Ich bin Werkzeug.
Ich bin der Vater einer neuen Schöpfung, einer neuen Wissenschaft, Henker einer neuen Gerechtigkeit. Ich forme Gestalten nach meinem Willen, ahme in fließenden Formen die Züge von neugeborenen Göttern, von giftspeienden Dämonenfratzen, von vergangenen Helden und alten Liebschaften nach. Ein Bildhauer erschafft sein Werk aus rohem Stein, ringt dem Härtesten aller Dinge eine Gestalt ab, ein ehrwürdiges Bildnis erschaffend, kalt, abweisend, würdevoll, in ehrhabener Stille einen ewigen Moment von Freude, Extase und Leid spiegelnd. Ich forme meine Bildnisse aus harten Knochen und blutigem Fleisch, male auf der Leinwand aus nackter Haut mit rotem warmen Blut. Ich schaffe meine Kunst aus Fleisch, Gedärmen, Blut, Knochen, ein neuer Mantel für den unsichtbaren, kleinen, ängstlichen schwachen Funken Seele, der tief verborgen irgendwo im Körper sitzt.
Viele eifern mir nach in meinem Werk, sei es der Muse willen oder der schnöden Dukate. Sie schaffen Bildnisse der Schönheit aus altem doch reichen Fleisch. Wischen mit einem Handwink Jahrzehnte aus Gesichtern, ohne die Wunden all der Jahre aus der Seele brennen zu können. Lassen die lächerlichen Wünsche alten Fleischs nach ewiger Jugend, nach ungebrochener Schönheit, nach Bewunderung und Verlangen doch unerfüllt, denn der kleine Wurm Seele windet sich im Herzen, krank und alt und müde und gebrochen durch die Jahre.
Ich bin ein Henker, der Vollstrecker von Recht, Gerechtigkeit und Rache. Strafen werden gesprochen über Verbrecher im Namen des Rechts, doch vollstreckt werden sie im Namen der Rache und Vergeltung und ich erfülle dem Gericht ihr Verlangen nach Rache über den Tod hinaus. Ein Mörder in meiner Hand stirbt nicht, wird nicht gehängt, sondern neu geboren. Sein Fleisch und das seines Opfers werden zerrissen und zerfetzt und vermengt, bis kein Knochen mehr nicht das Fleisch seines Opfers trägt, bis durch seine Adern das Blut seines Opfers pumpt und seine lästerliche Seele wimmert in ihrem neuen Gefängniss aus dem Fleisch, das er gemordet hat. Ein Kindsmörder trägt die dünnen blassen Ärmchen seiner Tochter auf ewig an seinen Schläfen, ständig streichen sie ihm spielend durchs Haar, sein Blick gebrochen und matt und der einer toten Seele. Einem Dieb, der seine Opfer stets von Hinten erschlug, setzte ich den Kopf verkehrt herum wieder auf. Schuldner werden zu Werkzeugen, ihre Arme zu Spitzhacken aus ihrem eigenen Knochen oder verwachsen mit kaltem Eisen. Oder zu Schwertern, geschmiedet für die Schlachten ihrer neuen Lehensherren, denen sie die Steuer schuldig geblieben waren.
Ich trage keine Verantwortung. Ich richte nicht und das Gericht ist in vollster Gewissheit über das Schicksal derjenigen, die sie in meine Hände geben. Manchmal hat das Gericht eigene Vorschläge, grausamer und blutrünstiger als sie mir je eingefallen wären. Das Gericht will Rache und Vergeltung, will Strafe und Folter der Schuldigen, während mir die Schuldigen genauso wie ihre
Opfer gleich und vollkommen gleich sind. Ich forme Werkzeuge, forme lebendige Gefängnisse, forme unzählige Foltern aus Fleisch, Knochen und Blut. Ich bin nicht der Künstler, nicht der Bildhauer einer steinernen Statue, sondern der Meisel, der mit dem Stein ringt, ihn sticht, ihn zerbricht. Ich bin Werkzeug, das Werkzeug formt.
Mein Herr ist nicht das Gericht, mein Herr ist auch nicht der Richter und schon garnicht die Gerechtigkeit, die nirgends zu finden ist, nicht im Fleische der Schuldigen, nicht im toten Blick der Verbrecher, nicht im lüsternen Blick des Gerichts, nicht im Verlangen nach Rache und nicht im Wunsch nach Vergebung. Mein Herr ist Cha'got'mor und ich forme ihm eine Legion aus Werkzeugen, die er nicht berührt, nicht ansieht, gleichgültig und ohne jede Regung für mein Werk und sein Werk, denn er lehrte mich die Fleischformerei. Nicht weil es mein Wunsch gewesen ist, sondern weil es sein Wunsch gewesen ist, seine Bedingung für Unsterblichkeit und das Vermögen, dem Tod zu entrinnen. Sein Wunsch ist es das Wissen über diese Kunst zu verbreiten und ich bin der Prophet seiner Kunst, der Held der Fleischformerei, ein beneidetes Vorbild für alle, die sich ohne seine Unterstützung ablagen, dem Fleisch einen fremdem Willen aufzuzwingen.
Ich bin unsterblich. Das Totenreich bleibt mir auf ewig fern und Galtor ist blind für meine arme kleine elendige Seele. Wenn ich ausblute, so erlebie ich jeden Augenblick des Sterbens, jeden Funken des Schmerz und das langsame und unaufhaltsame Entfleuchen von Atem, von Geist und Bewusstsein, von Erinnerungen und das sachte Gleiten in die stumme Dunkelheit hinter den eigenen Augen. Und dann dreht mein Herr sein eisernes Wagenrad, auf dem er meine Seele in ewiger Qual gespannt hat, zurück. Wenn man mir den Schädel einschlägt, so kriecht mein Fleisch und die Splitter von Knochen durch seinen Willen und wachsen wieder zusammen und er dreht das Rad zurück. Ich kann nicht entfliehen, nicht seinem Willen und nicht dem Blick der Verurteilten, die das Gericht zu mir sendet und in dem ich nicht allein Hass, nicht nur Furcht und nicht nur Leere lese, sondern sogar leises Mitleid, denn ihre Pein wird irgendwann ein Ende haben. Der Tod ist die letzte Pein, das letzte Aufbäumen eines geschundenen Körpers und ich werde dieses letzte Ringen immer wieder erleben, gleich wie müde ich bin, gleich wie geschunden meine Seele ist.
Ich will sterben und kann es doch nicht, gleich wie oft ich es noch versuchen will, sondern kehre immer wieder mit einem peinigendem Atemzug ins Leben wieder. Mir ist es gleich, was sich hinter dem Schleier verbirgt, der die Toten von den Lebenden trennt, ob Leere, ob ewiges Glück, ob ewige Pein. Fela wandert über Tare und mit jedem Augenblick ist das Leben noch mehr Pein, noch mehr Qual, noch mehr Folter, bis mein Herr wieder sein Rad dreht.