Regungslos stand die schmale Gestalt des Mädchens auf der Waldlichtung, die Haltung, das leichte Neigen des Kopfes, der linke Arm der ruhig die Sehne des kunstvoll geschnitzten Bogens gespannt hielt, die fließende Atmung – alles schien einer einstudierten Einheit nah, nicht einmal der laue Astraelwind, der spöttisch einige der silbrigen Strähnen ins gerade einmal von der Jugend gestriffene Gesicht pustete, unterbrach die tiefe Konzentration in den Augen, die leicht gekniffen das Ziel in der Ferne fixierten.
Jetzt...? wisperte sie nach einer schieren Ewigkeit, ohne dass sich ihre Haltung auch nur regte. Würde er denn treffen? Ohne jegliche Anklage in dem elfischen Gesang ließ ihr Lehrer sie nicht einen Herzschlag aus seinem aufmerksamen Blick. Schweigend ließ sie langsam den Bogen wieder sinken, löste sich aus der Starre nur um gleich danach die Waffe unter einem frustrierten Aufschrei von sich zu schleudern. Seit Götterläufen verbietest du es mir! Ich habe es langsam satt! Wie lange soll ich denn noch trainieren bis ich endlich loslassen darf? Woher soll ich denn sicher wissen ob er trifft...? Ich werde ja noch... Geduldig ließ der Elf das aufgebrachte Geschimpfe des Hitzkopfes über sich ergehen, betrachtete versonnen seine Schutzbefohlene bis die empörte Tirade schliesslich ihr Ende fand.
Nochmals von vorne...
Ihre Kehle war zugeschnürt, nicht der kleinste Laut wollte ihren Lippen entweichen als sie gegen die Mauer der Spelunke in einer finstren Seitengasse Ignes gepresst wurde, der biergeschwängerte, heiße Atem des Söldners striff voller Begierde ihren Hals während eine Hand die Miniaturarmbrust an ihr Herz hielt, die andere sich gierig an den Riemen ihrer Lederrüstung zu schaffen machte, Knöpfe schließlich zu Boden sprangen als das Hemd darunter ungehalten aufgerissen und ihre blasse Haut enthüllt wurde.
Zu schade... zu schade, daß mein Anführer deinen verdammten Kopf will du hübsches Miststück, wir hätten viel Spaß miteinander haben können. Aber sorge dich nicht... den werden wir jetzt haben bevor ich dich zu ihm bringe. Doch müssen wir uns eilen Schätzchen, oh wir müssen uns eilen... deines Vaters Schergen sind uns auf der Spur, sie wurden... verfluchter Scheißknopf!
Gelähmt war die junge Frau, zu keiner Bewegung fähig. Doch arbeitete es umso hastiger in ihrem Kopf, die geweiteten Silberaugen stierten an seiner Schulter vorbei ins Nichts, die Übelkeit die seine hastigen Küsse auf ihrer Schulter hervorriefen nicht einmal registrierend. Es war nicht Angst, die sie erstarren ließ – es war Zorn. Unbändiger Zorn in der prächtigsten Weißglut. Auf sich selbst.
Wie konnte sie nur so unvorsichtig gewesen sein? Nicht nur ihre Häscher, nun auch noch der Suchtrupp von daheim ihre Spur aufgenommen? Sie konnte es einfach nicht fassen. Nach all der langen Zeit der Finten und Listen hatte sie geglaubt, ihre Verfolger aus den zwei so unterschiedlichen Lagern abgeschüttelt zu haben. Wurde nachlässig mit den verstreichenden Monden. Der Preis dafür versuchte sich gerade vor ihr an etwas, für das ihn ihre Leibwachen vor Götterläufen schon längst gevierteilt hätten.
Nachlässig... ausgerechnet sie! Krankhaften Perfektionismus in Fleisch und Seele eingebrannt bekommen seit ihrer Kindheit und jetzt? Oh wie schämte sie sich, es stach zwischen ihren Schläfen vor Schmerz wenn sie nur an ihren Lehrer dachte, wie enttäuscht er nun, in diesem Augenblick, von ihr wäre – und simultan mit diesem Gedanken kam ein anderer, der einen Mundwinkel anheben ließ während das minderwertige Stück Abschaum noch sein Glück genoss, die kleine Armbrust achtlos zur Seite warf um sich an ihrer Hose schaffen zu machen, getrieben von blinder Lust.
Das entrückte Grinsen auf ihren Zügen vertiefte sich als sie weiter vor sich hinstarrte, ihre wild funkelnden Augen den Elfen vor sich knien sahen, sie selbst wieder ein kleines Mädchen kaum 7 Götterläufe alt, welches fasziniert auf die ihr präsentierte Waffe glotzte. Wie von selbst wanderte die Linke an ihren hohen Stiefel, die Finger fanden blind in einer ewig einstudierten Geste den liebevoll geschnitzten Silberholzgriff. Du bist nun alt genug dies zu haben, alt genug in der Not dein Leben zu schützen, mein Kind. Langsam zog sie den scharf gezackten Dolch aus seinem Versteck, eine seltsame Ruhe durchflutete sie bei dem Gesang des Elfen in ihren Ohren. Siehst du diese Zacken? Ich möchte, dass du sie wenn es so weit ist in den anderen Leib rammst so fest du nur kannst. Die hellen Augen zuckten abrupt zu dem verschwitzten Antlitz des vor Aufregung keuchenden Mannes, ohne einen Mucks aus ihrem Mund stach sie plötzlich zu. Und dann drehst du! Drehst du so weit es nur geht bevor du den Dolch wieder herausziehst, hast du mich verstanden mein Kind? Der Silberschopf nickte gehorsam, abwesend zu den Worten, blickte dem überrascht röchelnden Mann einige Herzschläge direkt ins Gesicht ehe ihr Handgelenk kräftig herumruckte, seine Augen sich noch mehr weiteten.
Unter einem wütenden Aufschrei riss sie den Dolch wieder aus der nun klaffenden Bauchwunde, versetzte ihm gleichzeitig mit ihrem Fuß einen wuchtigen Tritt und spuckte in einer unbändigen, stolzen Geste zu Boden. Hart schlug der Körper rückwärts am Stein auf wo der Mann unter siechenden Atemzügen aus dem Blut hervorgurgelnden Mund leicht zuckte. Keinen Herzschlag löste sie den Blick von seinen sterbenden, ungläubigen Augen, betrachtete ihn bei seinem letzten Kampf voller Abscheu und gleichzeitig tiefer Zufriedenheit während sie sich langsam wieder anzog.
Sie mußte wieder vorsichtiger sein, keine Fehler mehr! Kaum der letzte Atem seinen Lungen geraubt, zerrte sie ihn an den Beinen näher zum Eingang der Gasse, benutzte seinen Zeigefinger am eigenen Blut um auf dem Pflasterstein neben der Leiche ein verschmiertes UMDES.. zu hinterlassen, seine Hand an dem Schriftzug danach bettend als wäre es sein letzter Botendienst an sein Gefolge gewesen.
Keine Woche danach betrat sie in Venturia das Schiff.
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