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 Betreff des Beitrags: Wie ein Licht in finstrer Nacht
BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:12 
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Wie ein Licht in finstrer Nacht

- eine Geschichte in Tagebuchaufzeichnungen -



* Die nur der Unterhaltung der Spieler dient, im Spiel ist davon garnichts bekannt.

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>Das ständige Nachgeben der Klugen begründet die Diktatur der Dummen.<


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Abschied und Verrat. - Der Abschied Graf Hagen Robaars von Siebenwind ............ Ein (ehemaliger) Lehnsherr auf Sinnsuche ............. Hagens Rückkehr - Finsternis' Weg


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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:12 
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18. Carmer 17 nach Hilgorad – Burg Finianswacht

Es ist Zeit. Der Knappe hat das Packpferd bereit gemacht, der beigebraunen Stute das hölzerne Packgestell aufgesetzt und einige Reisemöbel daran befestigt. Dazu eine mit Leder bespannte, innen mit Blech ausgekleidete Proviantkiste – habe die ganzen Spezereien entfernt, die er für andere Gelegenheiten eingepackt hatte und durch nahrhafte, haltbare Nahrung ersetzt. Graubrotlaibe, geräucherte Wurst, Dörrfisch … genauso wie Maiskolben, Äpfel und Birnen. Einen Teller samt Besteck, zwei Becher und drei gefüllte Wasserschläuche, ebenso wie einen Weinschlauch- mit dem schweren, trockenen Landwein – habe ich dazugelegt. Das alles mag mich gut und gern zehn Tage ernähren. Was dann kommt – ob dann noch etwas kommt – werde ich dann sehen. An Kleidung nur das nötigste dazugelegt: die feste, wärmende Wollkleidung die das Fräulein Daena mir genäht hat; einen derben weiten Umhang aus braunem, schweren Wolltuch; bequeme Lederschaftstiefel; ein Hemd zum Wechseln. Das muss genügen. Es wird genügen.

Ehe es im sechsten Zyklus zu finstern begonnen hat, in Ruhe in meinem Quartier die Kettenrüstung angelegt. Ich meine, es sollte das Stahlgewand völlig ausreichen, ist doch die Prunkrüstung für den Großmeister vorgesehen – was sollte damit geschehen, wenn ich samt ihr in der Öde verloren gehe? Nein, die Ordensrüstung bleibt. Um nicht aufzufallen, ziehe ich die derbe Wolltunika über. Wird schon alles gut gehen, ehe ich die Öde reite, rüste ich mich vollends.

Die Burg liegt still, ich gehe ohne Hast die Treppen hinab. Im Grünen Saal döst der treue Fedraal, lässt sich von mir nicht stören. Ob ich ihn mitnehmen soll? Besser, er bleibt hier. Nicht umsonst heißt er wie der Hochmeister, von dem er die Gutmütigkeit hat. Ein paar Streicheleinheiten, die hat er sich verdient. Mein treuer Freund, du wenigstens stehst fest zu mir.

Ein letzter Blick durch den Burghof – was soll das Zögern noch? Minna steht gesattelt bereit, ein schlichtes Bronzeschild und das Sattelbaumschwert am Sattel. Schnell bin ich samt Packpferd aus der Burg, bald auch aus Falkensee. Finster ist es, niemand kommt mir entgegen. Ich entschließe mich, den Weg durch die Kesselklamm zu nehmen. Der Grenzwall ist bewacht, dort lange ich nicht unerkannt durch. Wie ich vermutet habe, auch im Kesselklamm keine Menschenseele – nein, besser: keine Zwergenseele. Der Pass aus dem Tal ist in der Finsternis keine leichte Aufgabe, aber zu meistern. Auf der anderen Seite, im Nordstrandtal suche ich mir eine geschützte Stelle und raste. Sich zu rüsten wäre jetzt angebracht … der Weg wird gefährlich werden. Zuerst an den Orken vorbei, dann durch das zerstörte Rohehafen, weiter zur Schwarzen Brücke und darüber hinaus.

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Zuletzt geändert von Harold Valorum: 22.09.06, 16:13, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:14 
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18. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Bellum war mir das erste Mal gewogen. Ich bin unversehrt an mein Ziel gelangt, ohne auch nur von irgendeinem Wesen behelligt worden zu sein. Nur einmal kam mir, und das ist merkwürdig, mitten in den Ruinen Rohehafens ein Mann entgegen. Ein gepflegter Kerl mit schwarzem Haar und fein rasiertem Bart – eher wie ein Bürger gekleidet, aber offensichtlich zur Wehr bereit. Er muss mich erkannt haben, nickte mir ehrerbietend zu. Noch seltsamer ist, dass er mir folgte, an der Schwarzen Brücke nahm ich ihn noch mal war. Dann war er verschwunden.

Meine Klause, meine Heimstatt für die nächste Zeit, ist in erstaunlich gutem Zustand. Der Löwenorden hat ordentliche Arbeit geleistet, hat allen Unrat beseitigt. Ich stelle meine Pferde in die ehemalige große Halle der Kriegerakademie. Etwas Stroh liegt dort, genug für die Pferde. Nach dem ersten Rundgang bietet sich mir folgendes Bild: das Hauptgebäude, in dem die Lehrsäle und Übungsräume gelegen waren, ist ab dem ersten Stockwerk zerfallen. Irgendwer hat provisorisch Leitern und Stiegen angebracht, man kann das Dach … oder was davon übrig ist, besteigen. Das alte Langhaus, dass die Unterkünfte beherbergte, ist in recht gutem Zustand – das Erdgeschoss jedoch ist nurnoch über eine Leiter vom ersten Stock aus zu erreichen und beherbergt Gitterkäfige. Der Erste Stock bildet eine Galerie, ein Zugang über die Treppe hinaus auf den Hof, auf der anderen Seite gelangt man in der zertrümmerten Hauptbau. Die Schildmauer ist nahezu vollständig erhalten, im Hof befindet sich ein Brunnen – oder ist es eine Zisterne? – dessen Wasser brackig schmeckt aber trinkbar ist. Meine Heimstatt.

Ich habe etwas gesehen. Oder zumindest glaube ich das. War gerade im alten Hauptbau, da vernahm ich etwas wie Pferdegetrappel. Durch einen Mauerspalt glaubte ich, einen Reiter gesehen zu haben. Vielleicht der, der mich vor ein- zwei Stundenläufen in Rohehafen grüßte? Von nun an muss ich vorsichtiger sein.

Habe den Schlafplatz eingerichtet. Das Hauptgebäude viel aus, viel zu zugig; das Erdgeschoss mit den Pferden … weiß Bellum, was da des Nachts einfach so reintrampeln könnte! Besser also im Langbau. Oben auf der Galerie, in einer windgeschützten Ecke. Sicherer und verbogener wären sicher die Käfige im Erdgeschoss – aber da säße ich zur Not in der Falle, und ein Feind über mir. Der Ort ist also gut so. Tisch, Stuhl, die Proviantkiste, der Schlafsack. Keine Burg, aber meine Klause.

Während des Siebten Dunkelzyklus gehe ich zum Schrein. Er ist intakt und nicht besudelt. Ha! Haben nicht manche hasenfüßige Geweihte damals gewettert, der Schrein wäre nicht zu weihen, weil er sofort von den dunklen Schergen entweiht würde? Ich habe Recht behalten. Der Schrein, den mein Knappe baute und den ein beherzter Geweihter Bellums letztlich doch seinen Segen gab, wurde nicht angerührt. Ich ehre den Knappen, der nun Ritter Aurinas heißt, mit einer Bellum gewidmeten Stumpenkerze. Es ist still, ich knie mich vor den Altar, in die einfach Wollkleidung gehüllt und den braunen Umhang um mich geschlungen, die Kapuze über den Kopf. „Bellum, der du mein Herr bist …“ Nach einer Stunde des Gebetes und der Einkehr gehe ich zurück in meine Klause. ‚Bellums Halt’, das ist ein guter Name. Mit Bellums Beistand werde ich hier aushalten.

Kleine Stärkung im Kerzenlicht, bestehend aus einem halben Graubrot und einer Hirschsalami. Hirschsalami? Muss vom Fest vor zwei Tagen über geblieben sein. Welche grimme Wendung des Schicksals. Nun ist Ruhezeit. Wird ein unruhiger Schlaf werden. Mit dem Beistand der Viere, besonders Bellum, werde ich morgen wieder erwachen.

Die Kerze verlischt.

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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:15 
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19. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Ein ruhiger Tag, man merkt die nahende Kälte des Morsan, selbst hier in der Öde wo keinerlei Grün sich zu halten vermag. Ich stehe auf, ein kärgliches Mahl aus Graubrot mit einer halben Räucherwurst, dazu ein Maiskolben und einen halben Humpen Zwergenbier. Liese und Minna tun sich am Heu gütlich, ich gebe ihnen noch einen Apfel obendrein.

Den Tag bringe ich im Gebet vor dem Schrein zu. Mir drückt der Kopf, mag es der Wind sein der hier elendig pfeift, mag es die Last sein die ich auf mir spüre. Oh ihr Viere, helft mir diese Bürde zu tragen! Unablässig nagt der Zweifel an mir, unablässig frage ich mich: ist es Frevel, die Geweihten der hiesigen Kirche der Vier derart herauszufordern? Wer bin ich, dass ich von Ihnen mehr Einigkeit und mehr Dienst an den Gläubigen verlange? Wer bin, dass ich mir anmaßen kann zu urteilen, ob das Streben nach weltlicher Macht, dass manche Geweihte hier betreiben, der Viere recht ist? – Ich bin ein Niemand vor den Vieren. Darf so einer einen von den Vieren erwählten Geweihten mit Schelte bedenken?

Trost geben mir die Gebete. Am meisten diejenigen, die ich zum Herrn von Ehre und Stärke, Bellum, richte. Er ist ein Kämpfer, so wie ich. Seine Ideale sind die eines Ritters, Ehre, Gerechtigkeit, Erhalt der Ordnung, Mut im Kampf, eiserner Wille, Treue. Ist denn nicht Er es, der einer Gefahr trotzig ins Auge sieht uns aufsteht, gegen sie anzutreten? Ja. Vielleicht erhört er meine Gebete und zeigt mir den Weg, ihm zu folgen.

Vitama – holde Göttin. Mag sie auf den ersten Blick den Idealen eines Ritters widersprechen, so ist sie ihm näher als man meint. Kann man denn treu sein ohne Liebe? Kann man denn Mut zeigen, wenn es nichts gibt das man sosehr liebt, es unter Einsatz des Lebens zu verteidigen? Gnade zu zeigen ist ohne die Güte, für die Vitama steht, nicht möglich. Vitama steht hinter vielem, was als Bellums Tugenden verehrt wird. Sie steht nicht gegen ihn … sie fällt ihm nicht in den Schwertarm, wenn er einen untugendhaften Menschen bestraft. Sie fordert nicht Schonung ohne Ansehen des Übels. Doch sorgt sie dafür, dass immer auch das Herz dabei ist – ohne Herz keine Gerechtigkeit. Nur das Gefühl macht aus Rechtschaffenheit die Gerechtigkeit, weil nur mit dem Herzen die Waagschale des Urteils wohl gerichtet ist.

Dagegen sind Astrael und Morsan mir fremd. Der Einäugige sieht nicht alles, nur aus seiner Perspektive. Mir viel zu geistig, viel Wort und wenig Tat. Sind deshalb die die Ihm dienen so uneinsichtig, ja blind gegenüber der Wirklichkeit? Und Morsan, der schweigsame Herr des Endes, er macht mein Herz bang. Ich will – leben. Will Licht, Wärme, Geräusch … doch er bringt Dunkelheit, Kälte und Stille. Totenstille. Er ist der Richter der schweigt, bis er sein Urteil fällt. Und jenes, jenes ist wohl endgültig.

Nach all den Gebeten ist mir ein Taumel, als würde der Boden wanken unter meinen Füßen, als wäre ich auf hohe See in einer kleinen Nussschale. Gedanken schießen mir durch den Kopf, er fühlt sich an als wolle er zerbersten! Nun stehe ich auf, nach einigen Zyklen. Die Suche nach Brennholz klärt meinen Kopf, ich durchstreife die nahe Umgebung, immer auf der Hut vor all dem Unbill, dass hier lauern könnte. Das Schwert stets bereit. Mein Schwert – Saalhornklinge – auf sie muss ich mich verlassen. Die Rüstung ist wohl verstaut, ich trage nur den die derbe Wollkleidung nebst dem Umhang. Kein Panzer soll mich davor bewahren, zu erfühlen und erfahren, was die Viere mir angedeihen lassen wollen.

Als der Tag zu Ende geht, sinke ich matt und schwirrenden Kopf in einen dunklen, tiefen Schlaf, der mich am nächsten Morgen schweißgebadet erwachen lässt.

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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:16 
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20. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Ein markerschütternder Schrei weckt mich! Ich schlage die Augen auf, lange nach meinem Schwert, muss mich erst aus der Decke befreien. Dann sehe ich sie – eine Harpyie! Blutrot sind ihre Augen, Wahn spricht aus ihnen, sie flattert mit ihren mächtigen braunen Schwingen – doch sie hat mich nicht wahrgenommen. Sie sitzt in den Ruinen des alten Haupthauses, hereingeflogen wohl durch eines der gewaltigen Löcher, dass in der Flanke des Baus klafft. Nach eine Weile ist der Spuk vorbei, sie erhebt sich mit einem langen Schrei, der einem das Blut gefrieren lässt, und fliegt davon. Ich bin mir sicher: Bellum war mir ein Schild und hat mich vor dem Übel beschirmt.

Den Vieren sei Dank sind die Pferde verschont geblieben. Ich führe erst Minna, dann die kleine, doch kräftig gebaute Liese einige Male um meine Zuflucht. Sie brauchen Bewegung, doch will ich nicht wagen davon zu reiten, unsicher ob des Übels das hier in der Öde lauert. Erstaunlich, wie ruhig die beiden Tiere sind. Scheint ihnen diese Gegend weniger zu schaffen zu machen als mir.

Ein karges Mahl wie gestern, nur dass ich die Wurst durch Fisch ersetze. Wurst ist alle, Dörrfisch dagegen reichlich vorhanden. Wieder ein halber Humpen Zwergenbier – heute fühle ich mich besser, klarer im Kopf. Liegt vielleicht daran, dass ich heute Morgen Besuch hatte.

Heute beginne ich mit dem Bußgebet. Ich tue Buße, weil ich an manchen Geweihten der Kirche zweifle. Ich tue Buße, weil ich an einem meiner Ritter zweifle. Ich tue Buße, weil ich so fern der Heimat bin, so fern der Töchter die ihren Vater nun mehr denn je brauchen würden. Ein Jahr ist es bald nun schon, seit mein Eheweib in Morsans Hallen trat. Und … es? Ich muss auch büßen dafür, dass ich Groll gegen den Sohn meines Weibes hege, der doch so unschuldig ist wie man nur sein kann. Es ist nicht seine Schuld, dass nicht ich sein Vater bin. Nicht er hat Schuld auf sich geladen. Aber ich? Wäre sie … hätte mein Weib neben dem Anderen gelegen, wäre ich in Ersont geblieben statt hier zu kämpfen? Oh ja, ihr Viere, viel habe ich zu büßen. Meine Seele ist schwer beladen, von all der Schuld.

Nach dem ich all meine Taten den Vieren ausgebreitet habe, fühle ich mich erleichtert. Nicht begnadigt, nicht gereinigt, aber die Last ist minder geworden, der Zweifel nagt nicht mehr unerbittlich. Nun sehe ich klarer, kann ein Licht in finstrer Nacht sehen: die Hoffnung! Vitama sei gepriesen, auch in finsterster Verzweiflung schenkt sie einem Hoffnung. Sie hat mich zu Jener geführt, die Sonne in mein finstres Leben gebracht hat, besonders nach dem Tode meines Weibes. So anmutig, so rein, so ohne böse Gedanken und ohne die verbohrte Abneigung anderer ist Sie. Was auch immer ich tat und sagte, stets schenkte Sie mir ein Lächeln, wo andere mich am liebsten erschlagen oder verbannt hätten. In Ihr lebt Vitama, sie lebt wofür Vitama steht. doch … was soll ich tun? So ich ihr sage was ich empfinde, wird sie nicht dunkle Absichten mir unterstellen und mich wegstoßen? Mich, den „Tyrannen der die Kirche knechtet“, oder der „nach Macht über Körper und Seelen der Untertanen giert“, der „Frevler am Glauben“ und wie auch sonst sie mich nennen mögen, wenn keiner es hört. Ich kann es ihr nicht sagen, dazu fehlt mir der Mut. Herr Bellum vergib mir für diese Feigheit!

Regen setzt ein, benetzt mein Haupt. Stärker und stärker wird er, aber ich verharre weiter in stillem Gebet. Die Viere wollen mich prüfen – bei Bellum, ich habe mehr durchgestanden als im Regen vor einem Altar zu knien. Ihr Viere, seht her, ich büße trotz des Ungemachs!

Als der Regen endet, ist alles um meine Zuflucht herum eine schlammig braune, eklig riechende Schlammwüste. Schwer fällt jeder Schritt, für heute beschließe ich, mich in die Klause zurückzuziehen. An einem Feuer wäre ich mich, trockne die Kleider. Ein Schluck Wein bringt die Lebensgeister zurück, ein Apfel … so wohl schmeckte mir selten einer … stärkt mich. Dann ziehe ich die Laute hervor. Die Laute – als ob ich ein Gaukler wäre oder mich auch nur ein wenig auf das Musizieren verstünde. Diese Laute – ich muss herzhaft lachen. Frau Morgen hat sie mir geschenkt, vor ein paar Tagen. Eint trolliges Weib von schlichtem Gemüt, zuweilen aufdringlich bis da hinaus. Doch schlummert tief in ihr ein frohes, offenes, gütiges Wesen. Dann wird es mir klar: Bellum, für diese Menschen schwinge ich das Schwert, für diese Menschen lohnt sich jede Gefahr!

Bald ist die Laute verstaut, der Weinschlauch geleert. Ich fühle mich müde, ausgelaugt, wie nach einer heftigen Schlacht. Unruhig werde ich heute in den Schlaf gleiten, unruhig aber um einiges erleichtert.

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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:17 
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21. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Der Morgen grüßt mit Felas Strahlen, die den durch den steten Ostwind aufgewirbelten Staub der Öde durchdringen. Hier draußen wechseln Trockenheit mit Staubstürmen und scharfen Böen mit Wolkenbrüchen ab, die das ganze Land in eine Schlammwüste verwandeln. Es scheint, als wäre in diesem von Übel befallenen Land alles krankt und unnatürlich.

Ich versorge die Pferde, stelle fest dabei fest, dass das Heu nahezu aufgebraucht ist. Ohne Heu kann ich die Tiere nicht ernähren. So beschließe ich, nach einem spärlichen Mahl – eine Käseecke mit einem halben Graubrotlaib, dazu ein Stück Dörrfleisch – hinauszuziehen und etwas Grünes zu finden. Und tatsächlich, selbst in der unwirtlichen Ödnis finde ich an einigen Stellen Kräuter und kleine Pflanzen, die diesem Lande trotzten. Das gibt mir Hoffnung. Hoffnung darauf, dass mit festem Willen alles zu ertragen ist. Den Vormittag verbringe ich damit, in weitem Rund die Kräuter und Gräser zu sammeln, die leidlich für zwei weitere Tage reichen werden. Auch den Feuerholzvorrat stocke ich auf.

Fela steht nun hoch am Himmel, Wolken sind heraufgezogen und tauchen das Land in eine trüb-graue, unheimliche Farbe, die wie ein Schleier über allem liegt. Klamm wird es, die Winde fegen schneidend über das Land und treiben dürre Äste vor sich her. Als der Dunkelzyklus naht, gehe ich zum Schrein.

Die Stumpenkerze, die ich am ersten Tage entzündet habe, muss im Laufe des Tages verloschen sein. Ich stelle eine neue Kerze auf, entzünde sie mit einem kurzen Lobgebet zu Bellum und beginne wieder mit meinen Gebeten. Erstaunlich warm hält die derbe Wollkleidung, so bringe ich einen ganzen Zyklus im Gebet zu. Bilder drängen sich mir auf. Bilder von Schlachten, die ich geschlagen habe, vor mehr als einem duzend Jahren. Bilder von Menschen, die ich gekannt habe. Bilder von grimmen Augenblicken, die mir widerfahren sind. Bilder von meinem Weibe, meinen Töchtern. All das zieht an mir vorbei, der Schmerz, die Freude, die Trauer … all das kann ich fühlen, als ob es mir just in diesem Augenblick widerfährt.

Plötzlich sehe ich es klar. Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, kann niemanden ins Leben zurückholen, Worte ungesprochen machen. Ich kann nur damit leben. Ja, leben. All das was mir widerfahren ist, macht mich zu dem was ich bin. Eine jede Schuld wird irgendwann vergeben, es kann nicht der Wunsch der Götter sein, dass man auf Jahr und Tag gebeugt unter Last der Vergangenheit dahin schleicht. Sich all dem zu stellen ist die wahre Prüfung, die die Viere uns auferlegen.

Für diese Einsicht danke ich Vitama, denn ihre Liebe ist grenzenlos und gilt selbst jenen, die verlassen und mit Schuld beladen sind. Bellum bitte ich für Kraft und Mut, um mich diesem Kampf stellen zu können. Ein Kampf gegen den schlimmsten Feind, den man nur haben kann. Der Kampf gegen mich selbst.

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BeitragVerfasst: 22.09.06, 16:18 
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22. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Gestern muss ich so ermattet gewesen sein, dass ich nicht weis, wie ich wieder in meine Klause zurückgekommen bin. Erst als ich heute Morgen wieder erwachte war mir klar, dass ich auf meiner Schlafmatte liege. Der Kopf, er dröhnt. Wie von einem kräftigen Hieb auf einen Helm, ich fühle mich nicht wohl. Quälend ist der Weg hinunter zum Brunnen der alten Akademie, dass übel riechende, brackige Wasser benetzt die Haut – es schmeckt nach Tod. Nach einer Stärkung mit wenig Brot und dem letzten Rest des Zwergenbieres gehe ich hinaus.

Ich laufe in Richtung der Schwarzen Brücke, habe das Gefühl, als würde mich irgendjemand oder irgendetwas beobachten. Doch es ist nichts zu sehen, dass macht die Sache beklemmend, das Herz wird mir schwer. Aber ich fasse einen klaren Gedanken: „Habe keine Furcht.“ – jenes war es, was ich in meinem Gebet vernommen habe, oder zumindest glaube gehört zu haben. Habe keine Furcht. Die Furcht lähmt, sie führt zum Zweifel, Zweifel zur Mutlosigkeit, Mutlosigkeit bereitet den Weg für die Feinde. Das einzige was man fürchten muss, ist die Furcht selbst. Nun weis ich, dass Bellum mit ist. Er hat mir den Weg aus der Finsternis gewiesen, er war das Licht in finsterster Nacht, dass mich geleitet hat.

Die Brücke liegt verlassen vor mir, keine Spur von Leben. Ich lasse die Brücke zurück, wende mich nach Norden, am Ufer entlang. Das östliche Brückenlager der alten Rohehafener Brücke steht noch, wie ein mahnendes Denkmal für den Ruhm der einst so stolzen Stadt. Als ich zuerst auf die Insel kam, führte mich mein Weg oft über diese Brücke. Nun liegt sie zerbrochen, zerborsten und im tiefen, dunklen Wasser versunken. Mir kommt der alte Falkenhorst in den Sinn, stolze Burg der Ritter der Sieben Winde, Bastion gegen den anrückenden Feind. Ritter Aspin, der trotz aller Bitten und Befehle zurückblieb, um sein Leben für den Falkenhorst zu geben. Er hat sein Ziel gesehen, er hat die Furcht besiegt und ihr mutig ins Auge geschaut. War sein Opfer auch umsonst, da es die Insel eines großen Schwertarmes beraubte, so hat er doch dem Feind getrotzt. Er hätte weglaufen können, doch blieb er. Er hat über sich selbst gesiegt.

Auf dem Weg zurück kam ich an dem tiefen Riss durch den Fels vorbei, der vom Dunkelsund direkt auf die alte Akademie zuläuft. Als würde man ein morsches, modriges Stück Holz auseinander reißen.

Der Kopf ist wieder frei, der Hunger kehrt zurück, so stärke ich mich zur Mitte des Tages mit Graubrot, Dörrfisch und einem mit Wasser vermengten Humpen Wein. Ich fühle wie mich Zuversicht durchströmt, wie das Hochgefühl, wenn man das Schlachtross zum alles entscheidenden Sturm vorantreibt und die Lanze senkt. Der Kampf hat begonnen!

Solange mir Fela noch Licht schenkt, übe ich mich im zerfallenen Haupthaus im Schwertkampf. Man ist so frei ohne die Rüstung, muss genau bedenken welche Schläge man führt – ist doch ein einziger Schlag des Gegners fähig, das Leben auszutreiben. Parade folgt auf Ausfall, der Ochse wird mit dem Eber gekontert, ich schlage eine Finte und vereilte sie selbst mit einem Federschlag. Ich ringe mit mir. Innerlich. Äußerlich gleitet meine Klinge nur durch Luft, aber in Wahrheit stehe ich mir gegenüber, meinem rohen, düstren, verlorenem Selbst. Erst als es dunkelt lasse ich nach, mir brennt die Brust und die Arme sinken schwer hernieder. Lasse mich einfach auf den Boden fallen, sitze eine Weile in der dunklen Kälte, die aufzieht, sobald die Strahlen Felas verschwunden sind, starre in die Finsternis.

Der Lebensatem kommt zurück, nun gehe ich zum ersten Mal mit Mut und Zuversicht zum Schrein Bellums. Mit Inbrunst danke ich ihm für seinen Beistand, dafür, dass er mich nicht aufgegeben hat. Nun ist mir klar, dass ich dem Glauben selbst verpflichtet bin, nicht seinen Formen. Man dient den Göttern nicht, in dem man möglichst laut ihre Namen ausruft oder behauptet, in ihrem Namen zu sprechen. Nicht leere und zur Gewohnheit gewordene Worte sind den Vieren gefällig, sondern die in ihrem Sinne und Geiste geführte Tat! Der Barmherzige der einem Armen Brot gibt und ihm Mut zuspricht dient Vitama ungleich besser als jener, der meint mit der Weisheit letzter Schluss für Vitama zu sprechen und ohne Ansehen der Umstände jede ihm nicht wohlgefällige Tat als frevelhaft brandmarkt. Derjenige dient Astrael besser, der einen Fehler einsieht und berichtigt, anstatt auf der eigenen Unfehlbarkeit zu beharren und fortzufahren, obwohl er den Fehler selbst kennt. Derjenige dient Bellum, der sich nicht auf bloßes Reden über den Kampf und taubes Geschwätz über Mut und Ehre ergeht, sondern der trotz aller Unbehaglichkeiten in der ersten Reihe steht und die Schlacht ausficht.

Der Regen der einsetzt vermag meine Zuversicht nicht zu trüben, trotz allem kehre ich in meine Klause zurück, da ich vollends durchnässt bin. An einem kleinen Feuer trockne ich die Kleider, versuche Frau Morgens Laute einige Töne zu entlocken. Wahrlich, mir fehlt das Talent dazu, doch für eine simple Weise aus meiner Heimat reicht es. Zuletzt gönne ich mir zwei Äpfel und einen halben Schoppen Wein. Müde lege ich mich zur Ruhe.

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Regen weckt mich, der auf das Dach des Langhauses niederprasselt. Ein gleichmäßiger Regen, irgendwie friedlich, kein jaulender Wind – nur das stete Prasseln. Ich fühle mich an Ersont erinnert. An meine Jugend, die zwar zweifellos karg und entbehrungsreich war, aber zudem unbeschwert. Als Zweitgeborener fiel nicht mir die Bürde zu, dereinst den väterlichen Titel mitsamt den Pflichten zu erben. Niemand wandte sich dagegen, wenn ich mit Lothar, dem treuen Stallmeister meines Vaters, ausgiebig die weiten Grasländer durchstreifte. Oft fanden wir in einer Scheune Zuflucht – und der Regen. Ja, der Regen prasselte auf das Dach wie er es heute tut. Für einen Moment all die Last vergessen, die ich trage, einen Moment lang nur Mensch sein und nicht: Ritter, Großmeister, Herr der Insel.

Nicht träge sein. Mittelweile bin ich das entbeehrungsreiche Leben hier draußen gewohnt, selbst das karge Mahl aus trockenem Graubrot, etwas Fett und Dörrfisch ist vertraut. Habe schon schlechter gegessen, damals auf dem Feldzug in Khalandra, als junger Bursche des Ritters Hermfried von Wolkenstein, dem (wohlhabenderen) Nachbarn meines Vaters. Damals habe ich das erste Mal getötet. Kaum bewusst, aber plötzlich stand Er vor mir, mit dieser riesigen Axt, ich reagierte nur ... und als ich wieder klar denken konnte, lag er tot vor mir. Gegen den Tod abzustumpfen, dass habe ich gelernt. Mich dem Leben zu öffnen ... das ist in den vielen Jahren verloren gegangen.

Es hilft nichts. Nachdem ich die Pferde mit dem Rest des Heus und den Kräutern gefüttert habe, breche ich wieder auf zu einem See im Norden. Vorbei an einem seltsamen Bauwerk: nahezu quadratischer Grundriss, die Stufen erheben sich gleichmäßig bis zu einer Spitze, die von einem kleinen Gebäude bekrönt ist. Man hat einen guten Blick von hier, ich kann den rauchenden Schlund des Feuerberges sehen. Aber genauso den fernen Grenzwall, ich meine sogar Finianswacht zu sehen. Der Regen hat die Luft gereinigt, den Staub an den Boden gefesselt. Ich atme tief durch, ungewöhnlich klar ist die Luft, gar nicht wie in der Öde. Eine Weile stehe ich so da, blicke über meine Insel. Meine Insel. Oh ja, ich bin der Herr der Insel. Doch als ihr Herr bin ich es, der für ihren Schutz zu sorgen hat. Meine Pflicht ist es, allen Bewohnern ein gerechter Herr zu sein. Ich bin es, der dem König verpflichtet ist, die Insel zu halten und wohl zu führen. Ich bin es, der versagt, wenn die Insel wankt. Ihr Viere ... ich habe es niemals gewollt. Doch da ich gerufen wurde, habe ich die Pflicht auf mich genommen. Und bei Bellum! Ich werde dieser Pflicht dienen, solange noch Leben in mir ist!

Hinab steige ich von diesem seltsamen Ort, gehe gen Norden, du die stille Ödnis. Dort liegt ein See vor mir, übelriechendes, braunes Wasser aus dem Blasen aufsteigen. Ich folge dem Ufer einige Zeit, wende mich dann gen Osten, nach einem kurzen Stück geht es nach Süden. Überall abgestorbene Bäume, kleine Tümpel brackigen Wassers, kein Zeichen von Leben. Hier ist Finsternis, dort das Licht. Dazwischen steht ein Wall, der von mutigen Männern und ... ich muss es zugeben, trotzdessen grämt es mich ... Frauen. Sie sind es, die das Dunkel daran hindern, von der ganzen Insel Besitz zu ergreifen.

Nach einem Fußmarsch erreiche ich die Ufer des Dunkelsundes, ich meine gegenüber dem alten Tiefenbach. Erstaunlicherweise wachsen hier einige Kräuter, besser ich nehme sie mit, für die Pferde. Nach einer ganzen Weile mache ich mich zurück auf den Weg zur Klause. Dort angekommen gönne ich mir einen Schluck des Weines. Meine Vorräte gehen zur Neige, so strecke ich den Wein mit dem brackigen Wasser aus dem Brunnen, um wenigstens etwas Geschmack zu haben.

Nachdem ich kurz gedöst habe, gehe ich zum Schrein zurück. Der Ort bedeutet mir viel. Gebaut von meinem Knappen, der trotz allem was ich ihm habe widerfahren lassen, stets zu mir gehalten hat. Dem ich nie gesagt habe, wie stolz ich auf ihn bin. Daher ist dies der richtige Ort, denn er wurde gebaut mit dem Gefühl der Treue und Achtung des Schülers gegen den Meister. Ich bitte dich Bellum, sei stets mit diesem tapferen Ritter! Vitama, schenke ihm die Freuden und das Glück, dass du mir verwehrt hast! Ihr Viere, steht ihm bei, der euch stets ehrt!

Die Dunkelheit bricht herein, doch ich bin nicht allein. Wie immer in den letzten Tagen steht die Stumpenkerze auf dem Altar. Erst jetzt wird mir klar, dass sie Wind und Regen trotzt. An diesem unwirtlichen Ort, mitten im Land des Übels das diese Insel seit Jahren im eisigen Griff hält. Wie kann das sein? Ich habe sie vor Tagen aufgestellt und entzündet, sie brennt noch immer. Dann wird es mir klar: Bellum, ich habe deine Antwort vernommen! Oh, ich danke dir! Nun bin ich mir sicher, dass du bei mir bist. Vertrauen. Ja, ich muss vertrauen. Vertrauen in dich, mein Herr, und Hoffnung, dass man alles zum guten Wenden kann. Wer Hoffnung hat, kann nicht verzweifeln. Solange wir hoffen, kämpfen wir. Solange wir kämpfen, egal mit welchen Erfolg, leben wir! Ich verstehe dich Bellum – ich werde gegen all die Unbill kämpfen, werde nicht aufgeben! Mir ... mir kommen die Tränen, ich berge mein Gesicht in die Hände und lasse den Tränen freien Lauf. Ein Gefühl der Ruhe, der Befreiung durchströmt mich. Wie lange ich so vor dem Altar knie, weiß ich nicht mehr.

Irgendwann stehe ich auf, die Tränen sind versiegt, ich atme tief durch. Die Schritte zurück in meine Klause fallen mir schwer, mir ist, als habe ich eine sehr lange Reise hinter mir. Eine Reise durch Finsternis zum Licht.

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BeitragVerfasst: 24.09.06, 13:30 
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24. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Es ist noch dunkel, als ich erwache. Alle Dinge liegen an ihrem gewohnten Platz – die Kleidung, der Wasserschlauch aus dem ich mir einen Schluck gönne, die Stiefel, mein Schwert. Ich greife nach der schlichten Schwerthülle, aus Holz und dunklem, beinah schwarzem Leder gefertigt und mit einem schmalen grünen Band von der Spitze bis zum oberen Ende umwunden. Im Gegensatz zum Prunkschwert, dass ich als Großmeister zu führen habe, ist die Saalhornklinge meine persönliche Waffe. Unnötiger Schmuck ist fehl am Platze, wie bei so vielem zählt das, was in der Hülle steckt. Ein Schwert ähnelt seinem Träger. Scharten die die Klinge hat, finden sich auch manchmal auf der Seele ihres Trägers. Mal entstehen sie mit lautem schneidendem Geklirr, mal mit der Zeit und durch ständigen Gebrauch. So wie ein Mensch inner Wunden davontragen kann, von einem einzelnen, entscheidendem Moment mit großem Getöse – oder aber durch stete, immer wieder gleiche Belastung. Aber Schwertklingen kann man richten, polieren, neu schärfen. Und Menschen?

Die Gedanke verdränge ich, stehe auf. Heute ist der Tag, der Ruan gewidmet ist. Kein Leben darf heute genommen werden, die Waffen müssen schweigen. Durchs finstere Hauptgebäude suche ich mir meinen Weg nach unten, in den Hof, wo einsam ein Kohlebecken glimmt. Die Fackel fängt rasch Feuer, ich gehe mit ihr und dem Schwert, dass ich ob dieses Tages in der rechten Hand trage, dabei die Hülle umgreife, hinaus zum Altar. Dann plötzlich ein Knurren, ein ausgezehrter, grimmer Wolf bricht aus der Finsternis hervor, in den Schein der Fackel. Das Feuer grämt ihn, ein kräftiger Hieb nach der Schnauze, der Nasenspitze des Wolfs und er läuft mit einem kläglichen Jaulen davon, in die Dunkelheit.

Auf dem weiteren Weg zum Schrein überlege ich, ob ich mit der Abwehr des Wolfes gefrevelt habe, am Tage Ruans. Gewiss, an diesem Tage müssen die Waffen schweigen, im Andenken an die Tat, die der unglückselige Ruan vor langen Jahresläufen vollbrachte. Doch bedeutet das, dass jedweder Gebrauch einer Waffe verwerflich ist? Darf die Ehrung des Festtages soweit gehen, sein Leben ohne Grund zu geben? Oder bin ich an diesem Tage gezwungen, Unrecht geschehen zu lassen? Du den Glauben zulassen, dass jene die ihn missachten, unwidersprochen Gewalt gegen andere ausüben? Nein, dass ist gewiss nicht göttergefällig. Ruan hat seinen Bruder in Zorn und Niedertracht erschlagen. Wer aber die Waffe zu einem gerechten Zweck führt, um andere und sich zu schützen, den Glauben zu verteidigen, seine ihm auferlegte Pflicht zu tun, der kann nicht wider die Götter freveln. Er trägt das Schwert Bellums im Herzen und Bellum würde nie zögen, seine Waffe blank zu ziehen, um Unrecht und Gefahr zu bekämpfen. Die Viere verlangen von uns, dass wir uns entscheiden. Im Angesicht der Not sind wir es, wir allein, die entscheiden müssen wann die Waffen sprechen. Mir wird klar, dass dieser Tag uns lehren soll, das was wir haben mit Verstand einzusetzen. Wie lautet der Spruch, dem man einem jungen Knappen nahe bringt: Ziehe nie dein Schwert, es sei denn, du führst es zu gerechter Tat. Und wenn die Tat gerecht ist, dann ist es auch der Ort und die Zeit. Immer und überall.

Im Schein der flackernden Kerze bette ich mein Schwert auf den Altar, neben die dort eingelassene Klinge. In stillem Gebet bitte ich die Viere, dass sie Ruan verzeihen mögen, ihn von seinem harschen Schicksal erlösen. Vielleicht reut ihm seine Tat. Und wäre dann nicht Gnade angezeigt?

Bin tief in mich gekehrt, ganz in die stille Andacht versunken, als ich plötzlich ein leises, metallisches Klirren vernehme, als ob Eisen auf Eisen schlägt. Für einen Moment denke ich an mein Schwert, dass still auf dem Altar ruht. Habe keine Furcht. Habe keine Furcht. Langsam drehe ich den Kopf in die Richtung des Geräusches, stehe auf. Als ich mich halb gewendet habe, sehe ich im Halbdunkel einen Mann stehen. Dann sehe ich den Umhang. Ein Ritter. Ein Falke.

Ein weiter Weg und doch bist du hierher gekommen Fedral, sage ich. Er wendet sich um, lächelt auf eine Art wie nur er es versteht, tiefgründig und voller Güte und Milde. Er ist es. Er sagt, dass er hier über mich wachen will. Mich beschützen. Mir wird das Herze leicht, von soviel Treue, Mut und Aufrichtigkeit. Am Tage Ruans, der seinen eigenen Bruder erschlug, scheint mir es, als hätte ich einen Bruder gewonnen.

Wir kehren in die Klause zurück, vom Packpferd hole ich noch einen Stuhl – der Knappe hat Liese so ausgerüstet, wie ich es von ihm verlange. Stets bereit mit allem notwendigen, was man für eine Reise braucht. Nun habe ich einen Gast, wir gehen hinauf. Im Schein eines kleines Feuers sitzen wir uns gegenüber. Frische Äpfel hat er mitgebracht, etwas Frisches wahr hier draußen nicht zu finden, so schmeckt der Apfel so gut, als hätte ich nie einen besseren gefunden. Ich habe ihn hierher geführt, sagt er. Das habe er gelobt, Treue gegenüber dem Großmeister des Ordens und einem Ritterbruder. Meine Zweifel, ob ich dem allen noch diene. Ganz überzeugt antwortet er, dass ich einen Weg gehe, einen Weg als ein Ritter unter dem Zeichen des Drachens. Wir sprechen eine lange Zeit, über die Dinge die waren und Dinge die sind. Reden tut gut.

Er geht nun wieder hinaus, auf seine einsame Wacht. Ich widme Vitama noch ein Gebet, danke für eines der größten Geschenke, die ich je erhalten habe. Freundschaft. Echte Freundschaft über alle Grenzen hinaus. Das ist es, was mich im Orden hält. Nicht bloße Pflicht, sondern die Freundschaft und Treue zu meinen Rittern, meinen Tafelbrüdern. Am Tage Ruans habe ich die stärkste Waffe gefunden, die man sich nur vorstellen kann. Freundschaft.

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BeitragVerfasst: 25.09.06, 18:23 
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25. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Als ich an diesem Morgen erwache, ist mir noch klar, was ich geträumt habe. Von den weiten Ebenen meiner Kindheit in Ersont ging es weiter zum Drekenhorst, der Feste in der die angehende Kriegerschaft Galadons herangebildet wurde. Ich sah mich da stehen, einsam und verlassen, als der alte Lothar und sein Sohn Sigbert, der bald mein Alter hatte, mit meinem Pony davon zogen, einen letzten Gruß zum mir herüber rufend. Die Zeit in Drekenhorst war hart, entbehrungsreich, einsam. ‚Bindet euch an nichts, außer euren Eid, den König und die Viere!’ hat einer der Lehrmeister, der grimmige und stets finster dreinschauende Hermfried Lallus von Greven gesagt, denn ‚wer an nichts gebunden ist, den kann kein Verlust schrecken oder zaudern lassen.’. Damals wehrte ich mich gegen solch eine Einstellung, später, im Laufe der Jahre in Drekenhorst, befolgte ich diesen Rat. Zumindest zu Teilen. Denn in meinem Traum, da sah ich auch meine besten Freunde. Der rotschöpfige Dietmar, jüngster Sohn eines reichen Barons aus Sae, stets gut gelaunt und lebensfroh. Der andere, Yorrik Nyflander wurde im Nordland geboren, als Sohn eines Ritters und einer Nordländerin. Damals schon war er einen Kopf größer als ich, aber im Gegensatz zum gewöhnlichen Nordmann von feingliedriger Statur und auch sonst ein Mittelreichler durch und durch, sieht man von der Größe ab.

Die beiden nun halfen mir in den langen Jahren, die ich Drekenhorst zubrachte. Ich sollte meinem Vater dankbar sein, denn die Ausbildung war hart – ohne Frage, aber überaus auch sehr hilfreich. Denn ziemlich jeder Ort ist besser zum Lernen geeignet, als die weiten Grasländer Ersonts mit ihren grasenden Viehherden und einsamen Gehöften. Und ich lernte, als Kind schon Mann zu sein. Wir wurden nicht behandelt wie Kinder, junge Burschen … sondern wie richtige Männer. Seis die Schärfe des Tones, die Waffen- und Körperübungen oder die harsche Disziplin. Es setzte schon mal Hiebe, wenn wir aus lauter Dummheit bei einem von Dietmars Streichen erwischt wurden. Wenig Kindheit ab dem Alter von acht, neun Jahren, dafür immerwieder: Ehre, Stärke, Loyalität.

Dann ein harscher Wechsel, als nächste sah ich meine Schreckensstunde im Traum. Es war während des Khalandra-Feldzuges, ich nunmehr einer der Burschen im Gefolge der Ritter Hermfried von Wolkenstein (eines wohlhabenden Grundherrn aus Ersont, nahe der Saalhornschen Besitzungen) und Rolof von Hartenstein. Die älteren Zöglinge Drekenhorsts zogen mit dem Heer, verteilt auf verschiedene Ritterbanner. Yorrik und Dietmar waren bei mir. Bei mir, als wir die Trosspferde und den Lagerplatz bewachten, als draußen auf der Walstatt die Schlacht tobte. Und als plötzlich eine Gruppe Barbaren auf ihren kleinen hässlichen Pferden auf uns zustürmten, mit mörderischem Geschrei ihre großen einhändigen Äxte schwingend. Yorrik hielt sich heldenhaft, ob seiner Größe und Kraft konnte er die Hiebe seiner Gegner abwehren. Ich schlug mich leidlich, konnte aushalten, bis ein Duzend Ritter sich von der Schlacht gelöst und zu unserer Unterstützung herbeigeeilt waren.

Als ich zu mir kam, war die Schlacht geschlagen. Yorrik hatte eine Wunde am Arm davongetragen, einige Kameraden waren gefallen. Und unter ihnen, war zu unser aller Gram auch Dietmar. Niemand hat gesehen wie es passiert ist, aber ein Axtstreich hat ihn so sehr verletzt, dass er kurz darauf starb. ‚Bindet euch an nichts …’ – und trotzdem habe ich bitterliche Tränen vergossen. Allein. Ohne das ein anderer es sehen sollte.

Vielleicht war es das vertraute Pfeifen des Windes, vielleicht aber auch die Ruhe und Zeit, die all das in mir wieder zu Tage gefördert, sich in einen tiefen, unruhigen Schlaf eingeschlichen haben. Im Laufe eines Lebens verdrängt man viel, vergräbt es tief in seinem Innersten, dort wo niemand es findet. Viele leben ihr Leben, ohne jemals auf diese Erinnerungen zu stoßen. Aber andere finden sie, ob sie danach graben oder nicht.

Ritter Fedral ruht noch, das Schwert auf den Knien sitzt er an der Treppe, die in den Hof hinab führt. Er muss es nicht tun, er hätte nicht hierher kommen müssen, er hätte seinen Platz an der Spitze der Falkenritter nicht verlassen sollen. Und doch tat er es – ohne Pflicht, nur aus dem Gefühl der Treue heraus. Ich bin wieder in Gedanken, muss jetzt aber etwas tun. Es sind noch ein paar Botlaibe da, ebenso wie Fisch, Mais, zwei Kohlköpfe und Obst. Begnüge mich mit Brot und Mais, stelle dem schlafenden Ritter einen Teller mit Dörrfisch, einem Apfel und einem halben Graubrot hin. Dann gehe ich zu den Pferden, sie sind ruhig wie immer. Doch macht mir Sorgen, dass ich nun vier Pferde zu versorgen habe. So beschließe ich, nach dem Gebet neues Futter zu suchen.

Fela steht schon hoch am Himmel, als ich mich vom Schrein Bellums zurückziehe und mich gen Südosten wende. Rechterhand das, was einmal Rohehafen war, auf der anderen Seite des Dunkelsundes. Links nur Öde. Nach einer Weile komme ich zu den Ruinen eines Blockhauses, Tod und Verwesung darinnen. Weiter folge ich dem Ufer, kehre meine Schritte aber dann nach Norden. Nichts als trostlose, staubige und tote Ödnis. Plötzlich ein Strand vor mir, Sand hat sich an den Ufern abgelagert, Schwertpflanzen wachsen zwischen den Steinen. Mühsam ist der Weg durch den feuchten, schweren Sand, es dauert eine Weile bis ich hindurch und wieder auf dem Weg in Richtung meiner Klause bin.

Da ich am Vormittag nichts brauchbares fand, breche ich nach einer Stärkung wieder auf, diesesmal in Richtung der schwarzen Brücke. Das Land liegt still, verlassen da. Nördlich der Brücke findet sich ein Landstreifen am Ufer, auf dem recht viele Kräuter und sogar einige Löwenköpfchen wachsen. Eine ganze Stunde rupfe ich Kräuter aus dem kargen Boden, verstaue sie in meinem notdürftig zu einem Sack zusammengezurrten Umhang. Für einen Tag mindestens wird es reichen um die Pferde zu füttern.

Nun da die Pferde versorgt sind, widme ich mich wieder meinem Gebet. Ritter Fedral kommt leise hinzu, wir beten gemeinsam. Es ist anders, jetzt, wo ich nicht mehr allein bin. Auf der einen Seite bin ich hier, um Ruhe zu finden. Ruhe von allem. Auf der anderen Seite wärmt es mein Herz, nicht vollkommen verlassen zu sein. Ein Gefühl, als stände man in Schatten und Sonnenlicht zugleich.

Fedral fragt mich nach dem Land hier. Ich zeige ihm den seltsamen, kegelförmigen Bau in der Nähe der Klause. Er ist ebenso ratlos darüber, wie ich es bin. Wer hat es gebaut? Wozu? Warum überall die großen Steine, die wahllos in die Ebene geworfen sind? Dann gehen wir weiter am Seeufer entlang, bis wir neuerlich zu Ruinen gelangen, vielleicht die eines Bauernhofes. Plötzlich erhebt sich ein Kreischen, erst eines, dann fallen immer mehr Stimmen ein. Harpyien! Langsam wollen wir zurück, doch plötzlich flattert eines dieser Untiere hinter uns hernieder. Mit dem Wahn in den Augen greift es uns an, will sich auf Fedral stürzen. Rasch ziehen wir unsere Klingen, ich führen einen schnellen, kräftigen Schlag und das Haupt der Kreatur fällt auf die Erde, der Boden der Öde scheint das Blut gierig aufzusaugen. Der Rumpf der Harpyie zuckt, die Beine scharren noch immer, bis Ritter Fedral dem ein Ende setzt. Wir eilen zurück, ehe die Wölfe kommen und sich über den Kadaver hermachen.

In der Klause essen wir ein karges Mahl, danach reden wir lange Zeit miteinander. Darüber, was alles auf einem Ritter lastet. Über das Gefühl der Ohnmacht, über die bitteren Worte des Hochmeisters des Greifen, der in Wut und Zorn den Treuebruch erklärt hat. Fedral versucht mich aufzumuntern, mir Trost zu spenden. Um ihn nicht zu kränken, lasse ich ihn in dem Glauben, es würde ihm gelingen. Er würde nicht verstehen, warum ich in die Öde gezogen bin und auf der Suche bin. Wonach? Nach mir. Denn dies hier ist meine Prüfung. Ganz allein meine.

Er soll nun ausruhen, ich will die Wache übernehmen. Eine ganze Zeit sitze ich still an der Treppe, sehe zu den Sternen auf, die Luft ist klar und seltsamerweise frisch, frei vom allgegenwärtigen Gestank der Verwesung. Nun hat die Müdigkeit ihn übermannt. Leise gehe ich die Treppe hinab, über den Hof, hinaus zum Schrein. Ich muss mit den Vieren ins Reine kommen. Und mit mir. Allein.

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Zuletzt geändert von Harold Valorum: 25.09.06, 18:23, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 26.09.06, 18:30 
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26. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Trüb und trist beginnt der Tag, nur mühsam kämpfen sich Felas Strahlen durch die tief hängenden, dunkel drohenden Wolken am Himmel. Im Dämmerlicht hacke ich Holz auf dem Hof, einige Scheite um ein kleines Feuer zu entfachen. Als das geschehen ist, versuche ich leidlich, etwas vom Rest des eingesalzenen Fleisches nebst etwas Kohl und Mais zu braten. Noch etwas Wasser dazu, fertig ist ein wärmendes Mahl, wenn auch nicht zu vergleichen mit den Spezereien, die die Burgküche liefert. Nach dem Essen, Ritter Fedral aß wenig, um mir ja nur nicht zur Last zu fallen, führte ich die Pferde zum Tränken an den Brunnen.

Die Tiere brauchen etwas Bewegung, also drehe ich einige Runden mit ihnen um die Klause. Sie stehen schon zu lange im Stall, bei kargem Futter und schlechtem Wasser. Wären es nicht robuste, Entbehrungen gewöhnte einfache Zelter, fürwahr, sie wären mir eingegangen. So aber werden sie das ganze noch eine Weile durchstehen.

Fedral streift derweil durch die nähere Umgebung, insbesondere dieser seltsame steinerne Kegel mit dem Häuschen obenauf hat ihn in seinen Bann gezogen.

Als er wiederkommt, bringe ich gerade das letzte Pferd in den Stall, striegle seinen Hengst Balam und überlasse ihm einen der letzten Äpfel. Ich muss mit Ritter Lavid reden. Darüber, dass er nicht bleiben kann. Er nimmt es mit oberflächlicher Gelassenheit auf, als ich ihn bitte, zurückzukehren und auf die Insel und den Ritterorden Acht zu geben. Er wird gehorchen, ohne Frage. Aber ich weis, dass ihm der Abschied schwer fällt – aber auch, dass er sich vollends bewusst ist, wo sein Platz als Hochmeister des Falken ist. Sputen muss er sich, die Öde in der Finsternis zu durchqueren ist nicht klug.

Noch einige Worte des Gebetes sprechen wir gemeinsam am Schrein. Ich bitte Bellum, diesem braven jungen Ritter sicher nach Hause zu geleiten, er soll ihm seine Treue redlich vergelten. Ich weis nun, dass ich nicht schweigend in der Nacht stehe, ungehört, ungesehen. Es gibt sie, die aufrechten Freunde um mich herum – auch wenn ich sie vor Gram und Bitternis übersehen habe.

Aus diesen Gedanken reist mich ein Schrei Fedrals – „Obacht!“. Ein ekler achtbeiniger Schwarmtotmacher spurtet heran, hebt keifend das vordere Beinpaar und ist drauf und dran, seine gift’gen Hauer in mein Bein zu schlagen. Sofort ist Fedral zur Stelle und landet einen genauen Schwerthieb auf den aufgeblähten Hinterleib der Kreatur, so das die übel riechenden Säfte herausquellen. Ich stehe dem jungen Hochmeister bei, nach zwei Streichen mit der Saalhornklinge quillt eine grünlich-rot verlaufende Flüssigkeit auf dem gespaltenen Haupt dieses Untieres. Wir schleppen den Kadaver vom Schrein weg, nichts soll diesen gesegneten Platz besudeln.

Nun mahne ich Fedral noch mal zur Eile. Die Dunkelheit naht, er muss sich sputen. Widerwillig beherzigt er meinen Rat, reitet in Richtung der Schwarzen Brücke. So laut ich kann, rufe ich ihm „Ehre dem Orden!“ hinterdrein … und vernehme aus der Ferne die selbe Losung in seiner Stimme. Er ist auf dem Weg. Und ich wieder allein. So, wie ich es will.

Gewarnt durch den Angriff des Schwarmtotmachers lasse ich nun Vorsicht walten. Jedes Geräusch schreckt mich auf, das Kurzschwert steckt nur lose in der Schwerthülle, auch die Saalhornklinge hängt wehrbereit am Waffengürtel. Doch war dies der einzige Besuch des Tages. Die stillen Stunden des Gebets werden durch nichts gestört, nur ein kalter, langsamer Regen fällt vom Himmel und verwandelt die Umgebung meiner Klause in einen nicht enden wollenden Morast.

Vollends durchnässt kehre ich zurück, trockne meine Kleidung am Feuer und sinne nach. Ich sehe die Bilder meiner glücklichen Zeit vor mir, sehe mein Weib Brunhilde vor mir. Sie entstammte dem Geschlecht der niederen Landadligen ‚Salorin von Polzbug’, ich sah sie zum ersten Mal an jenem Tage, als wir feierlich die Akademie von Drekenhorst verließen. Einer ihrer Brüder zog mit uns aus, bewährte sich in der Schlacht und wurde hochgerühmt. Es ergab sich, dass mein Vater und Brunhildes Vater jener gewissen Vertrautheit zwischen Brunhilde und mir gewahr wurden. Nun, ich mag es so sagen: sie wurden sich schnell handelseinig und ehe noch der Schnee kam, war Brunhilde mein angetrautes Weib und bewohnte eine zugige Kemenate in der Burg Saalhorn.

Es war eine glückliche Zeit, wenn auch nur kurz. Ich schloss mich einem Heerzug des Fürsten von Ersont an, der uns tief nach Endophal führte, bald ein Jahr war ich unterwegs. Als mein Töchterchen Katrina geboren wurde, jagten wir einem räuberischen Stamm hinterdrein. Leben nehmend, während andernorts neues Leben geboren wurde. Doch umso größer war meine Freude – und mein Stolz – als ich Katrina zum ersten Mal im Arme wiegte. Mir war, als könnte nichts die Anmut meines Töchterchens trüben. Für mehr als ein halbes Jahr weilte ich nun bei meiner kleinen Familie, ehe mich wieder Kriegerhandwerk rief, diesmal begleitete ich meinen Bruder auf dem Heerzug gegen ein Nest von Ketzern an den Gestaden Vandriens.

Als in dem Jahr darauf mein zweites Töchterchen geboren wurde, dass wir nach meiner Mutter Herlinde benannten, schien mein Glück auf Tare nahezu unendlich. Doch war mir damals klar, und meinem Weibe ebenso, dass ich das Leben eines Kriegers führe. Nur selten die Heimat sehe, ansonsten aber dort bin, wo man eines Schwertes bedarf. Konnte ich denn ahnen, dass mir jenes Leben so grimm zusetzen würde?

Knisternd und knackend reist mich das kleine Feuer aus den Gedanken. Ich lege Holz nach, gebe Schmalz und Dörrfisch in die Pfanne, wenigstens eine warme Mahlzeit. Mein Weib konnte kochen … und so vieles andere mehr konnte sie auch sehr gut.

Während ich den Fisch verspeise, denke ich an den Tag, als ich zum letzten Mal von meiner Brunhilde und den beiden Kleinen schied. Es muss Ende des fünfzehnten Jahres der Herrschaft Hilgorads gewesen sein. Mein Bruder herrschte weise über unsere kärglichen Länderein, ihm konnte ich meine Familie zur Obhut anvertrauen. Mich dem Kriegshandwerk widmen. In der Fremde zu kämpfen, anstatt bei Weib und Kindern zu sein.

Wäre ich geblieben, hätte mir Brunhilde nicht die Treue gebrochen. Vielleicht wäre sie nicht im Kindbette gestorben, hätte nicht diesen Bastard geboren, von dem ich weder Namen noch Vater kenne. Stattdessen wäre mir vielleicht das Glück zuteil geworden, einen Sohn zu zeugen, der dereinst als Stammhalter meine Titel und mein Schwert ererbt haben würde. Und Einsamkeit hätte mich nicht umfangen, oder aber wäre gemindert wurden durch den Gedanken an mein Weib daheim. Und die Götter? Vitama sah tatenlos zu, als irgend ein herbeigelaufener Bursche meine Frau verführte und mir die Ehre nahm. Morsan nahm mir, was mir Lieb und teuer war, während ich für Ehre und Ruhm Bellums auf diesem Eilande stritt, dass selten Dank dafür gezeigt hat. Wo waren die Viere denn da?

Dies müsst ihr euch gefallen lassen, ihr Götter, dass ihr mich dort im Stich gelassen habt. Aber … darf ich den Göttern die Schuld geben? Ich weis nicht. Ich fühle, dass das nicht richtig wäre. Ich trage die Schuld, ich muss mit ihr leben. Mit ihr weiterleben.

Oh ihr Viere, vergebt mir meine Zweifel!

Mein Blick klärt sich, so wie die Sicht wieder klar wird und man Fela sieht, wenn an einem trüben Tag der letzte Regenvorhang vorübergezogen ist. Ich fühle mich besser, leichter, seit dem ich mich meinen Ängsten und meiner Schuld stelle. Ich kämpfe in einer riesigen Schlacht gegen mich selbst, den dunklen, finsteren, grausam verzerrten Teil meiner Selbst. Und mir wir klar: eine entscheidende Attacke in dieser Schlacht habe ich gewonnen.

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BeitragVerfasst: 27.09.06, 18:36 
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Aber noch wogt das Schlachtenglück hin und her. Ich fühle, dass ich ohne Zaudern nachsetzen muss, um die durch diese Attacke geschlagene Bresche zu nutzen und den Feind durch einen beherzten, entscheidenden Schlag sosehr zu schwächen, dass dieser die Waffen strecken muss. Dazu brauche ich einen freien Kopf, verzichte auf das morgendliche Essen, nur ein Schluck Wasser, aus dem letzten unangebrochenen Wasserschlauch, den ich aus Finianswacht mitgebracht habe.

Als ich den Altar erreiche werde ich einiger Federn gewahr, die im Morast liegen, neben den Abdrücken großer, krallenbewehrter Vogelfüße, die zum Teil mit Wasser vollgelaufen sind. Harpyien. Es heißt also, Vorsicht walten zu lassen. Die Saalhornklinge lege ich auf den Altar, jedoch so, dass ich sie bei Bedarf schnell aus der Hülle ziehen und verwenden kann. Und dann habe ich noch immer das Kurzschwert an der Seite. Die Wehr ist also bereitet. Bellum bitte ich, auch an diesem Tage mit mir zu sein, mir bei dem waghalsigen Unternehmen beizustehen, diese alles entscheidende Schlacht zu gewinnen.

Ich finde Ruhe im Gebet, perfekte Ruhe. Sehe Katrina und Herlinde im Geiste, sehe mein Weib Brunhilde, den alten von Greven, meinen Vater, Großmeister Ragnarok, Ritter Cildorn – mein Lehrmeister … Ritter Athos, Lavid, Randur Kantrin, Amaris, das Gesicht Vater Benions. Sie. Als würde ich durch eine lange Galerie schreiten. Sehe den brennenden Falkenhorst, die Schlacht am Schlachtenpass, die die Rückeroberung der Insel einläutete, die Expedition unter den Feuerberg auf der Suche nach McKevins Schwert. So viel gesehen, genug für ein ganzes Leben. Und doch habe ich, wenn nicht schnöder Schwertstreich oder heimtückische Krankheit mich hinrafft, noch gut 30 Jahre vor mir, ehe ich in Morsans Reich einfahre.

Nach der Ruhe kommt die Zuversicht. Ein jeder Einzelne hat einen Platz in der Welt, der ihm durch die Viere und seinen Stand zugeteilt ist. Und wer wollte ich sein, den Vieren zu trotzen und zu verneinen, dass sie einen Plan mit mir haben? Ein Jeder einzelne trägt die Verantwortung für sein Leben, die Viere sind es, die einem das Leben erleichtern oder erschweren können. Aber sie bestimmen es nicht. Sie wollen, dass wir entscheiden. Wie wahr mir doch plötzlich der alte Spruch scheint: der Tod ist gewiss, doch weder die Stunde noch die Art und Weise. Zwischen unserer Geburt und unserem Einzug in Morsans Hallen bestimmen wir, was wir tun.

So geklärt im Geiste sehe ich auf, gürte mich mit der Saalhornklinge und unternehme eine kleine Wanderung. In Richtung der Schwarzen Brücke, wo mich eine Harpyie angreift, aber meinem Schwerte nichts entgegenzusetzen hat. Weiter nach Norden, durch den mit einigen Blumen und Gräsern, die durch die tote Erde stoßen, bestandenen Hain. Ein Löwenköpfchen pflücke ich, wie herrlich doch dieses kleine schwache Ding gefügt ist, dass doch so unendlich weit weg von Ruhe und Frieden gedeiht. Soll eine Blume mir überlegen? Wenn sie in diesem unwirtlichen, feindlichen Land überleben kann, so kann ich mein Leben gewiss auch überleben. Nur nicht aufgeben. Kein Platz für Verzweiflung. Verzweifeln kann man nur, wenn ein absehbares Ende unausweichlich scheint, wenn nichts aber auch gar nichts etwas daran ändern kann. Doch ist mir ein solches Ende keineswegs gewiss. Ich sehe kein Ende, kann hoffen, dass sich alles zum guten wendet. Kann mit Hoffnung in den Kampf gehen, kann verlieren – aber ebenso gewinnen. Nur kämpfen, dass muss ich. Gib nicht auf!

Von diesen Gedanken beseelt gehe ich in meine Klause zurück, es dämmert bereits. Hektisches Flügelschlagen kommt näher, ich beschleunige meinen Schritt. Ich kann sie kreischen hören. Sie kommen.

Mit Mühe erreiche ich rechtzeitig den Hof meines Klause, da stößt auch schon eine Harpyie herab. Doch jene ist ohne Glück, schon der erste Streich meines Schwertes durchtrennt ihre stelzigen Beine, ein zweiter kräftiger Hieb beendet das Leben dieser Kreatur. Die zweite Harpyie jedoch greift schon an, von der Wucht ihres Sprunges getroffen taumle ich einige Schritte, fange mich. Jene stellt sich geschickter an, weicht meinen Schlägen aus. Irgendwann treffe ich sie, ein Flügel hängt herab und Blut färbt das Federkleid. Doch lässt sie nicht ab, immer wieder hackt sie mit ihrem Schnabel nach mir, bis unter zwei anderen Streichen blutend zusammenbricht und verendet. Dann herrscht wieder stille. Bellum war mit mir, gepriesen sei der Herr des Schwertes. Und der alte von Greven, der mich das Kämpfen mit dem Schwerte lehrte.

Nun merke ich den Hunger. Doch trotz dessen, dass ich mittlerweile diese karge, eintönige Kost gewohnt bin, misse ich ein frisch gebratenes Filet vom Schwein … aber noch mehr eine Tasse wohl gezogener Tees mit Honig und etwas Milch. Die kleinen Dinge des Lebens, die Freude bringen. Freude. Ja, ich nehme mir vor, wieder Freude zuzulassen in meinem Leben. Nicht plump und ausgreifend, sondern besonnen und zurückhaltend. Freude für mich, doch am liebsten auch Freude für Sie. Sie. Vielleicht wird mir Vitama eines Tages die Stärke geben, ihr die Wahrheit zu sagen. Vielleicht meine Angst besänftigen, dass Sie mich zurückweist. Aber um sie kämpfen, dass muss ich allein. Und geht der Schmerz, den ich vor Zorn ob ihrer Untreue nicht wahrhaben wollte, über den Verlust meines Weibes auch so tief, sie würde nicht wollen, dass ich vollends vor Gram gebeugt davon gehe. Und wer weiß, vielleicht werde ich Vitamas Segen teilhaftig werden und den Sohn bekommen, den ich schon immer haben wollte.

Bei diesen Gedanken schmeckt das trockene, alte Brot gleich besser. Den letzten Wein leere ich an diesem Abend, damit ein tiefer, erholsamer Schlaf mich übermannt. Ein Schlaf, dass erste mal seit langem ohne Furcht vor den Träumen, die Morsan senden wird.

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BeitragVerfasst: 28.09.06, 19:26 
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28. Carmer 17 nach Hilgorad – die Klause ‚Bellums Halt’

Der Schlaf war tief, ruhig und erholsam. Mit wachem Geist, wenn auch müden Gliedern, stehe ich auf und gönne mir ein für meine Umstände üppiges Frühstück aus Dörrfisch, Mais, Brot und zwei Äpfeln. Stärkung brauche ich, denn es wird ein anstrengender Tag. Nachdem alles verzehrt ist, beginne ich damit mein Lager abzubrechen, meine Klause auszuräumen. Die Tische und Stühle trage ich hinunter zu Liese, der ich bereits das Packgestell aufgesetzt habe. Allmählich verstaue ich meine Habe auf dem Packpferd, dass nun eine durchaus beachtliche Last trägt.

Ein letztes Mal gehe ich hinauf, auf die Galerie, besehe mir den Ort, an dem ich die letzte Zeit gelebt habe. Gelitten habe. Gesiegt habe. Nun wirkt alles wieder still und verlassen, wieder wie eine unbelebte Ruine mitten im Nirgendwo. Überall der feine Ödlandstaub, die Spinnweben, feuchte, klamme Steine. Kein gastlicher Ort, aber er hat mir gute Dienste geleistet. Die einfache, derbe Kleidung indes hat mir ihren Dienst nicht versagt. Seit Tagen habe ich keine Rüstung mehr getragen, doch trotzdem Kämpfe beinah unversehrt bestanden.

Ehe ich aufbreche, gehe ich zum Altar. Nicht ohne Worte des Dankes, der Lobpreisung will ich von hier scheiden. Hier, wo ich meine Schlacht geschlagen und meinen Feind besiegt habe. Aus eigener Kraft, gewiss. Aber mit dem Wissen, dass die Viere mir beistehen, mit der Sicherheit, die ihre Lehren vermitteln. Lob sei Bellum für den Mut und die Kraft, die er mehr gegeben hat. Lob sei Vitama, die mir Güte und Gnade gezeigt hat. Ihr Viere, stets will ich euer Diener sein und meine Taten euch widmen, so wie ich sie meinem Volk und meinem Kodex widme.

Noch immer flackert die Stumpenkerze auf dem Altar, sie scheint langsamer niederzubrennen als jene, die andernorts entzündet werden. Auch kann ihr weder Regen noch Sturm etwas anhaben, trotzig widersteht sie allen Unbilden des Wetters. Wenn eine Kerze bestehen kann, dann kann es ein Ritter im Sturm des Lebens ebenso. Nur standhaft bleiben, nicht wanken, niemals aufgeben.

Mit einem letzten Dankgebet an die Viere schließe ich die Andacht und ziehe mich langsam zurück. Ein letztes Mal gehe ich zum Brunnen, benetze mir das Gesicht. Dann führe ich die Pferde aus dem Unterstand, die Last des Packpferdes ist gut verzurrt, und steige in den Sattel meiner treuen, wenn auch nichtmehr gut im Futter stehenden Stute Minna. Nur ein letzter Blick zurück, dann mache ich mich auf die Reise, die Reise heim in mein altes Leben.

Noch ist es hell, ich komme gut voran, selbst die schwarze Brücke scheint unbewacht, so dass ich jene unbehelligt überqueren kann. Doch kaum auf den Rohehafener Seite angelangt erhebt sich ein furienhaftes Brüllen, ein mehr als zwei Mann großer Oger kommt brüllend auf mich zugestapft. Die Pferde scheuen, ich lasse Lieses Zügel los und treibe mein Reitpferd gen Oger an. Sie scheut, ist sie doch nicht für die Schlacht geschult, aber letztlich hält sie stand. Nur knapp verfehlt mich der Faustschlag des Ogers, er trommelt vor Wut mit seinen Fäusten auf der Brust, da saust auch schon mein Schwert auf den fetten Wanst dieser Kreatur. Noch lauter brüllt er, diesmal vor Schmerz, Blut rinnt aus der breit klaffenden Wunde. Rasend nun greift er mich an, ein Hieb gegen meinen Schild wirft mich beinah vom Pferd, Minna ist kaum noch zu halten. Doch zusehens erlahmt die Kraft des Ogers, die Arme werden ihm schwer, so dass mir ein entscheidender Schlag gegen den Hals der Kreatur gelingt. Ein klägliches stimmloses Brüllen noch, dann bricht der Koloss zusammen und rührt sich bald nicht mehr.

Es dauert eine Weile, bis ich das Packpferd wieder gefunden habe. Mühsam geht es nun weiter durch die Ruinen der einst stolzen Hauptstadt, die mittlerweile nurnoch ein Hort des Bösen und Verderbten ist. Dunkelheit setzt ein, dazu ein dichter Regen. Der Gestank des großen Übelsees auf der Ebene vor dem Grenzwall weht herüber. Nur mühsam geht es voran, doch dann sehe ich die Lichter des Walls.

Als ich dort anlange, ist die Zugbrücke herabgelassen und das Fallgitter ist offen. Keine Wache weit und breit. Hält denn niemand mehr Wacht am Wall?

Ich habe gerade die Torburg passiert, als ich der angetretenen Linie meiner Soldaten gewahr werde. Mir scheint, Talinor führte den Befehl, argwöhnisch betrachtet von Leutnant Sperling. Diese nun bemerkte mich, erkannte mich jedoch nicht. In wenig schmeichelhaften Worten, die eigentlich keiner Frau zustehen, wandte sie sich an mich und wollte allerhand wissen. Woher ich komme? Was ich in der Ödnis gemacht habe? Wer ich bin? – Das fragte sie nicht. Erstaunlich. Geduldig gab ich Antwort, aber warum ich in der Öde wahr, dass geht sie nun wahrlich wenig an.

Nun aber sah ich einen Ritter, oder glaubte es zumindest. Denn es war das Drachenrot, dem ich gewahr wurde. Und das trägt nur ein Mann. Dies wollte ich näher beschauen, lies meine Stute in langsamem Schritt in dessen Richtung gehen – auch, um der noch immer auf mich einredenden Soldatin zu entgehen – als plötzlich ein Orke, der noch dazu die Farben meines Lehnsbanners trug, neben mich sprang und mir einen kräftigen Hieb mit der Breitseite eines Schweren Zweihänders verpasste. Beim Bellum! DAS erwarte ich von Söldnerpack wie den Schattenjägern, oder freien Abenteurern die nur für Beute kämpfen, tumben Raufbolde, ja auch Orken – aber nicht von Soldaten! So erhob ich denn meine Stimme und gebot diesem Treiben Einhalt. Der Orke meinte, mich weiter belehren zu müssen, aber dabei geht er fehl. Er wird sich mit den Latrinen Seebergs befassen, bis ihn seine Offiziere annehmbares Verhalten beigebracht haben, oder aber er wird nicht mehr würdig sein, die Farben meiner Soldaten zu tragen. So also begrüßt man mich hier.

Der Groll ob dieses Empfangs ebbte ab, als ich mich auf den Weg machte. Den Weg zur Finianswacht.

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>Das ständige Nachgeben der Klugen begründet die Diktatur der Dummen.<


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28. Carmer 17 nach Hilgorad – Burg Finianswacht

Für einen Moment muss ich innehalten, als ich die vertraute Ansicht meiner Burg erblicke. Selten habe ich sie so bewusst wahrgenommen wie jetzt. Der mächtige Hauptturm, letzte Zuflucht, Waffen- und Vorratskammer, zugleich aber auch Unterkunft Seiner Gnaden Baron Gerdenwald. Davon ausgehend die östliche Ringmauer, die hinüber zum Seeturm führt; darinnen die Burgkapelle und der Saal der Ritterschaft (in dem die Tafelrunde tagt). Folgt man nun der südlichen Schildmauer langt man am mächtigen Torturm der Burg an. Dieser beheimatet die Quartiere der Burgwache, die Lehnskanzlei sowie das mächtige Doppeltor, welches für jeden Angreifer zu einer tödlichen Falle wird. Nach Norden hin schließt sich der Palas an, der an der nordwestlichen Ecke der Burg abwinkelt und gen Osten verläuft. In ihm der große Saal, in welchem der Inselrat tagt und rauschende Feste gefeiert werden. Zugleich auch die Burgküche und die Werkstätten, ebenso wie die Quartiere der Knappen, Ritter und anderen Bediensteten. Mit festen Mauern gefügt, kann diese Burg jedem Feind trotzen der den aussichtlosen Versuch unternehmen wollte, dem Lehen diese Burg zu entreißen.

Langsam passiere ich den Palas der Burg, sehe über den Graben hinweg in die Höhe, dorthin, wo meine Kemenate gelegen ist. Bald bin ich am Nordtor Falkensees, durch das die Straße nach Brandenstein, Seeberg und Bergheim verläuft. Keine Wache ist dort zu sehen, aus dem Stall dringt herzhaftes Lachen, das Wiehern der Pferde und der alltägliche Lärm der Fuhrknechte. Es geht hindurch unter dem mächtigen Torbogen, linker Hand der unförmige Klotz des den Vieren geweihten Haupttempels der Insel, eher geschaffen den Anspruch seiner Bewohner denn die Größe der Viere zu beweisen.

Dann stehe ich vor der Zugbrücke, der alte Wächter Diago stutzt einen Moment, nimmt dann aber zugleich Haltung an, ich vermeine ein Lächeln zu erkennen. Ich bin angekommen. Als ich aus dem Dunkel des Torweges auf den Burghof komme, flattern einige Tauben auf und lassen sich auf der Brüstung der obersten Galerie des Palas nieder. Irgendwoher dringt emsiges Hämmern, dass klappern von Schüsseln und Besteck, ein lauter Ruf mit dem ein Küchenjunge gescholten wird. Hinüber zum Stall. Ich sehe gleich, dass man es in meiner Abwesenheit mit der Ordnung nicht allzu genau genommen hat, denn durchsottenes Stroh liegt auf dem Boden, Pferdeäpfel, ein unangenehmer Geruch steigt mir in die Nase.

Nachdem Minna und Liese nun wieder in ihrem gewohnten Stall stehen, gehe ich die breite Treppe hinauf. Durch den Audienzsaal hindurch in die Grüne Stube. Kaum ist die Tür geöffnet, da hebt der treue Fedraal den Kopf, zögert für einen Moment und rappelt sich dann schnell auf, springt mir entgegen. Oh meine braver Fedraal, ja, dich habe ich besonders vermisst. Soviel Zeit muss sein, meinen treuen Begleiter ausgiebig zu begrüßen. trotz aller Freude mag Fedraal nicht so recht bei mir bleiben, sondern trottet zurück an seinen Platz.

Da erst fällt mir auf, dass ich grauenhaft riechen muss. Viele Tage lang konnte ich mich weder vernünftig waschen, geschweige denn baden. So wird ein Page losgeschickt, eilends für ein heißes Bad zu sorgen. In der Zwischenzeit betrete ich meine Kemenate, alles ist so, wie ich es verlassen habe. Ich öffne den großen Schrank – die Prunkrüstung des Großmeisters steht auf ihrem Ständer, unberührt. Nun endlich kann ich den Wehrgurt ablegen, die Waffen zurücklassen, aus den vor Dreck starrenden Kleidern heraus. Einen weiter Leinenmantel werfe ich mir über, gehe hinab und nehme ein ausgiebiges Bad. Lange bleibe ich im warmen Wasser, strecke Arme und Beine von mir, entspanne.

Endlich wieder sauber, endlich wieder ein zivilisierter Mensch. Sauber und mit akzeptablem Geruch suche ich die Küche auf. Die Magd dort schaut indes genauso entgeistert drein wie Jeder, dem ich bisher begegnet bin. Da auch hier nicht alles zum besten steht, lasse ich einige tadelnde Worte fallen, auf das wieder gefegt und geputzt werde! Vorher jedoch heiße ich sie, heißes Wasser aufzusetzen, Tee zu brühen und Spezereien samt Milch und Honig auf ein Tablett zu stellen. Es dauert einige Zeit, dann ist alles zu meiner Zufrieden. Mit samt des Tabletts mache ich mich auf den Weg.

Oben, auf dem Dach des Seeturmes steht ein schlichter Holztisch, dazu ein bequemer Sessel, Holzstühle. Dort lasse ich mich nieder, einen Fellüberwurf um die Schultern, denn es zieht an, auch wenn wir der sommerlichen Wärme näher sind als der schneidend-kalten Schneezeit. Von hier oben blicke ich auf mein Land herab. Die Tasse dampfenden, wohlriechenden Tee in der Hand, kann ich von hier zum Grenzwall sehen – und darüber hinaus, dorthin, wo die einsetzende Dunkelheit alles verbirgt. Ich sehe den Schieferbrucher See, wo einst der Falkenhorst gelegen war. Sehe die Ebene des alten, längst zerfallenen gleichnamigen Dorfes, sehe den Saum des großen Sumpfes. Die Scherenberge, meine noch den Lauf der Murmelrinne zu erkennen – weit dahinter muss Brandenstein liegen – und weiter im Norden das hochaufragende Gebirge, hinter der Feste Seeberg, irgendwo muss Bergheim liegen. Ich sehe auf mein Land, trinke einen wohlschmeckenden Tee und fühle … innere Ruhe. Wirklich angekommen, nach einem langen Weg, der mich durch die Finsternis geführt hat, geleitet von Glaube und Hoffnung. Hoffnung die immer da war, auch wenn ich sie vor Zorn und Zweifel nicht sehen konnte. Sie war immer da.

Wie ein Licht in finstrer Nacht.

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BeitragVerfasst: 9.03.07, 16:25 
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Epilog


Die letzten Reste des Schnees sind gewichen, gleichwohl noch frostige Winde die Insel überziehen, bricht das Grün Vitamas hervor und verheißt den Beginn hellerer, freundlicherer Tage. Wünschte, mir selbst wäre solcherlei Wandel beschieden. Aber dunkle, schwere Wolken Morsans weichen nicht von mir, lassen nur ganz selten einmal ein paar Sonnenstrahlen hindurch.

Ich nutze das allmähliche Erwachen er Insel aus der Kälte und Trübnis, plane einen Ausritt zur Ödlandfeste und dem Bellum geweihten Schrein, den einst Ritter Aurinas, dazumal mein Knappe und Schüler, dort zum Ruhme des Schwertherrn und als Zeichen für die Macht der Krone errichtet hat. Widerstände hatte er zu überwinden, und bei weitem nicht nur von eklem Gezücht und Dienern des Ungenannten. Auch gegen Verbohrtheit und Feigheit Anderer, diesseits des Walles, hatte er zu bestehen. All das gelang ihm durch seinen Festen Glauben an Bellum – und ein wenig wohl auch durch die Ausbildung, die ich ihm angedeihen ließ.

Genug Gedanken. Nach einem stärkenden Mahl, ein wenig erheitert durch das Spiel eines Barden, den ich in Falkensee streunend fand, hieß ich den Knappen Laske die Pferde bereitmachen. Für einen Moment war ich unsicher, ob ich den Jungen wirklich in die Öde mitnehmen sollte. Für einen Moment – er soll einmal Ritter werden, Gefahr kann da nicht schaden. Zudem bin ich bei ihm, nötigenfalls auch zwischen ihm und jeder Gefahr, welche Unser östlich des Walls harrt. Gemeinsam mit dem Knappen und zwei Getreuen (die Herren Gropp und Varyn) brechen wir auf, alsbald der Tag heraufgraut. Der Wall ist unbesetzt, wir durchqueren ihn und streben um den Kratersee herum zu den Ruinen des alten, stolzen Rohehafens.

Still ist es dort, kein lebend Ding haben wir unterdessen gesehen. Vereinzelt bricht Grünes durch die verbrannte, tote Erde der Ödnis, im ewigen Kampf mit dem, was der Blender, der Versucher, der Mörder uns hinterlassen hat. Laske zögert und zaudert, wer wills ihm verdenken. Sein junges Gemüt hat vieles noch nicht gesehen, noch nicht gelernt mit der Gefahr umzugehen. Er wird es lernen. Ohne Zweifel.

Über die unheimliche Brücke und den Dunkelschlund hinweg erreichen wir unbehelligt die Ostseite der Öde und sehen von Fern schon die Ruine der alten Kriegerakademie, durch den Orden des wachenden Löwen erneut befestigt und trutziges Kriegszeichen des Königreiches, das nach wie vor die ganze Insel beansprucht. Als wir sie erreichen, finden wir auch dort nichts lebendes. Kein Vergleich zu der Zeit, als ich vor Monden hier für Tage ausharrte. Aber vieles ist noch so wie damals. Die Pferde lassen wir im Schutz des mächtigen Hauptgebäudes zurück.

Der Schrein Bellums, errichtet durch Ritter Aurinas, bietet einen traurigen Anblick. Geschändet, beschädigt, gedemütigt durch finstere Gesellen. Aber noch immer ist dies ein Ort, geweiht dem Schwertherrn Bellum und nichts, gar nichts kann dies ändern. Über den Schutt hinweg steigen wir hinauf, nach einer Weile findet sich Platz … genauer gesagt wird er durch uns geschaffen, um demütig niederzuknien. Derweil wachen die beiden Getreuen über den Knappen und mich. Wir widmen unser Gebet dem Schwertherrn, als einfache Pilger und Gläubige, die ihr Leben dem Kodex der Ritter, der Ehre und dem Wohl des Königreiches gewidmet haben.

Eine Weile beten wir, danken Bellum für seinen Beistand, versichern ihm unseren tiefen Glauben. Zum ersten Mal seit Wochen – bis auf eine einzige Ausnahme, vor fünf oder sechs Tagen … in Finianswacht, als ich … Sie sah – finde ich Ruhe und inneren Frieden. Ich fühle, dass Bellum an diesem Ort mit mir ist. Weiß, dass es sich lohnt zu kämpfen. Sehe die Zukunft des Ordens und dieser Insel neben mir. Und es ist mir klar, dass Bellum uns beisteht, egal wie der ihm geweihte Schrein aussieht. Egal, ob ein Geweihter die Worte eines Gebetes spricht oder ein einfacher, freier Krieger. Selbst wenn es nur ein Schwert ist, dass ein Gläubiger in den Boden gerammt und Bellum gewidmet hat, dort betend, ist mir dies um Längen lieber, ehrlicher, als es der prunkvollste Tempel ohne Gläubige, der nichts weiter als eine leere Hülle ist. Was zählt, ist der Glaube. Der gelebte Glaube – so, wie er durch diesen Schrein Ausdruck findet.

Mit einer letzten Bitte an Bellum erheben wir uns, gehen schweigend zurück in die Ödlandfeste und holen unsere Pferde. Wir werden wiederkommen. Ich werde wiederkommen. Nichts wird mich daran hindern.


Unser Rückweg führt uns durch die leere Öde, in den Ruinen Rohehafens wenden wir uns nach Nordosten, hin zur Pforte des Nordstrandtals, wo die Orken hausen. Wir lassen ihre Befestigung seitlich liegen und reiten über die weiten Grasebenen. Hier ließe es sich doch eigentlich gut jagen – das werde ich bei Zeiten herausfinden. Schließlich biegen wir in Richtung des Bergheimpasses ein, überwinden die Höhen und blicken auf die Kesselklamm hinab, die sich ovalförmig in den Berg einschmiegt. Ein ruhiges, kleines Dorf. Bewohnt von spröden, aber in ihrem Inneren ehrenwerten und meist verlässlichen Zwergen. Natürlich gibt es stets einige Vorlaute, die meinen, mir, dem Herrn der Insel, dass Reiten durch die Gassen des Dorfes untersagen zu wollen. Aber diese sind eine Minderheit – ich begegne dem ehrenwerten Baltor Spitzhammer, nebst Gefolge. Nach höflichem Gruß ziehen wir weiter und lassen Bergheim hinter uns.

Zurück in Falkensee angekommen, unangefochten und wohlbehalten. Laske kümmert sich um die Pferde, dann geht er mir zur Hand und hilft beim Ablegen der Reiserüstung. Obwohl in vielem noch ein Kind, ein Junge, ist er aufgeweckt und versteht es, nicht nur mit dem Geist sondern auch mit dem Herzen zu denken. Ein aufrichtiger, sich selbst und seine Zukunft noch nicht vollends begreifender, guter Junge – er könnte vom Alter her fast mein Sohn sein. Könnte. Aber er ist es nicht. Noch eines der Dinge, die ihr, oh unergründliche Viere, mir nicht gegönnt habt.

Aber … ich sehe es nun klar, in der Ferne: etwas ist dort und gibt Hoffnung – wie ein Licht in finstrer Nacht.


Finianswacht, 8. Duler 18 nach Hilgorad.


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