Angenehm kühl legte sich der laue Wind des Dunkelzyklus um seinen Körper, eine Gnade nach der Hitze der vergangenen Tage. In der Stadt griff die Seuche um sich, und bisher hatte es all jene, die es ihm wert waren, verschont. Noch sah er keinen Grund, sich um ein Heilmittel zu mühen.
Irgendetwas in den letzten Tagen hatte Erinnerungen an Vandrien, an Pas geweckt, die ihn beständig im Traum heimgesucht hatten.
***
Das schwarze Konvent hatte sich auf der Gebirgshöhe versammelt. Der Tod der Bediensteten des herrschaftlichen Anwesens war gesichert, ihr Überleben nurnoch ihrem Dienst während des Konvents gewidmet. Der Hochmagus, der das Konvent führte, hatte den Ort auserkoren - Streit mit dem Gastwirt, so hieß es.
Er war damals lediglich Begleitung und froh, den Ort zu verlassen. Sie hatten ihn merkwürdig betrachtet - er wurde als Spion verdächtigt, doch sein Bürge war einflussreich. Als es dunkel wurde, stahl er sich auf das Zimmer. Im Morgengrauen würden sie abreisen - und die ganzen zweifelhaften Gestalten, von denen vermutlich jeder Zweite zu Allem für seine Ziele bereit war, hinter sich lassen.
"Schwarze Dämmerung", nannte sich die Bettlektüre, die er an diesem Abend durchblätterte. Das Zimmer war geräumig, da man ihnen ein Zimmer zu zwei Personen zugewiesen hatte; doch nach zwei Jahren bevorzugten sie es noch immer, ihre Bettstätte nicht zu teilen. Ein leises Zischeln erklang plötzlich neben ihm, und er sah auf, hielt es für Einbildung. Merkwürdig sogen sich die Schatten des Raumes zu einem Punkt vor ihm, ließen dort einen schwarzen Riss durch den Raum eröffnen, und im nächsten Augenblick schloss er die Augen, da ein Hinsehen so entwürdigende Angst offenbart hätte.
"Ihr habt schon besser ausgesehen, Rurai ..."
Er mühte sich, es als Einbildung, als Traum, als eine Eskalation seiner Übernächtigungen in logische Form zu zwingen, doch etwas daran war unmissverständlich real.
- "Ihr wisst, dass ich diese Anrede nicht mag."
"Es tut mir leid."
- "Das bildet Ihr Euch im besten Falle ein."
"Von uns beiden warst du stets der Wohlerzogenere..."
- "Ihr konntet Euch im Gegensatz zu mir etwas anderes leisten."
"Öffnet Eure Augen."
Der rasche Herzschlag, die Nervosität, der kühle Schweiß waren umsonst. Der Körper der Frau schmiegte sich in einen länglichen schwarzen Mantel, der die Formen des Leibes eher hervorhob als verdeckte, und er musste unwillkürlich lächeln. Die Hochmaga war unter den Konventgästen gewesen - eine Spionin. Die schwarzen Magier des Ungenannten und die schwarzen Magier jenseits dessen standen seit langem in einem beständigen gegenseitigen Hass und einer merkwürdigen Art des Respekts vor dem Anderen, die gemeinsam dazu führten, dass jede Seite über jeden Schritt der anderen Bescheid wusste, und man sich zu sehr voreinander fürchtete, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Und doch wurde intrigiert, bezahlt, gemeuchelt und vertuscht, wo es möglich war. Schwarzmagier waren so ... berechenbar.
Sharava von Bernstein - eine blondlockige, verarmte Adelige von vornehmer Blässe, die er vor etwa einem halben kennengelernt hatte - trat zu ihm hin und neigte sich leicht zu ihm herab. "Eigentlich muss ich des Wahnsinns sein, mich irgendjemandem hier zu offenbaren. Ob ich Euch vertraue ..."
Ein nachdenklicher, starr musternder Blick berührte ihn, und es belustigte ihn, dass sie ihn schon bei ihrem ersten Treffen nicht einen Augenblick darüber im Unklaren gelassen hatte, wer vor ihm stand. Sie musste von unsäglicher Macht sein, vermutlich erschreckender Macht, und sie hatte sich in den fünfzig Jahren trotz ihres menschlichen Scheins nicht verändert.
- "Was möchtet Ihr hier? Nostalgie treibt jemanden Euresgleichen nicht in solche Gefahr."
"Um ehrlich zu sein, will ich Euch warnen."
Die blasse Schönheit näherte ihr Gesicht dem seinen.
"Um ehrlich zu sein, wisst Ihr genau, weshalb ich hier bin. Ich bin hier, weil meinesgleichen seit Jahrtausenden einen Krieg führt, der ohne Waffen und Magie gefochten wird. Wir suchen, wir lauschen, wir lesen und sehen. Darum leben wir. Gerade Ihr solltet dafür Verständnis haben.
Ich will Euch warnen, dass Ihr Euch in wichtiger Begleitung befindet. Ihr werdet als Erpressungsmittel erwogen. Wir wissen um viel mehr, als Ihr Euch vorstellt. Ihr wärt ein guter Tausch ... unabhängig vom Ergebnis."
Es begann zwischen den spitzen Ohren zu arbeiten. Das Weib war klug - klüger, als sie sein konnte, wenn sie ihn vorwarnte.
- "Warum erfahre ich das?"
"Weil dieses Spiel so konzipiert ist, dass Ihr es erfahrt."
- "Dann habt Ihr es nicht selbst konzipiert."
"Wer bin ich, dass ich mir anmaße, den Krieg zu führen. Ich bin kaum mehr als ein Soldat."
Sie kam ihm mit dem Gesicht so nahe, dass ihre Nasenspitzen sich zu berühren drohten. Das vornehme, sehr hübsche Gesicht verzog sich zu einem bittersanften Lächeln, und die grauen Augen sahen in die seinen. Er wagte nicht zu atmen, während ihr heißer Atem sein Gesicht streifte. Die schlanken Finger wanderten in seine rechte Robentasche, und er schloss seufzend die Augen. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass sie den zweiten Knopf öffnete und aus der dünnen Tasche eine blonde Loche zog, einen prüfenden Blick darauf warf und sie in ihrer eigenen Kleidung verschwinden ließ.
"Du bist nicht dumm, doch man sollte seine Grenzen kennen... - und ganz besonders seine Freunde."
Einen Augenblick lang daurte es, bis sein Verstand in der Lage war, zu akzeptieren, dass ihre Augen gerade für einen Augenblick eine andere Färbung angenommen hatten und zu tausenden winzigen Augen verschiedener Farben verglommen, die gemeinsam ein Mosaik aus Pupille und Augapfel formten. Dann begann sie zu lächeln, die Lippen teilten sich und ein vergnügtes Kichern hallte durch den hohen Raum. Er war nicht in der Lage, zu sprechen. Angst flutete durch seine Adern.
"Seid vorsichtig ... und wahrt künftig einen Abstand von mir - und allem, das Ihr von mir haben solltet - der mir gebührt... Ihr wart sonst auch nicht so unhöflich."
Noch immer brauchte er Zeit, die merkwürdige Anomalie zu deuten, und da wurde sie seinem Denken auch bereits vorweggenommen. Sharava von Bernstein schlug den weiten, schwarzen Mantel erneut weiter um sich und fuhr herum zur Balkontür, als sie für einen Augenblick innehielt. Sanftheit und Vergebung flüsterten nun von ihren Lippen.
"Ihr solltet wirklich vorsichtig sein ... mor-nyril'eij."
Von hinten war es deutlich zu erkennen. Die Schuhe waren verformt, darin steckten keine gesunden Füße. Jede Bewegung wirkte schwankend, jede Regung der Arme eckig. Die Finger unter den Handschuhen waren reglos. Als sich der makellose Leib über die Brüstung des Balkons stürzte, flog der Mantel empor und offenbarte lange, wie kleine Dornen stehende Haare an den Beinen der Frau. Der merkwürdige Blähkörper zwischen den Knien schimmerte prall und gräulich im Schein der Monde. Und zwei kurze, in langen Stacheln endende Spinnenbeine schmiegten sich an die Oberschenkel.
Als die Hochmaga von der Dunkelheit verschluckt war, verschloss er Türen und Fenster. Hastig verzog er die Vorhänge und verschwand unter der schweren Bettdecke.
Dann kam die Furcht. Sie war fort, doch sie wusste, und sie wusste so viel. Es mussten Verräter existieren, es mussten Informanten sterben. Doch konnte er verantworten, seine Mentorin einzuweihen? Sie würden ein Dutzend sterben lassen, die zwölf Untreuesten, und er wollte nicht mehr Blut fließen lassen, als es nötig war. Er war selbst nur durch Glück der letzten "Bereinigung" entgangen, und er erinnerte sich gut an den Hass, den er dieser Willkür wegen empfunden hatte.
Er entschied sich, halb träumend, für das Schweigen. Er würde selbst bereinigen, wenn es an der Zeit dafür war. Er wäre präziser. Es war der Wunsch der Hochmaga, eine Bereinigung zu provozieren. Sie wollte Blut durch eigene Klinge fließen sehen. Er durchschaute sie. Dieses eine Mal.
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