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 Betreff des Beitrags: Briefe an meine Schwester
BeitragVerfasst: 24.02.07, 20:23 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 24.02.07, 20:01
Beiträge: 27
*In blauer Tinte und recht sorgsam, aber eher unausgewogener Schrift verfasst, wobei die gleichen Buchstaben durchaus immer sehr unterschiedlich aussehen.*

„Liebste Schwester...

Ich weiß, diese Schrift wird dich nicht erreichen, da ich nicht weiß wo du bist und doch kann ich nicht anders als an dich zu schreiben.
Jede Nacht träume ich von dir und wünsche dich herbei, aber du bist und bleibst fern.
Die Reise auf diese Insel, die Überfahrt auf dem Schiff, waren mehr als schrecklich. Einige Wochen währenddessen war ich fürchterlich Krank, doch die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl du würdest an meinem Bett stehen und meine Hand halten.
Der Vormund, den Vater für mich bestimmte, war nicht am Hafen als das Schiff anlegte. Es ist nun an die zwei Tage her und ich habe ihn immer noch nicht gefunden..
Erfreulich ist, dass fast ein jeder den Herrn kennt. Es scheint, als habe er überall Freunde, zumindest hoffe ich, dass es welche sind.
Völlig abwegig jedoch erscheint mir das, was man sich so erzählt. Schon auf der Schifffahrt bekam ich solcherlei Märchen zu hören – als würden sie mich für ein Kind halten:
-Der Eine in Person hätte die Insel angegriffen und die Hälfte von ihr zerstört und eingenommen.
-Ein Dämon hätte einen Felsen, so groß wie eine Stadt auf die Insel geworfen.
-Es gäbe ein Volk, was Seelen frisst und nur aus Knochen besteht und sie würden wie eine Sagengeschichte heißen. Die Mythen.
Was ein Unsinn.
Aber ich sage dir, mein Herz, auch wenn Friedegund der Meinung wäre „ Es schickt sich nicht...“ - so würde ich dies alles hier überaus aufregend und spannend finden, wenn... ach wärst du nur hier.“


Seufzend legte das Mädchen die Feder aus der Hand, griff diese wieder auf und strich sich mit dem weichen Flaum über das Kinn. Sie lag auf einem Fell vor einem prasselnden Kaminfeuer, welches ihre unscheinbaren Gesichtszüge in einen leicht rötlichen Schimmer tauchte, der fast der Farbe ihres Haares glich und die Schatten ihrer, im sonst spärlich beleuchteten Raum, tanzen ließ.
Sie hatte sich einige Zeit zuvor unter der Decke in einem der Betten, in dem sie nächtige, versteckt, durch einen Spalt beobachtet, wie die Studiosi (das hatte sie an dem Schild zur Tür des Schlafraumes gelesen) einer nach dem anderen den Raum verließen. Erst als sie sich ganz sicher war, dass alle gegangen waren, wagte sie sich hervor.
Mit so vielen Menschen und sogar Elfen in einem Zimmer zu schlafen war ihr unheimlich – andererseits, solange sie sie nicht bemerkten war es durchweg spannend sie zu beobachten. Immerzu schwatzten sie von magischen Dingen – eigentlich war ihr das nicht geheuer, eher suspekt und dennoch machte sie dies Unbekannte neugierig.

„RUMMPS“!
Die Mauern des Turmes erzitterten, Staub wirbelte aus den Ecken, fiel von der Decke und die Tür des Saals knatschte bedenklich. Noch immer zuckte sie etwas zusammen, auch wenn dies schon das fünfte Mal an diesem Morgen war, dass sie dachte, gleich fiele das Gebäude in sich zusammen. Aber es war nun einmal eine magische Akademie und es musste scheinbar so sein, dass solch seltsame Dinge passierten. Wahrscheinlich lernten einige Schüler den Umgang mit Alchemie – vermutete sie – wobei diese Explosionen schon recht beängstigend waren.
Plötzlich öffnete sich die Tür schwungvoll. Erschrocken setzte sich das Mädchen auf und erstarrte, als sie sah wie ein herrenloser Besen zu dieser herein glitt, dabei in flotter Bewegung gründlich über den Boden hin und her wedelte und so nach und nach den Raum ausfegte.
Hastig flüchtete sie sich auf eines der Hochbetten und betrachtete den Besen mit argwöhnischer Miene. Vor eben jenem Bett hielt der Besen inne und für einen Moment glaube sie sich einzubilden er würde sie ansehen. Aber ebenso rasch verwarf sie den Gedanken. Es war doch nur ein Besen, er hatte ja nicht einmal Augen! Dieser glitt nach kurzem wackeln, was wie abschließend wirkte mitsamt dem Dreck, den er vor sich her schob wieder zur Tür hinaus.
Das reichte nun – das war wirklich, wirklich nicht normal.
Sie packte ihre Sachen, verstaute den Brief sorgsam, warf sich den Umhang um die Schultern und schritt, den Hut greifend, aus dem Schlafsaal.


Zuletzt geändert von Ive: 24.02.07, 20:26, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 20.05.07, 18:32 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 24.02.07, 20:01
Beiträge: 27
Es regnete in Strömen als sie hastigen Schrittes aus dem Burgtor eilte. Der hübsche, seidenüberzogene Hut war mitlerweile einfach nur durchweicht und hing schlaff zu beiden Seiten herab und der garstige Wind peitschte ihr immer wieder die klitschige, lange Feder ins Gesicht. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet, eher noch auf ihre Füße, welche sie schnell über das nun etwas glatte Kopfsteinpflaster schnellen ließ und dabei konzentriert den Pfützen auswich. So bemerkte das Mädchen garnicht wie ihr zwei Gestalten folgten, den langen Gang hinab, die Kaputzen tief ins Gesicht gezogen. Aber wen hätte ein solcher Anblick schon verwundert. Bei dem Regen.
Vor dem Tempel hob sie kurz den Kopf und schüttelte diesen dann. Heute nicht – sie musste doch unbedingt ihren Vormund finden. Zu lang hatte sie sich schon nicht bei ihm blicken lassen, eher noch ihn nicht auffinden können. Und das gehörte sich nicht, das wusste sie.
Die beiden Dunkelgekleideten kamen immer näher an sie heran, beschleunigten ihren Gang um zu ihr aufzuschließen.
Wäre nur dieses verdammte Wetter nicht. Eine Windböh presste der jungen Frau den Rock von hinten an die Beine und ließ sie schaudern als die kalten Tropfen sich ihrer Waden annahmen. Das Unwetter wurde schlimmer denn besser, prasselnd klatschte das Wasser zu Boden und Donner hallte durch die dichte Luft.
Die beiden hatten sie fast erreicht, waren dicht hinter ihr.
Geschwind schlüpfte sie in eine der engeren Gassen um kurz etwas Schutz zu finden, lehnte sich an die Mauer und schloss die Augen. Vielleicht würde es ja nachlassen, wenn sie etwas abwartete.
Die zwei Gerobten gingen vorbei.
Ein Schatten fiel kurz in die Gasse, sodass das Mädchen zur Seite aufsah, doch nichts außer der nebligen Dichte der Regenstriehemen erblickte. Kurz lehnte sie sich aus der Gasse, sah in die Richtung in die sie verschwunden sein müssten. Niemand war auf der Straße.
Eine kalte, nasse Hand schloss sich über ihren Mund und erstickte den folgenden Aufschrei im Keim. Irgendjemand zog sie nach hinten, mit einem Ruck, als sie sich umdrehen wollte, an sich und packte sie so fest am Arm, dass ihr vor Schmerz Tränen in die Augen schossen. Sie sah die Hand – ein dunkler Handschuh bedeckte diese, das Leder durchweicht von Wasser. Sie konnte sie dessen Abgewetztheit regelrecht riechen. Angst erfüllte sie als wäre sie ein leere Krug in diesen man das Gefühl füllt und dazu reichlich Panik mischt. Ruckhaft versuchte sie nach hinten zu treten, in die Hand zu beißen – vergeblich - dadurch wurde der Griff nur noch fenster. Innerhalb weniger Sekunden wurde es plötzlich dunkel. Kratzender Stoff lag über ihren Augen, welche sie hastig geschlossen hatte ehe ihr gewaltvoll ein ebenso stoffener Knebel unter der Hand hindurch in den Mund geschoben wurde und hinter ihrem Kopf festgezurrt. Schnell bereitete sich der Geschmack von ranzigem Fett, von irgendetwas muffig abgestandenen auf ihrer Zunge aus und paarte sich mit eisenartigem, fahlen, was ihr mehr noch schwindel bereitete, als ihre Mundwinkel nach einem Ruck an dem Knebel etwas einrissen.
Niemand sprach und sie war kaum fähig zu versuchen zu schreien, so sehr rang sie nach Luft als sie nach hinten gezerrt wurde. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen den Griff. Scheinbar waren es zwei Personen die sie nun fest packten, ihr die Hände und Füße in raschen Bewegungen zusammenbanden und sie mitschleiften, während sie sich vergebens wandt und um sich trat.
Eine ganze Weile versuchte sie dies noch ehe man sie unsanft auf einen Karren schmiss. Ihr einer Ellenbogen scharbe auf dem Holz entlang und sie sog schmerzhaft hastig durch die Nase Luft ein.
Stille.
Hufschläge erklangen und der Karren erzitterte. Wohl wurde das Pferd vorgespannt. Gerade als sie versuchen wollte sich zu regen wippte der Karren neuerlich und eine Person drückt sie kraftvoll auf die Bretter. „Spürst du das?“, zischte eine leise, jedoch deutlich männliche Stimme während sich eine Spitze scharf durch ihr Kleid und etwas in die Haut unterhalb ihrer Rippen bohrte. „Wenn du noch einen Mucks von dir gibst... dann...“, er sprach nicht weiter und sie verharrte. Plötzlich schien der Regen nach zu lassen, dennoch hörte sie ihn deutlich und schloss daraus, man hatte irgendetwas über das Gefährt gedeckt. Rumpelnd setzte sich der Karren in Bewegung.

„Ah, ihr habt die Kisten ausgeliefert?“, freundlich erkundigte sich eine andere Männliche Stimme von der Seite. Der Karren hielt an.
„Sicher. Wir bringen ihn zurück nach Brandenstein.“, antwortete eine andere männliche Stimme.
Wenn nicht jetzt wann dann. Tief holte sie Luft und versuchte irgendein Geräusch vor zu bringen, doch in dem Moment donnerte es Ohrenbetäubend laut.
Und schon rattete der Karren weiter.
Das Messer verschwand von ihrer Seite. Dafür strich ihr nun eine irgendwie schmierig wirkende Hand durch das Haar während sie der beißend schweißigen Geruch des Mannes einhüllte.
Übelkeit stieg ihr die Kehle empor aber gleichzeitig schien ihr die Angst jene völlig abzuschnühren.
Die Fahrt dauerte eine ganze Weile, wurde immer holpriger wobei sie immer wieder mit dem Ellenbogen über das raue Holz ratschte und mit dem Kopf gegen die Bretter stieß. Alles tat ihr weh und es war eine Erleichterung als der Karren endlich hielt.
Der Regen hatte mitlerweile nachgelassen und stipperte nur noch als man sie vom Karren zog. Ihre Füße wurden losgebunden und einer der beiden griff in ihre Handfesseln und zog sie rücksichtslos mit sich. Sie stolperte mehrere Male und schon bald spürte sie weichen Waldboden durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe. Dornen zerrten an ihrem Rock und schrammten über Arme und Beine. Einige Äste schlugen ihr in das Gesicht, hinterließen Striemen und es musste wohl Blut sein, was nun ihre Wange herab rann. Es kam ihr eine Ewigkeit vor bis sie festeren Boden betrat, wurde kälter und ob des Echos ihrer Schritte glaubte sie, dass sie eine Höhle waren.
Mit einem achtlosen Ruck schmiss sie der eine zu Boden.
Sand... kalter feucht, klammer Sand bedeckte diesen und sie kauerte sich zusammen, bliebt dabei jedoch einfach auf der Seite liegen.

„So wird sie erfrieren, gib ihr irgendetwas.“
„Mach du es doch – der Ort war deine Idee.“
„Damit ich erfriere – du spinnst. Nimm die Pferdedecke.“
Ein entrüstetes Schnauben erklang.
Sie wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, nur merkte sie, dass ihr ganzer Körper zitterte. Irgendwie musste sie weggetreten sein und erst wieder ob des Streitgespräches erwacht.
Als die Decke über sie geworfen wurde schrack sie zusammen, zog dann doch mühsam mit den gefesselten Händen die diese über sich und ließ sich wieder auf den kalten Grund sinken. Es war zwecklos, was sollte sie schon tun. Sie sah nichts, konnte nicht rufen – vielleicht könnte sie davon laufen. In den Wald. Und dann? Sich von einem Wolf fressen lassen? Im ersten Moment erschien es ihr völlig sinnlos. Was sollten diese von ihr wollen. Wenn es ihr Tod gewesen wäre, dann hätten sie sie schon längst umgebracht. Aber so?
Ab und an waren Schritte und leise Stimmen zu vernehmen, doch nun konnte sie nicht mehr verstehen was sie sprachen.
Es schien lange zu brauchen bis sie nicht mehr zitterte – länger noch bis sie in einen unruhigen Schlaf fiel und in dieser Zeit dachte sie... :

.oO( Liebste Schwester.
Ich hoffe ich sehe dich wieder, denn noch immer weiß ich nicht was diese Männer mit mir vorhaben. Warscheinlich werden sie ein Lösegeld fordern – doch bin ich mir nicht sicher ob mein Vormund es bezahlen wird. Wenn überhaupt. Soll ich dir erzählen, von dem was ich fürchte? Es würde nichts nutzen – außer, dass meine Angst wächst. Drum denke ich an dich, denke an den Moment, wo wir uns das letzte Mal sahen. Meine geliebte Schwester.. wär ich nur bei dir. )Oo.


Und irgendwann schlief sie ein.


Zuletzt geändert von Ive: 13.07.07, 01:05, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 22.05.07, 15:35 
Einsiedler
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Die Zeit zog sich hin wie träger Sirup. Es war dunkel – immer. Sie wusste nicht wie viele Tage vergangen waren, ob es, vier, eine Woche, ein Dutzend gar länger war.
Die Männer hatten ihr am zweiten Tag, so glaubte sie, den Knebel aus dem Mund genommen, ihr etwas zu essen und zu trinken gegeben und einen Pfahl in den Boden geschlagen an dem sie ihre Handfesseln befestigten. Die Augenbinde blieb. Eine zweite Decke war hinzugekommen, deutlich wärmer als die erste – aber sie frohr weiterin.
Abwechselnd schien immer einer der Männer bei ihr zu bleiben, sie nicht aus den Augen zu lassen gleich was sie auch tat, denn ab und an hörte sie Schritte, rascheln von Stoff – oder wie ein Korken aus irgendeinem Gefäß gezogen wurde.

Es war kälter als sie erwachte, kälter als an den letzen Tagen – eher in der letzten Zeit. Wie so oft zitterte sie am ganzen Körper und ihre Gedanken schienen erst allmählich zueinander zu finden. Schitte nährten sich, der Sand knirschte unter den Schuhen – stille.

Liebste Schwester...
... ich habe Angst...


Ein stechender Schmerz breitete sich in ihre aus, ein Gefühl wie in Watte gepackt schlang sich um ihren Kopf und dann verschwand alles. Jedes Geräusch, jeder Geruch, jede Wahrnehmung.

Dicke Tropfen pladderten auf sie herab, klatschten ihr ins Gesicht. Es roch nach modrigem Boden. Mit einer Hand tastete sie vorran – öffnete mit einem Ruck die Augen und stellte im gleichen Moment fest, dass sie nicht mehr gefesselt war. Um sie herum standen Bäume, zumindest vermutete sie, dass es welche waren, denn ihre Sicht war verschwommen und erst nach einer Weile gewann die Umgebung schärfere Konturen. Sie wusste nicht wieviel Zeit vergangen war. Es war warmer Sommerregen der hinabging – aber es war nicht Sommer gewesen als...
Sie wollte nicht weiter denken, einfach nicht denken und so konzentrierte sie sich darauf aufzusetehen. Zuerst knickten die Beine einfach unter ihr weg, gaben einfach nach, sodass sie die Hände um einen nahen Ast schlang und nach etlichen Versuchen stand sie unsicher und schwankend, als müsste sie das Gehen erst wieder erlernen.

Irgendwann, an irgendeinem Weg am Waldrand konnte man ein Mädchen aus dem Gebüsch treten sehen. Die Kleider zerfetzt, nur noch Lumpen - dreckig, völlig heruntergekommen, wie halb verhungert und zitternder Schritte trat dieses auf den Weg und folgte ihm.


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BeitragVerfasst: 13.07.07, 00:51 
Einsiedler
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Verständnislos sah das Mädchen mit dem roten Haar und dem milchig, blassen Gesicht auf den Pfirsich in ihrer Hand. Eben noch hatte der Magier ihn ihr in diese gedrückt. Einen Pfirsich. Was hatte dieser Pfirsich nun mit Magie zu tun?
Angestrengt musterte sie ihn von allen Seiten, sodass sich kleine Fältchen auf ihrer Stirn bildeten.
War er vielleicht magisch?
Sie wüsste was sie damit tun sollte, hatte er gesagt.
Ach - und wieso fiel es ihr dann nicht ein?
Ratlos betrachtete sie die Frucht noch eine ganze Weile und schob sie letztlich unberührt in ihre Rocktasche.
Sehr viel Zeit hatte sie ja nicht, um hinter das Geheimnis zu kommen, schließlich hatte ein Pfirsich auch nur eine gewisse Lebensdauer, genauer gesagt eine sehr kurze.

Wenig später, als die Arbeiten des Tages getan waren. Die Küche gefegt, neues Holz nachgelegt, das Wasser aufgefüllt, das dreckige Geschirr gewaschen, sowieso etliche andere Kleinigkeiten erledigt waren saß sie in ihrer Kammer. Ein weißer Kerzenstumpen stand auf dem Tisch, Wachs lief in das kleine Holzschälchen darunter und die Flamme brannte ruhig vor sich her.
Das Gesicht zum Pergament gebeugt hielt sie eine kleine, eher lädiert anmutende Feder in der Hand und schrieb sorgsam in filligranen Lettern.

„Liebste Schwester,
es ist viel geschehen seit meinem letzten Brief an dich.
Ich fand eine Anstellung als Magd bei Hofe, erhielt eine eigene Kammer. Eigentlich belanglose Dinge. Es fällt mir schwer darüber zu sprechen, was wichtig ist.
Wusstest du es? Wusstest du, dass ich die Gabe der Magie besitze. Sicher nicht, sonst hättest du es mir gesagt.
Es ist schon so schlimm genug. Unser Herr Vater würde es verachten und ich bin froh an einem Ort so weit von ihm zu sein, als dass er es nicht erfahren kann.
Ich habe versucht es zu ignorieren. Doch das ist nicht sehr vorteilhaft, wenn man stets Gefahr läuft alles in Brand zu stecken, als bald man wütend wurde.
Weißt du, ich glaube ich würde mich, mehr als noch vor dieser Gabe, fürchten dir zu sagen, dass ich sie besitze. In Erinnerung daran, welche Abscheu wir denen entgegen brachten, die sie besaßen.
Es ist wie ein Rausch. Ein Gefühl von Macht und Erhabenheit durchströmt dich und du merkst nicht, wie das Feuer nicht nur um dich sondern auch dich selbst angreift. Es zerfrisst deine Haut, deine Kleider und erst, wenn deine Wut nachlässt, gibt sich der Schmerz beißend zu erkennen.
Vor kurzem Sprach ich mit dem Hofmagier. Ich musste irgendetwas tun, also fragt ich ihn, wie ich es lernen sollte diese Magie zu beherrschen. Seine Antworten waren mir alle samt ein Rätsel. Ich sollte warten, in mich hineinhorchen und dann würde ich schon merken, wie es ginge. Nicht nur das, zuletzt gab er mir einen Pfirsich in die Hand und sagte, ich wüsste schon, was mit diesem zu tun wäre – intuitiv. Bei den Handelsgesetzen von Draconis, was zum Einen soll ich mir dieser Pfirsich sagen? Außer, dass er spätestens in ein bis zwei Tagen vergammelt.
Verzeih die groben Worte mein Herz, doch ich verzweifle schier an dieser Aufgabe. Es sollte in meinem Leben wohl um andere Dinge gehen, wie die Vermählung mit einer guten Partie. Ist es nicht so angebracht? So wie es unser Herr Vater immer wollte. Ist es Frevel, Verrat – wenn ich nicht mehr so denke, liebste Schwester? Was ist, wenn da jemand wär...
Bitte vergib mir, auch wenn ich stets jeden Gedanken mit dir teilte. Du bist nicht hier, wirst es nicht erfahren und trotzdem bin ich nicht fähig es nieder zu schreiben. Wie feige ich doch bin. Wage es nicht in den Spiegel zu sehen, vor Angst. Furcht – davor, was geschehen könnte, wenn ich dich wieder sehe.

In Liebe

Ive.“


Langsam legt sie die Feder zur Seite und zieht den Pfirsich heraus, stellt ihn neben die Kerze auf den Tisch und betrachtet ihn, während ihre zierlichen Finger den Brief zusammenrollen, einen kleinen roten Faden aus der Rocktasche ziehen und ihn drumherum wickeln. Ohne hinzusehen verknotet sie den Faden, schlingt ihn einmal um eine Schlaufe und zieht eine weitere heraus. Als die Schleife sich festzieht wandert ein leichter, kaum sichtbarer Schimmer über die Rolle und sie verschwindet. Zurück bleibt der Faden, mit dem Knoten und der Schleife, den sie zurück in ihre Tasche schiebt, als wäre es belanglos, um weiterhin rätselnd die Frucht anzustarren.


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