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 Betreff des Beitrags: Aus dem Leben eines Schreibers
BeitragVerfasst: 26.05.05, 18:40 
Edelbürger
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[Die Geschichte ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind allerdings beabsichtigt. Flames bitte per PN. Danke.]



Mit gelangweilter Miene sass er wieder an seinem Schreibtisch im Gebäude des Siebenwindboten, der Kopf ruhte auf der linken Hand, in der rechten wiederum ein Gänsekiel, an dem die schwarze Tinte schon längst angetrocknet war. Das Papier vor ihm wiederum enthielt lediglich in der rechten oberen Ecke das penibel und sauber niedergeschriebene Datum, links davon, etwas grösser geschrieben, eine Überschrift: "Schwarze Reiter"

Das wars.
Mehr kam einfach nicht zu Papier, auch wenn um ihn herum genügend Notizen lagen, um einen mindestens einseitigen (natürlich von der königlichen Normierungsbehörde normiertes Papier - anderthalb mal ein Spann gross) Bericht verfassen zu können, doch wieder mal hatte ihn das befallen, wovor sich jeder Schreiber mehr fürchtete als der Handwerker sich vor dem Zehnt an die Zunft - die Schreibblockade.
So starrte er nun schon seit gut einen halben Hellzyklus durch das Fenster, neben dem sein Schreibtisch stand, auf den Marktplatz, beobachtete mit vor Langeweile schweren Lidern das Treiben.
Nicht, dass es interessant wäre - wie üblich bauten irgendwelche Handwerker und Händler ihre Stände auf, legten die Waren aus, irgendwer kam an, schaute, zeigte auf was und plapperte dann wohl auf den Verkäufer ein, Geld bzw. Waren wechselten ihren Besitzer, dann war der Käufer auch schon wieder weg und so ging es an fast jeden Stand vonstatten.
Auf den Bänken sassen die altbekannten Personen - da die eine schwarzhaarige Elfe mit den schönen blauen Augen (er hatte vor ein paar Wochen anstatt eines Berichtes für Sir Steiner es vorgezogen, eine Ode an die unbekannte Elfe zu schreiben, doch letzten Endes landete dieses wahre Meisterwerk wieder nur in seiner gut verschlossenen Schublade, wo noch weitere Gedichte ihrer peinlichen Entdeckung durch andere harrten), dann die Rothaarige mit der breiten Kehrseite (die stets seinen Blick an sich zog), neben ihr wie immer dieser dürre Mann mit dunkelroten Haaren sass, und an einem Stand gelehnt ein kleiner Mann mit gelblicher Haut und einem seltsamen, organisch aussehenden, rundlich gebogenen Schild auf dem Rücken.
Auf dem Pranger stand eine Frau, ein rotes Kleid und einen riesigen Strohhut auf dem Kopf und rief wohl irgendwas aus, ehe sie wie von der Waldspinne gestochen wieder wegflitzte. Ein Mann mit braunen Haaren eilte über den Platz, trug die Uniform eines Knappen und der Schreiber konnte sich noch gut daran erinnern, das jener auch einst zu den Marktstandanlehnern gehört hatte.
Eine Frau in recht einfacher Kleidung ging eher zaghaft über den Platz, schaute sich immer wieder neugierig um und bestaunte die Auslagen der Händler - eindeutig eine Neue. Irgendwie bewunderte er solche Leute - für diese hielt der Marktplatz von Brandenstein noch wahre Spannung parat... bis auch diese nur wenige Wochen später sich an einen der Stände anlehnen und bedeutungsschwanger die Arme verschränken würde (wenn sie sich an der überteuerten Kleidung der hiesigen Schneider arm gekauft hatte), auf einer Bank mit einem Mann niederlassen würde (wenn jener sich bei den Schneidern für die Liebste arm gekauft hat, so dass es für einen Wein in der Taverne kaum noch reicht) oder sich hinter einen Stand stellen und dort auf jene seltene Spezies der Käufer warten würde, die mehr als nur ein simples "Ich will... kaufen. Wieviel kostet das?" hervorbringen können (nicht zu vergessen übrigens die Floskel "Ich hole mal eben das Geld von der Bank").

Es war alles so schrecklich vorhersehbar geworden!

Sein Blick glitt hinab zu dem Papier. Fiese, böse Verbrecher - gerissene Diebe, dumme, aber verdammt schöne Opfer, miese Geiselnehmer, wildgewordene Wahnsinnige...



Ein spitzer Schrei riss ihn aus seinen Gedanken heraus und liess ihn gar seinen Kopf von seiner Hand anheben, als er wieder hinaus aus dem Fenster sah.
Draussen sah er, wie sich ein paar der Bankbesetzer erhoben, angespannt zu der Mitte des Platzes sahen, hinüber zur Statue von seiner Majestät König Hilgorad.
Auch er erhob sie sich eilig, trat näher heran ans Fenster und öffnete es einen Spalt - dort, an der Statue, stand ein Mann, gekleidet in dem fiesesten Schwarz, was die Insel zu bieten hatte, einen geflammten Dolch mit geschwärzter Klinge hielt er an die Kehle seines Opfers, die junge Frau, die gerade eben noch mit so auffällig wachem Blick über den Platz geschlendert war und nun bleich und vor Schreck erstarrt von einem seiner Arme gehalten wurde.
Was hatte dieser Unhold vor?
Oder war es doch nicht so dramatisch wie es aussah?
Ein Blick zu den Händlern, die weiterhin ungerührt mit einem Lächeln verkauften, deren ebenso stetig lächelnden Käufern, liess ihn das jedenfalls für einen Moment glauben...

"Eine falsche Bewegung und das Weib ist tot!" rief der in einer wallenden, pechschwarzen Robe und mit einer ebenso schwarzen Kapuze angetane Mann über den Platz, die Stimme natürlich tief und rauh, wie es sich für echte Unholde gehört.
Tatsächlich hielt auch ein jeder inne, auch wenn nun, wie von Zauberhand!, aus den Seitengassen diverse, gut gerüstete Personen angerannt kamen. Der Instinkt für Gefahr war bei manchen Leuten hier doch geradezu gespenstig gut ausgebildet...
Doch was konnten diese schon anrichten? Würden sie sich nähern, wäre das arme Mädel tot.

"Gebt mir zweitausend Dukaten und nen Gaul!"
Ahja, das hatte gefehlt, wobei es faszinierend war - die meisten Verbrecher, so seinen durch andere berichteten Erfahrungen nach, gierten eher nach Kleidung, die auf dem Festland wohl mit besonderen Farbmischungen versehen wurden oder nach Rüstungen, die ihnen eigentlich gar nicht passen würden, seien es die viel zu kleinen Rüstungen der Zwerge aus wertvollem Fehtril, stinkende Orkhelme oder gar die auf einen Ritter speziell angepasste Rüstung.
Nein, hier hatte man es offenbar mal mit einem wohl einigermassen intelligenten Bösewicht zu tun!

Der Markt schien den Atem anzuhalten... gut, bis auf die eine Schneiderin, die immer noch angeregt und stetig lächelnd und ihre Vorzüge (die hier auf der Insel üblichen langen Beine samt über ihrem Oberteil zur Hälfte schon rauswallendem Busen, schillernden Augen, wie sie sonst nur Elfen haben, glänzenden und gelockten Haaren und natürlich angetan mit einem betörendem Duft) vorzeigend, ihre Waren an den (selig ihre Vorzüge begutachtenden) Mann brachte (wenigstens der Abend der zwei war gerettet).
Aber weder, dass sich jemand anschickte ein Pferd samt Geld zu holen, noch dass jemand sich bemühte die Situation irgendwie zu entschärfen.
Nein, ein jeder schaute nur zu, wohl froh ob dieser Abwechslung und darauf bedacht, diese nicht mit einer Heldentat ihrem Ende zuzuführen.

'Deine Chance!' schoss es ihm durch den Kopf.
Ja, warum eigentlich nicht...
Eilig verzog er sich in das Hinterzimmer des Boten, öffnete seinen Kleiderschrank und griff zu einem Kleidersack und öffnete ihn...

Wenig später hüpfte eine in schillerndem Rot gewandete Person aus einem der Fenster an der Seite des Boten und leise huschte jene Gestalt an den Häusern entlang, hinüber zu dem Markt.
Noch immer starrten die Leute auf den miesen Bösewicht und sein wimmerndes Opfer, dem er weiterhin seinen Dolch an die Kehle hielt. Zwar waren auch ein paar Banneristen angerückt (unter anderem diese braunhaarige Elfe, der er ebenso eines seiner Gedichte gewidmet hatte, was er aber dann mit vor Scham knallroten Wangen besonders rasch in seine Schublade hat wandern lassen), aber auch jene konnten nicht viel tun, ausser irgendwie das Geld aufzutreiben. Irgendwer rief nach Siegfried von Steiner, aber warum ihm diese Heldentat überlassen, dachte der Rotgekleidete sich, griff zu seinem Rapier mit dem goldverziertem Griffkorb und holte schon mal tief Luft, um sich dann im rechtem Moment auf den Platz in Pose werfen zu können.

Mit einem gewagten Sprung sprang er vor die Füsse der Statue, zog seinen Rapier und hielt ihn in die Luft, drückte den Rücken leicht durch, zog den Bauch ein (sehr wichtig!) und drückte die Brust raus, hob das spärlich behaarte Kinn an, stemmte die linke behandschuhte Faust in seine Hüfte und liess seinen Umhang vom aufkommenden Wind dramatisch wehen - welch ein Bilderbuchauftritt! Die Sonne, so hatte er das Gefühl, schien auf ihn herab, liess das Leder der Rothirschrüstung matt schimmern und alle Augenpaare waren auf ihn, der natürlich eine rote Augenmaske aus Stoff trug, damit ihn ja niemand erkannte, gerichtet!

"Unhold!" hob er an zu sprechen, die Stimme im besten Heldentenor gehalten und laut genug, damit es ein jeder auf dem Platz hören möge, "gebt die Maid frei oder es mag euch schlecht ergehen!"

Auch der böse Fiesling hatte inne gehalten, als der Rote Rächer auf den Platz gesprungen war und so kam er, natürlich!, nicht dazu, der holden Maid den Dolch in die Kehle zu versenken. Ein bisschen Dummheit gehört zu dem Schuftsein eben dazu.
Und tatsächlich - der schwarzgekleidete Bösewicht stiess die junge Frau von sich (direkt in die Arme des braunhaarigen Ex-Marktstandanlehner) und warf den Dolch zur Seite weg, zog nun seinerseits ebenso ein Rapier (auch hier natürlich die Klinge geschwärzt) und sprang von dem Sockel der Statue hinab und in die Richtung des Roten Rächers.
Doch bevor der Schuft zustechen konnte, hatte der Rote Rächer ihn ausgesprochen elegant abgewehrt und ein Kampf entbrannte, eleganter und aufregender wie es ihn wohl auf Siebenwind noch nie gegeben hatte!

Immer wieder klirrten die Klingen aufeinander, sie sprangen auf gefüllte Marktstände und kämpften dort weiter, wirbelten über den Platz umher, umrundeten tänzelnd und kämpfend den Pranger und ein rascher Schlagabtausch folgte. Der Bösewicht grinste den Roten Rächer siegesgewiss an, als dieser immer weiter zurückwich in Richtung Taverne, ehe er mit dem Rücken an einen der Bäume stiess. Die dunkle Klinge wurde ausgeholt, bereit zum tödlichen Stich ins Herz... dann jedoch drehte sich der Rote Rächer noch im allerletzten Moment flink zur Seite weg und die Stichwaffe kam im Stamm zum Halten.
Er wiederum holte aus, hielt aber noch kurz vor dem Hals des Schwarzgewandeten inne und warf sich erneut in Pose.
"Erwarte nicht, oh Unhold, dass ich dir die Gnade eines raschen Todes gewähre! Man wird euch der euch gebührenden Gerechtigkeit zuführen."
Mit den Worten wandte er sich herum und blickte direkt in die Augen der braunhaarigen Elfe, die ihm lieblich zulächelte.

Achja, er war schon so ein Held...



... dachte er und wandte sich wieder leise seufzend um zu seinem Schreibtisch, wo noch immer das fast leere Blatt lag, drumherum diverse Zettel mit Notizen. Wandte sich ab vom Fenster, was den Blick freigab auf den Marktplatz von Brandenstein, wo man entspannt seinen Geschäften nachging, lächelte, kaufte, verkaufte... tagein, tagaus.

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Q: I've always tried to teach you two things. First, never let them see you bleed.
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Zuletzt geändert von Kikia: 26.05.05, 21:02, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 14.10.06, 15:22 
Edelbürger
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"Die Viere mit euch, hoher Herr Ecanas!"
Ein tiefes Neigen des Kopfes, den Hut gelupft, dazu ein höfliches Lächeln in Richtung des braunhaarigen Ritters.
Wie die Zeit doch verging, schoss es dem Schreiberling durch den Kopf, einst ein Knappe, nun ein respektierter Ritter - und er selber?
Leise seufzend hob er sein Haupt wieder, setzte seinen Hut auf und sah dem Ritter nach mit einer wehmütig verzogenen Miene. Er war noch immer der kleine Schreiberling, wenngleich er nun nicht mehr in Brandenstein sehnsüchtig auf den Markt schaute, sondern es vorzog in Falkensee seinen Träumen nachzugehen.

Er schlenderte weiter, vorbei an der sandsteinernen Brücke zum Viertel der Hochelfen, von wo aus der liebliche Singsang - oder besser ausgedrückt ein melodischer Mischmasch aus Galad und Auriel - an sein Ohr herandrang.
Auf dem obliagtorischen Weg zum Markt fragte er sich im Stillen, warum sie grösstenteils scheinbar unfähig waren, einfache Worte wie "Ja" oder "Nein" auf Galad zu sprechen. Ein verzweifeltes Festklammern an den eigenen Wurzeln? Wer weiss und eigentlich war es doch vollkommen egal, denn er war eh kaum noch fähig den Worten dieser Wesen zu folgen, wenn ein weibliches Exemplar ihn ansprach. Insbesondere jene, die er zumeist in lilaner Gewandung sah - seine Phantasie vollzog Salti und hinterliess ihre Spuren in Form eines entrückten Lächelns... böse Zungen hätten es auch als "debil" bezeichnet.

Der Markt wiederum bot ein Bild, wie es sich kaum von dem einst in Brandenstein unterschied, mit dem Unterschied, dass es nun neue, aber nicht minder austauschbare Gestalten waren, die sich hier an den Ständen lehnten, still und stumm dort verharrten, dann und wann sich mit ihrem Oberkörper ein wenig herumdrehten und, einem kreativen Impuls gleich, mitunter grunzend lachten.
Ein Unfreier mit entsprechendem Kragen, ein Weib in lachsfarbener Kleidung (die allerdings entgegen dem allgemeinen Trend eine der Bänke am Brunnen vorzog, wo unbeachtet von allen ein Orkkopf an der Spitze in der Mitte hing), ein paar der üblichen Gestalten in Roben oder, sehr beliebt derzeit, in diesen eigenwilligen Farben, wie sie nur auf dem Festland angemischt werden können.
Und sonst?
Kläglich seufzend schlurfte er weiter - wenn er schon mal die Schreibstube verliess, könne er ja ein Gebet an den Allsehenden im Tempel richten, ehe er wieder zurück an seinen Platz kehren würde, tagein, tagaus der spannenden Geschichten harrend.

Aber welchen?

Der Lehnsherr war gerettet, kam ihm zu Ohren. Schade... nein, nicht, dass man es falsch verstehen würde - wie ein jeder guter Untertan hatte es ihm Sorgen bereitet, denn eine Insel wie Siebenwind ohne ein tatkräftiges Oberhaupt war einem kapitänlosen Schiff gleich und bei Siebenwind konnte man dann wohl wirklich von einem "Narrenschiff" sprechen. Doch die Rettung beraubte ihm einer weiteren Variante seiner Träume von dem Dasein als "Roter Rächer".
Wie oft hatte er sich vorgestellt, er würde in seiner roten Gewandung den Orken Respekt lehren (Träume sind selten realistisch), den Schergen des Einen den wahren Glauben näherbringen und sie dazu bringen, unter Tränen der Reue den Lehnsherr unversehrt zurück zur Burg Finianswacht bringen, ehe sie den hiesigen Tempel aufsuchen würden (gut, der Schreiberling hatte wahrlich ein ernstes Problem mit der Realität).
Aber so blieben ihm nur wieder die sehnsüchtigen Träume von langbeinigen Elfinnen und vollbusigen Marktfrauen.


Fast wurde er umgeworfen von einem panisch schreienden Soldaten des Lehensbanner, der in den schmächtigen Schreiberling reingelaufen war und stotternd hielt sich dieser an dessen Kragen fest.
"H-holt Hilfe.. Rasch! Am Nordtor steht der Orkenhäuptling mit seinem Stamm!"
Bibbernd knickte der Soldat in den Knien ein und der Schreiberling wusste - nun war der Zeitpunkt für wahre Helden gekommen!
Entschlossen ein Blick in Richtung Nordtor, wo sich eine wildgrunzende, grünhäutige Menge anhäufte, ihre barbarischen, rohen Waffen schwingend und angetan mit Trophäen ihrer Opfer. Ein Anblick, der wahrlich einem jeden Galadonier das Blut in den Adern gefrieren liess! Doch er blieb standhaft und wandte sich nun rasch herum - ein ruhiger Ort musste her und was war ruhiger als das Handwerkshaus bei der 'Menge' an Handwerkern auf dieser Insel?

Ein rasches "Die Viere zum Grusse" an die beiden Personen in apfelgrüner Kleidung im Handwerkshaus, dann flitzte er auch schon in einen abgelegenen, verlassenen Raum, schloss die Tür und griff eilig an seine Kleidung, zerrte sie vom Leib und offenbarte wahre Verpackungskunst - unter der bürgerlichen Kleidung sorgsam versteckt war das Kostüm des Roten Rächers, bestehend aus einer kompletten Rothirschrüstung und aus seiner Tasche, oh Wunder!, zog er gar seinen reich verzierten und für die Tasche eigentlich viel zu langen Degen hervor. Flink die Maske angelegt, dann rauschte der wahre, einzige Rote Rächer wieder hinaus auf die Strasse, hinter sich lassend ergebenes Seufzen der Damenwelt im Handwerkshaus.

Wie das so mit den Schurken ist - selbst wenn das Nordtor frei und offen ist, die einzige Wache irgendwo nutz- und bewusstlos auf der Strasse herumliegt und eigentlich der Weg frei in die Staßen der Stadt ist - sie bleiben brav vor dem Tor stehen, erfreuen sich lang und breit am Anblick, der Häuptling grunzt ganz sorglos in Ruhe seinen Plan aus und dergleichen mehr... nicht, dass sich noch jemand beklagt, dass dieses Umziehen von Helden in kleinen Zellen, pardon Zimmer, vollkommene Zeitverschwendung wäre!

Den Degen kunstvoll schwingend trat der Rote Rächer näher zum Tor, zog tief die kühle Bellumsluft ein, warf sich in die altbekannte Heldenpose samt eingezogenen Bauch und liess seinen Heldentenor erschallen. Fela, vorher mehr hinter grauen Wolken verkrochen, kam passend hervor und beleuchtete seine Erscheinung, während die orkische Meute passenderweise von Nebel umwabert am Nordtor harrte.

"Ich bin der Schrecken, der Falkensee beschützt! Ich bin die Kälte, die euer Blut gefrieren lässt! Ich bin..." ein erneutes, tiefes Luftholen, was jedoch mehr der dramatischen Pause diente "... der ROTE RÄCHER!"
Seine Stimme donnerte zu ihnen hinüber, brandete an Tor und Mauer und eine erstaunt und ehrfürchtig dreinblickende Menschenmenge bildete sich allmählich hinter ihm.

Einen finsteren Blick setzten nun die Orken auf, unverständliches Grunzen schallte hinüber, während sie erneut die blutverschmierten Waffen drohend herumschwangen.
"Oh, Roter Rächer", hauchte angstvoll eine Frau hinter ihm, "rette uns vor der Gefahr!"
Eigentlich wäre das vollkommen unnötig gewesen, aber dieser hilflose Blick der Falkenseer Schönheit war einfach das Tüpfelchen auf dem "i", um noch einen letzten Antrieb zu bekommen und allein die Stimme war schon wie Honig in den Ohren. Natürlich nicht wörtlich gemeint.

Mit vor Stolz geschwellter Brust trat er näher heran in Richtung Tor - kein Zögern, kein Zaudern, denn alle Blicke ruhten auf ihm, dieser Moment, diese Heldentat, gehörten ihm allein!


"Fhaz fhür aihnä Himar zaihnz thu?" riss die Frage des Orken ihn aus seinen Gedanken und irgendwie klang sie nicht mehr unbedingt angriffslustig, sondern vielmehr nach einer Mischung aus Belustigung und vor allem Ungläubigkeit.

Er blinzelte, sah zu dem Orken, der so dicht vor ihm stand, dass der Gestank seine Nase schon längst nicht mehr unangenehm kitzelte, sondern sie vielmehr mit einem gezielten, olfaktorischen Faustschlag versah. Sein Blick glitt langsam hinab am Ork, über die Uniform des Banners... und er zog seine Brauen unverstehend hinab und zusammen.
"BRAH! Kähänz ähntlick auz thäm Fhäck!" knurrte ihm nun aber der Ork ungehaltener zu und eilig trat der Schreiberling erschrocken beiseite, während der orkische Soldat brummend an ihm vorbeizog.

Wie ein begossener Wallenburger Pudel stand er da, schaute dem Soldaten nach - wo waren bloss die Zeiten hin, als der Feind stets leicht erkennbar grün oder schwarz war?

Niedergeschlagen wandte er sich dem Tempel zu. Das war wahrlich keine Zeit für Helden.

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Q: I've always tried to teach you two things. First, never let them see you bleed.
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Zuletzt geändert von Kikia: 14.10.06, 15:36, insgesamt 1-mal geändert.

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