Monate lang war dieser Tag vorbreitet worden, alle waren eingeladen, alle Gänge getan und heute würde es soweit sein, sie würden den Vitamabund eingehen und von da an, keinen Tag ihres Lebens mehr allein verbringen. Im Tempel nahmen bereits die ersten Gäste platz, nur zwei Plätze würden wohl nicht ausgefüllt werden, die von Inas Eltern. Sie weigerten sich zu kommen und alles nur, weil Henry sie nicht offiziell um die Hand ihrer Tochter gebeten hatte, welch sture Ignoranz. Zu schade eigentlich, aber man konnte es nicht ändern, andererseits konnte man sicher sein, dass sie sich nie wieder bei den Beiden blicken lassen würden, von daher konnte es einem auch fast schon wieder egal sein. Man hatte erreicht was man wollte.
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Ina wurde noch etwas mehr in das Korsett eingeschnürt, so sehr, dass ihr im ersten Moment die Luft wegblieb. Was tat man nicht alles für den einen Tag um ihn wirklich perfekt zu machen?! Das weiße Kleid, welches ihr nun darüber angezogen wurde, schmiegte sich an ihren Proportionen an, zeigte hier und da etwas Haut, ohne zu einsichtig zu sein und unterstrich nur die Schönheit der jungen Braut. Es bestand aus viel Spitze, darunter ein leicht glänzender Stoff, der den Durchblick verhinderte. Die Arme waren weit ausgestellt und der Ausschnitt war mit Bändern besetzt. Man hatte ihr weitere, gekräuselte Bänder in das offene Haar gebunden und kleine Perlen eingeflochten. Zum Schluss wurde ein durchsichtiger Schleier nur locker über ihr Haar gelegt, wo er luftig leicht liegen blieb und ihr Haar und auch ihr Gesicht abdeckte.
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Henry pulte die Manschettenknöpfe durch die Öffnungen am Hemd und sah zu seinem Vater hinüber. Dieser alte Mann hatte ihn sein ganzes Leben über getriezt. “Du hast dir da eine wirklich hübsche Frau gesucht, mein Sohn. Ich bin stolz auf dich.” Stolz, konnte dieser Mann überhaupt für ihn so etwas fühlen wie Stolz, vielleicht sogar Liebe? Henry glaubte es nicht, er heuchelte doch nur, weil man es eben so tat am Tage der Hochzeit seines eigenen Kindes. “Ich habe es schon immer gewusst, dass ihr zwei zusammen gehört, dass konnte man schon damals erkennen, als sie das erste mal zu uns kam.” Als hätte er je etwas erkannt, außer wie oft er noch zuschlagen konnte, ehe man unter dem Schmerz zusammenbrach. Aber er und Ina würden das Ganze schon noch so zum Ende bringen, dass sie ihre Ruhe bekommen würden. Keine Heucheleien mehr, nie wieder.
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Henry stand vorn am Altar und blickte den Tempelgang zurück, an dessen Ende Ina stand. Sie war engelsgleich wie sie den Gang hinab schwebte, so wunderschön, so begehrenswert. Der einzige Farbtupfer an ihr, der Blumenstrauß, welcher aus Goldlilien gebunden war. Jede einzelne war von einem purpurnen Rand umgeben, leicht gezackt und strahlend goldgelb. Er konnte gar nicht anders als Lächeln, es war schon wie ein Zwang, ein wunderbarer Zwang. Als sie endlich neben ihm stand, begann die Zeremonie und die Vitamageweihte erzählte irgendwelche Dinge von Liebe und Treue, von Achtung und all diesem, was immer mal erwähnt sein sollte, ehe man sich schließlich auf ewig band, aber weder Henry noch Ina hörten wirklich ihre Worte, es war, als kämen die Worte wie durch dicke Watte zu ihnen durch. Sie hatten nur Augen füreinander, jede Regung, jeder Atemzug wurde vom Gegenüber aufgenommen. So gedämpft die Worte der Geweihten zu ihnen vordrangen, so klar und deutlich war ihr Eheversprechen und als das “Ja, ich will.” von beiden im Tempel wiederhallte, da hatte das ganze etwas befreiendes. Das alte Leben ließen sie mit diesen drei Worten hinter sich, um ein neues Leben gemeinsam zu beginnen.
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Das kleine Fest nach der Trauung wurde im Hause der Ebbenbachs gefeiert. Es gab nachmittags Kuchen und zum Abendessen wurde Fasan, Schweinebraten, und und und aufgetragen. Es war eine Feier von der man reden würde, da waren sich die Gäste sicher. Reden, ja.. Man würde davon reden, dessen war sich Henry sicher. Als der Nachtisch serviert wurde, flüsterte Henry den Bediensteten zu, dass sie gehen könnten, sie hätten frei, zur Feier des Tages eben, schließlich würde man sie nun wirklich nicht mehr brauchen und das Geschirr würde auch bis morgen warten können. Schließlich forderte er Ina galant auf ihm hinauf zu folgen. Sie hatten noch kein eigenes Haus. Henry hatte sich zum erstaunen seines Vaters die ganze Zeit über geweigert sich vorzeitig Gedanken über das neue Heim zu machen, in welchem er mit Ina zusammen sein Leben verbringen wollte.
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Henrys Hände glitten an ihren Seiten entlang, ganz langsam, als wolle er jeden einzelnen Moment bis zum letzten auskosten, so wie man sich für einen guten Wein zeit ließ um ja nichts von seinem Geschmack zu verschwenden. Er zog die Schnürungen nach und nach auf, bis das Kleid ganz von selbst über ihre weichen, weißen Schultern rutschte und raschelnd zu Boden ging. Er legte seine Lippen auf ihren Hals auf, küsste sie dort sanft und nahm den Weg, Kuss um Kuss weiter bis zum Ansatz ihrer Brüste hinab, nur um inne zu halten. Sein Blick glitt über Ina und das sie umgebende Korsett. Mit einem Schmunzeln zog er einen kleinen, Edelstein besetzten Dolch hervor und schob diesen, ohne ein weiteres Wort, unter die Schnürung des Korsetts. Leise knackend gab die Schnürung nach, als sie Stück um Stück durchtrennt wurde und mit jedem Knacken, schien die Luft um sie herum zu knistern. Als das letzte Stück der Schnürung durchtrennt war, fiel das nun haltlose Korsett ebenfalls zu Boden, so dass nur noch das dünne, seidene Höschen Ina vor der kompletten Nacktheit bewahrte. Mit zwei weiteren Handgriffen, waren jedoch auch die feinen Schnürungen an den Seiten ihrer Hüfte aufgezogen und so stand sie nun vor ihm, wie die Götter sie geschaffen hatten und doch schien sie völlig ohne Scham. Henry nahm sie auf seine Arme und legt sie sanft auf dem Bett ab.
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“Das war wirklich eine schöne Hochzeit, ganz ehrlich, selten so eine hübsche Braut gesehen.” Charlotte fuchtelte etwas unschicklich mit dem Löffel in der Luft herum. “Da hat er wirklich einen guten F.. “ Ihr Redeschwall wurde jäh von einem Hustenanfall unterbrochen. Sie klopfte sich auf die Brust, irgendetwas stimmte nicht. Sie hatte das Gefühl, als würde jemand ihre Lungen zusammen pressen.
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Er zog sich, unter Inas Blicken, aus und legte sich neben sie, so dass er auf der Seite lang und sein Blick ungehindert an ihr hinabstreifen konnte. Sie war überall so makellos und wunderschön. Henry war sicher, dass es keine Frau auf ganz Tare gab, die sie an Schönheit überbieten konnte. Er legte seine Fingerspitzen an ihrem Hals an und zog die Hand langsam zwischen ihren Brüsten hinab bis zu ihrem Bauchnabel. Eine Berührung so sanft wie ein Windhauch und doch lies sie Ina erschaudern und leise aufseufzen. Wie sehr hatte sie sich doch nach diesem Moment gesehnt. Es war nicht leicht gewesen sich immer zu beherrschen, aber es war einfach nicht schicklich sich vor der Ehe dem Mann hinzugeben und nun würden beide ja die Früchte ihres Wartens ernten.
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Nach dem ersten erstaunten Blicken in Charlottes Richtung, wurde hier und da weiteres Husten und Röcheln laut. Gäste die sich an die Kehle griffen, die Augen weiteten und nach jedem Atemzug rangen. Was war das nur?
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Henry bedeckte Inas Leib mit unzähligen Küssen, nicht eine Stelle dabei vergessend. Er sog tief Luft ein und genoss jede Berührung und ihren Geruch, welcher ihn immer an wilde Kirschen erinnerte. Ihre Haut war so weich und warm, alles war so wunderschön und als er zu ihrem Gesicht aufsah und die leidenschaftlich geröteten Wangen sah, da wollte er sich auch nicht länger mehr beherrschen und so glitt er über sie, wobei seine Hände nur wieder sanft und zärtlich über ihren Körper gingen um noch immer jeden Winkel, jeden Spann ihres Körpers zu erforschen.
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Charlotte war die Erste, die plötzlich nach vorn sackte und mit dem Gesicht in der Schokocreme liegen blieb. Ihr Gesicht war blau angelaufen, die Augen noch waren noch im Tode weit geöffnet und ihre Finger lagen verkrampft in ihrem Schoß. Gäste waren aufgesprungen, als würde es irgendetwas helfen, als könnte man vor dem schleichenden Tod davon laufen, doch sie kamen nicht weit und schon brachen sie, noch weit von der Tür entfernt, welche auf skurrile Art und Weise Hoffnung vermittelte, zusammen.
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Voller Leidenschaft balgten sich die Beiden zwischen den Lacken. Lustvolles Stöhnen erfüllte den kleinen Raum und die Hitze beider Leiber schien ihn aufzuheizen. Sie konnten, trotz anfänglichem Schmerzes, welcher Ina durchfuhr, kaum die Finger voneinander lassen. Zu sehr war es das, was beide sich immer schon gewünscht hatten und mit der wachsenden Leidenschaft rückte alles andere schließlich in den Hintergrund. Da waren nur noch sie beide, ihre Liebe und ihre Leidenschaft. Es war die Erfüllung und gleichzeitig die Verheißung von mehr, die Verheißung eines Lebens in Sinnlichkeit.
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Wie lange sie ihre Liebe vollzogen hatten, wussten beide nicht, die Zeit war nicht wichtig in ihrem Leben, nur ihre Liebe. Schließlich lagen sie schwer atmend nebeneinander und blickten sich glücklich an. Ina strich Henry sanft und liebevoll über die Wange und schmiegte ihren Körper an den seinen an. “Wir sollten noch hinab sehen, Pfirsichbäckchen.” Henrys Worte waren nicht mehr als ein Wispern, fast schon als wolle er ihr damit noch eine Liebeserklärung abgeben. “Ja, du hast recht.” Sie lösten sich voneinander und gingen Hand in Hand und völlig nackt zur Treppe hinüber. “Weißt du noch, wie schön dein Lehrer hier gestolpert ist?” Ina schmunzelte leicht auf und ging die Stufen hinab. Die Flügeltüren zum großen Zimmer standen offen, direkt an der Tür lag Onkel Tim. Er war blau angelaufen und rührte sich kein Stück mehr. Ina stieg über den Leichnam hinweg, direkt gefolgt von Henry. Schokoladencreme war verschüttet worden, Gläser lagen zerbrochen auf dem Boden und immer wieder, lagen, wie hübsch drapiert, weiter Tote dazwischen. Ina blickte sich um, hielt einen Moment lang an Henrys toten Eltern inne, ehe sie zu den Fenstern sah. “Wir könnten dunkelrote Vorhänge vor die Fenster hängen, oder was meinst du?” “Du bist mir immer einen Schritt voran, mein Kirschlein, aber lass uns das ganze hier erst noch zu Ende bringen.” Wobei er mit den Worten zur Küche hinüber ging und mit der Hälfte einer sehr dünnen Scheibe des Schweinebratens zurück kam. Fast schon hätte man durch diese Hindurch sehen können. Henry führte Ina wieder hinauf zum Brautbett. “Ich tu dir das nur ungern an, aber irgendwie muss es ja enden, nicht wahr?” Er zerteilte die dünne Scheibe Braten in zwei Hälften, aß selbst die eine Hälfte und fütterte Ina mit einem Schmunzeln mit der anderen Hälfte. Er küsste sie auf die Wange. “Es wird nicht lang sein, das verspreche ich dir, meine Geliebte. Nur lang genug um alle zu täuschen.”
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Nur wenig später, vielleicht einen Zyklus, maximal zwei, kamen die ersten Angestellten des Hauses Ebbenbach wieder zurück, nur um das ganze gräuliche Ausmaß der Hochzeitsfeier zu entdecken. Nach dem ersten Schrecken, war schließlich festgestellt worden, dass Ina und Henry nicht unter den Toten unten waren und so machte man sich auf den Weg auch die Beiden zu suchen, wobei man schon jetzt hinter vorgehaltener Hand flüsterte, dass sie sicherlich nicht mehr da sein würden, man dachte doch tatsächlich, dass die Beiden etwas damit zu tun hatten, doch als man oben am Brautgemach ankam und die Beiden dort vorfand, verstummten jegliche Unkenrufe sofort. Die Beiden lagen eng umschlungen im Bett, Schweiß bedeckt und zitternd, wobei ihre Lippen ein leichtes blau aufwiesen. Unter einem Aufschrei wurde schließlich jemand zum Heiler geschickt, vielleicht konnte man ja wenigstens die Beiden noch retten. Was für ein schrecklicher Tag, der doch eigentlich ihr schönster sein sollte.
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