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 Betreff des Beitrags: Niemals werden wir weichen - wir, die wir die Treuesten der
BeitragVerfasst: 23.09.06, 15:54 
Einsiedler
Einsiedler

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Eine Lanze aus stechendem Schmerz durchzuckte ihren Leib, als die mit eisernen Spitzen versehenen Enden der neunschwänzigen Katze blutende Furchen in ihren Rücken rissen und die in Frakturschrift eintätowierten Buchstaben, welche in ihrer Gesamtheit ein Gebet an Angamon ergaben, zerfetzten. Sie vernahm hinter sich ein Knallen in der Luft, ehe die Peitsche neuerlich ihr Ziel fand und sie feststellen musste, dass sie es nicht schaffen würde, den sich selbst gegebenen Schwur, nicht zu schreien, einzuhalten. Grob wurde ihr Kinn von einer rauen Klaue empor gerissen und sie war gezwungen den hasserfüllten Blick des Inquisitors zu kreuzen, der sie hart und mitleidlos ohrfeigte, erst die linke, dann die rechte Wange. „Wohin ist Raziel geflohen? Wer sind eure Komplizen? Wo verstecken sich die Tardukai?“ brüllte er sie an, wobei die Adern in seinem Hals dick und blau, wie geschwollen, hervor traten. Speichel, der geradewegs in sein Gesicht flog, war die einzige Antwort, die sie zu geben hatte. Das Knacken ihrer Nase, zertrümmert durch den reagierenden Faustschlag das letzte, was sie hörte, bevor gnädige Schwärze ihr zu Teil wurde.



Sie war nur eins der vielen Straßenkinder gewesen, die sich zum Ärger der Bürger in den Gassen der Stadt Kalamudus, im von ständigen Kriegen verbitterten Fürstentum Malthust, herumtrieb. Eine Kindheit, wie sie üblich war, für jene arme Wesen, deren Mütter es versäumt hatten den ungewollt aufgegangenen Samen rechtzeitig abzustoßen. Solche Säuglinge wurden meist absichtlich ungesehen bei Nacht und Nebel vor dem Tempel des Ordens der Vitama abgelegt und fanden hier eine Heimstatt, bis sie alt genug waren. Das „alt genug“ äußerte sich normalerweise mit Erreichen des fünften Lebensjahres. Die Abschiebung geschah nicht aus Böswilligkeit der Ordensschwestern, sondern aus Kapazitätsgründen; dem Zwang wieder freie Betten und Verpflegung in diesem kriegsgebeutelten Land zur Verfügung zu haben, um anderen ausgesetzten Säuglingen und Kleinkindern des Leben zu ermöglichen.
Nur wenigen war es vergönnt weiter im Schutz des Ordens aufzuwachsen und das auch nur, wenn sich schon in frühen Jahren gewisse besondere Talente offenbarten. Für die Magie zum Beispiel oder das ungewöhnlich schnelle Erlernen des Lesen und Schreibens.

Ehriltan hatte für nichts eine besondere Begabung gezeigt und so schlossen sich die schweren Türen des Ordens hinter ihr, wie schon bei so vielen zuvor. Wer sich nicht schnell genug den veränderten Umständen anpasste und die Gesetze der Straße kapierte, der krepierte und die, von den Vitamageweihten erhaltende Lebensermöglichung, war nur ein Hinauszögern des ohnehin vorbestimmten Todes gewesen.
Ehriltan hatte es geschafft und sich Tag für Tag aufs Neue durchgeschlagen. Jahre voller Entbehrung, in denen der Kampf ums Überleben keine Zeit lies, sich Fragen über die Götter oder die Mächtigen der Welt zu stellen. Was zählte waren nicht die Kriege in Vandrien, im fernen Norland oder im südlichen Endophal, sondern der eigene Krieg. Über den Tellerrand hinausschauen war etwas für Leute, die den Teller voll genug hatten.




Ein Schwall eisig kaltes Wasser, das sich auf ihrer Haut wie Säure anfühlte, brachte sie jäh zu Bewusstsein. Sie lag auf einer Art Tisch, die Arme und Beine mit eisernen Ketten fixiert. Man hatte sie in einen anderen, fensterlosen Raum gebracht. An der steinernen Decke war als einsame Lichtquelle eine Laterne angebracht, um die die Motten, mit flatterndem Flügel schlagen, kreisten und die stark nach Pferdetalg duftete. Der Geruch von Schweiß und geronnenem Blut lag wie ein alles erdrückender Nebelschleier im Raum.
Ein Schatten warf sich über ihr Gesicht und drängelte sich ins Zentrum ihres Blickfeldes. Sie musste mehrmals blinzeln um das bekannte Antlitz des Inquisitors zu erkennen. „Sie wird nicht reden. Das hier ist verschwendete Zeit.“ Hörte sie eine sonore Stimme aus dem abgedunkelten Teil des Zimmers sagen. „Unter der Folter haben sie früher oder später alle gestanden!“ entgegnete der Inquisitor mit einem unbarmherzigen Lächeln und fügte genauso süffisant, wie auch voller höhnischer Verachtung hinzu „auch die Treusten der Treuen.“ Er zog seinen Kopf zurück und machte einen geringschätzigen Handwink, woraufhin die in den Ohren kreischende Räder, geführt von kräftigen Händen, sich in Bewegung setzten.
Ihr Körper wurde gestreckt und dann angehoben. Eine Woge von Schmerzen, ausgehend von den Enden ihrer Gliedmassen und bis in ihr Innerstes hinein rollend, erfüllte sie. Der Inquisitor beugte sich über sie, seine buschigen Augenbrauen waren so verkniffen, dass es wirkte, als wären sie zu einer einzelnen verschmolzen. „Wohin ist Raziel geflohen? Wer sind eure Komplizen? Wo verstecken sich die Tardukai?“ leierte er den bekannten Fragenkatalog herunter und während er auf Antwort wartete, wurden ihre Bänder in einer Art und Weise gedehnt, dass sie glaubte, sie würden in ihr zerfetzen.
Das, was als Gebet an den Herrn begann, was ihr helfen sollte die Marter zu überstehen ohne dem Drängen alles zu erzählen nachzugeben um die grausame Folter zu beenden, endete in einem wahnsinnigen Gurgeln, als die Knochen unter der Einwirkung der Streckbank sich schmatzend aus den Gelenken lösten. Die Farben und Formen verschwammen vor ihren Augen zu einem undurchdringbaren Gewirr, das sie in sich hinein sog, an einen Ort, der resistent gegen allen Pein der Welt war.




Siebenwind, das Schlaraffenland für Arme. Hier schien es alles im Überfluss zu geben und das erste mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl etwas aus sich machen zu können, mehr zu erfahren über die Welt, in die sie hinein gestoßen worden war und es gab einen Mann, der es ihr nur zu gern erklärte. Thorwin Eiswolf.
Es musste an der, von einem Fausthieb getroffenen, geschwollenen Nase gelegen haben, die Thorwins Aufmerksamkeit auf sie lenkte und ihn dazu verleitete einer Frau, die er nicht kannte, eine rote Rose in den Schoß zu legen. Nach einem anfänglichen Chaos der Gefühle fanden sie zueinander, nur um sich beinahe wieder zu verlieren, als er ihr gestand, was er war. Ein Diener Angamons, Tardukai, Satai, der höchste Vertreter der Bruderschaft auf der Insel.
Sie floh vor ihm, vor ihren Gefühlen und dem, was sie von allen Seiten als „das Böse“ eingetrichtert bekommen hatte. Ihr Glaube an die Vier war nie sonderlich gefestigt gewesen, es war der Glaube, mit dem man am einfachsten durchs Leben schreiten konnte und der am wenigsten Ärger brachte, und dennoch war sie von diesem Glauben so doktriniert, dass sie sich vor Thorwin fürchtete und ihn beinahe an die Ritter verraten hätte.
Der Regen prasselte an jenem Tage unnachgiebig auf ihr Haupt, vermischte sich mit den Tränen auf ihren Wangen, während sie auf Sir Athos wartend im Burghof des Schieferhorsts stand. Konnte ein Mann, der sie zweifellos mehr liebte, als sein eigenes Leben sie anlügen, wenn er von der Herrlichkeit des Einen sprach, von den Verleumdungen, die die Vier und ihre Diener verbreiteten?
Sie fuhr herum, rannte regelrecht aus der Burg, zurück zu Thorwin um ihn anzuhören, seine Lehren in sich aufzunehmen und festzustellen, dass er Recht hatte. Er erklärte ihr die Zusammenhänge, beantwortete ihre Fragen, unterrichtete sie im Glauben an ihn, brachte ihr bei, was Ehre bedeutete. Sie sog es in sich auf und wandte sich schließlich Angamon zu. Mit jedem Tag, der verstrich zog neues Erkennen auf, die Geliebte wurde zur Schülerin und ihr Glaube an den Einen wurde unverrückbar. Die Treue zu Fürst Raziel absolut.

Die Blicke der Bruderschaft und des Fürsten ruhten auf ihr, als sie um den steinernen Tisch herum schritt, die schwere Axt erhoben, salzige Tränen in den Augen stehend, die den Blick unklar machten, als würde sie durch schmutzverschmiertes Glas sehen. Sie sollte beweisen, wie tief ihre Treue zum Fürsten war und das ging nur durch das Opfer, das am schwersten zu erbringen war. Den Tod Thorwins, durch ihre Hand. Ihre Liebe durfte nur einer Person gelten, unerbittlich. Sie nahm die Axt in Anschlag, bemerkte das leichte Zittern Thorwins, der sich den Worten des Fürsten ebenso fügte, wie sie. Die Schneide durchtrennte zischend die Luft, Thorwins Hals entgegen. Sie sah seinen Kopf fallen, sah den brechenden Blick seiner vor Kummer geröteten Augen, ehe der Fürst ihr Einhalt gebot und die Worte sprach, die Thorwin das Leben bewahrten und ihr ihre Treue. Sie sank vor Erleichterung in die Knie und erhob sich wieder als Morotai.

Rohehafen. 15. Carmar 13 nach Hilgorad.
Brennende Geschoße flogen über die steinernen Mauern hinweg und landeten zerschmetternd in der eingenommenen Stadt. Ihr Pferd scharrte unruhig, wohl wissend, was bevor stand mit den Hufen. Ein letztes Mal überprüfte sie den Sitz der Rüstung und die Befestigung des Schildes, ehe sie surrend das aus bestem vandrischen Stahl bestehende Schwert blank zog. Varg nickte ihr zu und gab das Zeichen zum Öffnen des Westtores, wo sie von der übermächtigen feindlichen Armee, bestehend aus Rittern, Geweihten, Menschen, Nortraven, Elfen, Zwergen und sogar Myten begrüßt wurden. Bolzen zischten an ihr vorbei und ein sterbendes Röcheln verkündete ihr, dass sie ihre Ernte hinter ihr erhielten. Die schwere Kavallerie der Tardukai walzte die erste Verteidigungslinie mühelos nieder. Knochen wurden unter den wuchtigen Hufen zermalmt als wären sie nur dünne Äste, die der leiseste Windhauch umknicken konnte. Der Ausfall der Tardukai kam im Innersten der feindlichen Reihen ins Stocken und der Weg in die Freiheit musste frei gehackt werden. Ihr gelang der Durchbruch in die Wälder, während ihr Schwert unermüdlich auf die Belagerer nieder ging.
Ein schrilles Aufwiehern des Hengstes, als der Hammer eines Zwergen ein Knie des Tieres zertrümmerte und sie unsanft Bekanntschaft mit dem Waldboden schloss. Im Nu waren ein Dutzend Dwarschim über ihr, machten sich über sie her, wie eine ausgehungerte Scharr Wölfe über ein lahmendes Reh. Ihr Arm brach mit einem ungesunden Knacken, als ihr Schild die schweren, auf sie nieder geschmetterten Waffen, abblockte.
Es wäre ihr sicheres Ende gewesen, wenn nicht er da gewesen wäre. Sha’Nhaz’Ghul, der mächtigste Dämon, dem sie je begegnet war, wenn nicht gar überhaupt der Mächtigste. Ihm war es zu verdanken, dass sie sich sicher hinter den Mauern Rohehafens wieder fand und das die Stadt einige weitere Tage für die Gegenseite uneinnehmbar blieb.




Sie nahm einen undurchdringlichen Brei von Stimmen wahr. Worte, die sie erst verstand, als ihre Sinne zurückkehrten. Und mit den Sinnen meldeten sich auch die Qualen ihrer gebrochenen Glieder wieder. Sie unterdrückte ein unwürdiges Wimmern mit einem Keuchen und lenkte damit die Aufmerksamkeit ihrer Foltermeister auf sich. „Sieh an, haben wir dich wieder, kleine Ketzerin. Wir haben uns schon gefragt, wie lange die Prinzessin noch zu ruhen gedenkt und uns diverse Mittel ersonnen sie aus ihren hübschen Träumen zu reißen.“ Ehriltan konnte das Lächeln nicht sehen, das auf den Zügen des Geweihten lag, war sich aber des Vorhandenseins durchaus bewusst. Sie lag noch immer angekettet auf der Streckbank, zur Bewegungslosigkeit verdammt. Angesichts ihres lädierten Körpers blieb ihr auch ohne Ketten keine andere Wahl. Der Inquisitor neben ihr begann auf und ab zu gehen, die Arme auf dem Rücken verschränkt, während er laut sinnierte. „Weißt du, wie es ist am lebendigen Leib zu verbrennen? Ich habe schon zahlreiche Hexen den Flammen übergeben, sie haben sich die Kehle aus dem Leib geschrieen, haben gejammert, geheult und doch nichts hat ihnen genutzt. Die reinigenden Lohen verrichten stets ihre Arbeit zu unserer vollsten Zufriedenheit. Es ist schade, dass man einen Menschen nur einmal verbrennen kann, obwohl sie es dutzendfach verdient haben in ihrer Frevelhaftigkeit und Verleumdung an die Vier.“ Er pausierte, als hätten seine Worte einen besonders genüsslichen Geschmack, der voll ausgekostet werden musste. „Auch du wirst brennen, mein Täubchen, aber da du etwas Besonderes bist, will ich dir die Wahl zwischen einem schnellen und einem äußerst langsamen Tod lassen. Du musst mir nur meine Fragen beantworten: Wohin ist Raziel geflohen? Wer sind eure Komplizen? Wo verstecken sich die Tardukai?“ Eisernes Schweigen. „Nun gut,“ der Inquisitor öffnete eine Ampulle aus der der beißende Geruch von hochprozentigem Alkohol entströmte und träufelte es ihr auf den rechten, vom Körper abgespreizten Arms „so hast du dich also entschieden langsam zu brennen.“ Er ließ sich eine Fackel reichen und setzte ohne weitere Umschweife ihren Unterarm in Brand. Flammen zischten gierig empor, fanden reichhaltige Beute in ihrer Haut und ihrem Fleisch und versenkten dampfend die feinen aufgerichteten Härchen. Es waren Schmerzen, die sie erdulden konnte, aber nicht der Gestank, der damit einherging. Es war der herbe Duft ihres eigenen brennenden Leibes, der ihr die Sinne raubte.


Der Abend dämmerte bereits und das herrschende graue Zwielicht fraß alle Farben. Bleiern und Unheil verkündend schwer hingen die Wolken so tief über den Köpfen der letzten noch lebenden Anhänger des Einen, dass es den Eindruck erweckte, als müsste man sich nur in seinem Sattel strecken müssen um sie berühren zu können.
Die Schlacht nahe der Stadt Pas in Vandrien gegen die königlichen Truppen, geführt vom Prinzen und Großinquisitors Serass, hatte ihren blutigen Tribut unter den Tardukai und deren Schüler gefordert. Aber der Fürst lebte noch und das allein war die Aufgabe, für die sich jeder Streiter bedienungslos opferte.
Ihre, vom Nieselregen, klamm gewordenen Finger umschlossen zittrig und kraftlos das Schwert. Seit dem Morgengrauen tobte das Morden der vorerst letzten entscheidenden Schlacht um Vandrien. Sie waren von Anfang an zu wenige gewesen um gegen die Übermacht des Prinzen bestehen zu können, aber sie hatten einen entscheidenden Vorteil auf ihrer Seite: Magie. Auch wenn von dem Kader Schwarzmagier nicht mehr all zuviel übrig geblieben war.
Der Fürst hatte die letzten Überlebenden auf einem Hügel um sich gescharrt, eingekesselt von Feinden, die von allen Seiten vorrückten um ihr vernichtendes Werk zu beenden. Er befahl die Keilformation, dessen Spitze er übernehmen würde und deren Inneres die letzten verbleibenden Magier beherbergen sollte. Die Worte, das sie den Durchbruch zu den Klauenbergen schaffen mussten oder sterben würden, blieben unausgesprochen.
Sie nahm die Bildung der Formation in ihrer Erschöpfung als unendlich lang wahr, obwohl dies alles nur in wenigen Sekunden passierte. Zahlreiche, himmelverdunkelnde Pfeilsalven gingen auf den Trupp nieder, prallten aber größtenteils an den Rüstungen und Schilden ab. Eine Geste des Fürsten und die Pferde setzten sich wie eine einzige Einheit gleichzeitig in Bewegung. Der aufgewühlte Boden vibrierte unter den donnernden Hufen. Eine Woge schwarzer Magie rollte voraus auf die feindlichen Linien zu und verschlang die ersten Reihen auf die sie traf, bis auf die Knochen, die dann zu Staub zerfielen. Die Illusionen von Dämonen tauchten mitten unter den Gegnern auf und bewirkten, dass sie auseinanderspritzen und so ungewollt die Schneise des vom Fürsten geplanten Durchbruchs frei gaben. Mit vollem Galopp und nach links und rechts niedergehenden Klingen preschten die Tardukai in ihren Feind, die den Zauber mittlerweile durchschaut hatten und die Lücken füllten, wie Wasser, nachdem man einen Staudamm geöffnet hatte.
Ein harter Aufprall riss sie von ihrem Wallach und sie fiel den königlichen Recken in die Finger. Hände griffen nach ihr, entwaffneten und fesselten sie, drückten ihren Kopf grob in den blutgetränkten Matsch um ihr Lachen zu unterbinden. Ein Lachen, das der Hysterie nahe war. Sie konnte nicht anders, denn auch wenn sie nun des Todes war, der Fürst hatte den Durchbruch geschafft. Alles was zählte.




Sie kam in jener Zelle wieder zu Bewusstsein, in der sie selbiges verloren hatte. Der Geruch von ihrem verbrannten Fleisch hing abgestanden in der Luft. Man hatte ihren brennenden Arm mit den Viern geweihtem Wasser gelöscht, was aber nichts an der völligen Entstellung änderte und diese eher noch begünstigte. Jede ihrer Bewegungen war eine nicht enden wollende Qual, die ihr die Luft aus den Lungen presste und genau in dem Moment als sie dachte allein im Raum zu sein ertönte die von ihr so verhasste Stimme aus der Dunkelheit „Das, meine Liebe, war erst der Anfang. Ich habe dir langsames Verbrennen zugesichert und ich bin ein Mann, der seine Versprechen hält.“
Eine heftige Erschütterung lies das Gewölbe erbeben, lautes alarmiertes Rufen drang durch die Gänge und verklangen sofort wieder. Der Inquisitor trat mit gefurchter Stirn aus dem Schatten, schien den Lärm aber als nicht weiter beunruhigend einzustufen und entzündete mit aller Ruhe erneut die Fackel. „Wo setze ich mein Werk nun fort?“ überlegte er laut. Sie spürte die Wärme der Flammen unangenehm nah an ihrem Gesicht. Wachs troff auf die unbedeckte Haut und lies sie erschauern. „Ah, so lernt sie doch noch Respekt vor den heiligen Flammen.“ Er öffnete die mit dem Alkohol gefüllte Flasche und leerte den Inhalt über ihren gesamten rechten Arm. „Man sagt, man gewöhne sich schnell an den Gestank.“ Er hob die Fackel an den Arm, welcher sofort in grellen, gierigen Flammen bis zu ihrer Schulter empor leckten. Sie schrie ihre Schmerzen hinaus in die Welt, ächzte, röchelte, flehte und doch nahm ihr nichts die Last des lebenden Verbrennens.
„Wohin ist Raziel geflohen? Wer sind eure Komplizen? Wo verstecken sich die Tardukai?“ hörte sie den Inquisitor mehr aus Spaß an der Sache heraus fragen, denn aus wirklicher Hoffnung eine Antwort zu erhalten, aber eben jene erfolgte zur Überraschung beider. „Die Tardukai sind genau hinter dir. Sie kommen um dich zu vernichten. Mena rech ekh Bennain - tora dolmon ekh got deskos Tardukai!“ Das aufblitzende Schwert war nur ein herab zuckender Schemen, drang in die Schulter des Inquisitors ein und stoppte erst nach Erreichen der dritten Rippe. Ehriltans heiseres Lachen klang laut, kehlig und mit dem noch in Flammen stehenden Arm seltsam deplatziert. Ein Lachen, das Wahnsinn, Schmerz, Freude und Hass ausdrückte. Das letzte, was sie mitbekam ehe willkommen heißende Schwärze sie umfing, war das Wasser, mit dem die Flammen, die ihren Arm umzüngelten gelöscht wurden.



Unbeholfen und schwerfällig pflügte das Schiff durch das kabbelige Meer. Bindfadenartiger Regen goss auf das Boot nieder und lies die Oberfläche des Wassers pockennarbig aussehen. Eine hügelige Landschaft aus meterhohen Wellen, die es zu bewältigen galt. Sturmgepeitschte See wohin sie blickte und doch verspürte sie keine Angst. Der Herr war mit ihr und hieß ihre Reise auf jenes Eiland willkommen, auf dem sie die Erleuchtung gefunden hatte. Sie brauchte wieder Anschluss an die ihren, den sie verloren hatte, vor mehreren Monden nach ihrer Befreiung.
Sie konnte sich nicht mehr genau daran erinnern wie viele Monate seit der Schlacht vergangen waren, waren doch die Tage von oftmaligem Bewusstseinsverlust und quälenden Behandlungen gekennzeichnet, so dass das Verstreichen der Zeit das Unnötigste war, was es zu beachten galt. Die Tardukai, die sie gerettet hatten, hatten ihren gebrochenen Körper nach Weteka gebracht, an einen sicheren Ort, an dem sie sich auskurieren sollte, während sie selber dem Ruf des Fürsten folgten, an Orte, an die eine Zerbrochene nicht folgen konnte. Sie musste zurückgelassen werden, bei Verbündeten des Glaubens, die ihr so fremd und unvertraut waren.
Magier der allermöglichsten Sorte hatten sich ihres beschädigten Leibes angenommen und die Grauen der Folter waren nur noch eine Narbe, die auf ihrer Seele lastete. Mit Ausnahme des verbrannten Armes. Niemand hatte es geschafft jenen wiederherzustellen. Ein irreparabel entstellter Anhang an ihrer Schulter, gefühllos und taub, der nicht mehr zu mehr taugte, als den Schild daran zu befestigen. Nicht selten überfielen sie die Schmerzen in ihren Gliedmaßen von neuem. Schmerz, wo keiner hätte sein sollen, wo jegliches Gefühl hinaus gebrannten worden war. Er griff von ihrem Arm aus auf den ganzen Körper über, plötzlich und unerwartet und lies sie sich krümmen vor Qualen.
Sie hatte, so bald sie wieder schwindelfrei stehen konnte, angefangen mit der Linken das Schwert zu führen, doch war sie noch weit von der einstigen Perfektion entfernt. Es würde viel Zeit und Schweiß beanspruchen ihre Kampffertigkeiten auf den alten Stand zu bringen, aber sie würde es schaffen. Sie musste es schaffen.

Bald würde sie Siebenwind erreichen. Ihren Kampf gegen die Verleumdungen von neuem beginnen und wenn nötig ihr Leben dabei lassen.


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