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 Betreff des Beitrags: Zweisamkeit
BeitragVerfasst: 29.06.07, 13:50 
Einsiedler
Einsiedler

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Beiträge: 61
Peitschende Äste, eilige Schritte, zermalmtes Gras und ein Zischen in der Luft. Schneller, genauer! Ziehen! Zielen! Schießen! Er taumelt – er taumelt nur! Ein heftiger Sprung zur Seite, die Muskeln spannen sich bis zum Äußersten. Renn! Ziehen! Zielen! Schießen! Hah! Er sackt ein. Nur mühsam bremsen die Schritte, der Atem stößt heftig aus. Der Blick liegt einzig auf dem japsenden Wesen am Boden. Er röchelt noch. Langsam wird der Pfeil gezogen, fast pathetisch richtet er sich auf die Augen des Wesens, deren Wut und Verzweiflung noch immer brennend funkeln. Ein Zischen. Er ist tot. Seine schwindende Seele wird von einem grausamen Lächeln begleitet – welches just im Moment gefriert.

Der Blick verliert an Sicherheit, während der leblose Körper plötzlich hilfloser und unschuldiger wirkt.

„Was habe ich getan?“ – keine Worte, nur leises Gedankenflimmern. Innerer Nebel zieht auf und blendet die Augen.

Sind das Tränen? Hinfort…

Ein abwehrendes Schütteln zieht durch den Körper, bis der Blick sich klärt und die harten Züge der Jägerin wieder aufblitzen. Der Pelz ist die Trophäe, das Leder der Gewinn.

Ich stehe weit über dir…

Einzig ein leises Wimmern aus der Ferne erhallt. Ferne? Nein, es ist näher, es könnte kaum näher sein. Es kommt von innen – und wird harsch verbannt.

Hier gibt es keinen Platz für dich, Engel, raunt eine Stimme mit Worten in die Luft.

Schon spannen sich die Muskeln wieder. Im Laufschritt bahnen sich Füße ihren Weg durch das Dickicht, zertreten, was ihnen in den Weg kommt. Arme schlagen die wild wachsenden Äste zur Seite, es knackt und bricht. Die Luft brennt warnend auf der Haut. Ein Haus erwächst am Horizont.

Stille.


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 2.07.07, 23:28 
Einsiedler
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Ich möchte nur noch schlafen… ich bin so müde. Jeder Knochen schmerzt, jeder Muskel zerrt, ich möchte aufheulen wie ein verletzter Wolf – doch ich darf nicht schreien oder weinen. Ich bin zu müde, ich muss schlafen… endlich schlafen.

Blitzartig schlagen die Augen auf. Die Nacht dämmert still, als sich der Oberkörper erhebt und ein kalter, gieriger Blick den Raum durchsucht. Noch immer klebt das Leder an der Haut und hält die geschundenen Muskeln beisammen. Die Augenränder prangen tief dunkel auf den versteinerten Gesichtszügen.

Schlaf nur, mein Engel, raunt die Stimme in die Dunkelheit. Ich kann dich grade sowieso nicht brauchen.

Wenige Minuten später steht eine in Leder gewandete junge Frau vor der Tür des Pavillions und steigt Fuß um Fuß an der aus Seilen geflochtenen Leiter hinab. Ihre Gesichtszüge wirken hart und unbändig, während sie ihren Weg in die Wälder um den Sumpf herum antritt und jedes größere Tier in den Schatten der Bäume wild funkelnd mit Pfeil durchbohrt. Mehr, mehr, Blut spritzt, als sie die Pfeile mit zornigem Blick entfernt.

Nach einer guten Stunde wilden Wütens, eilt die Gestalt zurück zum Haus. Sie wirkt kaum erschöpft. Noch immer blicken die wachen Augen gierig umher. Dennoch scheint sie etwas zu hemmen, ein leises Wimmern, mit solch’ verzweifeltem Unterton, dass selbst der Gedanke zum stillen Laut wird. Ein Japsen, eilig heruntergeschluckt. Die Gestalt scheint zu fliehen, die Seile hinauf, hinter die Tür. In einem lauten Knall fällt sie zu.

Stille.

Ein Schluchzen. Ein dumpfes zu Boden sinken und ein Meer schweigender Tränen.

Vitama… vergib mir… ich kann mich nicht wehren…


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 Betreff des Beitrags: Die Chroniken der Zeit
BeitragVerfasst: 13.07.07, 13:03 
Einsiedler
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Wie die Tage verfliegen und doch so stetig drohend über dem eigenen Geist schweben. Eine weitere Nacht bricht herein, eine von so vielen schlaflosen Dunkelzeiten. Wir haben das Zählen aufgegeben, es macht keinen Sinn dem Haltlosen Halt zu geben. In dem Landhaus brennt noch immer Kerzenlicht, obwohl niemand darin wandelt. Der Blick der Nacht ruht auf dem Wesen, welches dem Wahn nahe, einer Besessenen gleich über einem Holzeimer voller Wasser sitzt und wieder und wieder über die blutverkrusteten Lederstücke reibt, kratzt und schrubbt. Ein Lichthauch hätte Unmengen alten Schlammes, Blutes und Grases in der trüben Brühe entlarvt. Er hätte zudem einen die blutunterlaufenen, dunklen Augen des Wesens erhellt, die starr gebannt ins schwarze Wasser blicken. Doch es ist dunkel, kein Licht dringt hinaus auf den Balkon des Hauses. Es zählt sowenig, wie die vergangenen Tage. Ein Moment, ein Augenblick Verzweiflung – so allgegenwärtig und doch so unbedeutend für den Lauf der Zeit.

Wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, was würden wir sehen? Wagen wir einen Blick auf jene Momente, die dem Wesen selbst so fern und undurchsichtig erscheinen? Dringen wir verbotenerweise in ihren Kopf, dessen Nebel manch anderem eine unüberwindbare Hürde ist? Wir sind der Blick der Nacht. Wir lesen in den ungeschriebenen Chroniken der Zeit.


Ein junger Mann lauert im Unterholz des kleinen Waldes. Im Westen erhebt sich das schwach beleuchtete Landhaus, dessen Bewohner ihm vertraut und nah sind. Sein Blick ruht auf der Holztür des oberen Stockwerkes, welches einem von starken Holzstämmen getragenem Zelt gleicht. Eine Eule verharrt in der Krone des Baumes neben ihm. Ihr Ruf erhallt, als sich plötzlich die Tür mit hartem Schlag öffnet. Ein Zucken. Der Lärm schreckt sie auf – sie flieht gen Himmel. Der Blick des jungen Mannes verharrt auf dem Wesen, welches angespannt die geflochtene Leiter hinab stackst. Er findet keinen Anmut in ihren Bewegungen, keine Geschmeidigkeit in ihren sonst so bedächtig gewählten Schritten. Ist es wirklich sie, die er dort sieht? Der Mensch, die Schwester, die er sonst so nah bei sich wusste, wirkt fremd und fern. Was tut sie? Sie wird jagen gehen. Sie spannt ihren Bogen brachial – Blasphemie für jeden Schnitzer, der so viel Zeit und Liebe in sein Werk gesteckt hatte. Der junge Mann verharrt, er rührt sich nicht. Jede falsche Bewegung könnte seinen Tod bedeuten. Selbst jener Gedanke wirkt makaber – sie würde ihren Bogen nie… und doch fragt er sich still, ob das wirklich seine Freundin ist.
Stunden vergehen, während die Monde ihre Bahnen ziehen. Und auch er wartet in seinem Versteck. Seine Augen blicken von Sorge erfüllt in Richtung jener Brücke, von der aus sie zurückkehren wird. Ein Hauch Entsetzen liegt auf seinem Gesicht, Angst spricht aus seinem gedämpften Atem. Er wird sie in wenigen Stunden, noch vor den ersten Sonnenstrahlen sehen. Im Licht der Fackeln wird das frische Blut an ihren Kleidern schimmern. Er wird ihren müden Gang verzeichnen, und das leise Weinen erahnen, welches erklingen mag, sobald die Türe sich wieder schließt.


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 Betreff des Beitrags: Die Chroniken der Zeit II
BeitragVerfasst: 13.07.07, 13:04 
Einsiedler
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Ein Wechsel in den Chroniken. Wir kehren in eine Gedankenwelt ein. Wir müssen vorsichtig sein, manches Wesen verzweifelte an solch tiefen Wesensblicken. Behutsam wagen wir Schritt um Schritt in die dunklen Tiefen, durch verschlungene Netze, deren Fäden angerissen wirken.


Es sind keine Träume – ich muss es verstehen. Ich habe dieses Blut an mir, ich kann es nicht verleugnen. Meine Augen sind müde, doch ich träume nicht. Ich bin wach. Meine Tasche riecht nach Tod. Ich öffne sie – und fürchte mich vor dem, was ich sehen könnte. Ich erinnere mich kaum mehr an den Traum, der keiner ist. Aber ich habe etwas getan. Ich muss sehen, was es war. Ich löse die Schnalle, welche den Inhalt der ledernen Tasche vor fremden Blicken verschließt und schlage das Leder langsam zurück. Blutiges Fleisch, zerrissenes Leder. Nein, das war ich nicht. Jemand muss es in meine Tasche gelegen haben.

Ich bin entsetzt! Blut durchzieht das Innere der Tasche, Bandagen, Äpfel, Birnen, meine Feldflasche, alles ist von Blut getränkt! Nein… ich… ich ertrage das nicht! Ich stürme hinaus zum Balkon und erbreche über den Holzzaun hinab hinab in die Nacht. Alles in mir dreht sich! Alles flieht vor mir, mein Magen krümmt sich schmerzhaft und speit meine Sünden hinaus. Ermattet hänge ich über dem Geländer. Meine Sünden? Ich ringe nach Luft. Ich bin so müde. Meine Sünden? War ich das? Habe ich die Tiere geschlachtet, deren leere, verzerrte Blicke mich Tag und Nacht verfolgen? Ich tue das nicht. Ich bin ein Kind Vitamas. Ich sehe und fühle Leben.

Doch ich… erneut übergebe ich mich, obwohl es schier nichts mehr in mir gibt, dass schmerzfrei nach außen gelangen könnte. Ich spucke Säure und sacke am Geländer hinab zu Boden. Ich kann mich nicht mehr halten. Ich möchte schlafen. Es sind keine Träume. Es ist wirklich. Ich möchte schreien, doch mir fehlt die Kraft. Ich japse auf. Mehr kann ich nicht. Vor meinen Augen sehe ich schwarz und rot. Blut und Nacht. Der Tod wandelt durch meine Hand. Vitama, vergib mir! Bitte, bitte vergib mir! Ich kann es nicht erklären! Ich kann nicht schlafen! Bestraf mich nicht, Morsan! Lass mich schlafen, ich bitte dich! Vergib mir Vitama! Ich spüre die warmen Tränen über meine Wangen rollen – meine Wangen, die sich so kahl und zerfallen anfühlen, wenn ich Träne um Träne verwische.

Wo seid ihr? Meine Menschen, ich kann euch nicht sehen! Meine Götter, ich fühle euch nicht mehr! Habt ihr euch alle abgewandt?


Zuletzt geändert von Ilana Mondah: 13.07.07, 13:07, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Die Chroniken der Zeit III
BeitragVerfasst: 13.07.07, 13:04 
Einsiedler
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Welch grausamer Anblick. Der Blick der Nacht kennt kein Mitleid, keine Gnade. Doch die Linien der Zeit finden Schmerz und Leid. Wir müssen einige Seiten der Chronik überblättern, wir ertragen die schwere Verzweiflung kaum. Fliehen wir den Gedanken. Was birgt die Chronik der letzten drei Tage?


Sie sitzen gemeinsam in einer alten, verfallenen Ruine auf ihren Umhängen, die sorgsam ausgebreitet auf dem Boden liegen. Der junge Mann, dessen Namen in den ewigen Chroniken als Tordred Alfredson verzeichnet ist, spricht in Sorge zu ihr. Die Augen der jungen Frau blicken betrübt zu Boden – sie kennt seine Sorge, versteht sie jedoch selbst nicht. Zwei Lichter in den Chroniken, vertraute Geschwister, trotz ungleichen Blutes.

„Nimm meinen Talisman, Ilana, vielleicht hilft er dir? Du musst zu einem Priester gehen… vielleicht kann er dir helfen?“

Sie lächelt müde, als könne sie jeden Moment auf der Stelle einschlafen. Und doch schläft sie nicht. In ihren Händen liegt der federne Talisman, gleich einem Schatz, über den sie ungewollt stolperte.

„Wo ist Lyrius, kann er dir nicht helfen?“

Ihre Gedanken schweifen ab. Wo ist er? Habe ich ihn in meiner Einsamkeit verjagt? Er fehlt mir so. Ich habe ihn nie von meinen Träumen erzählt, habe mich in Geschäftigkeit verhüllt. Hat er es gemerkt und ist geflohen? Wo bist du, mein Herz, bitte hilf mir doch!

„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn länger nicht gesehen. Er ist viel beschäftigt. Ich will ihn nicht belasten…“. Ihre Stimme klingt kraftlos und zittrig.

„Such einen Priester auf, Ilana, bitte!“.


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 Betreff des Beitrags: Die Chroniken der Zeit IV
BeitragVerfasst: 13.07.07, 13:05 
Einsiedler
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Sind wir zu weit gegangen? Haben wir ein Recht, die ewigen Chroniken einzusehen? Wir haben die Pflicht, den letzten Eintrag zu lesen. Wir dürfen nicht einfach aufgeben, weil das Gelesene uns nicht gefällt. Wir holen tief Luft. Der nächste Eintrag ist das Gestern. Schwarzschimmer. Und tatsächlich finden wir einen Traum, wir finden unruhigen Schlaf. Wir nehmen unsere Kraft nochmals zusammen. Danach können wir den Chroniken vorerst beiseite legen.


Es ist dunkel und angenehm ruhig. Ich stehe im Nichts, um mich herum verhüllt Schwärze die Welt. Und doch bin ich nicht allein. Neben mir stehe ich. Ich kann mich mustern. Ich sehe nicht gut aus. Mein Gesicht wirkt zusammengefallen und doch stehe ich aufrecht. Ich bin nackt. Ich sehe Kratzer, Prellungen und Schürfungen – und meinen harten Blick ins Schwarze. Ich bin Leben – Ich bin Tod. Warum bin ich beides?
Ein Lichtpunkt dringt in die angenehme Schwärze und fordert meinen Blick. Vitama! Da ist Leben! Ich lächle verzückt, spüre Tränen der Freude fallen. Das Licht nimmt zu, es strahlt so hell! Bald erreicht es mich – und ich sehne mich danach, ich will es fühlen! In diesem Licht werde ich alle wieder finden, meine Liebe, meinen Lyrius, meine Freunde, Toddy und Telvar, ich werde sie alle wieder sehen! Neben mir bewege ich mich. Ich sehe zu mir. Mein harter Gang, der gar nicht meiner ist, setzt Schritt vor Schritt vor. Ich schaue entsetzt auf mich. Wie kann ich so unverschämt sein? In diesem Moment rührt man sich nicht! Ich möchte etwas sagen, möchte mich anschreien! Doch ich laufe langsam um mich herum und stelle mich mit hartem Blick vor mich. Ich verdecke das Licht, welches nun verharrt. Ein dunkler Schatten von mir vor mir, umgeben vom Lichterkranz und doch im Weg. Ich rufe mir zu, zu verschwinden! Ich hemme das Licht, kann ich nicht sehen? Dort ist Licht! Ich muss aus dem Weg! Geh! Das Gesicht vor mir lächelt hämisch auf. Meine Stimme erklingt verzerrt im Raum:

„Du bist der Schatten vor dem Licht Vitamas! Du hast dein Recht darauf verwirkt! Das Blut ihres Lebens glänzt an deinen Händen! Du wirst bestraft für deine Sünde!“

„Du kannst nicht über mich richten! Du bist kein… Gott!“, schreie ich mir entgegen. Das Licht verblasst langsam. Ich will zu ihm!

„Ich bin kein Gott und doch kann ich richten! Ich bin du. Und ich bestrafe dich!“

Dunkelheit verhüllt alles. Der Traum endet mit einem Schlag.


Zuletzt geändert von Ilana Mondah: 13.07.07, 13:23, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Junge Tage
BeitragVerfasst: 20.07.07, 12:18 
Einsiedler
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Verschwommen ziehen die Sterne ihre Bahnen. Ihre matten Lichter schimmern düster und verheißungsvoll. Der Blick folgt Ihnen stetig, als könnte dieses Licht plötzliche Antworten schenken - Antworten, die hier unten auf dem nassen Boden im Nichts zu versinken scheinen.

Gedanken ziehen weit übers Meer, durch wilde Stürme und brennend heiße Gewitter. Sie umschiffen Felsen und hohe Klippen, bis sie endlich das Festland erreichen. Sie durchschlängeln eine dicht bewachsene Stadt, in der zu jedem Zyklus reges Leben herrscht.

Ein Gedanke verharrt vor einer heruntergekommenen Taverne, deren Lichter in schmutzigem Orange dämmern. Drinnen herrscht vergleichbare Ruhe. Die wichtigsten Krüge sind für diesen Abend schon zersplittert, die üblichen Stuhlreste stehen bereits im Hinterzimmer - bereit für die tausendste Reperatur. Eine Frau gediegenen Alters verhandelt mit einem wesentlich jüngeren, doch nicht weniger dreckigen Söldner um ihre Nachtruhe.

Andere Gedanken ziehen gemächlich durch die engen, stinkenden Gassen der Stadt. Sie haschen einige Gerüche auf - süßliche Gewürze, gemischt mit Schweiß. Edle Duftstoffe aus Blütenextrakten - neben Blutlachen und diversen Essensresten. Kein Gedanke würde hier freiwillig verharren - selbst wenn die Gerüche einst alltäglich waren. Stattdessen fliegen sie hindurch und lassen die Stadt hinter sich. Ihre Lichter dämmern noch immer mit den Sternen um die Wette, während die Gedanken längst den kleinen Hügel unweit der Stadtn erklimmen. Der Weg hinauf wurde kaum gepflastert, Unkraut wuchert unberührt zwischen ehemaligen Steinplatten, die scheinbar willkürlich verteilt auch fremden Besuchern eine Straße suggerieren lassen sollten. Auf dem Hügel erstreckt sich ein großes Haus mit weiß schimmernder Fassade. Das Schild über dem Eingang wurde grade frisch gestrichen: Haus des Lachens.

Schwester Minna?

Die alte Frau sieht auf und lächelt gütig.

Schwester Minna, ich möchte gern zurückkommen, darf ich?

Das kleine Kind tippelt nervös mit den Füßen auf dem alten Holzboden und sieht immerwieder unsicher hinauf.
Langsam dreht Minna ihren Schaukelstuhl zur Seite und blickt liebevoll vor. Mit einer sanften Geste klopft sie auf ihren Schoss - woraufhin der Strohhut eilig darauf hüpft und den Kopf an die Schulter der Schwester drückt.

Was hast du denn angestellt, dass du weg warst, mein Kind?

Das Mädchen schluchzt leise und vergräbt den Kopf in der Schulter.

Du musst dich schon trauen...


Ich...
Wieder erhallt ein leises Schluchzen, bevor sich der kleine Kopf mit großen, leidenden Augen erhebt.
Ich habe getötet!
Einem Kreischen in höchster Tonlage gleich springen die Worte aus ihrem Mund, der den entsetzten Gesichtsausdruck durch leichte Öffnung noch untermalt.

Schwester Minna streicht behutsam einige der wilden, braunen Strähnen aus dem Gesicht des Kindes und mustert sie nachdenklich.

Wen hast du denn getötet, mein Kleines?

Einen...
Mutig holt das Mädchen Luft und blickt mit versucht festem Blick vor. Einen Hasen.

Die Brauen der Schwester heben sich kurz, was den festen Blick der Kleinen direkt in demütiges Kopfsenken verwandelt.

Wieso hast du den Hasen denn getötet?

Er... er wollte sich nicht auf die Hinterbeine stellen! Da hab ich ihm nen Klaps auf den Kopf gegeben...

Einen Klaps auf den Kopf? So?


Zack - und schon landet die Hand der Erzieherin auf dem Hinterkopf, eher liebevoll als strafend trifft sie auf und lässt das Mädchen leicht zusammenzucken. Instinktiv reibt sie sich den Nacken.

Nein... nicht so.

Wie denn dann, Ilana?

Ich hab ihn mit einem Stein geklappst.



Eilig ziehen die Gedanken sich zurück. Wie angesogen zischen sie durch die Stadt, über das Meer bis hin zu jeder Insel, jener Siedlung, jenem Stück Erde, auf dem die junge Frau mit Blick gen Himmel sitzt.


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 Betreff des Beitrags: Junge Sünden
BeitragVerfasst: 20.07.07, 12:21 
Einsiedler
Einsiedler

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Früh übt sich.... Schmunzelnd blickt sie auf sich hinab. Die Arme sind streng verschränkt, der Blick kalt und unbändig. Das Schmunzeln selbst gleicht einem Dolch im Herzen.

Lass mich in Ruhe... geh weg. Ich schlafe nicht...

Ein kurzes, grelles Auflachen im harten Gesicht der jungen Frau.

Du schläfst nie, Kleines.

Was willst du von mir? Ich habe genug Leid angerichtet, findest du nicht?

Prüfend wiegt der Kopf hin und her, der Blick gleitet nachdenklich in die Ferne.

Du hättest kaum genug Leid angerichtet, wäre es deine Aufgabe.

Müde schielt die am Boden kauernde Frau hinauf zu ihrem Spiegelbild.

Meine... Aufgabe?

Ein bedächtiges Nicken ist die Antwort.

Die Sünden?

Erneut schweigendes Nicken mit hartem, suchenden Blick.

Ich habe nicht gesündigt! Ein Hauch Triumpf klingt in der zittrigen Stimme mit. Vitama zürnt mir nicht, ich war im Tempel. Sie liebt mich!

Erneut wird der Dolch des kalten Schmunzelns gezogen.

Deine Göttern kümmern sich nicht um kleine Hasen. Deine Sünden liegen nicht in ihrem Ermessen, sondern im Meinen.

Ein kurzes Japsen ertönt, als die junge Frau eilig Luft holt.

Du bist ein Fluch, aye? Du bist mein Fluch? Du bist nicht wirklich!

Eine schallende Ohrfeige mit gerissenen Fingernägel später tropft eine schmale Blutlinie die Wange herab. Entsetzen liegt im Blick der jungen Frau, als sie hinauf sieht und ein kaltes Lächeln erntet.

Ich bin so wirklich, wie die Leichen, die deinen Weg pflastern, Kleines. Ich verrate dir ein Geheimnis... sperre die Ohren auf und hör gut zu.

Mit strenger Gradlinigkeit beugt sich das Spiegelbild hinab zu den Ohren der kauernden jungen Frau. Die Worte gleichen einem verzerrten Flüstern.

Sie werden dir nicht helfen können... und wenn der Tag gekommen ist, mein Engel, wirst du für deine Sünden fallen. Einzig der Richter wird auf diesem Spielfeld gewinnen, denn er ist es, der dich hinrichten wird.

Das Spiegelbild richtet sich wieder auf und setzt bereits zum Gehen an, als die zittrige Stimme der hockenden Frau sich erhebt.

Warte..!

Sie verharrt.

Welche Anklage... wirft man.. eh.. mir vor?

Ein letztes Mal wendet sich das Spiegelbild. Sein Blick ruht mißbilligend auf der jungen Frau.

Du lebst für den Tod.

Nahe dem Markt Brandensteins, am Fuße eines Standes sitzt eine junge Frau, deren dunkle Augen starr in die Ferne schauen. Entsetzen liegt noch einige Zeit auf ihrem Gesicht, ein blutiger Kratzer schneidet ihre Wange. Nach einer Weile sieht sie sich verwirrt um, erlebt sich eilig und verschwindet in den Waldstücken, die sich um die Siedlung erstrecken.


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