|
Auch in der folgenden, von kaltem und schneidendem Ostwind durchdrungenen Nacht steht der einsame Recke auf dem Wall. Wieder bewegt sich die mächtige, in schwere bronzene Platten gewappnete Gestalt nicht einen Deut. Einer Statue gleich steht der Mann schweigend auf der Wacht, die mächtige Klinge vor sich auf den Boden gestützt rühren sich nur seine grauen Augen in aufmerksamem Beobachten des Ödlandes, soweit der Blick reicht. Und sein Haar, lang und blond, wird vom scharfen Wind in Richtung Westen geblasen. Von genau dem selben eisigen Hauch der auch in den Mauerecken und Höhlungen sein Lied in schaurigen Tönen über Wall, Wächter und Land heult. Was ein Beobachter jedoch nicht sehen kann ist die Wahrheit! Denn in seinem Innern bewegt sich der Löwenmann über hohe Mauern, blutige Schlachtfelder und scharfe Gebirge. Glänzende, tötlich aufblitzende Klingen durchschneiden seine Gedanken und hin und wieder erklingt ein Todesschrei oder Schlachtruf in seinen Gedanken.
In den Gedanken des stillen Kämpfers spielt sich in etwa folgendes ab ...
"MÄNNER! Reißt Euch zusammen, stürmt diese verfluchten Kreaturen endlich um, vernichtet sie, tötet sie wo Ihr könnt!" - Die Männer stürmen, ein blonder Jüngling, keine 18 Vitamae mag er zählen, stürmt in der ersten Reihe vorran, die Klinge seines Schwertes ist von Scharten bedeckt, stumpf glänzt sie und überragt sein Haupt um ein gutes Stück. Heiser brüllt er Jüngling, Blut spritzt um ihn her durch die eisige Luft, Todesschreie hallen über das Schlachtfeld ... oder eher, die Schlachterei! Siegesrufe und Schlachtgebrüll erklingt aus heiseren, staub- und blutbedeckten Kehlen!
Ein Blitz fährt durch den Geist des Mannes mit den markanten, feinen Zügen und die Szenerie ändert sich plötzlich.
Gealtert, wohl an die vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Bellum alt nunmehr, kniet der Mann in einem schweren Panzer vor dem Altar des Herrn der Schlachten. Von seinem breiten Rücken wallt der Umhang der Tempelwache, auf seiner Brust prangt deren Wappen und er trägt die Zeichen eines Streiters. Eine schwere Klinge stützt er vor sich auf, die Lippen bewegen sich schweigend im Gebet.
Erneut zuckt ein Licht durch den unruhigen Geist des kräftigen Löwen, die Szenerie erneut eine andere.
Wütend brüllt der äußerlich gleiche Mann wie er nunmehr an den Zinnen wacht einen anderen an. Diejenigen welche ihn kennen werden ihn als den Mauerfürsten Cendaric Tibur erkennen. Wenig später knurrt er mit wütender Mine einen anderen Löwenstreiter an, diejenigen welchen ihn kennen mögen ihn als Velyan identifizieren. Nach einigen Augenblicken stürmt der Wächter, in Gedanken, die Treppe mit klirrendem Harnisch herab. Im Torraum lässt er seinem Zorn beinahe freien Lauf. Ein Getreuer des Ordens reicht ihm die Hand vom Pferd herab - Sarel - und eine Feindschaft endet in einem Gleichnis der Männer. Lange spricht nunmehr der, in der Wirklichkeit am Wall wachende Mann, in seinen Erinnerungen auf Sarel ein. Worte der Treue, der Bruderschaft und der Ehrhaftigkeit fallen...
Erneut wechselt die Szenerie im Geiste des abgehärteten Kriegers.
Männer in blauen Umhängen und schweren Panzern stehen in einer Art Kreis in dem Raum des Wall's der sich "Büro" nennt. Eine Frau, in rotem Kleid und ebenfalls blauem Umhang sitzt auf einem der Stühle hinter dem Tisch. Worte fallen, bedeutungsschwanger und mit ehernen Stimmen gesprochen. Der Mann, den Kundige als Sarel erkennen werden, tritt vor und kniet vor Cendaric Tibur, dem Mauerfürsten, nieder. Kraftvolle Worte der ewigen Treue werden gesprochen, Eide geschworen - der Wächter des Wall's tritt neben Sarel und kniet ebenfalls nieder, die schwere Klinge vor sich aufgestützt, das Haupt geneigt leistet er dem Mauerfürsten einen Eid ewiger Treue - bis zum Tod!
Der hochgewachsene, von Abhärtungen und Schlacht gestählte Krieger kehrt zurück aus seinen Gedanken, leise Worte kommen über seine Lippen...
"Meine Aufgabe ist gefunden, Oh Ihr Vier! Lange habe ich gesucht nach meinem Platz Euch zu dienen! Euch und der Glorie des Reiches! Nun habe ich ihn gefunden - so bitte ich um Euren Segen und Eure Stärke!"
Dann versinkt der Kämpfer erneut in seine Gedanken, der Blick schweift dabei aufmerksam über das Ödland, die Gestalt steht regungslos da, als würden Wind und die grausigen Töne des verseuchten Landes ihn nicht berühren ... Jene die diese kraftvolle Gestalt mit der Löwenmähne kennen werden ihn als Willhelm, Anwärter des Ordens des wachenden Löwen, erkennen.
|