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 Betreff des Beitrags: Tränenglanz
BeitragVerfasst: 12.09.05, 15:19 
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Bunter Farbenwirbel. Leises Summen. Fingerspitzen, die über die bleiche Haut streichen. Ein Zucken. Stille. Flüstern. Geständnisse. Er strich über den karmesinroten Samtstoff, der ihren Rücken bedeckte. Zwei rosarote, längliche Narben zogen sich ihren Rücken herab und endeten fein und säuberlich ineinander verschlungen, als hätte ein Künstler sein Meisterwerk an ihr vollbracht. Er küsste ihre Schulter und vergrub das Gesicht in ihren pechschwarzen Haaren. Und ihn fröstelte. Es war eine kühle Astraelnacht.


Er ließ sich fallen, sank in die Laken und drehte den Kopf zu ihr. Ein Lächeln, unsicher und zutiefst wahrhaftig. Wirklicher als jedes Lächeln, das Etikette vorschrieb. Zutiefst tatsächlich.


"Ich liebe Euch."


Ein leises Seufzen hallte durch den Raum. Die Menschenfrau strich ihm über die Wange, betrachtete seine feingeschnittenen, bleichen Züge, sog sie in sich auf. Seine Gedanken tanzten, ließen ihn zweifeln, ob sie täuschte und nicht mehr als ein Mittel in ihrem Spiel sah. Sein Verstand nickte. Sein Gefühl verneinte. Zitternd schlang er die Arme um sie und versank im Farbenwirbel.


Sanft schlug sie ihn mit der flachen Hand auf die Wange, ehe sie in traumlosen Taumel fiel.


Eine Träne rann ihm die Wange herab. Er hasste sein Sein. Er hasste seine Bestimmung. Es war sein Weg, zu hassen. Zu hassen für etwas Gutes. Sein Opfer. Sein Geschenk.


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BeitragVerfasst: 13.09.05, 15:03 
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Mit verschränkten Armen stand er da, den ganzen Körper verhüllt in einer dunkelgrau schimmernden Robe, und außer, dass der Wind die Formen seiner Kleidung stets in Wellen schlug, unterschied ihn nichts von den grauen Hügeln und den grauen Wolken, die ihn umgaben. Sein Blick strich über das Tal; von der Seite vernahm er das vertraute, helle Klirren von Metall.


Mit einem hellen Klicken löste sich der Schuss der Armbrust und durchschlug einen der Reiter, die durch die Schlucht preschten. Vier Männer verstellten den Weg, weitere vier näherten sich dem Trupp von hinten. Der Berobte spürte Nervosität. Der kühle Wind nahm an Stärke zu, der Bellum war angebrochen. Er spürte den zitternden Atem der schwarzhaarigen Menschenfrau neben ihm und konnte förmlich gemeinsam mit ihr fühlen, wie der schwarze Stahl sich an ihrer Haut rieb und sich ihre Nackenhärchen aufstellen.


Einer der drei Reiter des Trupps schwang sich vom Pferd und rief irgendetwas, das der Wind auf dem Weg zu den dreien hinauf verschlang. Der Mann neben ihm lächelte kurz leicht, vollführte kaum mehr als einen Fingerstreich, sprach kaum ein Wort und die Erde unter dem Rufenden riss leicht auf und warf ihn gegen die Felsenwand. Menschenmagier. Was für wunderliche Wesen.


Er betrachtete mit Vorsicht die Szene in der Schlucht. Verhandlung, Übergabe, Verbandmaterial und Salbe für den Verwundeten. Flucht.


Er ließ sie gewähren. Trieb in ihrem Wind, hatte genug Zeit, ließ sich Zeit. Ließ sich Zeit das auszukosten, was ihm nicht bestimmt war; das zu erforschen, was ihm, wenn er es einmal kannte, verboten wäre. Aber er hatte Zeit. Er hatte so viel Zeit.


Die von einer langen Narbe gezierte Hand legte sich auf seine Schulter und schob ihn zurück zu den Pferden. Es fielen keine Worte. Sie wussten beide zu genau, dass ihre Wege verschieden waren. Er wusste, dass er ihr nur aus Schwäche folgte. Seine Bestimmung verneinte Liebschaften. Ebenso wie die ihre.


Zuletzt geändert von Phobie: 17.09.05, 02:29, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 17.09.05, 02:29 
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Hell pochte sein Herzschlag in den Ohren. Grelles Licht blendete ihn und bereitete ihm Kopfschmerzen. Zitternd fuhr er mit den Fingerkuppen über seine Schläfe. Bleib da, es beruhigt sich gleich wieder. Bleib ruhig, spür dein Herz schlagen, es schlägt noch, ganz gewöhnlich, keine Panik. Das Zittern verschwindet, sobald du es vergisst. Ganz ruhig. Du kannst gleich wieder sehen. Mach die Augen zu, auf oder zu macht ohnehin keinen Unterschied. Langsam wird dir kühler, der Schweiß lässt nach. Ja, du kannst deine Finger wieder spüren. Das Zittern hört auf, die schwammigen Formen werden langsam schärfer. Hell und dunkel bildet sich wieder aus. Sogar ein Funken rot dringt gleich durch. Mach die Augen nochmal zu, dann geht es schneller. Gleich beginnen die Kopfschmerzen, aber mach dir nichts draus, morgen sind sie verschwunden. Ganz langsam aufstehen. Vorsichtig. Nimm den Krug, vorsichtig, ganz vorsichtig. Das Wasser hilft, nicht? Nicht? Setz dich wieder hin. Anlehnen. Ruhig.


Donnernd trommelte sein Herz in monotonem Takt auf seine Ohren ein. Rasselnd atmete er, hastig und keuchend. Es ging langsam vorbei, die Schläfen begannen zu stechen, gewohnter Schmerz stellte sich ein. Er brachte ihn langsam wieder zu Verstand. Ruhe.


Er hasste die Tage nach den Ritualen ebenso wie die Rituale. Er betrachtete aus schwarzgrauen, leeren Augenhöhlen die säuberliche, gerade Linie aus dünn verkrustetem Blut, die sich längs einer Handlinie zog. Er erhob sich mit bebenden Knien von dem Sessel und tastete sich zum Bett, sank herunter und fiel in die weiche Betörung der Ruhe nach dem Sturm. Säuselnd tanzten Worte, Gesänge und Geflüster um seinen Kopf. Er konnte den eisernen Geschmack von Blut auf seinen Lippen schmecken und griff nach dem kupfernen Trinkpokal. In der bizarr verzerrten Spiegelung seiner Züge sah er einen graziösen Bluttropfen, der aus seinem Mundwinkel rann, über das Kinn einen Strich aus Leben zeichnete und heruntertropfte. Er konnte auf dem weißen Laken kein Blut ausmachen. Er ließ den Pokal sinken; er spürte Blut aus Mund und Nase quellen und der rostige Geschmack betäubte ihn.


***

Blinzelnd schlug er im Morgengrauen die Augen auf. Vergessen übertünchte Grausamkeit und er schälte sich aus den vor Schweiß klebenden Kleidern. Zusammen mit der frisch gewaschenen Robe legte sich ein frisch gewaschener Verstand über den Taumel des Abends und trieb ihn an das Schreibpult. Sar-nyril hai. Er verwarf die Erinnerungen.


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BeitragVerfasst: 29.09.05, 00:34 
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Sanft zog sich die Spitze der sauberen Klinge aus schwarzem Stein über die Haut und hinterließ eine dünne, feine Blutlinie. Der winzige Schnitt in der Fingerkuppe war kaum zu sehen, dennoch hatte er das Gefühl, als schnitten sich tausend Schwerter durch seine Hand.


Sie reichte ihm das Messer herüber; vorsichtig setzte er die Spitze an ihrer Fingerkuppe an und schnitt einen ähnlichen Strich durch die blasse Haut.
Sanft hob er die Hand und strich ihr mit der geritzten Fingerkuppe über die bläulich schimmernden Lippen, ein kleiner, blutroter Fleck über der Oberlippe war alles, was er hinterließ.
Sie führte die Fingerspitze an seine Lippen, der Geschmack von Blut und der eisenhafte Geruch fraßen sich in sein Bewusstsein. Unter leichtem Druck fielen zwei Tropfen Blut in die Schale.


Während er den Raum nurnoch verschwommen wahrnahm, tauchte er die Hand in das blutgetrübte Wasser und griff um die ihre. Eiskalte Nadeln stachen sich in quälender Langsamkeit ihren Weg an seinem Arm hinauf und ließen ihn zittern. Ein Hauch von Verdammnis strich über seinen Nacken, während die Schmerzen der Erträglichkeit entrannen. Er verlor sich im Schwanken der Realität, spürte zwei vertraute, kräftige Arme, die sich um seine Schultern schlangen, und ihn aufrecht hielten.
Bewusstlosigkeit. Schwarzer Taumel. Und der Hauch der Verdammnis umwob seinen Verstand.


Als er die Augen aufschlug, war er einsam. Steinerne Höhlenwände starrten ihn an. Kälte. Feuchtigkeit. Husten. Schmerzen. Hauch der Verdammnis.
Zitternd erhob er sich. Die Höhle war leer. Er fühlte sich einsam. So einsam.


Fröstelnd betrat er den Altarraum, um zu beten.


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BeitragVerfasst: 2.10.05, 09:22 
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Der Schwarzmagier bleckte die Zähne und betrachtete ihn förmlich gierig. Die beiden umkreisten einen unsichtbaren Punkt wie zwei Raubtiere einander, bevor sie sich anfallen. Er selbst was nervös, wusste, dass er nicht den Hauch einer Chance hatte, den Magier zu besiegen, doch dieser wusste das nicht. Beide hielten inne. Kalte Luft stand in dem Raum, der sich langsam erhitzte. Der Schwarzmagier lächelte kurz ein verrücktes, bösartig freudig erregtes Lächeln und hauchte mt Hingabe einige Worte vor sich hin. Zitternd wich er zurück.


Ein kleiner Funken Hoffnung keimte auf. Er war keineswegs vollkommen wehrlos. Seine Hand strich zur Seite, befahl einem Stein den Weg zum Kopf des Magiers. Dieser hob die Hand an und der Stein blieb in der Luft schweben, wurde zurückgedrängt und fiel vor der Felsmauer wieder zu Boden. Verunsichert suchte er nach irgendetwas, mit dem er sich schützen oder was er nach dem Schwarzmagier werfen könnte ...


Als er zu sich kam, wusste er zwar nicht so recht, was geschehen war, allerdings schmerzte sein Körper noch immer, als wäre er erst vor wenigen Augenblicken gegen die Felswand geschlagen. Schwankend erhob er sich und betrachtete die aufgeplatzte Haut an den Händen, die langen, blutigen Streifen über den Unterarmen und die unzähligen kleinen Blutkrusten, die sich annähernd überall über seinen Körper zogen. Er warf sich eine frische Robe über und sank mit verzerrten Zügen auf das Bett.


Zuletzt geändert von Phobie: 2.10.05, 09:23, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 10.10.05, 00:22 
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Sanft strichen seine Finger über ihre Lippen. "Sei gesegnet."


Ein Segen der anderen Art. Seine Fingerspitzen brannten wie Feuer und er spürte, dass er etwas Heiliges berührt hatte, etwas, das er nicht hatte berühren sollen. Vorsichtig zog er die Finger zurück und schlich von dannen. Zurück sollten nur offene Fragen bleiben - offene Fragen und ein Hauch seines Atems, der diesem Geschöpf noch lange anhaften sollte.


Er spürte ihre Unsicherheit und lächelte in sich hinein. Die Zukunft sah rosig aus, eine Beschäftigung war ihm gegeben, eine kleine Seele in seinen Händen, an deren Fäden er ziehen konnte. Sie senkte den Kopf. Verzückung. Er rief sich zur Besinnung. Nicht mit ihr spielen. Sie den rechten Weg führen. Ob sie zum kämpfen geboren war, würde sich noch erweisen. Doch das Erbe trug sie in sich; das Erbe, und er war überzeugt, dass er sie sanft dahin führen konnte, es anzunehmen.


Sei gesegnet.


***

Es war acht Morsan her. Ihre Finger strichen über seine Lippen. "Sei gesegnet." Eisig brannte ihre Berührung auf seiner Haut und er fühlte diesen Fluch, der von allen Seiten auf ihn einströmte. Es war nicht richtig gewesen, doch in diesem Augenblick hatte er Vertrauen gefasst.


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BeitragVerfasst: 15.10.05, 21:57 
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Süß brannte der Honig auf seiner Zunge. Mit einem Lächeln las er über die Zeilen, die er sich aus den Fingern gesogen hatte. "Gehorsam" hatte er sein Werk getauft, und die ersten Zeilen waren ein Erfolg. Morgen oder nächsten Mond oder nächstes Jahr würde er sicherlich Zeit finden, weiter zu schreiben. Er zog den Löffel zwischen den Lippen hindurch und genoss den Augenblick. Völlige Ruhe, nur durchdrungen von seinen Gedanken. Selten war das hier, aber es war angenehm.


Gehorsam.


Er dachte an die Vergangenheit und an die Zukunft. Er wandelte auf dünnem Pflaster, und er genoss diese Gratwanderung zwischen Gefahr und Gefährlichsein. Er wusste, dass er sich nicht zu weit vorwagen durfte, zumindest jetzt noch nicht. Und er wusste nicht, auf welchen Pfad er führen sollte. Auf den Pfad der Weisheit oder auf den Pfad des Kampfes? Er bereute seine Wahl von Zeit zu Zeit und fürchtete sich. Wieviel würde er ihr zumuten können? Wieviel vertrug ein heiliges Geschöpf?


Wollte er sie in diesen Abgrund führen, solange sie nicht selbst dazu bereit war? Wäre sie in der Lage, sich zu opfern? Wäre sie willens?


Was war das Leben doch für eine Muse. Gehorsam. Er zog das Pergament hervor, sah kurz über die Zeilen und schrieb weiter.


Zuletzt geändert von Phobie: 15.10.05, 21:58, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 22.10.05, 04:20 
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Ein Tropfen Blut fiel auf das Steinpflaster und zerplatzte zu tausend kleinen Tropfen. Leere Augenhöhlen starrten ihn an, und mit zittrigen Fingern schloss er dem leblosen Körper auf der hölzernen Bahre die Augen. Lediglich eine Schülerin, die für einen Weg geboren war, der zu steinern wurde für ihre schwache Seele. So hätte sie es genannt. Zu steinern.


Er schauderte, als er die Kühle der Haut fühlte. Rasch wand er sich ab und hoffe, nichts zu fühlen. Doch etwas in ihm wehrte sich und trauerte. Sie war ihm vielleicht doch vertrauter geworden in den wenigen Monden, als er es erwartet hatte.


Die Herrin fiel anmutig vor dem Altar auf die Knie, ließ das Haupt sinken und begann zu beten. Er trat lautlos aus der Totenhalle und bewunderte sie erneut dafür, wie selbstlos sie ihren Krieg führte. Ein heimliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen und wollte sich losreißen. Ihm war beim Anblick der geschwungenen, rosaroten Linien auf ihrem Rücken unwohl, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Unsicherheit und Zweifel schossen ihm wie ein Peitschenschlag in den Kopf und Sicherheit überkam ihn, dass er bald aufbrechen würde. Sehr bald sogar. Sie fochten zwei verschiedene Kämpfe aus, und das Band zwischen ihnen war brüchig. Die Pflicht würde ihn weitertreiben, bis er seinen weiteren Weg finden würde. Sie sollten nicht weiter gemeinsam suchen. Wären sie gemeinsam fündig geworden, wäre das Band unter tropfendem Blut gerissen. "Ich liebe Euch."


Am nächsten Morgen verließ er die Bruderschaft.


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BeitragVerfasst: 29.10.05, 02:58 
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In Zornes Namen
du hast dich krank gedacht!
Wirst es nicht wagen
fall' tief in finstre Nacht!
Wirst mein Blut schmecken
wirst klagen, weinen, schrei'n'!
Mein Kind des Hasses
genieß und spür die Pein!

***

Und wenn der Himmel droht
mich zu ertränken
wirst du mich lenken
und führen zum Geschwistermord!

***

Und wenn du's tust
und zürnst und betest
lass ich dich fallen
bis du mein Jünger bist!
Ich will dein Herz
wenn Zorn Zornes Schöpfer küsst!

Oh du mein Kind
was bist du hässlich
wirst jammern, klagen
schluchtzen, weinen, schrei'n!
Wirst meinen Kuss
im Herzen tragen.
Du wirst verderben!
So ist mein Wille! So soll es sein!


Zuletzt geändert von Phobie: 29.10.05, 02:58, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 19.11.05, 15:59 
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Still flüsterten sie ihm von allen Seiten in die Ohren, er brauchte nichteinmal die Augen zu schließen. Von überall fraßen sich ihre verzweifelten Schreie in ihn, ihr letzter, vom kommenden Tode getriebener Schrei, ihre Lustlosigkeit, ihr letzter Schritt. Ihm war unwohl dabei, aber anmerken lassen wollte er sich nichts. Sollten sie schreien.


Er versuchte in der ganzen Geschichte einen Zusammenhang zu finden. Viel konnte ihnen eigentlich nicht mehr fehlen - ein paar Zuordnungen, wer auf welcher Seite seinen Krieg geführt hatte. Ein paar Erklärungen, warum sie immernoch einen verlorenen Krieg führten. Und er musste die merkwürdigen Bilder deuten. Er musste den Ort noch einmal aufsuchen, vielleicht noch einen zweiten. Er war sich sicher, dass alle Beteiligten sich inzwischen so weit entblößt hatten, dass man nurnoch den Zusammenhang durchschauen musste. Und doch war es ein solches Chaos, dass ihm schlecht wurde davon. Sie verließen den Ort.


Still kroch ihm, aus dem Nichts kommend, Panik durch die Adern und ließ sein Herz schneller schlagen. Binnen Augenblicken bildete sich ein dünner Schweißfilm auf seiner Haut und er begann zu zittern. Sein Körper verkrampfte sich, die Umgebung begann sich vor ihm zu verzerren, weiße Schemen tanzten ihm als einzige Überbleibsel der Umgebung vor den Augen.
Flüsternd hallten ihm tausend Stimmen durch den Kopf, während sein Herz langsamer schlug, das Zittern nachließ, der Körper in Schwäche zusammensank. Er blieb im feuchten Gras liegen. Das Gemälde vor seinen Augen klärte sich wieder. Er kam zur Ruhe.


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BeitragVerfasst: 16.12.05, 15:56 
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Schmerzliches Flüstern. Jede Silbe, die ihm über die Lippen kam, kostete Tränen, und jedes Zischen eine Weisheit. Unklar wurde das Bild vor seinen Augen, als tiefer Zorn in ihm aufstieg und ihn für einen Augenblick lang klarer sehen ließ, als er es für lange Zeit getan hatte.


Als das Tor dumpf zuschlug, schlug zugleich eine Welle aus Gebeten und Lehren über seinen Verstand herein und trübte das Bild wieder so weit, dass es erträglich wurde. Ein letztes, tiefes Durchatmen, und er entzog sich seiner Angst. Schwermütiger Abschied. Wie im Fieberwahn trat er in den eiskalten Morsanswind heraus, der ihm sofort Kleider und Haare um den Körper peitschen ließ und ihn frösteln ließ. Er sah noch lange Zeit dahin, wo sie ihm entglitten war, für eine ganze Weile, nach ihren Worten zu urteilen. Er hatte sie lieben und hassen gelernt und es fiel schwer, sich von solcher Sucht zu lösen.


Was zürnst du denn, mein kleines Kind?
Bist denn nicht du selbst, der da wütet -

Kind!?
Bin ich denn jener, den sie sieht
wenn ich in deinem Namen quäle
und deiner Jünger Leichen zähle
da bin ich jener, den du führst?

- Ins Verderben!
Junger Sklave, sei gewarnt
noch streichen meine Schwingen zart
doch bald, einst kommt, was still versprochen
und nie eine Seele gewagt zu brechen
lass dich schweigen, lass dich hoffen
und von schwarzer Schlangen Schwerter erstechen.

Dunkler
düster
Dornentanz.


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 Betreff des Beitrags: Dunkeltieftraum I
BeitragVerfasst: 29.12.05, 04:48 
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Schweiß rann ihm von der Stirn, vermischt mit dem dunkelroten Blut, das aus der Platzwunde über dem Auge tropfte. Er sah zu der Elfe herüber, die wenige Schritt vor ihm auf der Hochebene an einen Fels gelehnt stand. Eiskalter Wind schlug um ihn, Schnee wirbelte umher. Er hob die Hände, ein Fluch aus letzter Kraft, und unsichtbare Kraft griff nach der Elfe, riss sie herum und ließ sie einige Schritt weit durch die Luft fliegen, bevor sie schreiend gegen den kalten Boden prallte und am Rand des Abgrunds einen Vorsprung zu fassen bekam, an dem sie sich festhielt. Der Elf schwankte im Gehen, Blut klebte an Händen und Robe, das Duell dauerte inzwischen vier Zyklen. Er sah keuchend an dem Vorsprung vorbei, etwa zwei Schritt ging es in die Tiefe auf eine moosbewachsene, kleine Steinplattform, bevor es gänzlich in die Tiefe ging, die der Nebel verschleierte.

Die Elfe riss die Hand hoch, krisch aus tiefstem Leib einige Silben und bevor er in der Lage war, zu verstehen, riss es ihn von den Beinen und ein dumpfer Aufprall folgte. Er sah die Elfe mit einem geschmeidigen Sprung neben ihm aufkommen, während er am Boden lag. Sie blutete aus der Nase, aus den Wangen, an der Hüfte tauchte Rot die Robe. Ein Zittern überkam den Körper, als sie ausholte, um nach ihm zu treten. Schmerzlich krümmte sich der Leib des Elfen zusammen und er sah den Kampf verloren gehen. Als die Elfe in die Robe griff, um ihn zu packen und in die Tiefe zu werfen, hörte er das sirrende Geräusch von Metall, das aus der Scheide gezogen wurde, bevor er nach ihrem Dolch gegriffen hatte. Mit zitternder Hand stach er ihr das kalte Metall in den Hals, und die Augen der Elfe weiteten sich. Er presste sie mit der letzten Kraft auf die Knie, Blut sickerte aus der Wunde, quoll über den Ausschnitt und suchte sich den Weg die blasse Haut herunter. Er löste seine Hände von der Waffe und legte sie der Elfe an die Wangen.

Zu früh. Mit einem gurgelnden Aufschrei des trotzigen Zorns zog sie das Messer aus dem eigenen Fleisch und rammte es dem Elfen in die Brust. Die beiden geschundenen Leiber erstarrten, begannen sich zu umklammern, zitterten, während beiden flirrend schwarz vor Augen wurde. Er fühlte das eisige Kribbeln ihrer Haut auf seiner eigenen und krallte die Fingernägel in ihren Rücken, als er sie zitternd umarmte. Der Dolch trieb ihm ins Herz. Das Blut der beiden Elfen vermischte sich an ihren Körpern, rann zum Boden und tropfte von dem Vorsprung in die Tiefe. Immer tiefer in den Nebel. Immer tiefer.


Der Vorhang fiel. Schweißgebadet fuhr er auf, brauchte einige Augenblicke, um sich zu fassen. Er hörte das leise Knistern des Feuers im Kamin, das leise Rauschen des Windes draußen, fühlte das Prickeln, das die lange Nacht des Dunkeltiefs alljährlich mit sich brachte. Allmählich kam er wieder zur Ruhe. Lehnte sich zurück. Fühlte, dass es nur ein Traum gewesen war. Ein Alptraum. Einen Traum, von dem er fürchtete, dass er Wahrheit werden könnte - mit jedem Mal, dass er an sie dachte.
Er dachte oft an sie.


Zuletzt geändert von Phobie: 30.12.05, 03:59, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Dunkeltieftraum II
BeitragVerfasst: 30.12.05, 03:47 
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Leblos lag der gefolterte Körper im blutbetropften Schnee. Tritte und Schläge tanzten auf der Haut auf und ab, leises Wimmern rang aus dem zerschlagenen Gesicht. Er versuchte sich zu regen, doch konnte nicht. Er musste unbewegt mitansehen, wie es Tritte und Hiebe hagelte, wie sich der Körper der jungen Frau zitternd und immer schwächer in Qualen wand.

Er konnte plötzlich die Nähe der Schwärze fühlen, er fühlte sich wohl darin, stärker, mächtiger. Er spürte es nahen, wie eine machtvolle Welle, die alles mit sich reißt, was in ihren Weg kommt, und die nur die verschont, die mitten hineinspringen. Er wurde herumgerissen und hörte die Schreie zweier verlorener Seelen, während er ein zitterndes, schmächtiges Handgelenk umklammert hielt. Die Welle schlug über ihm zusammen und riss ihn in Schmerzen umher, verwandelte sich in eine grellgrüne Flammensäule, die ihn in den Himmel hinaufwarf und in einen wohligen Rauschzustand, und ihn dann wieder in ein Meer aus grünlich brodelnder Lava fallen ließ, bevor ein neuer, wunderschöner, betäubend sonderbarer Grünflammenstrom ihn in die Luft riss - in einen Himmel aus reinem Schwarz.

Als er wieder fühlte, war jeder seiner Finger gebrochen. Doch losgelassen hatte er nicht.


Er riss die Augen auf und fuhr hoch. Schwankend suchte er nach einem Punkt der Orientierung und fand ihn in seiner Angst. Er war der Verzweiflung oft nahe gewesen, aber noch nie hatte er ihren Kuss so grausam gespürt wie nun. Er sank keuchend auf den Rücken und griff nach dem Leinentuch, wischte sich Schweiß von den Schläfen. Ihm war kochend heiß und erst die Wärme der Nähe beruhigte ihn wieder. Er wollte Wache halten. Sein Schlaf war in diesen Nächten alles andere als erholsam.


Zuletzt geändert von Phobie: 30.12.05, 04:00, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Dunkeltieftraum III
BeitragVerfasst: 31.12.05, 19:24 
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In schimmerndem Schwarz lag die Welt um ihn. Nackt lag er im Schnee, zitternd und im Taumel zwischen Verzweiflung und Übermut. Aus dem Dunkel trat eine Gestalt auf ihn zu, in tiefschwarzes Tuch gehüllt. Undeutlich konnte er die Konturen ihres Gesichts ausmachen; er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass sie vor ihm stand.

"Ihr habt mich verraten."
"Das habe ich nicht ... es war notwendig, Teil des Wegs. Ich habe Euch nicht ..."
"Ihr wisst es selbst."

Er wandte den Kopf zu Boden und schrie innerlich. Ja, er hatte sie verraten, und er hasste dafür. Sich selbst. Und sie. Und dennoch hatte er sie verraten.

"Was ist aus Euch geworden. Was ist aus mir geworden."

Dumpf hallten ihre Worte in seinem Kopf nach, und er hätte Tränen vergossen, wenn er die Kraft dazu gefunden hätte. Er hob den Kopf an.

"Ihr werdet mir nicht vergeben. Ich will es nicht. Ihr werdet mir Mentorin bleiben."
"Du wirst ein unverbesserlicher, schlechter Schüler bleiben."
"Ich werde Euer Feind."
"Ja. Und nein. Euch fehlt die Kraft, mir ein Feind zu sein. Ihr habt nur den Willen. Das wird Euch ins Verderben stürzen."

Ein stummes Leidenslächeln, als er in sich zusammensank. Er fürchtete ihre Worte und er zitterte.

"Widmet Euch dem Jetzt. Was aus uns geworden ist, ist nurnoch zweitrangig. Seht, was aus ihr wird."


Er riss die Augen auf.


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 12.01.06, 02:38 
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Träumer, Wicht, Scharlatan!
Was hast du mir nur angetan?

Verfallen, vergessen,
verloren, zerfressen,
geschlagen, gelebt,
gehasst und zerstört,
gebetet, getrauert,
geweint und bedauert -

Nein! Mein Scharlatan,
weißt du nicht, wer ich bin?
Ich folge dir in totem Wahn,
doch du kennst nicht meinen Sinn.

Muss ich mit Rosendorn dich stechen,
muss ich mit deinem Willen brechen,
muss ich kämpfen, um zu siegen,
tanz ich meine Sehnsucht in ewigen Kriegen?

Hast mich geboren,
hast mich erzogen,
hast mich betrogen,
hast mich belogen.

Schwelend schwarzer Schattentanz!
Leidend lüstern Lichterglanz?

Mein Scharlatan! Was bist du blind,
trägst kindlich strahlend schöne Grübchen,
und bist doch nimmermehr ein Kind,
schaffst Kinder, Kinder zu zerstören,
spielst mit den Kindern, armen Würmchen,
letztlich zersplitternd Traumesschein!
Willst du mein Gebieter sein?
Bist doch geschaffen zum Gebieter,
suchst jene, die dich hörig hören,
schweifst deinen Tanz in stillem Hass.
Verdirbst heut wieder ein Gänseblümchen?


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BeitragVerfasst: 12.02.06, 03:48 
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Krachend zog ein Donner durch die Nacht und Blitze erhellten das Firmament. Schwarze Wolken zogen am Himmel entlang und der Vitamalin stand in seinem goldenen Glanz bedrohlich und groß am Himmel.

Prasselnder Regen senkte sich über das Land und weichte den harten Boden der Ebene im Osten Malthusts auf. Er streckte die Arme zu den Seiten aus und hatte das Gefühl, als würde der Regen nicht nur Blut und Schweiß von seiner blassen Haut waschen, sondern als würde jede Sünde durch das kalte Wasser aus seiner Seele gewaschen und an der Haut abperlen und zu Boden tropfen, sich hineinsaugen in die mit dem Blut unzähliger Schlachten getränkte Erde.

Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter, während er weiter mit geschlossenen Augen und dem Kopf tief in den Nacken gelegt vom Regen fror, schauderte und genoss. Sie hatte ihr Duell überlebt - aber sie war nicht unverletzt, denn dann hätte sie sich nicht so schwer an ihn gestützt.

Er wandte sich um, betrachtete den makellosen Körper vor sich, geziert von zwei Schnitten an Hüfte und Schulter. Dunkles Blut hatte sich zu Krusten verflochten und der Regen schmiegte die dünne Kleidung fest an die Konturen des Körpers. Die karge Landschaft, die verdorrten Bäume, ihre glatten schwarzen Haare, ihr eleganter, keiner Fassade bedürftiger Körper, die Kälte, die mit dem Wasser unter die Kleidung kroch ...


Er verwarf die Erinnerungen, während er mit den Fingern über die kalten Steine der Mauern des Ostwalls fuhr. Noch während er sich davon überzeugte, dass das Schwelgen in der Vergangenheit ihn nichts als Kraft kosten würde, während er sich noch versicherte, dass die Vergangenheit egal und nichtig war und dass die Zukunft es war, die es zu bewältigen galt, stahl sich dieses Stechen in seine Brust, dieses heiße, tiefe, klirrende Stechen, das sich einstellt, wann immer sie vom Geist auf den Leib übergreift, lähmend und Demut erzwingend: Sehnsucht.


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BeitragVerfasst: 18.03.06, 03:50 
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Das bizarre Gemälde zeichnete sich wieder und wieder vor seinen Augen ab, einprägsam, vertraut, verhasst und verworren. Irgendetwas war anders, von Mal zu Mal, er konnte es sich nicht erklären - Alpträume waren -

SCHREI wenn du kannst und wenn nicht dann wirst du jammern und zittern und leiden unter meiner hand und du wirst sehen wie ich dich aussauge bis auf den letzten tropfen deines lebens werde ich dich kosten und es wird mich nichts und niemand daran hindern und du schon garnicht

- normalerweise von einer fast akribischen Ordnung; immer wiederkehrend, aber irgendetwas stimmte nicht und wollte nicht in Ordnung kommen. Es frustrierte ihn, und zugleich faszinierte es ihn.

Ein kleiner Tropfen Blut, ein kleines Seufzen -

SCHREI wenn du willst es wird dir sowieso nichts nützen du bist verloren seit dem ersten tag und es gibt nichts womit du dich retten kannst aber du wirst es ohnehin nicht weil du feige bist feige und hilflos und ein weinerlicher kleiner scharlatan und du wirst sehen wie dein spiel dich besiegt

- und er fiel wieder in unruhigen Schlaf.


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BeitragVerfasst: 3.05.06, 03:28 
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***

Der kalte Herzschlag in seiner Brust war alles, was er wahrnahm. Fast alles, da war noch dieses Summen, woher war er sich nicht ganz sicher, aber es ging von hinter ihm aus. Oder vor ihm. Oder sonstirgendwoher, eigentlich von überall her. Er entsann sich, konnte die Szene nicht einordnen. Aber etwas war da anders. Etwas war da falsch. Etwas war da ungewohnt. Etwas störte die Vertrautheit. Etwas war da. Als ihn die kühle Haut auf der Wange striff, fühlte er sich wohlbehütet, die Ohrfeige wohlbekannt, ein Ritual wie andernorts der Kuss zum Morgen und der Kuss zum Abend. Doch irgendetwas an diesen schlanken Händen war falsch, irgendetwas war mit den Narben geschehen, irgendetwas ...

Als ihm die geschwärzte Klinge die Hand schnitt, quoll dunkles Blut hervor, troff in das klare Wasser und vermischte sich mit ihrem. So gewohnt, so klar, so geliebt wie gehasst. Rote Wolken zogen sich durch das Wasser, beträufelten Reinheit mit Schuld, doch das Blut rann falsch, folgte anderen Adern. Als er ihr schwarzes Haar von ihrem Rücken flocht, streifte er eine Ohrspitze, die ihn aufschreien ließ.


***

Bittersüße Tränen rannen von seinem Kinn in ihr Haar, goldblond und wunderschön, verzaubert von der Kälte des Todes und nur noch unerreichbarer, noch gottgleicher. Seine Fingernägel krallten sich in die sterbende Haut und wollten sie nicht schwinden lassen; der reingoldene Bolzen, der ihre Brust durchbohrte, gab dem Blut einen unbefleckten Anschein, warf den Schein Felas an einem frohen Vitamamorgen umher. Er sog den frischen Duft der Natur ein, vergaß Blut und Vergänglichkeit, ließ den toten Körper fallen. Schlaff fiel der Leib herab und bizarr drehte sich ihr Kopf ihm zu, die Gliedmaßen ungelenk verwirrt - und ihr Gesicht starrte ihn an, die eisigen Augen, tot und viel zu lebendig, durchbohrten die seinen und ließen ihn jedes Leid seines Lebens kosten.


***

Es spürte noch die schmerzhaften Überreste der Reinigung. Dünne Kratzer durchzogen sein Gesicht und brannten wie Feuer, Wut brannte in ihm gemeinsam mit ihnen und flackerte auf und auf, höher und höher, in ungekannter Macht riss sie ihn zwischen Wahn und rationalstem Hass hin und her, begann in ihm zu brodeln. Er sah vor sich den aufgebahrten Leib der Versagenden, andächtig geschlossene Augen, eine schlichte und saubere Wunde, die mitten durch das Herz gestochen war, kein Tropfen Blut vergeudet. Er strich über die warme Haut, erinnerte sich an das Gefühl, sie sterben zu sehen, und empfand soviel Empörung wie auch zuvor - nicht die geringste. Sie war gefallen, hilflos und im Versagen.

Doch dann berührte ihn ihr Blick, unter den geschlossenen Augen, er zwang sich, sie nicht weiter anzusehen, und fing den Blick von zwei Augen auf, die ihn aus dem Torbogen anstarrten. Verborgen hinter elendig ewigem schwarzem Haar, das nirgends zu enden schien, funkelten sie ihm entgegen, plötzlich jedoch zog sich Haarsträhne um Haarsträhne empor, gleitend wie durch Wasser, und sie schritt auf ihn zu, ein Kranz auf Licht umgab sie, und das so schöne, geliebte, verhasste und bittersüße Bild ihrer Züge schrie in seinen Ohren nach dem Ende. Doch er verbot sich jeden Gedanken an ein Ende. Jede Hoffnung, jede Angst.


***

Ledrige Flügelschwingen trugen das Wesen in die Ferne, das vor wenigen Augenblicken seinen Körper beinahe zerrissen hatte. Das geifernde Krächzen der tausend Stimmen, vereinigt zu einem einzelnen kehligen Keifen, verlor sich in seinen wirren Gedanken, die von Flucht, von Einstmaligkeit, von der Schönheit sangen. Er hatte verloren, was er erhofft hatte.

Er nahm kaum wahr, wie sehr sich die Bilder verzerrten, wie er versorgt wurde, was auch immer mit ihm geschah. Es sang in seinen Ohren ein Lied von Angst, Sorge, Hilflosigkeit und ... irgendwo, im tiefsten Mitklang, konnte er die Rache necken hören.

Die verzerrten Dimensionen dämonischer Natur zwängten sich ihm auf und wieder war etwas anders. War etwas falsch. War etwas ungewohnt. War etwas schlimmer. Und noch während die behornten Gesichtszüge verschwammen, noch während die Klauen sich zu schlanken Fingern ausdünnten und noch während das kehlige Flüstern des Dämonischen eine Stimme annahm, die er niemals sosehr erlebt, die er zutiefst fürchtete, dort zu erkennen, und die er den neun Niederhöllen nehmen würde - noch währenddessen verschloss er die Augen, fürchtend, wissend, erwartend.


***

Als der Morgen graute und die glänzenden Tränenfäden auf seinen Wangen zu hellem Salz zu trocknen begannen, fand er sich wieder in einem chaotischen Zustand zwischen tausend Wahrnehmungen.

Angst, Angst, Angst, Angst, für einen Augenblick war er wie von Sinnen. Und dann kam ein Hauch von Ruhe und eine Erkenntnis, die ihn schaudern ließ.

Rache. Aus tiefstem Herzen. Um jeden Preis.


Zuletzt geändert von Phobie: 3.05.06, 13:32, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 14.07.06, 03:45 
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Angenehm kühl legte sich der laue Wind des Dunkelzyklus um seinen Körper, eine Gnade nach der Hitze der vergangenen Tage. In der Stadt griff die Seuche um sich, und bisher hatte es all jene, die es ihm wert waren, verschont. Noch sah er keinen Grund, sich um ein Heilmittel zu mühen.

Irgendetwas in den letzten Tagen hatte Erinnerungen an Vandrien, an Pas geweckt, die ihn beständig im Traum heimgesucht hatten.
***
Das schwarze Konvent hatte sich auf der Gebirgshöhe versammelt. Der Tod der Bediensteten des herrschaftlichen Anwesens war gesichert, ihr Überleben nurnoch ihrem Dienst während des Konvents gewidmet. Der Hochmagus, der das Konvent führte, hatte den Ort auserkoren - Streit mit dem Gastwirt, so hieß es.

Er war damals lediglich Begleitung und froh, den Ort zu verlassen. Sie hatten ihn merkwürdig betrachtet - er wurde als Spion verdächtigt, doch sein Bürge war einflussreich. Als es dunkel wurde, stahl er sich auf das Zimmer. Im Morgengrauen würden sie abreisen - und die ganzen zweifelhaften Gestalten, von denen vermutlich jeder Zweite zu Allem für seine Ziele bereit war, hinter sich lassen.

"Schwarze Dämmerung", nannte sich die Bettlektüre, die er an diesem Abend durchblätterte. Das Zimmer war geräumig, da man ihnen ein Zimmer zu zwei Personen zugewiesen hatte; doch nach zwei Jahren bevorzugten sie es noch immer, ihre Bettstätte nicht zu teilen. Ein leises Zischeln erklang plötzlich neben ihm, und er sah auf, hielt es für Einbildung. Merkwürdig sogen sich die Schatten des Raumes zu einem Punkt vor ihm, ließen dort einen schwarzen Riss durch den Raum eröffnen, und im nächsten Augenblick schloss er die Augen, da ein Hinsehen so entwürdigende Angst offenbart hätte.

"Ihr habt schon besser ausgesehen, Rurai ..."

Er mühte sich, es als Einbildung, als Traum, als eine Eskalation seiner Übernächtigungen in logische Form zu zwingen, doch etwas daran war unmissverständlich real.

- "Ihr wisst, dass ich diese Anrede nicht mag."
"Es tut mir leid."
- "Das bildet Ihr Euch im besten Falle ein."
"Von uns beiden warst du stets der Wohlerzogenere..."
- "Ihr konntet Euch im Gegensatz zu mir etwas anderes leisten."
"Öffnet Eure Augen."

Der rasche Herzschlag, die Nervosität, der kühle Schweiß waren umsonst. Der Körper der Frau schmiegte sich in einen länglichen schwarzen Mantel, der die Formen des Leibes eher hervorhob als verdeckte, und er musste unwillkürlich lächeln. Die Hochmaga war unter den Konventgästen gewesen - eine Spionin. Die schwarzen Magier des Ungenannten und die schwarzen Magier jenseits dessen standen seit langem in einem beständigen gegenseitigen Hass und einer merkwürdigen Art des Respekts vor dem Anderen, die gemeinsam dazu führten, dass jede Seite über jeden Schritt der anderen Bescheid wusste, und man sich zu sehr voreinander fürchtete, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Und doch wurde intrigiert, bezahlt, gemeuchelt und vertuscht, wo es möglich war. Schwarzmagier waren so ... berechenbar.

Sharava von Bernstein - eine blondlockige, verarmte Adelige von vornehmer Blässe, die er vor etwa einem halben kennengelernt hatte - trat zu ihm hin und neigte sich leicht zu ihm herab. "Eigentlich muss ich des Wahnsinns sein, mich irgendjemandem hier zu offenbaren. Ob ich Euch vertraue ..."
Ein nachdenklicher, starr musternder Blick berührte ihn, und es belustigte ihn, dass sie ihn schon bei ihrem ersten Treffen nicht einen Augenblick darüber im Unklaren gelassen hatte, wer vor ihm stand. Sie musste von unsäglicher Macht sein, vermutlich erschreckender Macht, und sie hatte sich in den fünfzig Jahren trotz ihres menschlichen Scheins nicht verändert.

- "Was möchtet Ihr hier? Nostalgie treibt jemanden Euresgleichen nicht in solche Gefahr."
"Um ehrlich zu sein, will ich Euch warnen."

Die blasse Schönheit näherte ihr Gesicht dem seinen.

"Um ehrlich zu sein, wisst Ihr genau, weshalb ich hier bin. Ich bin hier, weil meinesgleichen seit Jahrtausenden einen Krieg führt, der ohne Waffen und Magie gefochten wird. Wir suchen, wir lauschen, wir lesen und sehen. Darum leben wir. Gerade Ihr solltet dafür Verständnis haben.
Ich will Euch warnen, dass Ihr Euch in wichtiger Begleitung befindet. Ihr werdet als Erpressungsmittel erwogen. Wir wissen um viel mehr, als Ihr Euch vorstellt. Ihr wärt ein guter Tausch ... unabhängig vom Ergebnis."

Es begann zwischen den spitzen Ohren zu arbeiten. Das Weib war klug - klüger, als sie sein konnte, wenn sie ihn vorwarnte.

- "Warum erfahre ich das?"
"Weil dieses Spiel so konzipiert ist, dass Ihr es erfahrt."
- "Dann habt Ihr es nicht selbst konzipiert."
"Wer bin ich, dass ich mir anmaße, den Krieg zu führen. Ich bin kaum mehr als ein Soldat."

Sie kam ihm mit dem Gesicht so nahe, dass ihre Nasenspitzen sich zu berühren drohten. Das vornehme, sehr hübsche Gesicht verzog sich zu einem bittersanften Lächeln, und die grauen Augen sahen in die seinen. Er wagte nicht zu atmen, während ihr heißer Atem sein Gesicht streifte. Die schlanken Finger wanderten in seine rechte Robentasche, und er schloss seufzend die Augen. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass sie den zweiten Knopf öffnete und aus der dünnen Tasche eine blonde Loche zog, einen prüfenden Blick darauf warf und sie in ihrer eigenen Kleidung verschwinden ließ.

"Du bist nicht dumm, doch man sollte seine Grenzen kennen... - und ganz besonders seine Freunde."

Einen Augenblick lang daurte es, bis sein Verstand in der Lage war, zu akzeptieren, dass ihre Augen gerade für einen Augenblick eine andere Färbung angenommen hatten und zu tausenden winzigen Augen verschiedener Farben verglommen, die gemeinsam ein Mosaik aus Pupille und Augapfel formten. Dann begann sie zu lächeln, die Lippen teilten sich und ein vergnügtes Kichern hallte durch den hohen Raum. Er war nicht in der Lage, zu sprechen. Angst flutete durch seine Adern.

"Seid vorsichtig ... und wahrt künftig einen Abstand von mir - und allem, das Ihr von mir haben solltet - der mir gebührt... Ihr wart sonst auch nicht so unhöflich."

Noch immer brauchte er Zeit, die merkwürdige Anomalie zu deuten, und da wurde sie seinem Denken auch bereits vorweggenommen. Sharava von Bernstein schlug den weiten, schwarzen Mantel erneut weiter um sich und fuhr herum zur Balkontür, als sie für einen Augenblick innehielt. Sanftheit und Vergebung flüsterten nun von ihren Lippen.

"Ihr solltet wirklich vorsichtig sein ... mor-nyril'eij."

Von hinten war es deutlich zu erkennen. Die Schuhe waren verformt, darin steckten keine gesunden Füße. Jede Bewegung wirkte schwankend, jede Regung der Arme eckig. Die Finger unter den Handschuhen waren reglos. Als sich der makellose Leib über die Brüstung des Balkons stürzte, flog der Mantel empor und offenbarte lange, wie kleine Dornen stehende Haare an den Beinen der Frau. Der merkwürdige Blähkörper zwischen den Knien schimmerte prall und gräulich im Schein der Monde. Und zwei kurze, in langen Stacheln endende Spinnenbeine schmiegten sich an die Oberschenkel.

Als die Hochmaga von der Dunkelheit verschluckt war, verschloss er Türen und Fenster. Hastig verzog er die Vorhänge und verschwand unter der schweren Bettdecke.

Dann kam die Furcht. Sie war fort, doch sie wusste, und sie wusste so viel. Es mussten Verräter existieren, es mussten Informanten sterben. Doch konnte er verantworten, seine Mentorin einzuweihen? Sie würden ein Dutzend sterben lassen, die zwölf Untreuesten, und er wollte nicht mehr Blut fließen lassen, als es nötig war. Er war selbst nur durch Glück der letzten "Bereinigung" entgangen, und er erinnerte sich gut an den Hass, den er dieser Willkür wegen empfunden hatte.

Er entschied sich, halb träumend, für das Schweigen. Er würde selbst bereinigen, wenn es an der Zeit dafür war. Er wäre präziser. Es war der Wunsch der Hochmaga, eine Bereinigung zu provozieren. Sie wollte Blut durch eigene Klinge fließen sehen. Er durchschaute sie. Dieses eine Mal.


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BeitragVerfasst: 12.08.06, 05:06 
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"Schweig! Du machst dich lächerlich."

Sie biss sich auf die Unterlippe, und er spürte ihre Unentschlossenheit, als schwanke sie zwischen Hass und Ergebenheit. Er fand Worte, und sie sollten ihr eine Ohrfeige nach der anderen auf die schmalen Wangen schlagen. Ein merkwürdiger Zorn beflügelte ihn, gab ihm Kraft und Ausdauer, sie in seinen Händen zu zerreiben, nur um sie dann wieder zusammenzusetzen. Doch für heute genügte dieser kleine Schlag auf die Wange ... eine Warnung, und ein Versprechen, dass es nicht enden würde. "Mir fehlen zwei Nächte, dir fehlt der Schlaf."

Als er nun über den Marktplatz blickte und außer dem üblichen, wüsten und geistlosen Pack nichts vor sich hatte, sann er nach. Da waren Dinge, die mussten erforscht, erklärt und bereinigt werden. Dinge, die ihm überhaupt nicht gefielen, ob es nun die Kratzer, das Blut oder die Furcht waren. Ein gewisser Ekel köchelte in seinem Herzen, als ihn die Kratzer an die letzte Nacht erinnerten - an die Krähen, an die Stimme, an das Gefühl vollkommener Machtlosigkeit ... wie sehr er ihr ähnelte, erschreckte ihn in diesem Moment nicht - doch es war erstaunlich.

Sie sucht... einen Diener, Bester. Ja, sie suchte - und offenkundig war sie bislang nicht fündig geworden.

Einzelne, die sie mehr quält, die sie lieber quält als uns alle ... - Ja, er musste es sich eingestehen, der Gedanke, Perfektion zu spüren, war berauschend und beängstigend, doch etwas in den rabenhaften Augen hatte in ihm Wut erweckt, hatte ihre Worte wahr werden lassen. Du wirst mich hassen ...

Er wollte den Kuss des Dämonen weiterreichen, was für eine absurde Idee - und was für eine Verlockung. Doch nicht nur sie schob seit Jahren eine Entscheidung vor sich hin - er war genauso, so ging es, seitdem damals seine Lippen ihre Stirn das erste Mal berührten. Er hatte das Mittel in der Hand ... es konnte beginnen. Es würde beginnen. Er fürchtete sich vor dem, was geschehen würde. Vor dem, was geschehen könnte, würde er sehen, dass sie stärker war als er. Solange sie Tochter war, war sie verletzlich. Solange sie Schönheit war, war sie verletzlich. Nun war sie Schülerin. Es war etwas anderes.

Ich ... ich ... will nicht ...

Dann kam dieser Moment der köchelnden Neugierde zurück und er musste dem nachgehen, es schrie förmlich danach. Schweigen heißt Geheimnis, Geheimnis heißt fragen, fragen heißt Nachdruck, Nachdruck heißt Konsequenz, Konsequenz heißt Härte, Härte heißt Erbarmungslosigkeit.

In seinem Kopf arbeitete es. Der Plan war bereits so gut wie umgesetzt. Es fehlten noch ein paar kleine Schritte. Sie würden sich fügen. Gegebenenfalls sich zeigen. Ein Lächeln, eine Entscheidung. Sehnsucht schwächt dich. Mitleid schwächt dich. Sei nicht schwach. Distanz. Sachlichkeit. Es ist nur Blut, das an deinen Händen klebt. Nichts als Blut. Es wird vergessen. Du wirst es vergessen. Sei nicht schwach.

Plötzlich wurde er gewahr, dass ein einzelner, dunkler Fleck auf dem Pergament in seinen Händen lag. Er tastete nach seinen Wangen, und ungläubig führte er seine Fingerspitzen an die Lippen. Salz. Tränen.


Zuletzt geändert von Phobie: 12.08.06, 05:17, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 14.08.06, 03:13 
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Als er nackt auf dem dünnen Laken lag und nurnoch ein einzelnes Kerzenflackern den Raum erhellte, griff er nach der dünnen Phiole neben seinem Bett und strich mit den Fingern über das schmale Glas. Ein verstohlenes Lächeln, ehe er sie wieder verschwinden ließ.

Die Gedanken kreisten um ihre Worte. Doch verlangte er wie immer einen Preis. Ein Pakt - wie ein Dämon. Er musste lächeln - und während er da stand, das Meer anstarrte und den Wellen mehr lauschte als den Worten, da glomm ein Gedanke auf, so berauschend, so unglaublich befriedigend, so erleichternd und so erfüllend. Er war ihm so ähnlich ... Er war ebenso verloren ... doch er hat versagt, er hat den Krieg verloren ... ein Sklave geworden, einsam unter tausenden Gleichen.

Der Gedanke faszinierte und verstörte ihn. Es ähnelte so sehr dem, wovor er sich fürchtete ... und es beruhigte ihn so, sich einzubilden, dass es ihm genauso ergangen war ... Eifersucht war etwas, das er hasste und ebensosehr verehrte. Zur Eifersucht gibt es keinen Grund mehr ... - wie tief hatte es geschnitten. Wie tief saß es noch jetzt, als es geendet hatte. Er hauchte einen Kuss auf das dünne Glas der Phiole und ließ sie wieder verschwinden.

Sein Blick wanderte zu dem dornigen Rosenstiel in dem Wasserglas. Noch wuchs er nicht, doch das würde er ändern ... Vom Bittersüßen das Süße, vom Grässlichschönen das Schöne ...

Zuletzt war es an der Zeit, nun Kontakte zu nutzen. Er würde an einem Faden ziehen, der die Marionetten tanzen lassen würde, als kochten die unheiligen Flammen der Niederhöllen unter ihnen. Er beleckte die Lippen und stieß ein Seufzen aus. Was für ein Glück. Was für ein Zufall. Was für ein Segen. Was für eine Schuld.


Zuletzt geändert von Phobie: 14.08.06, 03:13, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 26.08.06, 11:54 
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Leises, belangloses Gespräch. Während die beiden in dem engen Zimmer saßen und die Rothaarige belanglose Fragen stellte, pochte es an der Tür. Ein Aufblicken, Skepsis - zu spät für unangenehmen Besuch.

Die eleganten Schritte der Elfe führten zur Tür, drehten den Schlüssel im Schloss und starrten einer Leiche entgegen. Verbrannte Haut, verbranntes Gewand, der Rücken ein einziges Loch. Eilig führten die Schritte der beiden Sterblichen hinter dem Wesen her, gelockt, heraus aus der Siedlung.

"Der Morgen erwacht, und die Krähe ruft!"

Während die bebenden Schritte dem Wesen folgten, halb Frau, halb Federvieh, über den vertrauen Marktplatz fort in den Wald, wisperte die Rothaarige an ihrer Seite leise und energische Worte auf die Elfe ein. Doch sie zogen vorbei, ungehört in reiner Angst ...

"Du sollst mich lieben lernen, denn anders als euresgleichen bin ich gerecht. Ich hasse und strafe unabhängig von Geschlecht, Rasse und Schuld ... jenes Prinzip der Menschlichkeit, wie einige eurer klugen Köpfe es so gerne preisen ... ich lebe es."

Ein rascher Befehl, und die Elfe wand sich stummen Schmerzes in den Fesseln des Astwerks eines Baums. Die Rothaarige kam ihrem Befehl nach, einem zu neugierigen Reh den Hals durchzuschneiden und dem gefiederten Weib das Blut heranzutragen.

"Mut ... das hat dich gerettet. Beachtlich, Elf ... und ein Pakt, der mich nicht mehr lange binden wird. Du darfst leben - bis du dir wünschst, es nicht mehr zu tun. Dann ... dann will ich gnädig sein. Ihr habt die Angewohnheit, so schnell kaputt zu gehen ..."

Plötzlich hoben sich die krallenbewehrten Hände an, legten sich sanft um ihren Hals und bohrten blutige Wunden durch die Haut. Wie zum besiegelnden Kuss neigte sie sich vor, und die tausenden Krähen in den Baumwipfeln begannen zu schreien, in Unruhe und Begeisterung.

Vor seinem Gesicht hielt sie inne. "Dieser kurze Moment des Wimmerns ... er wird mir eine Wohltat sein. Mir und meinem geschundenen Herzen ... ach, was weißt du schon, was wirst du mich je verstehen können!"

Dann begann das Gift zu wirken. Durch ihren Körper floss Schmerz, brennend kochten die Wunden an ihrem Hals und nichts als ungezügelte Furcht raste durch ihre Adern. Ein benommener Zustand der tiefsten Angst stellte sich ein und bei ihrem Erwachen lagen die kräftigen Arme der Rothaarigen um sie, zärtlicher als alles zuvor gefühlte, eine Wohltat nach der Berührung der Kreatur. Ihre Hände beschmiert mit gellend rotem Blut, beider Leiber befleckt mit der Sünde.

Mit einem schallenden Krächzen erhoben sich die tausenden Krähen von den Bäumen und schwanden am Himmel. Zurück blieben Schmerz und Verwirrung und vollkommene Furcht.


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BeitragVerfasst: 22.09.06, 07:30 
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Zitternd stand der von der Nacht ausgekühlte Leib im rasenden Wind. Das Blut war inzwischen getrocknet, die zahlreichen rostroten Flecken auf Gras und Fels waren alles, was noch Zeuge der vergangenen Augenblicke war. Sein Rücken glänzte vor grellroten Fäden und der schlanke Dolch lag mutterseelenallein im Gras. Er fühlte sich leer. Er fühlte sich ausgeblutet. Er fühlte sich verraten. Er fühlte sich hilflos. Es trieb ihn förmlich in den Wahnsinn.

Sie wollte ihn herausfordern? Ein Spiel, ob freiwillig oder nicht, Dummheit war er nicht gewohnt und sie hätte ihn überfordert, doch daran glaubte er nicht. Das war mehr - doch an Wegen und Mitteln mangelte es nicht. Woran es mangelte, war sein Willen, seine Sicherheit, und Konsequenz. Wie ein Kind hatte er reagiert - wie so oft - und er hätte den Tod vorgezogen, wäre er fähig dazu gewesen. Doch er war es nicht. Er widerte ihn an. Und da war dieses tief verdrängte Wissen darum, dass er einen Fehler gemacht hatte ...

Die Gedanken daran begannen das Spiel von neuem. Er war sich bewusst, dass es seine Schuld war, und dass er sie auslöschen würde. Wie, das stand abzuwägen. Ob, das war keine Frage - das war ein Schrei von Wut und Unfähigkeit, sich mit etwas anderem zu begnüden.

Als erneut das dünne Leder über die inzwischen flammend rote Haut schlug, sank er keuchend in die Knie. Da war kaum mehr Blut, einen Schlag zu spüren. Er würde sich umbringen. Für einen Augenblick war die Welt klar. Sie ein verwirrtes Kind, das nicht unterscheiden konnte zwischen gut und schlecht für sich, das nicht unterscheiden konnte zwischen sinnvoll und dumm. Er war die Essenz, Entscheidungsbringer und er verfügt über diese Übermacht, an der er seinen Durst zu stillte. Die Welt um ihn herum war ein Farbenmeer, geprägt von schleierbedeckter Übermacht. All das war absurd und falsch. Das Kind hatte ihm tiefe Wunden zugefügt, auf die er alles andere als übermächtig reagiert hatte. Er war in seinem Wunsch danach ertrunken. Die Gesichtszüge verkrampften sich vor Zorn und ein heller Knall jagte über die felsige Kluft in die Dunkelheit.

Als er Kraft schöpfen wollte, fand er keine. Im letzten Augenblick raste ein schmerzliches Flüstern durch seine Schläfen, das ihn in das feuchte Gras sinken ließ. Knie' vor ihr. Du verdienst es nicht anders. Du ... Narr.

Vor seinen Augen klebten die eigenen blutroten Tropfen, als sein Bewusstsein ihm entglitt. Gänzlich aufgehend in der Überzeugung seiner eigenen Schuld.


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BeitragVerfasst: 2.10.06, 03:05 
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Narr, ich sagte, du sollst knien vor ihr ... du bist so lachhaft ... du wirst fallen, tiefer, als sie es dir verspricht, und du wirst schmerzhafter aufschlagen, als sie es sich nur vorstellen kann ... sie kennt dich besser als du, und selbst wenn du in dein Spiegelbild siehst, wenn du die Sorgen in deinen Augen glänzen liest - du willst es nicht wahrhaben. Hast du so lange zugesehen, wie er scheiterte, dass du den Sinn für das Scheitern verloren hast? Du warst früher kein solcher Narr ...

Das Zittern wurde heftiger und die Kälte schnürte ihm förmlich die Kehle zusammen. Als er an einer morschen Kastanie nicht mehr die Kraft fand, weiterzuirren, versuchte er, was Sterbliche tun, wenn Hilfe gebraucht wird, wo keine ist - zu beten. Doch da war nichts, nicht heute, nicht in den letzten Tagen. Königin Mutter schien sich mit Gottkönig Sohn der Nacht in die Weiten der Finsternis aufgemacht zu haben, und hatten ihn einsam gelassen.

Narr, ich bin es leid, wie du immer wieder erbärmlich bist, erbärmlich, erbärmlich, erbärmlich - hast du eigentlich einmal gesehen, wie lachhaft das aussieht? Bestimmt, aber du lügst dir vor, du wüsstest es nicht, du lügst, du musst ja schließlich lügen, sonst würde es brechen, das dünne goldene Eis um deine schönen Augen, und das wollen wir - entschuldigung, das willst du ja nicht ... weißt du, manchmal bist du wirklich mitleiderregend ... so unendlich kindlich ... es dreht sich, das Spiel ... bemerkst du es?

Krampfhaft suchte er nach Worten, nach ihrer Nähe, nach einer Berührung, die ihn aufatmen und sichergehen ließ, dass er nicht allein war, doch er war allein und je bewusster es ihm wurde, desto lauter sprach die kleine Zweisamkeit, verlachte ihn und doch war er sich sicher, dass da eine Zuneigung war, die über Leben und Sterben hinausging ... er zitterte ...

Narr, du lauerst so lange und du hältst dich für so unendlich klug, für so unendlich weise, hörst du nicht ... spürst du nicht, dass sie weise ist ... dass sie es beherrscht, viel mehr als du es tust? Du bist so naiv ... so hilflos ... so mitleiderregend, aber das sagte ich schon ...

Ein stummes Abwägen, als er den mattschwarzen Fleck am Himmel fand.


Zuletzt geändert von Phobie: 2.10.06, 03:05, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 19.03.07, 08:58 
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Die Fingernägel in den Handballen vergraben stand er da und starrte in das rauschende Wasser. Du Verwirrter. Armseliger. Bemitleidenswert bist du! Er wollte sich gerade ohrfeigen, um zu klarem Verstand zu finden, als ihm das eine aus den Schatten sich lösende Gestalt abnahm. Er blinzelte.

Was soll das? - ... hast du vergessen, wer du bist? Was du bist? Ein Verräter, ein einfacher Verräter ... hast du gedacht, ich vergesse dich?

Seinen Ohren widerstrebte es, sich dies weiter anzuhören. Sie würde ihn fraglos dem Tod überantworten, also war es nicht wichtig, was sie zu sagen hatte. Er kannte sie. Viel zu gut.

Dass er die grüne Robe, die sie trug, nicht erkennen konnte, ermutigte ihn etwas. Es gab ihn der Illusion hin, all das sei ein Trugbild seines Geistes, ein wirres Spiel seines Frierens, Zitterns, seiner Wut und auch seiner grausamen Erregung. Noch während sie sprach, nahm er die dünne gläserne Phiole aus seinem Hemd, entkorkte sie und trank das kleine Röhrchen in einem Zug aus. Komme, was wolle. Meist nahm es diesen Augenblicken den größten Teil der Schmerzen.

Oh, er hätte sie geschlagen, zu anderen Zeiten. Ein unsanfter Wangenschlag war manchmal eine kluge Lösung, wenn man sie sich leisten konnte. Bedauerlicherweise hatte er ihr in diesem Fall zugestehen müssen, dass sie recht hatte - still und für sich, um seinen Stolz nicht zu verletzen.
Ich brauchte einen Tropfen Blut, und ich wollte sehen, ob sie noch dort ist ... nein, es war wohl klüger gewesen, ihren Zorn in Kauf zu nehmen. Ihren Spott ... und den Verlust der Gnade ihrer Zuwendung. Es gab Dinge, die sagte man einfach nicht.

Plötzlich schrak er zusammen, als die Lippen der Robenträgerin sich auf seine pressten, und er war unfähig, sich zu regen. Seine Gedanken wurden ziellos, der kalte Wind nahm Überhand. Obgleich seine Lippen nach nichts schmeckten, hustete und keuchte er, als er nach wenigen Augenblicken am Boden lag, ihren unbarmherzigen Griff um seinen Hals spürte. Du solltest schon viel zu lange tot sein ...

Sein Verstand verlor seine Aufmerksamkeit an seine Träume. Das Gift begann zu wirken.


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BeitragVerfasst: 26.03.07, 00:21 
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Seit er beschlossen hatte, sich gelegentlich wider seinem Willen in das zu fügen, was sie wünschte, fragte er sich immer wieder, ob das klug gewesen war. Es verunsicherte sie, und nicht nur das. Er ließ den Ring in seiner Robe verschwinden. Sie hatte nun ein weiteres Mal Gelegenheit, ihn davon zu überzeugen, dass sie es ernst meinte.

Dieses Mal jedoch wusste sie nicht, was sie erwartete. Sie hatte seinen Gesang gefürchtet, sie wusste, was es ihm bedeutet hatte, es auch nur auszusprechen ... wie es sich angefühlt hatte, es zu erleben, konnte sie sich nicht ausmalen. So weit reichte keine Vorstellung eines Sterblichen.

Fieberhaft wiederholte er, was er einst von ihr gelernt und in so unperfekter Weise angewandt hatte. Der erste Versuch war für einen ersten Versuch natürlich hervorragend gewesen, brilliant unter dem Mantel der Relativität, doch nun galt es, wahre Perfektion walten zu lassen. So sehr sein Verstand sie verachtete, so sehr vergötterte sein Herz sie noch immer, und bei aller Furcht, bei allem Zorn, bei aller Liebe zur Königin Mutter wollte er das Bild, das er von ihr zeichnen würde, perfekt machen.

Was war schon der Dämon gewesen. Was war ein einfacher Sklave, verglichen mit ihr? Er hoffte inständig, dass er sie richtig einschätzte. Dass sie den Traum verstehen würde. Seinen Wunsch, sie teilhaben zu lassen an dem, was ihn gezeichnet hatte. Dass sie verstehen würde, warum er geschwiegen hatte. Du bist ein Verräter? Oh, das sagten ihm so viele in diesen Tagen. Gerade jene, von deren Lippen es besonders schmerzte.

Wie im Wahn verbrachte er die Dunkelzyklen des Tages damit, über die Wiesen zu streichen, gönnte sich Augenblicke der Ruhe in Falkensee, ehe er wieder zu seiner rastlosen Suche aufbrach. Die perfekten Bestandteile waren notwendig, geerntet unter dem Glanz der Gestirne, gesehen vom Astreyon, erwärmt vom Vitamalin, vergiftet vom Dorrayon. Erst als der Tag sich langsam dem Ende neigte, hatte er alles beisammen.

Nun ging es rasch. Das Sinnesgift versetzte er mit dem bittersüßen Saft der dunklen Beeren, mechanisch arbeiteten seine Hände, sein Verstand korrigierte lediglich hier und da beinahe von selbst und ohne bewusstes Zutun die Fehler, die er damals gemacht hatte. In Gedanken war er an der Quelle. Zitterte noch immer, während er die letzten Geheimnisse preisgab, die er schützenswert geglaubt hatte. Sie hatte ihn nicht verachtet für seinen Verrat. Sie war eifersüchtig. Ein merkwürdig kindlicher Beweis, dass sie ihm nichts von alldem nachtragen würde, ihm nichts jemals nachtragen könnte.

Garnichts?
Ein Lächeln zierte die blassen Lippen.

Wenig später sank er in die Laken, die letzten gebetshaften Gesänge verhallten an den Wänden.

Nun stand der grausamste Teil seiner Schöpfung bevor.

Sein eigenes Auge betrachtete seine Züge, eingefasst in das glanzlose Holz - und lauschte seinen Träumen, verinnerlichte Bilder und Worte, und würde sie für Jahrtausende bewahren.


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BeitragVerfasst: 1.04.07, 23:57 
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Wer hätte das gedacht.

Er strich über das struppige, verfilzte Fell der wilden Jungkatze auf seinem Schoß, welche die letzten Reste des Schinkenstückchens zerriss.

Er erinnerte sich nur vage an den Beginn der dunklen Zeit, hatte verbannt, was davor gelegen hatte. Er erinnerte sich, dass auch sie ihn nur nach und nach, nur schleichend allein gelassen hatte. Ihn leiden ließ. Auch sie hatte so vieles beteuert. Immer wieder.

Doch aus irgendeinem Grunde wurden sie sich nicht ähnlich. Er konnte es sich nicht erklären. Loyalität? Schönheit? Wissen? Macht? Etwas war anders. Er konnte es nicht zuordnen. Aber er konnte es spüren.

Und da war die merkwürdige Einsicht. Perfektion? Du Narr. Oh ja, Perfektion. Er hatte ernsthaft daran geglaubt, nicht bewusst, doch es war ein brennender Stich gewesen, als er die Augen öffnen musste, um es einzusehen. Erstaunlicherweise hatte er damals nicht darunter gelitten... vielleicht nie daran geglaubt.

Und doch war es anders.

Und es ließ ihn leiden.

Dass es ihn quälen könnte, hatte er vermutet. Dass es ihn schmerzen würde, war auch nicht abwegig. Dass es ihn zerstören würde, war nun doch eine neue Wendung.

Es fühlte sich gut an.

Absurd auch sein letzter Streich. Noch immer träumte er davon, endlich in die Fluten zu tauchen, umschlossen und behütet vom tosenden Meer, bis salziges Wasser die Lungen füllte, ihn ersticken lassen würde bis der letzte Hauch seines Lebens aus ihm weichen würde. Er hatte sich oft danach gesehnt. Damals hatte er einen Weg fort gefunden. Und zurück...

Er sah der getigerten Katze nach, die das Interesse an den Streicheleinheiten des Elfen verloren hatte und nun zwischen den Wurzeln eines der riesigen Bäume nach einem Rastplatz im Schatten suchte.

Und nun sehnte er sich wieder danach. Bizarr schien es ihm - konnte das sein? Ein altes Feuer, zur Glut verkommen und nun wieder entfacht, nagte an dem Wenig an Sicherheit, das ihm noch geblieben war.

Es fühlte sich gut an.

Verdorben sollst du sein, schwarzes Gift in deinen Adern tragen und Furcht und Leiden nähren, stets im Wissen, dass dies die Tugenden sind, dass all die Weisheit nichts als fader süßer Glanz, dass all das Edle nichts als fahler goldner Schein.

Es fühlte sich gut an.

Und dann brannte sein Innerstes.


Zuletzt geändert von Phobie: 2.04.07, 00:37, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 5.05.07, 19:46 
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Diese blonde Elfe ... merkwürdig unspektakulär sah sie aus, nur das unendlich lange, glatte Haar rief ihm ins Gedächtnis, wer sie war. Ihr beinahe bäuerliches, schlichtes Lächeln ließ ihn sich merkwürdig sicher, ja überlegen fühlen, und er verstand mit einem seinerseits höflichen Lächeln und einem Senken des Kopfes vor ihr, warum ihr Gemahl sie liebte.

Und dieser Elf. Straff gebundenes, pechschwarzes Haar, eisblaue Augen und Züge von atemberaubender Schönheit - für einen Augenblick fühlte er sich an sein Spiegelbild erinnert und erschrak. Das kühle und distanzierte Lächeln erinnerte ihn in einer Weise an ihn selbst, dass ihm unwohl wurde, während er sich vor dem Elfen verneigte. Er ist jünger als du, dachte er und lächelte, wie es sich für jenen, den seine Tochter liebte, geziemte.

***

Spät am Abend hielt er die Arme um ihre Taille geschlossen und starrte über ihre Schulter hinweg in die Flammenzungen, die im Kamin tanzten.
"Warum sieht er mich so an?"
- "Er misstraut dir, niah'ma."
"Warum? Ist er eifersüchtig?"
- "Er fühlt, dass du gefährlich bist. Er verbringt seinen Alltag in dem gleichen Intrigenspiel wie du."
"Deine Mutter vertraut mir."
- "Sie vertraut fast jedem."
"Warum ist dein Bruder nicht hier?"

***

Er sah die Wände zusammenrücken, um ihm den Weg enger zu machen, sah Möbel, die ihm in den Weg sprangen, damit er heftig dagegenstieß und sich beinahe übergab. Hinter sich fühlte er den heißen Atem dieses Magiers, der ihn durch dieses Haus verfolgte, das keinen Ausgang hatte.
Er lief und er rannte, stieß gegen Tische und Schränke, stolperte über Teppiche und Katzen - wo kamen all die Katzen her, bei allen Verdammten? - und er warf sich im letzten Augenblick unter das erstbeste Möbel, als die vor arkanem Beben flatternden schwarzen Haare in der Tür erschienen.
Er fand ihn nicht.
Niemals.
Er blieb still.
Er würde ihn nicht finden.

Wenig später, als die Leisten des Bettes immer wieder bedenklich nahe an seine Nase stießen in ebenmäßigem Rhythmus, verfluchte er, dass der ausgerechnet das Zimmer ihres Bruders zum Versteck erkoren hatte.

***

Noch fünf Tage, dann ist das Fest der Liebenden, dachte er, als er nach dem Aufwachen im dünnen Leinenmantel aus dem Fenster in die Dunkelheit blickte.
Sie hatte ihm ein Ritual angekündigt, und er ahnte, wann es soweit wäre.
Es war nicht direkt so, dass er sich davor fürchtete...
...aber er fürchtete sich davor.


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BeitragVerfasst: 8.05.07, 00:29 
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Der Blitze flinkes Silber skizzierte seine fernsten Ängste an das Firmament, ließen in tiefblauem Glanz ihre Züge aufleuchten, als wäre es sie selbst, die das Schauspiel der Elemente dort oben führte. Mehr und mehr fragte er sich, ob all das göttlicher Fingerzeig war, göttliche Moral, göttliche Strafe für seine ganze Fehlerhaftigkeit.

In mancher Hinsicht war es unglaublich. Ausgerechnet einer der Jünger Bellums, derer, die die Macht ihrer Götter mit aller Härte und Entschlossenheit sonst demonstrierten und keine Doktrin der Kirche in Frage stellten, ausgerechnet einer von ihnen leugnete die Sünde - ausgerechnet ihm gegenüber, der er selbst vom Bittersten gekostet, vom Sauersten geschmeckt, am Süßesten geleckt und am Salzigsten geschleckt hatte. Er wusste sehr genau, wie es sich anfühlte, wenn die Götter von einem Sterblichen nicht viel hielten, doch er zu unterhaltsam, zu vergnüglich ein Spielzeug war, als dass man ihn vernichtete.

Wieder und wieder fürchtete er sich vor ihr, lange schon war er sich nicht sicher gewesen, ob sie nicht eines Tages ihr Gesicht annehmen würde - Gottkönigin Mutter, ihn wieder heimzusuchen, der sie vergessen hatte, ihr entsagt hatte - hatte er das? - er fürchtete sich vor den wunderschönen Augen, die ihn in seltsam distanzierter Kühle noch heute betrachten konnten, ihn zittern ließen - denn manches Mal war er sich nicht sicher, wer es war, der ihn da betrachtete. Er war selbst vor langer Zeit unter ihrem Schutz und Mantel umhergezogen und wusste nur zu gut, wie gefährlich eine filigrane Tarnung sein konnte. Wusste nur zu gut, dass es ihr ein leichtes wäre. Dass es ihr ein leichtes wäre, ihre Schönheit nachzuahmen. Um ihn zu vernichten.

Immer wieder fragte er sich, ob er sie erkenne würde. Insgeheim war er davon überzeugt. Doch was würde es ihm schon nützen.

Deine Gedanken sind meist gefährlicher als deine Taten. Nicht, dass es schmerzlich gewesen wäre. Er wusste es nur zu gut - hatte seinen Mentor dafür verachtet und war selbst nur ein ungeschickter Intrigant, zu risikobereit und zu unbedacht manches Mal, allein, wie er sich aus dem Schlingenspiel um den Weißmagier hatte winden müssen, hätte ihn lehren sollen, wozu er nicht fähig war.

Vielleicht war das die Ironie der Liebe. Erst, wenn man sich wirklich zutiefst in seinem Gegenüber getäuscht hatte, konnte man es wirklich kennenlernen. Er die ihre Macht. Sie die seine Ohnmacht.

Merkwürdig, dass er in jenen Augenblicken an seinen Mentor dachte. Unverschämtes Glück. Fachlich im Grunde nur Mittelmaß - doch kompensiert durch Erfahrung und viel Glück. Doch als Intrigant? Ein Feigling. So sympathisch. So unambitioniert. Scheinbar.

Und er selbst?

Deine Gedanken sind meist gefährlicher als deine Taten. Es schmerzte doch ein wenig. Vielleicht, weil es ein Siegel auf ihrer einstigen, beinahe kindlichen Bewunderung war, weil es damit abschloss - und ihm endgültig bewies, dass sie erwachsen geworden war. Ihm gewachsen war. Ihm vielleicht überlegen war, weil sie ihn auf den Grund durchschaute. Wieder. Und wieder. Und wieder.

Deine Gedanken sind meist gefährlicher als deine Taten. Dass ausgerechnet sie das sagen musste. Sie, die immerhin am häufigsten die Gefährlichkeit seiner Taten erlitten hatte, und - ob nun beabsichtigt oder nicht, war er sich unsicher - manches Mal waren seine Taten noch deutlich schmerzlicher gewesen als seine gedanklichen Planungen.
Irgend etwas an ihr ließ ihn sich fürchten.
Ihre Beständigkeit. Ihre Furchtlosigkeit. Ihre vollkommene Überzeugung, dass nichts und niemand sie davon abbringen würde, an seiner Seite zu stehen - und nicht, wenn sich der Glanz in ihren Augen vom Silber zum Eisen wandeln würde.

Deine Gedanken sind meist gefährlicher als deine Taten. Das Lächeln, das seine Lippen da zierte, war ein trauriges.
Sie hatte meist gesagt.


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BeitragVerfasst: 15.05.07, 02:56 
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Merkwürdig.

Was genau geschehen war, konnte er nicht mehr einordnen. Wirre Fetzen seiner Erinnerung waren zwar vorhanden, Geräusche, Bilder, hier und da ein Gefühl, dessen er sich erinnerte - aber all das ergab keinen Sinn.

Er wusste auch nicht, aus welchem Grund, aber er fühlte sich in jedem einzelnen Augenblick wie ein Verdurstender. Jeder Atemzug fiel unendlich schwer, jedes Öffnen der Lippen ließ ihn fürchten, dass er sie nie mehr schließen würde. Nicht einmal die Sinnesgifte, die er zur Nacht kostete, wollten ihn zur Ruhe kommen lassen. An Schlaf ist nicht zu denken, wenn du nicht atmen kannst.

Vollkommen verstört hatte er sich wiedergefunden auf dieser merkwürdigen Ruine. Niemals hatte er sich derartig tot gefühlt wie er es seit diesem Abend tat - und doch war er von der beängstigenden Sicherheit erfüllt, dass er gerade dort einen sehr unsanften Stoß zurück ins Leben erhalten hatte.

Doch im Augenblick verdurstete er.
Er erhöhte die Dosierung der Gifte.

Er war ihr tatsächlich gefolgt - dabei hatte er es besser gewusst. Nun waren die Bilder klar, das unheimliche Holz der Bäume, der Wald, in dem nur Pflanzen, keinerlei Getier wohnten. Tot trotz all seiner Blüte.

Er erinnerte sich an das Eintauchen, an das Ertrinken, an die Süße dieses Augenblicks als er sein Bewusstsein verlor - an die Angst, die ihm blutige Risse in die Brust stach - an die Hilflosigkeit, als er sich einem Höheren vor die Füße geworfen fühlte - an die Verwirrung, als all das verwirbelt wurde von einem plötzlichen Atemzug - und an das Verdursten ...

Die Zimmerdecke kam näher, drehte sich und färbte sich in tieflockendes Violett, während er lachen musste, aber nicht konnte, weil er seinen Mund nicht öffnen konnte, denn würde er ihn öffnen, würde er augenblicklich verdursten, und würde er nicht, so würde er ersticken - einen klaren Moment lang versuchte er sich zu erinnern, was in dem Sinnesgift alles enthalten gewesen war.

Wasser. Ertrinken. Ersticken. Verdursten.Ich habe
diesen Ort erschaffen.
Ich wollte es doch ausgießen.

Ich würde deine Qualen höchstselbst führen... dafür,
dass du mir gefolgt bist.
Ich wollte es doch
ausgießen. Ich habe zwei Tage lang nur geweint.
Man begeht an Feiertagen der Götter keine Rituale, das
ist gefährliich kann mich an meinen Tod erinn

SuchstduimmernochdenSinnindeinemLebeninetwa
sanderemWarumlebstdudann
fürdichweildumichwahrmachenkannst
duweißtdassesjedentagsoweitseinkann
dahängtein

bildanderwandesistschöneszeigteineschöneelfe
eineschönejungeelfeeineschönejungeun
schuldigeelfeeineschönejungeunschuldige
elfediedasnichtverdienthatund


***

Merkwürdig.


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