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[Die Geschichte ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind allerdings beabsichtigt. Flames bitte per PN. Danke.]
Mit gelangweilter Miene sass er wieder an seinem Schreibtisch im Gebäude des Siebenwindboten, der Kopf ruhte auf der linken Hand, in der rechten wiederum ein Gänsekiel, an dem die schwarze Tinte schon längst angetrocknet war. Das Papier vor ihm wiederum enthielt lediglich in der rechten oberen Ecke das penibel und sauber niedergeschriebene Datum, links davon, etwas grösser geschrieben, eine Überschrift: "Schwarze Reiter"
Das wars.
Mehr kam einfach nicht zu Papier, auch wenn um ihn herum genügend Notizen lagen, um einen mindestens einseitigen (natürlich von der königlichen Normierungsbehörde normiertes Papier - anderthalb mal ein Spann gross) Bericht verfassen zu können, doch wieder mal hatte ihn das befallen, wovor sich jeder Schreiber mehr fürchtete als der Handwerker sich vor dem Zehnt an die Zunft - die Schreibblockade.
So starrte er nun schon seit gut einen halben Hellzyklus durch das Fenster, neben dem sein Schreibtisch stand, auf den Marktplatz, beobachtete mit vor Langeweile schweren Lidern das Treiben.
Nicht, dass es interessant wäre - wie üblich bauten irgendwelche Handwerker und Händler ihre Stände auf, legten die Waren aus, irgendwer kam an, schaute, zeigte auf was und plapperte dann wohl auf den Verkäufer ein, Geld bzw. Waren wechselten ihren Besitzer, dann war der Käufer auch schon wieder weg und so ging es an fast jeden Stand vonstatten.
Auf den Bänken sassen die altbekannten Personen - da die eine schwarzhaarige Elfe mit den schönen blauen Augen (er hatte vor ein paar Wochen anstatt eines Berichtes für Sir Steiner es vorgezogen, eine Ode an die unbekannte Elfe zu schreiben, doch letzten Endes landete dieses wahre Meisterwerk wieder nur in seiner gut verschlossenen Schublade, wo noch weitere Gedichte ihrer peinlichen Entdeckung durch andere harrten), dann die Rothaarige mit der breiten Kehrseite (die stets seinen Blick an sich zog), neben ihr wie immer dieser dürre Mann mit dunkelroten Haaren sass, und an einem Stand gelehnt ein kleiner Mann mit gelblicher Haut und einem seltsamen, organisch aussehenden, rundlich gebogenen Schild auf dem Rücken.
Auf dem Pranger stand eine Frau, ein rotes Kleid und einen riesigen Strohhut auf dem Kopf und rief wohl irgendwas aus, ehe sie wie von der Waldspinne gestochen wieder wegflitzte. Ein Mann mit braunen Haaren eilte über den Platz, trug die Uniform eines Knappen und der Schreiber konnte sich noch gut daran erinnern, das jener auch einst zu den Marktstandanlehnern gehört hatte.
Eine Frau in recht einfacher Kleidung ging eher zaghaft über den Platz, schaute sich immer wieder neugierig um und bestaunte die Auslagen der Händler - eindeutig eine Neue. Irgendwie bewunderte er solche Leute - für diese hielt der Marktplatz von Brandenstein noch wahre Spannung parat... bis auch diese nur wenige Wochen später sich an einen der Stände anlehnen und bedeutungsschwanger die Arme verschränken würde (wenn sie sich an der überteuerten Kleidung der hiesigen Schneider arm gekauft hatte), auf einer Bank mit einem Mann niederlassen würde (wenn jener sich bei den Schneidern für die Liebste arm gekauft hat, so dass es für einen Wein in der Taverne kaum noch reicht) oder sich hinter einen Stand stellen und dort auf jene seltene Spezies der Käufer warten würde, die mehr als nur ein simples "Ich will... kaufen. Wieviel kostet das?" hervorbringen können (nicht zu vergessen übrigens die Floskel "Ich hole mal eben das Geld von der Bank").
Es war alles so schrecklich vorhersehbar geworden!
Sein Blick glitt hinab zu dem Papier. Fiese, böse Verbrecher - gerissene Diebe, dumme, aber verdammt schöne Opfer, miese Geiselnehmer, wildgewordene Wahnsinnige...
Ein spitzer Schrei riss ihn aus seinen Gedanken heraus und liess ihn gar seinen Kopf von seiner Hand anheben, als er wieder hinaus aus dem Fenster sah.
Draussen sah er, wie sich ein paar der Bankbesetzer erhoben, angespannt zu der Mitte des Platzes sahen, hinüber zur Statue von seiner Majestät König Hilgorad.
Auch er erhob sie sich eilig, trat näher heran ans Fenster und öffnete es einen Spalt - dort, an der Statue, stand ein Mann, gekleidet in dem fiesesten Schwarz, was die Insel zu bieten hatte, einen geflammten Dolch mit geschwärzter Klinge hielt er an die Kehle seines Opfers, die junge Frau, die gerade eben noch mit so auffällig wachem Blick über den Platz geschlendert war und nun bleich und vor Schreck erstarrt von einem seiner Arme gehalten wurde.
Was hatte dieser Unhold vor?
Oder war es doch nicht so dramatisch wie es aussah?
Ein Blick zu den Händlern, die weiterhin ungerührt mit einem Lächeln verkauften, deren ebenso stetig lächelnden Käufern, liess ihn das jedenfalls für einen Moment glauben...
"Eine falsche Bewegung und das Weib ist tot!" rief der in einer wallenden, pechschwarzen Robe und mit einer ebenso schwarzen Kapuze angetane Mann über den Platz, die Stimme natürlich tief und rauh, wie es sich für echte Unholde gehört.
Tatsächlich hielt auch ein jeder inne, auch wenn nun, wie von Zauberhand!, aus den Seitengassen diverse, gut gerüstete Personen angerannt kamen. Der Instinkt für Gefahr war bei manchen Leuten hier doch geradezu gespenstig gut ausgebildet...
Doch was konnten diese schon anrichten? Würden sie sich nähern, wäre das arme Mädel tot.
"Gebt mir zweitausend Dukaten und nen Gaul!"
Ahja, das hatte gefehlt, wobei es faszinierend war - die meisten Verbrecher, so seinen durch andere berichteten Erfahrungen nach, gierten eher nach Kleidung, die auf dem Festland wohl mit besonderen Farbmischungen versehen wurden oder nach Rüstungen, die ihnen eigentlich gar nicht passen würden, seien es die viel zu kleinen Rüstungen der Zwerge aus wertvollem Fehtril, stinkende Orkhelme oder gar die auf einen Ritter speziell angepasste Rüstung.
Nein, hier hatte man es offenbar mal mit einem wohl einigermassen intelligenten Bösewicht zu tun!
Der Markt schien den Atem anzuhalten... gut, bis auf die eine Schneiderin, die immer noch angeregt und stetig lächelnd und ihre Vorzüge (die hier auf der Insel üblichen langen Beine samt über ihrem Oberteil zur Hälfte schon rauswallendem Busen, schillernden Augen, wie sie sonst nur Elfen haben, glänzenden und gelockten Haaren und natürlich angetan mit einem betörendem Duft) vorzeigend, ihre Waren an den (selig ihre Vorzüge begutachtenden) Mann brachte (wenigstens der Abend der zwei war gerettet).
Aber weder, dass sich jemand anschickte ein Pferd samt Geld zu holen, noch dass jemand sich bemühte die Situation irgendwie zu entschärfen.
Nein, ein jeder schaute nur zu, wohl froh ob dieser Abwechslung und darauf bedacht, diese nicht mit einer Heldentat ihrem Ende zuzuführen.
'Deine Chance!' schoss es ihm durch den Kopf.
Ja, warum eigentlich nicht...
Eilig verzog er sich in das Hinterzimmer des Boten, öffnete seinen Kleiderschrank und griff zu einem Kleidersack und öffnete ihn...
Wenig später hüpfte eine in schillerndem Rot gewandete Person aus einem der Fenster an der Seite des Boten und leise huschte jene Gestalt an den Häusern entlang, hinüber zu dem Markt.
Noch immer starrten die Leute auf den miesen Bösewicht und sein wimmerndes Opfer, dem er weiterhin seinen Dolch an die Kehle hielt. Zwar waren auch ein paar Banneristen angerückt (unter anderem diese braunhaarige Elfe, der er ebenso eines seiner Gedichte gewidmet hatte, was er aber dann mit vor Scham knallroten Wangen besonders rasch in seine Schublade hat wandern lassen), aber auch jene konnten nicht viel tun, ausser irgendwie das Geld aufzutreiben. Irgendwer rief nach Siegfried von Steiner, aber warum ihm diese Heldentat überlassen, dachte der Rotgekleidete sich, griff zu seinem Rapier mit dem goldverziertem Griffkorb und holte schon mal tief Luft, um sich dann im rechtem Moment auf den Platz in Pose werfen zu können.
Mit einem gewagten Sprung sprang er vor die Füsse der Statue, zog seinen Rapier und hielt ihn in die Luft, drückte den Rücken leicht durch, zog den Bauch ein (sehr wichtig!) und drückte die Brust raus, hob das spärlich behaarte Kinn an, stemmte die linke behandschuhte Faust in seine Hüfte und liess seinen Umhang vom aufkommenden Wind dramatisch wehen - welch ein Bilderbuchauftritt! Die Sonne, so hatte er das Gefühl, schien auf ihn herab, liess das Leder der Rothirschrüstung matt schimmern und alle Augenpaare waren auf ihn, der natürlich eine rote Augenmaske aus Stoff trug, damit ihn ja niemand erkannte, gerichtet!
"Unhold!" hob er an zu sprechen, die Stimme im besten Heldentenor gehalten und laut genug, damit es ein jeder auf dem Platz hören möge, "gebt die Maid frei oder es mag euch schlecht ergehen!"
Auch der böse Fiesling hatte inne gehalten, als der Rote Rächer auf den Platz gesprungen war und so kam er, natürlich!, nicht dazu, der holden Maid den Dolch in die Kehle zu versenken. Ein bisschen Dummheit gehört zu dem Schuftsein eben dazu.
Und tatsächlich - der schwarzgekleidete Bösewicht stiess die junge Frau von sich (direkt in die Arme des braunhaarigen Ex-Marktstandanlehner) und warf den Dolch zur Seite weg, zog nun seinerseits ebenso ein Rapier (auch hier natürlich die Klinge geschwärzt) und sprang von dem Sockel der Statue hinab und in die Richtung des Roten Rächers.
Doch bevor der Schuft zustechen konnte, hatte der Rote Rächer ihn ausgesprochen elegant abgewehrt und ein Kampf entbrannte, eleganter und aufregender wie es ihn wohl auf Siebenwind noch nie gegeben hatte!
Immer wieder klirrten die Klingen aufeinander, sie sprangen auf gefüllte Marktstände und kämpften dort weiter, wirbelten über den Platz umher, umrundeten tänzelnd und kämpfend den Pranger und ein rascher Schlagabtausch folgte. Der Bösewicht grinste den Roten Rächer siegesgewiss an, als dieser immer weiter zurückwich in Richtung Taverne, ehe er mit dem Rücken an einen der Bäume stiess. Die dunkle Klinge wurde ausgeholt, bereit zum tödlichen Stich ins Herz... dann jedoch drehte sich der Rote Rächer noch im allerletzten Moment flink zur Seite weg und die Stichwaffe kam im Stamm zum Halten.
Er wiederum holte aus, hielt aber noch kurz vor dem Hals des Schwarzgewandeten inne und warf sich erneut in Pose.
"Erwarte nicht, oh Unhold, dass ich dir die Gnade eines raschen Todes gewähre! Man wird euch der euch gebührenden Gerechtigkeit zuführen."
Mit den Worten wandte er sich herum und blickte direkt in die Augen der braunhaarigen Elfe, die ihm lieblich zulächelte.
Achja, er war schon so ein Held...
... dachte er und wandte sich wieder leise seufzend um zu seinem Schreibtisch, wo noch immer das fast leere Blatt lag, drumherum diverse Zettel mit Notizen. Wandte sich ab vom Fenster, was den Blick freigab auf den Marktplatz von Brandenstein, wo man entspannt seinen Geschäften nachging, lächelte, kaufte, verkaufte... tagein, tagaus.
_________________ Q: I've always tried to teach you two things. First, never let them see you bleed. James Bond: And the second? Q: Always have an escape plan.
Zuletzt geändert von Kikia: 26.05.05, 21:02, insgesamt 1-mal geändert.
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