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 Betreff des Beitrags: Ein Brief zum "Heim des Lachens"
BeitragVerfasst: 13.03.07, 17:27 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 11.03.07, 03:17
Beiträge: 61
Ein Seufzen, ein mutiges Luftholen und eine fast blutig gekaute Unterlippe - Wieder nahm die junge Frau den Kohlestift zur Hand. Die Sonne hatte ihren Zenit längst erreicht und wartete scheinbar gebannt auf den Brief, den der Wildfang schreiben würde. Die warmen Sonnenstrahlen kitzelten aufmunternd auf der Nase der jungen Frau, ernteten jedoch lediglich einen skeptischen Blick. Ilana tat sich schwer – immerwieder legte sie den Stift beiseite und schloss gequält die Augen.

„Ich würde lieber schwimmen gehen, oder wandern, oder umherschlendern – Ich würde eher ganz Falkensee putzen und schrubben... als zu schreiben, hrm...“.

Seit Stunden saß sie am Ufer des Sees, kaute nachdenklich auf dem mittlerweile zehnten Grashalm herum und hielt den Pergamentbogen unwillig in der Hand. Schreiben war nicht ihr Talent, und der Adressat ihres Briefes machte das Vorhaben nicht einfacher.

Ein weiteres mutiges Luftholen. Entschlossen ergriff sie den Kohlestift und nickte sich aufmunternd zu. Langsam begann der Stift in zittriger Hand zu schreiben...

„Liebe Schwester Minna,

Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll. Es tut mir weh, es einzugestehen, aber ich habe euch im 'Heim des Lachens' ohne richtigen Abschied verlassen. Ihr fehlt mir allesamt und manches Mal in dunklen Stunden wünscht' ich mir ich wäre daheim geblieben. Es tut mir leid, wenn ich euch weh getan habe und es fällt mir schwer, euch nun zu schreiben. Vielleicht zerreisst ihr meinen Brief schon vor dem Lesen, ich könnt' es euch nicht verübeln. Doch wenn ihr ihn lest, hoffe ich, ihr vergebt mir eines Tages...
Es ist einige Mondläufe her, dass ich nach Falkenstein aufbrach. Ich habe dort Loreen gesucht. Ich weiß, ihr habt mir davon abgeraten und ihr tatet Recht damit. Ich traf sie im „Kupferdrachen“ und wurde harsch fortgeschickt. Ich hatte sie mir anders vorgestellt, irgendwie mütterlicher. Doch ihr Gesicht war aufgequollen, die Lippe noch blau von der letzten Prügelei und ihr ganzes Wesen schien verlebt und ausgelaugt. Sie sagte ich solle zurückkehren – und mein Leben bei euch geniessen. Sie hatte keinen Platz für mich in ihrem Leben... *hier verwischen die Worte leicht*
Ich kann jeder Zeit zurück zu euch, werdet ihr sagen. Und das weiß ich. Aber dieser Abend in Falkenstein, ich finde kaum die richtigen Worte, er hat etwas aufgerissen tief in mir. Es fühlt sich so leer an, so suchend und unbeständig, so wild und gierig. Ich habe in dieser Nacht etwas verloren – den Glauben zu wissen, wer ich bin und wo mein Platz im Leben ist. Und als ich dann nach schlafloser Nacht die Möglichkeit fand, nach Siebenwind zu segeln, ergriff ich sie ohne großes Grübeln.

Hier bin ich nun – und fühle mich zerissen. Das Leben hier ist roh und fremd. Vielleicht liegt es aber auch an mir. Sobald ich den Marktplatz in Falkensee erreiche, beginnt eine Prügelei und fließt Blut. Nein, sorgt euch nicht, nicht ich schlage um mich. Wer weiß, vielleicht ist es einfach Zufall – oder die Strassen sind so rau, dass es täglich passiert. Wenn es an meinem Wesen liegt, hätte man mich sicher gleich verbannt. Ich versuche zu helfen, wenn es möglich ist. Doch etwas seltsames geschieht in diesen Momenten. Die Menschen sehen mich nicht. Erst gestern wurde eine Geweihte, ich glaube zumindest, dass es eine war, von einer Reiterin überrannt. Die Frau ritt so hektisch, dass ein Tritt des Pferdes die Geweihte zur Seite stoß. Ich eilte schnell zur Hilfe und beugte mich über die Frau, um nach ihrem Wohl zu sehen. Doch als sie zu sich kam, widmete sie der Reiterin bloß mahnende Worte und ging weiter. Ich blieb ungesehen zurück. Wäre es nur das eine Mal gewesen, hätt' ich es auf den Zufall geschoben – doch sowas passiert mir täglich.

Die Menschen hier scheinen ziemlich abgebrüht. Ein wilder Bär am Markt erzeugt bei den Meisten kaum mehr als ein Schulterzucken. Er taumelt orientierungslos zwischen Holzständen umher – und die Menschen schauen ihm schmunzelnd zu. Ist das normal in großen Städten? Ach hätt' ich euch doch um Rat gebeten, bevor ich auszog. Vielleicht hätten eure Worte mir in solchen Stunden Halt gegeben. Der Bär würde übrigens kurze Zeit später erschlagen und lag noch einige Zeit auf der Straße. Irgendwo tat er mir leid. Ich konnte seine Orientierungslosigkeit verstehen.

Noch eines, bevor das Pergament vollschrieben ist: Ich habe auch Menschen getroffen, die mich sahen und sogar mit mir sprachen. Vielleicht kann ich hier einige Gefährten finden, ich spüre Vitama an meiner Seite, noch gibt es Hoffnung! Wohin der Weg mich auch führen mag, ich bin sicher, irgendwo wartet ein Ziel auf mich.
Für diesen Tag genug der Worte, ihr wißt, ich bin kein guter Schreiber. Mir geht es gut, ich bin wohlauf, drum sorgt euch nicht um mich. Gebt jedem Kind im Heim einen Kuss von mir – ich denke jeden Tag an sie.

In Liebe,
Eure Lani“


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 28.04.07, 13:33 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 11.03.07, 03:17
Beiträge: 61
Erneut verlässt ein Schiff Falkensee in Richtung Falkenstein mit einem Brief an Schwester Minna vom „Heim des Lachens“. Die Schrift scheint geübter und harmonischer geschwunden als zuvor. Das Pergament mag von minderer Qualität, doch jung zu sein. Auf ihm wurde mit einem gespitzten Kohlestift folgendes geschrieben:

Liebe Schwester Minna,

Es sind einige Wochen her, da mein erster Brief seinen Weg antrat. Vermutlich wirst du ihn erst kürzlich gelesen haben und dich sorgen, was nur aus mir würde. Ich will dir diese Angst nehmen und warte keine weiteren acht Wochen, bis eine Antwort mich erreicht. Zudem dürfte es jedem Boten schwer fallen, mich im Getümmel dieser Stadt zu finden. Ich habe noch immer kein eigenes Zimmer.

Ich konnte mir meine ersten Dukaten auf redliche Weise verdienen. Die Jagd hat es mir angetan – und nein, deine Sorge ist unbegründet. Ich wurde nicht zerfleischt und alle Gliedmaßen sind noch an Ort und Stelle. Zugegeben, sie weisen hier und da gewisse kleinere Kampfspuren auf. Doch mach dir keine Sorgen! Ich weiß, was ich tue, und bei den Vieren, ich mache es gut. Ich hoffe durch die Beute genug Dukaten zu bekommen, um mir endlich ein eigenes Zimmer leisten zu können. Denn diese Stadt, oh Minna, wie habe ich geflucht!

Ich weiß, du hörst es nicht gern. Aber manchmal wünschte ich wirklich, ich könnte mich einfach wegsperren. Hätte ich gewusst, wie diese Welt aussieht, liebste Minna, ich fürchte, ich wäre nie ausgezogen. Hinter vielen der Gesichter, die mir begegnen, schimmert es dunkel. Es werden tiefe Geheimnisse verborgen, Leid durchdringt die Worte, Wut entflammt, wenn ein falsches Wort den wunden Punkt berührt. Niemand spricht darüber, doch ich kann es sehen. In ihren Augen, ich höre es, in ihren Worten. Ich weiß, was du denkst, meine Minna, du glaubst, es wären die falschen Leute, ein schlechter Umgang. Doch dem ist nicht so – zumindest bei den meisten unter ihnen. Ich frage sie, woher ihre Verzweiflung rührt. Und sie erzählen es mir. Das Leben zerrt sie durch tiefste Abgründe, hinauf zu hohen Bergen, nur um sie wieder fallen zu lassen. Es sind viele Geschichten, so verzweifelt und verbittert. Oh Minna, passiert es jedem von uns? Werden wir früher oder später die Hoffnung begraben, weil das Leben seine Fallen legt? Ich fürchte mich davor, einst so zu werden. Doch trotz mancher Widrigkeit, die ich dir aus Liebe vorenthalte, stehe ich aufrecht und hebe den Kopf.
Mich wird sobald nichts brechen.

Ich zeichne ein furchtbares Bild meiner Stadt, nicht wahr? Doch bedenke, liebe Minna, wenn es so furchtbar wäre, würde ich nicht bleiben. Es sind interessante Gesichter, die mir begegnen. Ich wünschte ich könnte sie begreifen, ich wünschte ich würde sie wirklich kennen! Selbst wenn sich dunkelste Türen öffneten, Minna, ich fürchte fliehen können wir davor nicht. Irgendwo wird es immer einen Lichtstrahl geben, der das Dunkle bricht. Und ich glaube, wenn ich nur entschlossen genug suche, werde ich den auch finden.

Ich schließe mit dem innigen Wunsch, eines Tages wieder von euch zu hören. Ich hoffe ihr seid wohl auf im Heim – grüße mir vor allem Zucki und sage ihm, dass weiße Katzen den Fisch nicht verderben. Ich habe es ausprobiert, es ist ein Gerücht.

Alles Liebe,
Eure Lani


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