation richtete mich allmählich zugrunde und liess mich allabendlich, wenn ich meiner durchaus angesehenen Arbeit den Rücken kehrte, zum Alkohol oder zu anderen Rauschmitteln greifen. Es waren nur leichte Mittel und doch verfehlten sie ihre Wirkung nicht.

Kraftlos rutschte ich hinab und rollte mich am Boden ein, die Scherben und die Reste des Absinths ignorierend, starrte durch den sanft vom matten Kerzenschein ausgeleuchteten Raum, der allmählich zu einem Abbild vergangener Tage verkommte.
Ein wertvoller, weicher Teppich, der nun schon seit mehr als zweihundert Götterläufen hier lag, Büsten vergangener Könige, Gemälde von Orten, die ich einst aufsuchte, als mich noch das Feuer des Lebens antrieb und ein besonders grosses, prachtvolles Gemälde von Jassavia oder zumindest hatte der Künstler sich wohl erhofft, dass die Stadt so ausgesehen haben mochte, wie er sie sich vorstellte. Nur wer konnte das noch mit Gewissheit sagen?
Die Blüte meines Volkes war vorüber und ich fühlte mich mit jedem Tag fremder. Ich war es leid, gegen diese neue Zeit anzukämpfen. Leid, jedes Mal zu korrigieren, meine Ansichten darzulegen, zu überzeugen - es half eh nichts.

Ich tastete mit eine der schlanken Hände zu den Scherben rüber, der Blick war starr auf diese gerichtet. Ich nahm sie und drehte sie im Licht, sah mir das Muster und die Goldverzierungen auf dieser an.
Theranos Ginsterling, meisterhafter Glasbläser, ja, Glaskünstler - der Schosshund seiner Frau war wahrlich keine Herausforderung, machte dieser sich doch sofort über die mit einem Schlafmittel getränkte Wurst her. Ich wollte dieses Glasservice unbedingt haben - verschiedene Gläser für Rot-, Weiss- und sogar Schaumwein, dazu kleine Gläser für Aperitifs, Absinthgläser, eine Karaffe und derlei mehr. Es war für einen Kunden bestimmt gewesen, aber es wurde mein.
Der Rest in seinem Haus interessierte mich nicht, auch wenn dort weitaus wertvollere Dinge ruhten. Der Transport jedoch war kniffelig - jedes einzelne Stück hatte ich in dicke Tüchern eingeschlagen und in meine Tasche gelegt, auf die ich dann besonders acht geben musste. Ein Laut nur und ich hätte fliehen müssen, was mit der Ware ein Ding der Unmöglichkeit geworden wäre, ausser ich hätte deren Bruch risikiert.

Welch' Umstände für so etwas Vergängliches wie Glas, dachte ich, die Scherbe noch nachdenklich herumdrehend, nur beiläufig das Gesicht verziehend, als sie mir mit ihren scharfen Kanten einen dünne Kratzer in die Hand beibrachte.
So vergänglich wie ein Mensch.


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